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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1980 erschienen.

Systematik

Herbstmanöver
LUSTIGES BLUT

"Jetzt kommen die lustigcn Tage,

Schätzel ade,

Und daß ich es dir nur sage,

Es tut mir gar nicht weh,

Denn im Sommer da blüht der rote rote Mohn

Und ein lustiges Blut komm überall davon

Schätzel ade"

Während heuer wieder wie alljährlich mit einer größeren Anzahl junger Bundesbürger in einheitlicher Kleidung das "rasche Heranbringen von Verstärkungen" geübt wurde, das militärische "Zusammenwirken der Bündnisländer (Interoperability)" und der erneute Test, "wie die Führungssysteme auf der NATO-Ebene funktionieren" auf dem Manöverplan stand, hielt es der Manöverbeobachter der "Süddeutschen Zeitung" für nötig, zu verbreiten, dies sehe wegen des heurigen "Krisenjahres" alles nur so "gewollt bedrohlich" aus, sei aber "gar nicht so gemeint".

"Wir" probieren ja auch nur in aller Ruhe aus, wie brauchbar die schönen Verteidigungseinrichtungen sind, die "wir" uns für die Konkurrenz der Waffen hingestellt haben.

Die Manöver der eigenen Truppe haben dann "mit bewußter Vorbereitung eines Krieges ... nichts zu tun". So tut die Presse das Ihre, damit "die alten Tugenden und Tricks der Kriegsführung" nicht in einer "dramatisierten Manöverlandschaft" "erübt" werden müssen. Das hält dem Militär den Rücken frei.

Der Soldat im Manöver...

Für den berüchtigten "einfachen Landser", ohne dessen unverwüstlichen Wahnsinn weder Krieg noch Manöver laufen würde, heißt das, daß es eben seine verdammte Wehrpflicht und Schuldigkeit ist, 15 Monate lang sein Leben durch die Vorbereitung auf den Krieg bestimmen zu lassen, worin man sich mißmutig aber einsichtig zu fügen hat. Und das geht so: Manöver werden von ihm im Vergleich zum normalen Dienst beurteilt. Sie können also ziemlich Scheiße sein, wenn man z.B. das Pech hat zu einer Kampfeinheit von Stoppelhopsern zu gehören, mit viel Dreck, Feindberührung und ewiger Bewegung bei Angriff und Rückzug, bei der die Küche mit dem ohnehin beschissenen Manöverfraß nie nachkommt. Da trauert man dem Kasementrott nach, wo man wenigstens seine Kantine hat.

Ein Manöver kann aber auch Klasse sein, wenn man z.B. ein motorisierter Fernmelder ist, weil man da hoch auf dem gut beheizten grünen Wagen bequem durch die Landschaft gondeln kann, nicht selten vor manch schönem Wirtshaus die Funkverbindung, zusammenbricht, wo man sich dann, endlich der Fuchtel von Kompaniechef, Spieß und Zugführer entronnen, von den wehrfreundlichen Eingeborenen Biere zahlen, mit Futter versorgen und Quartier machen läßt.

Wenn das mit dem Abseilen aber nicht so recht klappt, kann man sich zu dem Zwang zum Mitmachen immer noch einiges hinzudenken: z.B., daß die ganze Veranstaltung doch auch für einen selbst etwas brächte, wie etwa die Gelegenheit, sich in schwierigen Situationen zu bewähren, außergewöhnliche Leistungen zusammen mit Kameraden zu vollbringen (Persönlichkeitsbildung!), kurz, die Gelegenheit, die Scheiße, der man nicht auskommt, so gut mitzumachen, daß man stolz darauf sein kann, wie gut man sie mitgemacht hat.

Die Trockenübungen zur Produktion gegnerischer Leichen werden mit korrektem wehrsportlichem Bewußtsein aufgefaßt als Beitrag zum sinnvollen "Zusammenhalt und Zusammenwirken", sich bei "kurzen Hochleistungen nach langem Leerlauf", in punkto "Zuverlässigkeit trotz Übermüdung" und "guten Nerven und Selbstvertrauen" nicht so leicht übertreffen zu lassen und zu sagen, daß nicht nur die eigene Kompanie die beste ist, sondern daß überhaupt hierzulande immer noch die besten Soldaten der Welt auf den Bäumen wachsen. Gibt es dann auch noch von einem Politiker auf Manöverbesuch Lob dafür, dann wird das Manöver, obwohl es doch immer nur ein unechter Krieg ist, (ein Mangel, der sich trotz des runden Dutzends Toter, die die Übungen alljährlich kosten, in der Diskussion mit echten Kriegsveteranen nicht leugnen läßt) für den Soldaten zum Feld der nachhaltigsten Erlebnisse, die er als Reservist noch erzählt, wenn er mit seinem Opel Kadett wieder bei Rot an der Ampel halten muß, anstatt mit seinem Leo Weidezäune plattwalzen zu dürfen, und wenn er weit und breit keine solche Kameradschaft mehr entdecken kann, wie damals bei dem Haufen, als sie alle so schön gleichmäßig im Dreck lagen.

...für den Ernstfall

So geht demokratisches Militär: Einerseits ist die Wehrpflicht natürlich kein Recht des "Bürgers in Uniform", andererseits aber fallen ihm, ist er erst einmal gezogen, unterstützt von der drillmäßigen Gewöhnung an seinen perversen Job, die richtigen Sachen dazu ganz von allein ein. Das Hin und Her zwischen Drückebergerei und Ehrgeiz, ganz wie es der Dienstplan zuläßt, mit dem Soldaten das Manöver zubringen, ist Beleg für ein Bewußtsein, das auch den "Ernstfall" längst einkalkuliert hat - der wird einem schon beibiegen, wie man dann mit dem erforderlichen Willen zum Sieg "seinen Mann steht".