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Psychoanalyse
DER UNWÜRDIGE DOKTOR
Über die Praktiken des fleißigen Instituts- und Gesellschaftengründers Dr. Ammon ist es durch einige mehr oder weniger spektukalär ausgestiegene Mitarbeiter zu einer öffentlich ausgetragenen Fehde gekommen, in der alle Register gezogen werden, über die die professionellen Menschenfreunde und die öffentlichen Begutachter ihres Wirkens verfügen.
Häßliche Töne über die lukrative Seite des psychoanalytischen Dienstes am Nächsten sind dabei nur der Auftakt zum Sich-gegenseitig-Analysieren, daß die Schwarte kracht: ganz ohne verständnistriefende Umstände erklärt man einander zum gemeingefährlichen Irren. Die aufgeklärte Öffentlichkeit, soweit sie sich nicht ganz auf die eine Seite schlägt, sondern glaubt, es sei ihre Schuldigkeit, über den Parteien zu stehen, ist durchaus auf der Höhe der Psychologie der wechselseitigen Anpinkelei:
"In manchen Wissenschaften tauchen zuweilen "Scharlatane" auf... Gegenwärtig gilt der Berliner Psychoanalytiker Dr. Günter Ammon als ein solcher Scharlatan. Manches spricht, dafür, daß er tatsächlich einer ist. Es muß aber auch eine beeindruckende Persönlichkeit sein, wenn ehemalige Schüler, die sich von ihm emimzipierten, nun mit blankem Haß und einer widerlich anmutenden Häme öffentlich über ihn herfallen." (Frankfurter Rundschau vom 10.5.80)
Gelehrige Schüler
Dieser Appell zur "Versachlichung" der Auseinandersetzung demonstriert, welcher Natur die Souveränität ist, zu der einem die Kunst des psychologischen Argumentierens verhilft: was diejenigen, die Ammon attackieren, beabsichtigen, was sie wollen, ist keiner weiteren Prüfung zu unterziehen, wenn man sich dazu entschließt, die Attacke als unwillkürlichen Ausdruck von im Inneren unbewußt tobenden Abnabelungskämpfen zu durchschauen. Diejenigen, die hier mit dem Argument abgefertigt werden, ihre Gegnerschaft entbehre dem von der wissenschaftlichen Zunft einfach zu erwartenden respektvollen Umgang miteinander und sei deswegen nichts anderes als unbewältigte Anhänglichkeit, beherrschen das Prinzip solcher Offenbarungen freilich nicht nur selber perfekt, sondern hatten bereits dessen Anwendung auf sich selbst dem gebildeten Laien aus der "Rundschau"Redaktion vorexerziert - allerdings mit dem feinen Unterschied, daß sie dergestalt die Denunziation der "beeindruckeriden Persönlichkeit" Ammons samt bei ihm verbliebener Schülerschaft ins Werk setzten. In einer Spitzenleistung psychologischer Heuchelei bezeugen die "Dissidenten", sie seien abhängige Dackel - gewesen, weshalb ihr Wunsch, nunmehr dem ehemaligen Lehrmeister in die Suppe zu spucken, gar nicht genug gewürdigt werden kann:
"Das fällt uns nicht leicht. Wer jahrelang im Bannkreis des Herrn A. gelebt und gearbeitet hat, wer von ihm und seinen Leuten ausgebildet worden ist, der läuft Gefabr, daß ihm in dieser Zeit seine ganze Kritikfähigkeit und seine Zivilcourage weganalysiert werden. Es bleibt nicht aus, daß viele DAP-Psychoanalytiker durch lange Liegekuren auf der Couch des Herrn A. und seine Ehefrau Gisela das Rückgrat verloren haben." (Bass/Battenberg in "Spiegel" 17/80)
Der Dreh, ihre vormalige Absicht, in Ammons Verein mitzumachen, für nicht existent zu erklären, indem sie ihren Willen, sich wieder und wieder in Ammons Analyse zu begeben, nicht sich, sondern den dort erfolgten Einflüsterungen des diabolischen Herrn und Meisters zurechnen, zeigt, daß sie auf der Couch des Lehrers solides psychoanalytisches Rüstzeug mitbekommen haben. Mit ihrer Lüge exemplifizieren die gelehrigen Schüler das psychoanalytische Prinzip, mit der Erfindung von "Ich-Defiziten" und anderen Unter- und Überschüssen im inneren Instanzenwesen jedweden bestimmten Inhalt des Willens madig zu machen und zu entschuldigen zugleich: Wenn man mit einem "Loch im Ich" herumläuft, dann kann das, was man will,auch nur höchst bedingt der eigene Wille sein. Daß die Lehre von der unbewußten Bedingtheit des Bewußtseins ein sich selbst aufhebender Widerspruch ist, hindert also nicht, sie als patentes Verfahren des zwischen menschlichen Verkehrs zu nutzen: Eigene wie fremde Absichten lassen sich mit Hilfe dieser Logik in der jeweils gefälligen Relativierung darstellen. Das ist allerdings wirklich keine Hexerei, sondern ein Interpretationsverfahren, das man sich mit Wille und Bewußtsein zu eigen macht.
