Seit zweieinhalb Millionen Arbeitslose zum Dauer- und Normalfall der bundesdeutschen Arbeitswelt geworden sind, hat sich die Verteilungsideologie sogar der Mühseligkeiten des proletarischen Geldverdienens bemächtigt. Der tägliche Arbeitsdienst gilt als "knappes Gut", dessen gerechte Aufteilung einem wohlgesonnenen Menschen Kopfzerbrechen bereiten müsse.
Das Ergebnis der diesjährigen Tarifrunde, des längsten und härtesten Arbeitskampfs seit Bestehen der Republik, ist durch zwei Stichworte hinreichend gekennzeichnet: Flexibilisierung der Arbeitszeit und Lohnpause. Damit wurden die fortschrittlichsten Unternehmerwünsche erfüllt.
Das Wunschbild dieses Mannes ist längst Wirklichkeit geworden im Arbeitsalltag unserer schönen Republik. Kaum hatte die IG Metall ihre Forderung nach der 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich aufs Tapet gebracht, ging bei den Unternehmern die Empörung los: Nicht machbar!
Die Arbeitszeit ist ins Gerede gekommen. Nicht ihretwegen, nicht wegen der Länge des Arbeitstages, der Intensität der Arbeitsstunden, der Niedrigkeit des Monatslohns, sondern wegen der Arbeitslosen.
Die Funktionäre des DGB werfen ihrem Tarifpartner vor, er betrachte und behandle mit unerbittlicher Sturheit die 40-Stunden-Woche als Tabu; "phantasielos" und "unflexibel" hielten die Unternehmer an der alten "starren Arbeitszeitregelung" fest und so weiter. Nichts ist falscher als dieser blöde Vorwurf!
Klassenkampf heute - das heißt verbindliche Beteiligung an einer nationalen Debatte. Gestritten wird um eine Veränderung der "Arbeitszeitregelung": Eine höchst einseitige und eigenartige Weise, den Konflikt um Lohn und Leistung auszutragen.
Zur selben Zeit, wo die Belange des deutschen Kapitals die Gewöhnung eines großen Teils der von ihm "Beschäftigten" an den 10-Stunden-Tag erforderlich machen, finden in zunehmendem Maße Arbeitskräfte in Teil zeitarbeit Anwendung. Hierin das Material einer "gegenläufigen Tendenz" zu erblicken, sei den Apologeten des Arbeitsmarktes überlassen.
Es gab einmal jemanden, der handelte das Kapitel Arbeitstag unter der generellen Überschrift "Die Produktion des absoluten Mehrwerts" ab, der hatte eine ziemlich grundsätzliche Kritik daran, daß die kapitalistische Produktionsweise die Tage und Nächte, die der Arbeiter zu leben hat, in den Dienst ihrer Gewinnmaximierung stellt:
"Das Kapital ist daher rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird."