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BRIEFE ZUR WAHL
Unsere in hoher Auflage verteilten "Argumente zur Wahl", in denen wir die Wahl, die Politiker und ihre Wähler angriffen und darlegten, daß es keinen einzigen Grund gibt, den Herrschaften in Bonn Respekt zu bezeigen, also auch keinen Grund, sie zu wählen, sind nicht ohne Echo geblieben.
An dieser Stelle den Schreibern der vielen Briefe zu danken ist uns aber nach ihrer Lektüre vergangen. Obwohl uns der Standpunkt und das Bewußtsein des demokratischen Bürgers nicht ganz unbekannt sind, sind wir doch erschrocken über seine Mündigkeit. In den Artikeln zur Wahl hatten wir unter anderem auch erklärt, daß Politiker die Menschen auf der Welt sind, vor denen man Angst haben muß. Nun, die Briefe haben uns gezeigt, daß man auch vor dem mündigen demokratischen Bürger, der anständig ist und wählen geht, Angst bekommen kann.
Der mündige Bürger meldet sich zu Wort
Schon die höfliche Anrede gibt dazu Anlaß. Derselbe, der vor denen, die ihn regieren, in Respekt aufgeht und sich gegenüber seinen Mitmenschen normalerweise - geheuchelt oder nicht - höflich aufführt, läßt alle Hemmungen fahren, wenn er einen Gegner seiner staatstreuen Haltung entdeckt, der lediglich ihn und "seine" Politiker kritisiert hat.
"Schmierfink Theo Ebel... Sind Sie dem Bau entsprungen?... Schmierjule... Beschmutze meinen Briefkasten nicht mit Deinem Klopapier. Du alte Kommunistensau... Sie armer Irrer... Sie Magsist. Sie armer im Geiste, übriggebliebener und verstaubter Marxist. Was haben Sie aufzuweisen an Geistesblitzen, an Intelligenz, an Positivem??"
Wer dagegen ist, hat keine Kinderstube gehabt, wühlt in der Scheiße, ist ein Irrer, den man nicht für voll nehmen darf, der doch wohl eingesperrt gehört, während drüben unschuldige Regime-Gegner in Nervenheilanstalten sitzen, oder? Die demokratisch gebremste Gewalt des Bürgers läßt sich zumindest in Wort und Schrift gehen, das ist dann sehr positiv gegenüber dem unanständigen Kritiker des Staates und seiner anständigen und treuen Bürger, die gerade mit dem, was sie gegen Kommunisten rausrotzen, ihre gute Erziehung und daß sie die Politiker verstanden haben, beweisen.
Da ist es nur konsequent, die westdeutsche allgemeine Volksweisheit "Geh doch nach drüben!" ganz persönlich an den Mann zu bringen. Politisch gebildet, wie der mündige Bürger ist, weiß er, daß die beste und einfachste Antwort auf Kritik das Zeigen gen Ost ist, wo es von Dreckschweinen und Irren ja nur so wimmelt. Hier hat ein Gegner des Staates BRD sein Recht zu leben verwirkt.
"Ein Wohnsitzwechsel nach der Sowjetzone oder gleich nach der Sowjetunion würde ihnen gut tun. ... Sie können ja in die DDR, nach Rußland, vielleicht nach Vietnam - wie wär's mit Kambodscha - gehen!!... Ihnen, Marxist Ebel, rate ich, gehen sie in die UDSSR, da gehören sie hin; wo man sogar im Winter Schlange stehen muß vor einem Speiseeisladen! Mir passiert Nov. 1974 in Petersburg!..."
Was soll man da noch sagen? Man will gar nicht rüber, hat nie behauptet, am Realen Sozialismus etwas Gutes zu finden, sondern nur gesagt, daß man den Laden hier Scheiße findet, und schon ist man ein frecher Mitesser, den das freiheitliche Volk der BRD am liebsten nach Sibirien abschieben möchte. Für einen guten Demokraten ist das gerecht. Leute wie unsereiner verdienen nichts Besseres, da sie selbstverständlich nie etwas geleistet haben und deshalb körperlich gesehen unwertes Leben darstellen.
"Ich habe nur den Artikel 'von den Typen' über Schmidt gelesen, das reicht mir! Voll von Polemik, voll Ungereimtheiten versuchen Sie, den Politiker lächerlich zu machen. Vielleicht stellen Sie mal Ihren Lebenslauf dar, wenn Sie einen haben. Sie Schmutzfink, gehen Sie doch dahin, wo der Pfeffer wächst, dann können sie beweisen, ob sie was von der Landwirtschaft verstehen, vielleicht von der Schweinezucht. ...
Ich nehme an, daß Du auch zu diesen unreifen, grünen und frechen Lausern geharst, die alles besser wissen und im Ernstfall doch jämmerlich versagen würden. Wie sonst könntest Du über 2 Männer wie Schmidt und FJS derartige Schmutzkübel ausleeren. Mit Sicherheit haben diese beiden Politiker im Leben schon mehr geleistet als der größte Teil der Typen..."