Psycho-Terror eines modernen Dr. Caligari?
Die Notwendigkeit die Menschheit vor dem Dr. Ammon zu warnen, den man des "Omnipotenzwahns" überführt, ergibt sich für die lieben Kollegen also deswegen, weil sie sich wirklich wie die bekehrten Sektenanhänger aufführen, die dieselbe psychologische Weltsicht, mit der sie sich für den 'Scharlatan' begeistert haben, jetzt enttäuscht gegen ihn ins Feld führen, weil er mit ihnen als Psychologen den Umgang gepflegt haben soll, der sich nur gegenüber dem Patienten gehört. Deswegen wird aus dem psychologisch interpretierten Wunschtraum des Berufstandes - den Selbstzweifel des 'Patienten' und seine Erwartungen an den Therapeuten zu benutzen, um alles auszuräumen, was diesem Zweifel noch entgegensteht - erstens ein Machtverhältnis über den 'Betroffenen', zweitens man selbst nun 'Opfer' und drittens Dr. Ammon nun verantwortungsloser Mißbraucher seiner geheimnisvollen Kräfte gegen die hilflosen Kollegen:
"Die Verantwortung für sich selbst hat man an der Türschwelle abzulegen; tut man es nicht, ist man Beschimpfungen und Schmeicheleien im wilden Wechsel ausgesetzt, bis man nicht mehr hindurchsteigt durch das Gewirr von Übertragungen, Abwehr, ausagierter Ambivalenz oder Psychopathie das einem entgegengeschleudert wird - und aufgibt sich aufgibt und beginnt dem Führer zu dienen." (Nani Schlipper, Diplompsycholopin, in einem Leserbrief an die"Süddeutsche Zeitung" vom 23.6.80)
Wahrlich dämonische Verführungskünste: das Stakkato psychoanalytischer Termini - die allesamt nichts weiter zum Inhalt haben als die Beteuerung, daß es die Psychoanalyse bei der Bewußtmachung des Unbewußten schrecklich schwer hat, weil dieses sich geschickt als Bewußtsein tarnt - soll den eigenen Entschluß, sich in den Analyse-Sitzungen bei Ammon zu einem klaren Bewußtsein der eigenen BewuOßlosigkeit emporzuarbeiten, zum "Psycho-Terror" eines modernen Dr. Caligari stilisieren.
Die alberne Vorstellung von der Knetbarkeit - zum Guten wie zum Bösen - der psychoanalytisch aufgesperrten Seele, die Ammon erst zur Ehre der Gemeingefährlichkeit verhilft, teilen auch die Nicht-Profis, die zur Schicksalsmacht Ammon Stellung beziehen:
- der "Spiegel" tut es mit gewohnter intellektueller Überlegenheit, die in diesem Falle die Position des Über-Analytikers bezieht; er konnte nämlich in Erfahrung bringen - und läßt damit seine Betrachtungen zu Ammon ausklingen -, daß Psychoanalytiker selbst furchtbar Schiß haben vor den Geistern, die sie rufen, daß ihre Berufswahl eine einzige Flucht ist vor der Macht der Psychoanalyse:
"'Omnipotenz- und Elitephantasien', meinte Stollberg, seien bei Analytikern gang und gäbe. Ganz generell entgehe man dem persönlichen Herausgefordertsein durch die Psychoanalyse nämlich am besten, indem man selbst Psychoanalytiker werde." (Spiegel, 17/80)
- der gebildete Normalbürger hätte das zwar auch gerne so schön gesagt, dafür hat er aber immerhin einen adretten Leserbrief an die SZ geschrieben, in dem steht: nur weiter so mit der "Aufklärung über die Struktur von Sektenführung", weil das blöde Volk ist ja so leicht zu manipulieren...
Dem Irrationalismus, der das Lebenselixier von Ammons Verein ist, wissen sich also alle kritischen Stimmen zu seinem Treiben so sehr verpflichtet, daß sie meinen, ihn gegen Ammon in Schutz nehmen zu müssen. Seine angebliche Gefährlichkeit kann der Grund für diese Bemühungen nicht sein, denn die ist eine Erfindung.
