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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1986 erschienen.
Die Affäre Neue Heimat
DIE GEMEINNÜTZLICHEN LEISTUNGEN UND GESCHÄFTLICHEN NÖTE EINER STAATSTRAGENDEN GEWERKSCHAFT
Alle sind sich ausnahmsweise einmal einig, Kohl und Breit, Steinkühler und Blüm, Rnu und Rappe: Die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft hat schwer gelitten durch die Affäre Neue Heimat und durch ihren Verkauf an einen privaten Geschäftsmann für eine symbolische Deutsche Mark. Die Mieter, die Belegschaft, die Gewerkschaftsbewegung, die Mitbestimmungsidee, das Prinzip der Gemeinnützigkeit, das alles soll in Mitleidenschaft gezogen worden sein und nun zur Rettung anstehen... Höchstens der matte Vorwurf der Heuchelei macht die Runde. Wenn freilich ausgerechnet der geschäftliche Mißerfolg Anlaß zu Zweifeln und Kritik - wie ernstgemeint auch immer - an der gewerkschaftlichen Gemeinnützigkeit sein soll, dann stehen die wahren Leistungen der Arbeitervertretung sicher nicht zur Diskussion, ebensowenig die ihrer Neuen Heimat. Deshalb hier einmal Antwort auf die entscheidende Frage, was die Arbeitervertretung beim gemeinnützlichen Wirtschaften verloren hat, warum sie unweigerlich die Bequemlichkeiten und Sorgen des Spekulationsgeschäfts entdeckt, welche Nöte sie jetzt auszustehen hat und wie sie sie bewältigt.
Von wegen: Alles im Dienste von Arbeitern und Mietern
Entgegen aller gewerkschaftlichen Propaganda ist es keineswegs ein und dasselbe, sich für Arbeiterinteressen stark zu machen und sich den Problemen von Mietern zu widmen; handelt es sich doch um zwei ganz verschiedene gesellschaftliche Charaktere. Der Arbeiter verkauft eine Ware, seine Arbeitskraft und ihre Benutzung, gegen Lohn. Daß ihm das einiges an Anstrengungen, aber nicht übermäßig viel Lohn einbringt, liegt an der Natur dieses Handels: Seine Eigentumslosigkeit zwingt ihn, sich gemäß der Kalkulation seines Anwenders, der mit möglichst geringen Kosten möglichst großen Gewinn machen will, benutzen und bezahlen zu lassen. Außerdem ist der Lohnarbeiter Konsument, der vom Lohn seine Lebensbedürfnisse bezahlt - unter anderem das Wohnen. Auch wenn der unbescheidene Preis für die elementarste Lebensvoraussetzung, das Dach über dem Kopf, nicht nur Arbeiter zu ständigen Beschwerden über die Unerschwinglichkeit einer passenden Behausung animiert; diese Beschwerden sind so falsch wie jede Klage vom Standpunkt eines Konsumenten, der die bunte Warenwelt als Dienstleistungsbetrieb für seine Bedürfnisse auffaßt, der leider nur nicht ordentlich funktioniert. Es ist seine verfügbare Barschaft, der niedrige Lohn, also seine Rolle als Produzent, die ihm die Preise teuer macht. Andere Konsumenten können ganz andere Preise lässig zahlen und erledigen ihre kleinen und großen Ansprüche nebenher - neben und mit dem Geschäftswachstum nämlich. Das Lebensmittel Lohn taugt also nicht einmal für ein mittelmäßiges Leben. Und soll sich daran etwas ändern, muß sich ein Lohnarbeiter gegen seine produktive Benutzung und das eingerichtete Verhältnis von Lohn und Leistung wenden.
