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Der jugoslawische Gastarbeiter
EINE "HUMANE SOZIALISTISCHE LÖSUNG"
Die Zeit ist längst vorbei, als die Arbeitssuche im kapitalistischen Ausland noch als "unpatriotischer Akt" verurteilt wurde, weil ein anständiger Jugoslawe nicht auf mehr Verdienst für mehr Ausbeutung woanders zu spekulieren hat, solange das sozialistische Vaterland noch auf seine Brauchbarkeit spekuliert. Seit der großen Außenhandelsreform von 1965, in deren Gefolge zahlreiche Betriebe rationalisiert oder geschlossen wurden, weil sie in der Konkurrenz mit den ausländischen Waren nicht mithalten konnten, und seit dem damit verbundenen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit sieht recht verstandener Patriotismus anders aus. Es wird nicht ungern gesehen, wenn man sein sozialistisches Vaterland verläßt; denn es hält inzwischen wie das Kapital den Arbeitseinsatz nur bedingt für nützlich - rentabel soll er sein - und betrachtet andererseits die Arbeitslosen als unnützen Abzug von seinem Reichtum. Also dürfen sie höchstoffiziell ihre Privatrechnung auf Grundlage der Armut machen, die ihnen daheim beschert ist, und sich dem Kapitalismus als Arbeitskraft zur Verfügung stellen - allerdings nur, wenn das zuständige Gemeindearbeitsamt festgestellt hat, daß sie wirklich nicht im eigenen Land "an einem entsprechenden Arbeitsplatz" oder "in der allgemeinen Volksverteidigung" gebraucht werden.
Mit der Entdeckung der 'westlichen Hilfen', mit denen man zugleich die heimische Produktion zu mehr Rentabilität zwingt, hat man auch den doppelten Vorteil der Gastarbeiter anerkannt. Erstens ist es eine "humane sozialistische Lösung des Arbeitslosenproblems", das man seinen Arbeitern und Bauern schafft, für das man als Staat aber nicht aufkommen möchte. Zweitens läßt sich aus der Armut, die man selber unmittelbar zur Reichtumsvermehrung nicht benutzen kann, so noch Geld schlagen. Noch weit vor Sljivovic, Tabak und Amselfelder rangieren die Gastarbeiter als Exportartikel und damit Devisenbringer Nr. 1. Denn anders als bei den Produkten der heimischen Industrie, deren Verbilligung an Grenzen stößt, schlägt im Falle dieser besonderen Ware der Kostenvergleich für Jugoslawien zu Buche, weil die Ware Arbeitskraft dem Vergleich von Leistung und Preis zwar im Westen ausgesetzt wird, aber als eine, die aus dem armen Südosten kommt und die nur deswegen gekauft wird, weil sie selbst diesen Vergleich im Verhältnis zu daheim beurteilt und deswegen für wenig Geld zu viel Leistung bereit ist. Deswegen ist der Erfolg der sozialistischen Freiheit nicht nur für das Kapital jenseits der Systemgrenze, sondern auch für den eigenen Staat unübersehbar:
"Die Devisenüberweisungen unserer vorübergehend im Ausland beschäftigten Bürger haben im Jahre 1975 ca. 40% des Werts aller im Export erzielten Deviseneinkünfte ausgemacht. Auf diese Weise kommt ein Devisenzufluß zustande, ohne ein Ausfuhräquivalent, wenn wir einen Augenblick davon absehen, daß wir das 'ausführen', was am wertvollsten ist, den Menschen." (Vjesnik, 18.8.1979)
Das ist die humansozialistische Logik, die gerade auf das spezifische 'Ausfuhräquivalent' spekuliert und 'den Menschen' nur für bedingt wertvoll erklärt - für die Reichtumsvermehrung nämlich. Daß der Arbeiter seine Träume von einer besseren, vielleicht selbständigen Existenz daheim durch Lohnarbeit im kapitalistischen Ausland nicht verwirklicht (normalerweise kann er sich bestenfalls durch das Einlegen seiner Ersparnisse als Kredit in einem selbstverwalteten Betrieb einen Arbeitsplatz erkaufen), weiß das Vaterland auch. Doch macht es sich andere Sorgen um die "vorübergehend" Auswärtigen. Ihnen fehlt es an "nationaler Identität", so daß ihnen das sozialistische Vaterland unter die Arme greifen muß, damit sie nicht vergessen, wer hier mit wem eine Rechnung anzustellen hat. "In meiner Heimat duften die Blumen besser", lernt schon das jugoslawische Schulkind aus eigens für die "Bedürfnisse" der Gastarbeiterkinder hergestellten Schulbüchern. Und der junge Arbeiter erfährt, daß er stolz darauf sein kann, ein jugoslawischer Arbeiter zu sein, der dank seines Nationalcharakters noch jeden Proleten aus den vergleichbaren Armutsländern aussticht und beim Kapitalisten als Gastarbeiter einen guten Ruf hat:
"Gemäß der Schätzung der Arbeitgeber beherrschen die Jugoslawen bedeutend leichter die Sprache und passen sich auch besser den Forderungen der Arbeit an." (Vjesnik, 13.8.1979)
Die liebe Heimat macht sich also vor allem Sorgen darum, daß das "kostbarste Gut" aufhören könnte, sich und seinen Verdienst als sozialistisches Eigentum zu behandeln, das dem Vaterland zusteht. Deswegen zeigt sie sich laufend besorgt um ihre Landeskinder in der Fremde, denn
"solche gesellschaftliche Sorge um ihre Probleme im Ausland wird sich stimulierend auf die Überführung ihrer Ersparnisse in unser Land auswirken." (Vjesnik, 27.9.1979)