Info
Südkorea
WENN DIE WELTMACHT IN DER KLEMME IST
Um die Wahrheit über Südkorea zu erfahren, genügt ein Blick ins Fernsehen: Die Kommentierung der Niederschlagung des Aufstands in Kwangju z.B. am selben Abend in den "Tagesthemen" der ARD läßt kaum ein Rätsel über Südkorea mehr ungelöst.
Da der Sachverhalt recht einfach ist, ist auch die Reihenfolge in der Darstellung schlicht und ganz entlang der Sache ausgerichtet:
1. sieht man Bilder, wie die Soldaten die Aufständischen niederprügeln; es ist die Rede von 600 Toten, pflichtschuldigst äußert der Sprecher einiges Entsetzen, immerhin
"bekommen wir aber die Bilder, im Unterschied zu mancher Unterdrückung im östlichen Lager.";
teilt der Sprecher mit, daß die einmarschierenden Truppen nur mit Einwilligung der Amerikaner haben losziehen können, da in Südkorea ein gemeinsames koreanisch-amerikanisches Oberkommando existiert;
schaltet sich Peter Merseburger aus Washington, D.C., in die Leitung und weiß als Neuestes, daß die Amerikaner mit der Entwicklung gar nicht zufrieden seien, man müsse sogar von einer "Klemme" sprechen, in der sie sich befinden.
Die Unverschämtheit der Kommentierung liegt darin, wie in einem Atemzug ausgesprochen wird, daß Südkorea den Amerikanern gehört und daß man alles, was dort passiert, als ihr Problem anzusehen hat, damit auch als Problem des freien Westens:
"Das Land ist eine der Bastionen im fernöstlichen Verteidigungssystem Amerikas."
Nicht also, was den Koreanern dort drunten widerfährt, sondern daß die Amerikaner angeblich Schwierigkeiten haben, ist das eigentlich Bedenkenswerte.
Eine Bastion taugt nur dann, wenn sie innerlich gefestigt - und das heißt zuallererst: ruhig - ist. Zu diesem Zwecke übergaben die Amerikaner die Herrschaftsinsignien damals einem gewissen Herrn Park, der sich im wesentlichen dadurch auszeichnete, daß er koreanisch sprach und seinen Landsleuten ähnlich sah. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn innerhalb seines Gewaltapparates gab es genügend andere Typen, die diese Voraussetzungen genauso erfüllten und auch unheimlich für die Amerikaner waren.
Nachdem dieser Park nun tot ist, weil ihn sein Geheimdienstchef erschoß, entstand unter den Generälen eine muntere Konkurrenz, die schließlich ein gewisser Chun Doo Hwan für sich entschied. Solange die Sache noch unentschieden war, sahen die Amerikaner interessiert zu, und außerdem schoben sich auch so interessante Personen wie ein ebenfalls gewisser Kim Dae Jung zeitweilig in den Vordergrund: Dieser meinte, durch demokratische Appelle ans Volk bzw. Forderung nach bürgerlich-parlamentarischen Grundrechten einen Stich machen und so - den völlig neuen Trumpf "das Volk" ausspielend - seine im Vergleich zur Generalität zunächst einmal unterlegene Position stärken zu können. Auch ihm sahen die Amerikaner interessiert und duldsam zu, denn an der Tatsache, daß es sich bei Kim Dae Jung um einen Nationalisten, Antikommunisten und Pro-Amerikaner handelt, gab und gibt es nicht den geringsten Zweifel - das Schöne an ihm also, daß er das in der Weltöffentlichkeit so gerührt betrachtete Pflänzlein der "Liberalisierung" und "Demokratisierung" verkörperte, was die Amerikaner aus Gründen ihrer zweifelhaften Reputation in eben dieser Weltöffentlichkeit nicht ungern sahen.
Probleme südkoreanischer Innenpolitik...