Da ist nun allerdings die Arbeitervertretung davor, die die geltenden Verhältnisse im Betrieb miteinrichtet, verbindlich macht und darauf Rücksicht nimmt, daß die Unternehmer keinen Schaden leiden, wenn sie mit ihnen ein gerechtes Maß für den Arbeitslohn aushandelt. Damit ist für die Gewerkschaft an der Produktions-Front prinzipiell alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt - und sie kümmert sich statt um den Lohn um die Folgen, die aus seiner Beschränktheit für den lohnarbeitenden Konsumenten entspringen. Denn daß sich der mit dem Ertrag gewerkschaftlicher Vertretung kein flottes Leben leisten kann, wissen die Tarifpolitiker nur zu gut, wenn sie Leistungskriterien sowie Lohngruppen und -prozente festlegen.
Als Mieter kauft der Arbeiter mit seinem Geld wie andere auch die Ware Wohnung, allerdings in der Regel und gerade in den Industriezentren nicht das Wohnungseigentum selbst, sondern seine zeitweilige Überlassung zum Gebrauch, auch wenn er dafür im Laufe der Jahre lässig den Gegenwert eines Eigenheims wegzahlt. Es treten ihm nämlich Eigentümer des Konsumartikels Wohnung gegenüber, die Grund und Boden samt Gebäuden als eine Kapitalanlage behandeln, die sich durch ihre Überlassung bezahlt machen soll. Daß ausgerechnet das Grundbedürfnis Wohnen für breite Bevölkerungsschichten so geldzehrend ist und immer kein genügendes Angebot an erschwinglichem Wohnraum zustandekommt, wo es am nötigsten gebraucht wird, liegt an der Eigentümlichkeit des Geschäfts mit der Ware Boden und Baulichkeiten. Denn der Bodenpreis ist nicht die Kost für eine produktive Leistung, sondern ein finanzieller Tribut dafür, daß man oden nicht wie jede andere Ware produzieren kann, also die Bezahlung für das Eigentümermonopol an einer Naturvoraussetzung, auf die aller Handel und Wandel angewiesen ist. Dieser Preis steigt entsprechend dem zahlungsfähigen Bedürfnis nach dieser Produktionsbedingung, also mit dem Wirtschaftswachstum und je nach Lage und Erschlossenheit. In dem Maße wie in den Städten produktive Unternehmer, Kaufhäuser, Büros Amter mit den Wohnbedürfnissen der besseren und mindergestellten Schichten konkurrieren, bleibt Otto Normalmieter auf der Strecke, da sein Lohn mit den Geschäftsfortschritten nicht mithält, der Quadratmeterpreis aber unweigerlich steigt. Zwar nutzen die Anbieter dieses qua Eigentumsnatur knappen Gutes auch die beschränkte Zahlungsfähigkeit weidlich aus und zwängen sie auf engstem Raum in Billiggebäuden zu teuren Preisen zusammen, doch hat das seine ökonomischen Grenzen. Eine Mietskaserne für Otto Normalverbraucher kommt oft genug gar nicht zustande, weil sich der Grundbesitzer dazu entschieden hat, daß aus der Wertsteigerung des ungenutzten Bodens mehr herauszuholen ist als mit einer langfristigen Bindung von Kapital in einem Hausbau.
Auch dieser segensvolle Mechanismus einer Eigentumsordnung, die noch den letzten Flecken Erde mit Beschlag belegt und der Konkurrenz der Geldanlage zuführt, ist den Arbeitervertretern wohlvertraut und wahlweise unter 'Sachzwänge der Wirtschaft' oder 'Profitprinzip' abgehakt, wenn sie ihr gewerkschaftliches Herz für die Arbeiter als Mieter entdecken und sich an die Linderung der Wohnungsnot machen. Sie haben sich nämlich an der sozialstaatlichen Korrektur dieser unabänderlichen Verhältnisse beteiligt, an denen die deutschen Wirtschaftswunderverwalter wegen der besonderen Nachkriegsverhältnisse ein Extra-Interesse gehabt haben: Schließlich trafen da rasanter Geschäftsfortschritt, Massenzuzug in die zerstörten Städte und flotte Baukonjunktur für höhere Bedürfnisse zusammen.