Die Politiker leisten nichts, sie regieren und repräsentieren. Der mündige Bürger sieht das als Höchstleistung an, während dem Gegner dieser gestreßten Politiker selbstverständlich die Muskeln fehlen. Bürger, die nichts zu sagen haben, ihre Knochen in der Arbeit oder im Krieg hingehalten haben, verehren ihre Obrigkeit und sind sich nicht zu blöd, ihre Opferbereitschaft den großen Taten der Staatsmänner hintanzustellen, anderen aber, die Opfer nicht einsehen wollen, der körperlichen Schwäche und geistigen Krankheit zu überführen. Möge zum Abschluß der Vorstellung dieser schönen Briefe der gekonnte Aufsatz eines promovierten Herrn illustrieren, über welche Argumente der mündige, aufgeklärte und demokratische Bürger verfügt.
"Viel dummes Zeug las ich in meinem 65 j. Leben. Ihnen verleihe ich den Orden 'Dummheit der Weltgeschichte'. Geistige Onanie ist mir immer ein Graus gewesen, aber bei Ihrer Sappelei wird mir richtig übel. Haben Sie denn nichts Produktives zu tun, ich meine Ihre verkorkste Kindheit wegzuräumen, damit Sie mal Ihre dreckigen Hemdsärmel hochkrempeln, um Ihre Muskeln (falls vorhanden) zu betätigen? Sie müßen doch wissen, dass Ihr Hirn kaum zum denken reicht, geschweige denn zum nachdenken. Denn sonst müßten Sie doch wissen, dass Ihr Geschreibsel und Ihr wirklich unkontrolliertes Geschrei seit jahrzehnten völlig, aber völlig sinnlos ist. Ihre Parolen nehme ich bewußt seit meinem 5 ten Lebensjahr (also 60 Jahre) zur Kenntnis und bin dann froh, dass Sie bei Wahlen 0,002% nur erreicht haben. Niemand, bis auf Ihre 0,002% Vollidioten des deutschen Volkes käme auf die verrückte Idee Sie zu wählen. Wenn Sie wenigstens einen Vorschlag hätten. Nichts. Wozu auch, sage ich. Es geht uns doch allen gut. Sehr gut sogar. Jeder Arbeiter (auch jeder Arbeitslose, die ja garnicht arbeiten wollen) hat seine Wohnung, sein gutes Essen, sein Auto, seinen Kühlschrank, seinen Fernseher, seine Waschmaschine, sein Bier, seinen Schnaps, seine 50-60 Zigaretten am Tag und seine Langeweile. Und diese Langeweile haben Sie besonders, denn sonst hätten Sie keine Zeit so einen Quatsch zu schreiben. Leben Sie mal einen Monat wie der ärmste Inder, dann haben Sie nämlich genug Geld gespart, um die Reise in Ihr gelobtes Land gen Osten zu den anderen kommunistischen Chaoten anzutreten.
Ich wünsche Ihnen gute Reise!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
P.S.: Der weichseldeutschen Dichterin Elfriede Jobst bestätigen wir den Zugang ihrer Erzählung "Damals in Lissewo". Da wir keine Ansprüche auf ehemalige deutsche Ostgebiete haben, fassen wir das Buch als Geschenk auf und schauen mal rein. Der zweitletzte Satz ist auf jeden Fall gelungen, "Anna, sei nicht traurig, dich hat zwar niemand im Leben wirklich geliebt, aber ich habe dich immer geliebt."
Es gibt aber selbst 1980 und
Aus der BRD noch Positives
zu berichten. Wir meinen nicht den Brief eines Intellektuellen, der zwar keine Probleme mit der Realität hat, wohl aber philosophische mit derselben und doch tatsächlich meint, wir hätten in unseren Blättern über die Realität hinweggeredet.
"Die einzige Realität ist nicht die Realität, sondern das Sprechen, Denken über diese Realität. D.h. man schießt einen Gedanken ab, lotrecht in die Luft, und wenn der Wind nicht wäre...
Da ich selbst nicht dazu neige, mir unnötige Arbeit mit der Realität zu machen, möchte ich mich bei Euch bedanken." - Laß auch den Quatsch!
Wir meinen auch nicht das feierliche Telegramm mit Seidenblumenmotiv: "Laßt uns nur an Jesus denken und ihm unsere Stimme schenken Erntedankgrüße."
Ebensowenig die Aufforderung eines barmherzigen Samariters, der schreibt:
"Statt solche schönen Blätter drucken zu lassen, könnte man vielleicht diese Energie verwenden, um Einsamen oder Kranken etwas menschliche Wärme und Hilfsbereitschaft verspüren zu lassen." - Wir helfen wann wir wollen, und auch Du solltest dein caritatives Gewissen ablegen und lieber vom Staat verlangen, daß er sich gefälligst um die Resultate seines segensreichen Tuns selbst kümmert!