Willkürlicher Aufstieg und Fall
Näher kommt man der Sache, wenn man folgender blöden Frage auf den Grund geht:
"Wie kommt ein Psychoanalytiker, denen man gewöhnlich doch Zurückhaltung nachsagt, zu soviel Geld?" (Die Psychoanalytiker Bass und Battenberg im "Spiegel" 17/80)
Sehr taktvoll formuliert, nur kein Widerspruch! Einer von den beiden, die sich diese Formulierung abgerungen haben - es sind dieselben, von denen auch das Bild vom auf der Couch gelassenen Rückgrat stammt -, erinnert sich an anderer Stelle verbittert seiner unterbezahlten, völlig willenlosen Aufopferung für den scheffelnden "Sektenführer":
"Meine wöchentliche Arbeitszeit im Institut betrug bis zu 80 Stunden, wobei davon nicht einmal die Hälfte für therapeutische Arbeit eingesetzt wurde. Der Rest waren kleine Nebenbeschäftigungen wie: an einer Klausurtagung als Leiter teilnehmen (Verdienst: 1000 Mark, die man für Unterkunft, Verpflegung, Flug und Teilnahmegebühr bezahlen durfte), Leitung von Gruppen, dynamischen Gruppen im Institut (Verdienst ging an 'das Institut'), Streichen der Institutswände, Führen von Vorgesprächen, Leitung des psychoanalytischen Kindergartens (15 Stunden Arbeitszeit pro Woche, Verdienst: massive Vorwürfe bei den kleinsten Fehlern), Adressenschreiben für die Werbung, Leserbriefe schreiben, Vorträge besuchen und im Sinne der Schule zu diskutieren." (Battenberg ohne Zeilenhonorar in einem Leserbrief an die SZ vom 27.3.80)
Stramm diktiert und keinen roten Heller dafür gesehen: wirklich erschreckend, wie er sich "automatenhaft" dem teuflischen Dr. Mabuse drangegeben hat. Der hat ihn ja auch manipuliert - mit der Aussicht auf Bares:
"Verspricht man den Kandidaten dann auch noch die goldenen Berge, die sie verdienen werden, wenn erst die Ausbildung abgeschlossen ist, und läßt sie auf der Analysencouch 'beichten', ist es leicht, besonders die Labileren unter ihnen zu manipulieren. Willig folgen sie den immer neuen Spendenaufrufen und helfen Ammons Kongresse und seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren." (Bass/Battenberg)
Die Lehrzeit in Ammons Institut, das Zugang zum bekanntermaßen ebenso lukrativen wie exklusiven Beruf des Psychoanalytikers eröffnet, ist offensichtlich, wie andernorts auch, kostspielig, aber das nimmt man ja nicht umsonst in Kauf; böses Blut schafft Ammon dadurch, daß er besondere Chancen eröffnet:
"'Nach einem halben Jahr therapeutischer Behandlung sagte mir Ammon, wie begabt ich für eine psychoanalytische Ausbildung sei' - gesagt, getan. 'Ich durfte mit einer Lehranalyse auf der Couch beginnen, beim stellvertretenden Institutsleiter, der aber damals selbst noch auf der Couch des Institutsleiters lag'. Solche Karrieren waren und sind im Bannkreis der Ammon-Institute durchaus üblich". (Spiegel 17/80)
Die Abkürzung der Lehrzeit und damit -kosten setzt natürlich besondere Diensteifrigkeit voraus, ist damit aber noch nicht garantiert, denn einzig die Willkür des Firmenchefs ist das Kriterium dafür, ob man schon würdig zum Aufstieg ist:
"'Ich gehe einfach durch die Gruppen durch und schnuppere sozusagen, was da los ist und wie sich die Ausbildungskandidaten bewähren...'." (Ammon zitiert nach "Süddeutsche Zeitung" vom 20.3.80)
Ein Skandal -
"Der willkürliche Aufstieg und Fall von Therapeuten... Ammon glaubt sich über die sonst für die Psychotherapeutenqualifikation gültigen Richtlinien hinwegsetzen zu können." (ebenda)
- angesichts der Seriosität, mit der der Zugang zum Gewerbe ansonsten geregelt wird. Daß diese Seriosität institutionalisierte Willkür ist, daß nur der, den die Lehranalytiker für eine 'reife Persönlichkeit' befinden, nach festgesetzter Zeit die Erlaubnis erhält, durch die immergleichen Durchdringungszeremonien so weit zu reifen (wenn man ein Dr. med. ist, reift man übrigens doppelt so schnell wie ein Dipl. Psych.), daß er berufsmäßig andere der Scheinbarkeit ihres Bewußtseins überführen darf - tut dem Skandal keinen Abbruch, sondern ist seine Basis. Denn indem Ammon die Willkür seiner Person etwas mehr als gewöhnlich bei den üblichen Ausbildungs-Riten in den erlauchten Kreis der Psychoanalytiker betätigt, bringt er die anerkannten Privilegien dieses Standes ins Zwielicht. Jedenfalls dann, wenn diejenigen, die die psychologische Weltanschauung an sich selbst zu Ausbildungszwecken praktizieren lassen müssen, um als "gereifte" und "verantwortungsvolle" Persönlichkeiten dasselbe mit "ungefestigten" Klienten machen zu dürfen, sich dabei nicht genügend respektiert fühlen.