Von wegen: proletarisches Mieterglück durch gemeinnützige Gewerkschaftsunternehmung
Die Neue Heimat ist in allem das Kind einer staatlichen Wohnungs(bau)politik, die das Interesse an ausreichendem Wohnungsangebot - schließlich eine Minimalvoraussetzung für eine jederzeit und überall verfügbare Arbeiterklasse - mit dem mindestens ebenso wichtigen Interesse zur Deckung gebracht hat, das Grundbesitzergeschäft dem preistreibenden freien Spiel des Immobilienmarktes anzuvertrauen. Sozialer Wohnungsbau und Wohngeld verdanken sich der politischen Einsicht, daß die Arbeiterklasse nach den Marktgesetzen von Grund- und Boden eine einzige Ansammlung von Sozialfälten darstellt; sie verdanken sich zugleich dem politischen Willen, trotzdem ein Geschäft mit der minderbemittelten proletarischen Zahlungsfähigkeit in Wohnungsfragen zu ermöglichen, das mit sonstigen Alternativen konkurrieren kann. Zu billigen Wohnungen hat das natürlich nicht geführt, sondern zu neuen Geschäftsvergleichen auf dem Baumarkt. Mit Staatssubventionen und Extrakrediten gegen die Auflage, nur an 'Einkommensschwache' zur 'Kostenmiete' zu vermieten jedenfalls noch ein paar Jahre über die Rückzahlung an den Staat hinaus - wurde interessierten Spekulanten eine alternative Kalkulation mit Staatszuschüssen im Verhältnis zu Eigenmitteln, Baukosten im Verhältnis zur erlaubten Miete, Wohnungseinheiten pro Boden- und Baupreisen eröffnet. Das hat tatsächlich die zivilisierte Wohnkultur enorm bereichert - um die Neuauflage proletarischer Wohnungsnot in vorstädtischen Wohnblocks und Mietskasernenvierteln mit sparsamster Material- und Raumgestaltung zu einer streng am Marktpreis orientierten, also nur vergleichsweise etwas billigeren Miete. Dieser Erfolg der Wohnraumbeschaffungsprogramme hat die Sozialpolitiker bewogen, den sozialen Wohnungsbau seit Ende der 70er Jahre parallel mit einigen Beschränkungen bei Mietsteigerungen abzubauen. Nichts zeigt den wirtschaftlichen Zweck dieser Abteilung Sozialpolitik schlagender als ihre Beendigung und die vermehrte Wohngeldvergabe: Ganz Bedürftigen wird ein zweckgebundener Lohnzuschuß gewährt, um einen marktgerechten Mietpreis zu realisieren. Ansonsten gilt heute der Lohn als ausreichend, um ein Drittel oder mehr davon für das Grundeigentum zu zahlen, das sich Arbeiter in "Ballungszentren" nie erwerben können.
Das alles hat die von der Errungenschaft Sozialstaat überzeugte Arbeiter und Mietervertretung nicht abgeschreckt, sondern angezogen; ganz besonders die Möglichkeit zur staatsbegünstigten Bauspekulation in Form eines gemeinnützigen Unternehmens, das seine Gewinne über vier Prozent wieder ins Baugeschäft investieren muß und dies mit Steuerbefreiung honoriert bekommt. Daß sich die Sorge um die proletarischen Lebensbedingungen geschäftlich betrieben gehört, war den Anwälten der Lohnarbeit selbstverständlich. Mit dieser Unternehmensform haben die weitsichtigen Bonner Nachkriegspolitiker nämlich bis heute ein Geschäft in Gang gebracht, das der Gewerkschaft wie auf den Leib geschneidert ist - als selbsternanntem Sozialstaatswächter, als Propagandist alternativer Wirtschaftsform, als Möchtegernpartner und -gestalter jedes wirtschaftlichen Fortschritts - und als gesellschaftlicher Institution mit festen Einkünften aus Mitgliedsbeiträgen, die sich zum Wirtschaften anbieten. Mit dem politischen