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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1980 erschienen.

Systematik

Das aktuelle Stichwort
NICHT-EINMISCHUNG

Wenn Leute großartige Erklärungen vom Stapel lassen über Dinge, die sie nicht tun, so gibt es nur zwei Gründe für ihre Begrundungen: entweder sie wollen einem Ansinnen anderer nicht nachgeben oder sie beharren auf einem Recht, einer Pflicht, einer Verantwortung usw., die sie "eigentlich" wahrzunehmen hätten, aber großzügigerweise ausschlagen.

Wenn Staatsmänner jedes schönen Abends der Welt mitteilen, daß sie sich in die Geschehnisse in irgendeiner Weltgegend nicht einmischen, so wird dies ganz zurecht von niemandem als Desinteresse mißverstanden. Es ist ja auch das direkte Gegenteil davon, zeugt von lebhafter Anteilnahme und von der Zuständigkeit dessen, der da gerade eine muntere Verzichtserklärung abliefert.

Sooft also das Bekenntnis von Politikern abgelegt wird, irgendeinen Konflikt nicht als Anlaß zur Infragestellung eines auswärtigen Souveräns, nicht als Grund für eine "Einmischung" anzusehen, ist das Interesse eine ausgemachte Sache. Und gewöhnlich haben die Erklärungen auch noch einen inhaltlichen Hinweis auf die Natur des Interesses aufzuweisen:

  • da gibt es das ganz abstrakte, jedoch nicht minder lebensgefährliche Interesse daran, daß sich niemand in der Interessensphäre "unseres Bündnisses" zu schaffen macht
  • da gibt es auch konkrete Andeutungen über den bereits zugrundegelegten Stand der "Einmischung": "unsere Beziehungen zu ...", "unser Öl", "unsere Rohstoffversorgung"... Was besagt also die in jüngster Zeit so häufig vorgebrachte Erklärung zur Nicht-Einmischung?

Erstens, daß der so sprechende Souverän sein Interesse an der Benutzung von Land und Leuten anderswo zwar gefährdet sieht, aber gegenwärtig noch nicht zu dem Schluß gelangt, "einzugreifen": denn alle politischen und ökonomischen Erpressungs- und Hilfsmanöver, die gleichzeitig laufen, unterstellen ja die höchstförmliche Einwilligung der fremden Staatsmacht - und nie einen Angriff auf sie.

Zweitens handelt es sich immer um eine Mitteilung an andere Interessenten, deren "Einmischung" genau daraufhin überprüft wird, ob die eigene Zurückhaltung nicht aufzugeben wäre. Drittens schließlich weist gerade der ausgiebige Gebrauch dieser schönen Formel der Diplomatie bei den "Verantwortlichen" der beiden Weltmächte und ihrer schlagkräftigen Partner auf die Gegensätze hin, die mit der Aufteilung der Welt in lauter brauchbare und regierte, für Ausbeutung nützlich gemachte Regionen das weltpolitische Geschehen so gemütlich machen.

Daß der Westen im häufigen Gebrauch jener diplomatischen Formel eine viel größere Glaubwürdigkeit beansprucht, darf als gerecht angesehen werden. Den Regierungen der USA und Europas sind nämlich viel mehr andere Regierungen auf der Welt zu Diensten, so daß sich viel mehr Gründe für Nicht-Einmischungsdrohungen ergeben als für die Weltfriedensmacht. Wer überall seine Interessen auf dem Spiel stehen hat, verteidigt sie natürlich; er hat überall Verbündete und weiß, daß ein militärischer Einsatz die schönste Form der Nicht-Einmischung bleibt - im Unterschied zu Afghanistan!