Vertrauensverluste eines Psycho-Multi
Weil die Privilegien des Psychoanalytikerstandes als verdiente zu gelten haben, sorgen sich die journalistischen Tugendbolde, durch die die Enttäuschung einer Hand voll Psycho-Karrieristen überhaupt erst Staub aufwirbeln konnte, auch mit diesen um Ammonns Klientel, die unbedingt auf die Couch der Ex-Ammon-Schüler gehört, weil er ihr Vertrauen enttäuscht hat.
Sorgen um diejenigen, die beschlossen haben, diverse "Defizite" an ihrem "Selbst" mit Hilfe eines Fachmannes zu erfinden, macht man sich aber nicht nur mit dem erwähnten Behexungsgeschmarre, sondern auch ganz ganz realistisch und konkret - ein schlimmes Durcheinander im Inneren der psychoanalytisch Bedienten löst es nämlich aus, wenn Ammon die einfühlsamen Laberköpfe von seinen Gnaden austauscht:
"Doch die eigentlich Leidtragenden sind die Patienten. Viele von ihnen haben jahrelang vergeblich nach einer Behandlungsmöglichkeit gesucht. Wenn sie schließlich in einem DAP-Institut untergekommen sind, kann es ihnen passieren, daß der behandelnde Therapeut viermal im Jahr ausgewechselt wird! Wie die Patienten damit fertig werden, ist ihre Sache... Solche 'Behandlung' kann seelisch Kranken nur schaden." (Spiegel 17/80)
Natürlich kann vom Geld nicht höflich geschwiegen werden -
"Bei 10 bis 15 Gruppen mit je 8 bis 12 Teilnehmern läßt sich der Verdienst eines Institutsleiters abschätzen. Die Patienten braucht das freilich erst dann zu interessieren, wenn sie für ihr Geld keine qualifizierte Hilfe mehr bekommen." (Süddeutsche Zeitung vom 20.3.80) -,
wenn die Verdientheit des Verdiensts in Frage steht.
Im Falle Ammons ist also sonnenklar, daß sein Konto die Ideale blamiert. So werden "wohl-klingende Institutsnamen" anrüchig; man hat die wahre Natur des "Psycho-Multi" durchschaut:
"Nebenbei repräsentiert der dickleibige Doktor auch noch den 'Konstantinianischen Orden des Heiligen Georg' für die 'gesamte Bundesrepublik und West-Berlin', fand vorübergehend Zeit, seiner 'Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin' als Präsident vorzustehen und seiner 'Berliner Schule' eigenem Bekunden nach 'weltweite Anerkennung' zu verschaffen." (Spiegel 17/80)
Neben Ammons Geschäftssinn wird also auch seine Eitelkeit -
"...der Psycho-Multi ohne falsche Bescheidenheit..." (ebenda) -
zum Stein des Anstoßes. Daß Ammon meint, auf die Gepflogenheit verzichten zu können, seine Eitelkeit als Bescheidenheit vorzutragen - 'ach ich bitte Sie, das hätte doch jeder an meiner Stelle getan und wahrscheinlich besser' - und stattdessen eine
"Bürgerinitiative Günter Ammon und sein Wirken für die Menschenrechte in der Psychiatrie"
gründen läßt, daß er über der Zufriedenheit mit der Anschleimerei derer, die etwas bei ihm werden wollen, seine holde Selbstzufriedenheit ohne Umschweife zur Darstellung bringt -
"...Hauskongresse, die antiken Jubelfeiern gleichen..." (ebenda) -,
zeigt, was man da vor sich hat: Ein durch und durch unwürdiges Exemplar der Gattung Mensch, dem man all das vorzuwerfen hat, was man ansonsten am Psychoanalytiker so sehr schätzt. So was kommt eben immer wieder vor in einer Berufssparte, die am Vertrauen verdient, das ihr die Menschen entgegenbringen, die sich selbst nicht trauen wollen.