Mit der Durchsetzung des Chun Doo Hwan gegen seine Generalskollegen geht auch die politische Laufbahn des Kim Dae Jung vorläufig im Gefängnis weiter. Zwar war sein Auftreten etlichen seiner Landsleute Signal, zahlreicher als früher - als sich der Protest so gut wie vollständig auf einige Studenten beschränkte - den Wunsch nach Verbesserung ihrer Lage öffentlich zu äußern, aber um die Generalität zu beeindrucken, dazu hat es nicht gereicht. Insbesondere die Leute aus Kwangju, Hauptstadt der "Negerprovinz" Südkoreas - also mit selbst für dortige Verhältnisse extremer Armut geschlagen - und Heimatstadt des Kim Dae Jung, haben sich einer folgenschweren, letztlich tödlichen Illusion hingegeben: sie meinten tatsächlich, die "Demokratisierung" sei eine Veranstaltung, aus der sie einen Nutzen zu erwarten hätten, täuschten sich also vollständig über den Charakter ihres eigenen Staates, der ausschließlich auf der von den Amerikanern übertragenen Gewalt beruht, und in dem solche "westlichen" Vorstellungen wie Demokratie nur dafür eine Funktion haben, im Machtkampf innerhalb der herrschenden Klassen einen Stich zu machen. Der Vorwurf ist den Aufständischen nicht zu ersparen, daß sie sich in ein absolut vorhersehbares Desaster begaben, aus dem sie die laufende Beteuerung, daß auch sie für Amerika und das Militärbündnis seien und keinesfalls den Nordkoreanern in die Hände spielen wollten, gerade nicht retten konnte. Der in der Stunde höchster Not an den amerikanischen Botschafter gerichtete Appell, er möge sich vermittelnd einschalten und die zuvor geäußerte Sympathie für die "Demokratisierung" gegen die Generäle geltend machen, täuscht sich ganz gewaltig über die bedenkenlose Brutalität und den Zynismus der Weltmacht Nr. 1.
...und die Lösungen imperialistischer Außenpolitik
Diese hatte und hat nämlich mit Südkorea nur ein Problem: wie sich die Kosten für die Herrschaft dort vermindern lassen. Die dafür zugelassene Öffnung des koreanischen (Arbeits-) Markts für japanisches und europäisches Kapital hatte den Koreanern vorübergehend die Hoffnung beschert, es könne ihnen nun besser gehen, dann aber nichts als die immergleiche trostlose Erfahrung, daß Ausbeutung eben Elend bedeutet. Die daran anschließenden sozialen Konflikte sind den Amerikanern die notwendige Begleitmusik zur Verminderung ihrer faux frais, und es ist ihnen eine leichte Übung, denjenigen, die beauftragterweise mit der "Bewältigung" solcher Konflikte befaßt sind, "Mäßigung" anzuempfehlen. Solange die Welt nicht einsehen will, daß die effizienteste Form der Weltbeherrschung die Übertragung der Herrschaft an die lokalen Gorillas ist, von denen man sich dann immer je nach Lage distanzieren kann, um sie schließlich "notgedrungenermaßen" wegen der Wahrung der "westlichen Freiheit" doch - wenn auch "widerstrebend" - zu unterstützen, solange wird noch jedes Blutbad in der westlichen Hemisphäre als Schwierigkeit der amerikanischen Außenpolitik diskutiert werden. Besonders fein heraus sind die europäischen Verbündeten der USA:
Außer dem Bedauern über die "Klemme", in die die Amerikaner geraten sind, steht es ihnen auch noch frei, hemmungslos moralische Kritik zu äußern - wird doch dadurch das Bündnis auf keinen Fall geschwächt:
"Mit solchen sauberen Verbündeten lassen die USA sich ein - unter dem einstigen Moralprediger Jimmy Carter, der von Menschenrechten sprach. Im übrigen hat die US-Politik in Korea der Glaubwürdigkeit ihrer Sache bis hin nach Afghanistan geschadet: Es geht ihnen offenbar nur um Macht, nicht um Menschen." (Frankfurter Rundschau)
Gottseidank sind wir nur mit den USA verbündet und können uns deswegen - während die USA zuschlagen - so tiefe Sorgen um "die Menschen" machen. Die Machtfrage löst sich unter der Hand.