Kredit, den der Staat für den ehrenwerten Zweck der Mietraumbeschaffung gewährte, ließ sich die konstruktive Kritik am Kapital, als deren Repräsentant sich die Gewerkschaften verstehen, an einem anerkannten sozialen Mißstand, in großem Maßstab und lohnend in die Tat umsetzen: die Kritik, daß das 'Profitprinzip' pur, das 'bloße', 'ungehemmte' 'Gewinnstreben' 'privater' Unternehmer unbedingt der sozialstaatlichen und gewerkschaftlichen Ergänzung und Korrektur bedürfe, damit Kapital und Arbeit, Geldvermehrung und Geldverdienen durch Lohnarbeit, Privatreichtum und Massenbedürfnisse dann doch miteinander harmonieren. Also haben die Anhänger eines gemeinschaftlich verwalteten Kapitalismus das staatliche Geschäftsangebot in eine alternative menschenfreundliche Wirtschaftsform uminterpretiert und als leuchtendes Vorbild dafür angepriesen, wie sich Wirtschaftsnotwendigkeiten mit sozialen Zielen, Kostenrechnung mit preiswertem Dienst am Arbeiterkunden, Unternehmensführung mit Mitbestimmung und sicherer Beschäftigung vereinen lassen: und zwar erfolgreich und in Konkurrenz zur 'Privatwirtschaft'. Daß Kapitalismus auch ganz anders geht, war zwar noch nie viel mehr als ein Ammenmärchen, aber eines, an das die Gewerkschaft nur zu gern geglaubt hat und alle Welt glauben machen wollte und an dem sie jetzt begeistert von aller Welt gemessen wird.
In Wirklichkeit bekam die Arbeitervertretung, die sich schon immer genossenschaftlich daran beteiligt hat, dem Arbeiterkonsum mit Billigangeboten zur Hand zu gehen, die Gelegenheit geboten, ihr Genossenschaftswesen auf eine ganz neue politökonomische Grundlage zu stellen und sich von der beschränkten Geschäftsgrundlage, den Beiträgen der eigenen Basis, freizumachen. Der politische Kredit hat aus Gewerkschaftsgeld, das fürs Streiken eingenommen, aber nicht einfach ausgegeben worden ist, Kapital gemacht, und zwar in einem ganz neuen Umfang, nämlich mit politischer Bonität. Die Politik hat damit den Mangel kompensiert, daß Kapitalanlage in Boden noch lange nicht zur Kapitalinvestition in Wohnbauten führt, weil die sich nicht so flott amortisiert wie andere langfristige Auslagen. Der Gewerkschaft aber hat das den ersehnten Übergang von der Konsumgenossenschaft für einkommensschwache Käufer zur finanzkräftigen und konkurrenzfähigen gemeinnützigen Unternehmung in unserer freien und sozialen Marktwirtschaft beschert. Kein Wunder, daß die Mitverwalter der alten kapitalistischen Armut ihre Neue Heimat nur zu gerne mit einer gesellschaftlichen Versöhnung von Kapital und Arbeit verwechseln und ihre Auffassung bestätigt sehen, Sozialstaatsverpflichtungen ließen sich am besten als kapitalistisches Rechnungswesen mit politischer Betreuung erledigen und die Sozialbindung politischer Kredite mache noch jedes Gewerkschaftsgeschäft zum Wirtschaftvorbild. An dieser propagandistischen Sicht hat sich natürlich auch dann nichts geändert, als sich mit dem alternativen Geschäft für die Gewerkschaftsmanager auch die ganz normalen Geschäfts"notwendigkeiten" und -übergänge einstellten, ohne die konkurrenzfähiges Wirtschaften nun einmal nicht geht. Fortschrittsideologie und Unternehmensfortschritt liefen säuberlich getrennt nebeneinander her, und alle Welt hat das als normal und ehrenwert honoriert - solange der Unternehmensgewinn der Arbeitervertretung recht gab.
