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ORIENTIERUNGSRAHMEN '80 EINGELÖST
Jede Partei hat ihre Geschichte, so auch die SPD. Sie entwickelte sich, indem sie mit der Zeit ging nach dem demokratischen Prinzip: Wie muß ich mich drehen und wenden, um über die Zunahme meiner Wählerstimmen an die Macht zu kommen und diese dann zu behalten? Doch ging und geht die SPD nicht nur mit der Zeit - sie ist schneller, als man denkt. 1952 formulierte sie eine prinzipielle Opposition gegen die Außen-, Wirtschafts- und Militärpolitik der Regierung Adenauer. Das ewige erfolglose Nein-Sagen leid, schnitt sie 1960 mit ihrem Godesberger Programm einige alte Zöpfe ab, die es offensichtlich nicht gebracht hatten - weg mit der Klassenpartei, weg mit der Weltanschauungspartei, her mit der Volkspartei und ihren nützlichen Weltanschauungen! -, und sagte 'Ja' zur freien Marktwirtschaft, zum Militär und zur politischen und militärischen Bindung an den Westen, diesmal ganz offiziell. Kurze Zeit sagte sie dann zusammen mit der CDU/CSU 'Ja' und drängte dann zusammen mit der FDP die Union ins Lager der ewigen Nein-Sager ab. 1975 schrieb sie das Godesberger Programm -
"Wir erstreben eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten und als dienendes Glied der Gemeinschaft verantwortlich am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Menschheit mitwirken kann." -
in einem großangelegten Aufbruch mit zehnjahriger Laufzeit ("Orientierungsrahmen für die Jahre 1975-1985") fort und steckte die langfristigen Ziele des demokratischen Sozialismus ab:
"Der demokratische Sozialismus erstrebt 'eine neue und bessere Ordnung der Gesellschaft'. Die Idee des Sozialismus umfaßt das Ziel einer neuen besseren Gesellschaftsordnung und den Weg dorthin. Die konkrete Gestaltung von Ziel und Weg muß unter gesellschaftiichen Bedingungen, die sich unaufhörlich verändern, stets aufs neue bestimmt werden: 'Der Sozialismus ist eine dauernde Aufgabe'. Die Entscheidung für den Sozialismus kann unterschiedlich begründet werden. Die Übereinstimmung demokratischer Sozialisten wurzelt nicht in einer einheitlichen religiösen, philosphischen oder wissenschaftlichen Anschauung, sondern in gleichen politischen Zielen, die auf gemeinsamen sittlichen Grundwerten beruhen. Diese Grundwerte sind: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Die politisch-gesellschaftlichen Grundforderungen des demokratischen Sozialismus ergeben sich aus der Entscheidung für diese Grundwerte.
Freiheit ist nur dann gesellschaftliche Wirklichkeit und nicht nur Illusion oder Vorrecht für wenige, wenn alle Menschen die tatsächliche (wirtschaftliche, politische, soziale, kulturelle) Möglichkeit haben, sich frei zu entfalten. Die Menschen können nur dann in Freiheit leben, wenn sie von der Solidarität ihrer Mitmenschen getragen werden. Gerechtigkeit verwirklicht die gleichberechtigte Freiheit jedes einzelnen, indem sie ihm gleiche Rechte und Chancen eröffnet. Daraus erwachsen für jeden Pflichten gegenüber der Gesellschaft, ... Widersprüche zwischen den Möglichkeiten und der Wirklichkeit des menschlichen Lebens lassen sich auf der ganzen Erde nachweisen... Die gesellschaftlichen Lebensverhältnisse, die sich die Menschen im arbeitsteiligen Zusammenwirken in ihrer Geschichte selbst geschaffen haben und täglich aufs neue schaffen, haben sich gegenüber den Menschen verselbständigt. ...
Wer die Probleme unserer Gesellschaft lösen will, muß daher diese Fremdbestimmung überwinden und die gesellschaftlichen Lebensverhältnisse soweit als möglich der freien Selbstbestimmung der in der Gesellschaft zusammenlebenden Menschen unterwerfen. Soll dies kein Traumbild bleiben, dann müssen die Möglichkeiten und Grenzen der Selbstbestimmung nüchtern und illusionslos betrachtet werden." (Orientierungsrahmen '85)
Heute, 5 Jahre vor Ablauf des Zehnjahresplanes zur Verwirklichung des demokratischen Sozialismus, ist das Ziel schon erreicht, wie das Wahlprogramm der SPD bekundet:
1. Die Freiheit ist zu einer derart totalen "gesellschaftlichen Wirklichkeit" geworden, daß nicht mehr der "Mensch im Mittelpunkt" steht, sondern nur mehr seine Freiheit bewahrt zu werden braucht.
"Das Wichtigste ist der Friede. Unsere Aufgabe ist, Sicherheit für Deutschland auch in den 80er Jahren zu bewahren. Dafür sind Besonnenheit und Weitblick heute nötiger denn je."
2. Allenthalben herrscht soziale Gerechtigkeit. Das soziale Netz ist so eng gespannt, daß kein einfacher Bürger umhin kann, die Segnungen des Netzes und seiner aktuellen Begrenzungen zu spüren. Die Sozialdemokraten dürfen sich heute als die besten Konservativen bewähren.
"Eines garantieren wir: Soziale Demontage werden wir nicht zulassen."
Nicht mehr zu überbietende Gerechtigkeit herrscht, wenn die Sozis sich um die Existenz der Menschen kümmern.
"Der Friede bleibt die Grundbedingung unserer Existenz." Denn wo es um die Existenz geht, hat wirklich alle Ungleichheit aufgehört.
3. Die Solidarität ist groß. Viele Menschen im Lande sind sich einig, daß sie Helmut Schmidt wählen.
"Für die Mehrzahl der Deutschen ist das tägliche Mühen um den Frieden zu Recht unauflöslich verbunden mit der Arbeit führender Sozialdemokraten."
4. Die "freie Selbstbestimmung der in der Gesellschaft zusammenlebenden Menschen" hat sich bis an die "mögliche" Grenze des Orientierungsrahmens vorgearbeitet und so gut wie jede "Fremdbestimmung" abgelegt, so daß die SPD heute allein vor fremden Angstmachern zu warnen braucht,
"Für den Frieden zu arbeiten, ist desbalb notwendiger denn je. Angst ist dabei ein schlechter Ratgeber. Wer Angst schürt, der beschwört Gefahren herauf - einerseits die Gefahr der Einschüchterung und Lähmung und andererseits die Gefahr der Überreaktion mit dem Risiko der globalen Katastrophe. Mit Besonnenheit und Weitblick können wir die Krise meistern. Auch Rückschläge werden uns nicht davon abhalten, uns für eine dauernde Friedensordnung einzusetzen."
5. Die "Pflichten gegenüber der Gesellschaft" haben zugenommen. "Traumbilder" sind keine mehr vorhanden, bis auf eines: den Kanzler Helmut Schmidt, der mit traumhafter "Sicherheit für Deutschland" garantiert, daß sich die SPD auf eine weitere Regierungsperiode orientieren kann.
"Sozialdemokraten sind stolz auf diese Leistung, die unter der Verantwortung der sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt möglich war. Damit sind wir gut gerüstet für die Herausforderungen der 80er Jahre."
Wenn der Macher wiedergewählt ist; wird er sich wieder über die "Idee des Sozialismus" hermachen. Denn eines bleibt trotz Erfüllung der Ziele des Orientierungsrahmens: "Der Sozialismus ist eine dauernde Aufgabe."