Info
El Salvador
EIN EXZELLENTER LEICHNAM
Daß der Bürgerkrieg um die Macht über die kleine Kaffeeplantage El Salvador täglich Dutzende von Leichen produziert, registriert der bürgerliche Blick als das, was es ist: der ganz zivile Alltag von Habenichtsen, die nicht über eine so gelungene Form des Über- und öffentlichen Lebens verfügen wie unser demokratischer Sozialstaat.
Empört über das Massensterben zeigt man sich, wenn in dem Gemetzel einer der offiziellen Anwälte der Armen und Vorbeter der geistlichen Macht bei der Berufsausübung hinterrücks ermordet wird. Über die Ermordung des Kirchenfürsten entrüstet sich das demokratische Gewissen, weil Romero die Integrität der Moral repräsentierte, die zur Gewalt in solchen Ländern gehört. Für bewunderungswürdig hält das gleiche Bewußtsein, das hierzulande Ratzinger und Co. den ihnen gebührenden Respekt zollt, den Pfaffen nämlich, weil er die Zustände als menschenunwürdig anprangerte und dabei soweit ging, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Er hat sich zur "Stimme der Hoffnung" für die Armen gemacht und für diesen Zynismus der Anerkennung und Vertröstung deo Elends den "Mut" aufgebracht, ohne Sicherheitsvorkehrungen in die Slums zu fahren mit der Botschaft, daß Gott sie nicht vergessen hat. Daß die Kirchenmoral in solchen Ländern teilweise rebellisch wird - als affirmative Einstellung zum Elend greift sie dort das Elend an, weil sie in ihm die Ursache für die Schwierigkeit eines geordneten = christlichen Verhältnisses zur Obrigkeit entdeckt -, daß die kirchlichen Ideale einer höheren Gerechtigkeit sie in Opposition zur etablierten Herrschaft bringen, erlaubt den hiesigen Parteigängern christlicher Humanität, die mit den christlichen Idealen ruhig das Funktionieren ihrer Ordnung akzeptieren, wieder einmal den interessierten Gegensatz zwischen Gewalt und Menschenwürde aufzumachen. Diesselbe Zeitung, die sich über die Vorführung gewöhnlicher Leichen aus Salvador in der Tagesschau entrüstet, widmete dem bischöflichen Kadaver zum Nachruftext das passende Bild. So ist die Stilisierung des Bischofs zum Märtyrer im Kampf für die ewig Unterprivilegierten ein schöner Beweis, wie gekonnt es das bürgerliche Bewußtsein versteht, gerade an Opfern, die das Wirken des Imperialismus in solchen Armenhäusern produziert, dessen Menschlichkeitsideale moralisch ins Recht zu setzen. Die Kritik an den Machthabern in Staaten wie El Salvador ist dann nichts als die Beschwerde darüber, daß die Herrschaft den Glauben der Beherrschten nicht nur benützt, sondern durch ihren verantwortungslosen Gebrauch gegen sich aufbringt.