Auch dem Liebesdienst, um den uns ein Mann namens Jens bittet, können wir leider nicht nachkommen.
"Ich, Jens..., habe eine große Bitte an Sie. Am Samstag dem 4.10.80, einen Tag vor dem Wahlkampf (?), teilte mir eine ihrer Zustellerinnen, ein Mädchen, mit dem ich sehr gerne in Kontakt käme, eine Zeitung aus... Nach einem kurzen Gespräch verlief sich unser Weg. Es war in Höhe von Kaufhof Schildgasse in Köln um ca. 16 Uhr. Sie, etwa 1,72 cm groß, trug grüne Cordjacke, Jeanshose?... schwarzes krauses Haar, etwas gelockt, schlank. Ich wäre Ihnen sehr dankbar..."
Lieber Jens, Du kannst glauben, daß wir Verständnis für Deinen Wunsch haben, zumal Mächen mit schlanken Jeanshosen immer seltener werden. Trotzdem mußt Du verstehen, daß wir die "Argumente zur Wahl" anders gemeint haben und nicht deshalb geschrieben haben, damit Du Deine Wahl treffen kannst. Wie Du den Briefen unter I entnimmst, bewahren wir Dich so nur davor, in die Fänge einer schmierfinkigen armen Irren ohne Saft und Kraft zu geraten. Also im Guten: Such Dir Deine Frau selber und laß unsere süßen Miezen in Ruhe!
Also, diese Briefe reihen wir nicht unter "positiv" ein. Ein wenig schon den folgenden, dessen Absender sich zumindest über unsere Blätter gefreut hat:
"Jetzt habe ich zwei Blätter von Euch 'Argumente zur Wahl' und habe beim Lesen vor Freude mit der Faust auf den Tisch gehaut.
Ihr seid mir Spaßvögel! Das habt Ihr wirklich gut geschildert. Abgesehen davon, daß Ihr Schlawiner es mit uns auch nicht gut meint, hättet Ihr schon recht. Man sollte gar nicht wählen. Denn wer mag schon die Böcke in Bonn. Jeder aber denkt, wenn er auch nicht geht, gehen die anderen. Und dann kommen die noch schlechteren dran. Weil jeder die anderen für die noch schlechteren hält, klappt der Schwindel, der sich Demokratie nennt."
Die Demokratie ist nur kein Schwindel, sondern läuft genauso, wie Du es beschreibst. Also zieh die Konsequenzen!
Der Brief von Augustin Souchy kann leider nur in seinem ersten Satz unseren ungeteilten Beifall finden.
"Genossen,
die 'Argumente zur Wahl' finden meinen Beifall. Dennoch möchte ich Euch auf einen Irrtum aufmerksam machen. Seit den Anfängen der Internationalen Arbeiterbewegung waren es gerade Karl Marx und seine Epigonen, die sich für die Wahlen einsetzten und die Wahlgegner, die damals vor allem Bakunisten waren, bekämpften. Auch der Marxist Lenin hat sich für die Beteiligung der Kommunisten an den Wahlen eingesetzt. Die auf Marx eingeschworenen Kommunisten beteiligen sich gleichfalls an den Wahlen. Sowohl die gemäßigten als auch die radikalen Marxisten sind parlamentarisch, wie es ihr Meister und Gott selbst war. Wenn Ihr konsequent sein wollt, müßt Ihr Euern Namen ändern. Wie wär's mit: 'Antimarxistischer Sozialistengruppe'?
Ein 88jähriger Veteran der internationalen Arbeiterbeweeung grüßt Euch
Augustin Souchy"
Genosse Augustin! Wir sind uns sicher, daß Marx und Lenin Gegner des bürgerlichen Staates, der Demokratie und damit auch von Wahlen gewesen sind. Wegen der Güte demokratischer Abstimmungen haben sie sicher nie für die Teilnahme an einer Wahl plädiert, wenn doch, so war das Mist. Wir nennen uns nämlich MARXISTISCHE GRUPPE, weil wir die Kritik von Marx am Kapitalismus für richtig halten. - Trotzdem: Wir haben uns darüber gefreut, daß es noch Genossen der internationalen Arbeiterbewegung gibt, die vom Staat nichts halten.
Zum Schluß sei die Karte zitiert, die uns am besten gefallen hat:
"Sehr geehrter Herr Ebel,
in Frankfurt wurde Ihre Information 'ARGUMENTE ZUR WAHL' (MG) verteilt. Leider bekam ich nur 1 Exemplar. Ich habe es Wort für Wort gelesen und bestätige Ihnen, daß ich in meiner 25jährigen Zugehörigkeit zur Bundesrepublik noch keine bessere 'Wahllektüre' gelesen habe. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, könnten Sie mir noch 5 Exemplare übersenden, zum Verteilen an meinen engsten Bekanntenkreis. Ablichten ist wegen des Formats schwierig. Es ist aber so gut, wie nichts zuvor!
Danke und freundliche Grüße!"