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Bolivien
DER FREIE KONSUL
Der Widerstand gegen die Meza-Diktatur läuft auf verschiedenen Ebenen: Während sich im Land bewaffnete Minenarbeiter für die ins Exil verreisten Parteiführer schlagen, verfassen diese kampfbewußte Erklärungen und besuchen "Komitees zur Verteidigung der Demokratie in Bolivien" (CONADE), "weil sie demokratische Herrschaftsformen" für "die beste Lösung für das Land" halten. Der bolivianische Ex-Generalkonsul in Hamburg, Juan Emilio Sanchez, machte sogar durch einen Hungerstreik auf seinen Einsatz gegen die Militärdiktatur aufmerksam. Wem er damit etwas bewies, das war angesichts des "sozialen Umfeldes" keine Frage:
Sanchez zeigte sich enttäuscht, daß die BRD, in der viele seiner demokratischen Ideale verwirklicht sind, ihren Botschafter nicht aus La Paz abzieht und ihn selbst sogar auf Weisung der Junta nicht mehr als Konsul anerkennt - womit er der Bundesregierung unterstellt, sie wäre nur dazu da, überall auf der Welt für Demokratie zu sorgen, und sie hätte sich jetzt "einen mir nicht verständlichen Ausrutscher geleistet. "Erfreut" ist er dagegen, daß ein H.U.Klose ihm neben persönlichem Schutz auch "politische Solidarität" zugesagt hat. Hamburgs Bürgermeister bezeichnete Sanchez' öffentliche Erklärung an die Bundesregierung als
"eines der stärksten und bewegendsten Dokumente von persönlichem Mut, das er in jüngster Zeit gelesen habe" und das er der Regierung "bei der Formulierung der deutschen Position gegenüber Botivien zu beachten"
empfiehlt. Worunter man sich alles vorstellen kann, und irgendein Beamter im Auswärtigen Amt wird sie sicher auch gelesen haben! Daß der "solidarische Hamburger Senat" inzwischen kein einziges Schiff aus Bolivien wieder die Elbe hinausgeschickt hat oder für Bolivien bestimmte Ladung im Hafen wieder löschen ließ, stört Sanchez offensichtlich in seinem Glauben an den Bürgermeister nicht weiter. Einigen Sozialdemokraten kam die Gelegenheit also ganz recht, um wieder einmal das Soziale an ihrer Einstellung heraushängen zu lassen. Mit gelegentlich auftauchenden moralischen Vorwürfen, menschenrechtsverletzende Politik in Bolivien zu unterstützen, wird man hierzulande also lässig fertig: Man läßt im Europarat, der sowieso nichts zu entscheiden hat, eine gemeinsame Resolution verabschieden, daß die "Militärjunta eine Herausforderung für alle Demokraten" sei, verbunden mit einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten, die Putschisten zu boykottieren. Gleichzeitig erkennt die BRD das neue Regime wegen der "schwierigen internationalen und diplomatischen Situation" (die armen Politiker!) an, wickelt mit ihm ohne Unterbrechung die laufenden Geschäfte ab und plant neue, wenn nötig mit dem zynischen Hinweis, "ein Wirtschaftsboykott würde zuallererst der ohnehin (!) geknechteten Bevölkerung schaden" (SZ)
- als hätten diesen "Schaden" nicht gerade im Gegenteil die wirtschaftlichen "Beziehungen" Boliviens zum Westen bewirkt.
Nur konsequent war auch das Argument, mit dem Sanchez seinen Hungerstreik abgebrochen hat. Er ist von der demokratischen Öffentlichkeit, vor allem in Gestalt des dafür zuständigen, weil kein Regierungsamt innehabenden Willy Brandt als 'Freiheitssymbol' offiziell anerkannt worden. Demokratischer Applaus und der neue juntatreue Konsul, dem der Hamburger Bürgermeister bei allen "Gewissensqualen" "traditionsgemäß das Exequatur überreichen muß", wartet schon.