Von wegen: Entartung der Gemeinnützigkeit in Spekulationswut
Aufs profitable Rechnen verstehen sich Gewerkschaftsfunktionäre; nicht umsonst sind sie Vorstände eigener Bank-, Versicherungs- und anderer feiner Gesellschaften: Wenn die gemeinnützige Bauspekulation richtig in Schwung kommen soll, darf sie nicht in den politischen Mitteln und Bindungen befangen bleiben, sondern man muß sie zur Basis der Mehrung des Gesellschaftsvermögens machen alles im Dienste der Streikkassen und Mieter natürlich. Erst einmal mit Beiträgen als Sicherheit zu staatlicher Bonität und mit der zu Grundbesitz gekommen, dienen diese Wertobjekte nicht nur als Quelle von Mietzins, sondern in erster Linie selber als Mittel der Kreditbeschaffung. Schließlich ist Grund und Boden wegen der quasi automatischen Wertsteigerung eine gediegene Sicherheit für Kreditgeber. Warum hätte ein konkurrenzbewußtes Gewerkschaftsunternehmen auf diese Kapitalvermehrung für Grundstückskäufe und Bautätigkeit verzichten sollen und gegen alle Gesetze des Immobilien- und Kreditmarktes die Geschäftsausweitung von den läppischen Mieteinnahmen abhängig machen sollen, mit denen das langfristig angelegte Kapital allmählich zurückfließt, statt diese Einnahmen umgekehrt wie jedermann als Indikator für den Kapitalwert des Eigentums zu behandeln, der Zugang zu Kredit eröffnet. Diejenigen, die darin jetzt Gigantomanie entdecken wollen, haben es ja im übrigen für verständlich, normal und vernünftig gehalten, daß sich das Gewerkschaftsunternehmen, wenn es auf dem Immobilienmarkt erfolgreich mitmanagen will, auch von seiner Sozialbindung ans Wohnungsgeschäft freimachen muß. Dafür haben die Gewerkschaftsmanager schon ziemlich frühzeitig eine ganz norinale Baufirma gegründet, mit der sie bei der Neuen Heimat die Gewinnbilanzen frisieren, Gelder lockermachen und mit diesem und anderem Kapital auf das Wachstum der Wirtschaft und der Städte mit all ihren lukrativen Raumbedürfnissen spekulieren - von Bonn bis Paris, von Monaco bis Mexiko; daß dabei auch ein paar Vietors Millionen mitverdient haben, ist ein selbstverständliches Abfallprodukt, das sich natürlich bei der Schuldigensuche fürs "Mißmanagement" gut ausschlachten läßt. Immerhin waren die Manager so erfolgreich, daß sie die Neue Heimat zum größten Baukonzern Europas emporgearbeitet und das gewerkschaftseigene Konzernvermögen um genausoviel Schulden vermehrt haben. Jede Mark, die fiktiv im Boden steckt, haben Sie bei den Banken lockergemacht, denen komischerweise auch jetzt niemand einen Mißmanagementvorwurf machen will.
Freilich hat das ungebrochene Vertrauen auf den gewerkschaftlich mitbestimmten Wirtschaftsfortschritt und das entsprechend risikofreudige Kaufen und Sich-Verschulden, um noch mehr zu kaufen und zu bauen, auch seine andere Seite. So prächtig damit auch den staatlichen Geschäftsauflagen genüge getan wird:
Die Spekulation auf Wert und Wertsteigerung der Objekte, die Kredit garantieren, bewährt sich nur solange, wie Immobilien zu steigenden Preisen verkauft und entsprechende Mieten erzielt werden. Bleibt die veranschlagte Wertsteigerung aus, stockt die Baukonjunktur, laufen staatliche Förderungsprogramme aus, nimmt das Wohnungsangebot zu und stehen mehr Wohnungen leer, weil arbeitende und arbeitslose Familien wegen gestiegener Mieten und gesunkener Einkommen enger zusammenrücken, stimmt schließlich der Raum- und Bodenbedarf der internationalen Geschäftswelt nicht mit den immer höher geschraubten Fortschrittserwartungen gewerkschaftlicher Zukunftsplanungen überein -: dann entsprechen die Immobilienwerte nicht mehr dem, was in den Kreditbüchern steht. Sie müssen beweisen, was sie bei der Tilgung von Krediten wert sind - und sie können es eben deshalb gar nicht mehr so einfach: Die Neue Heimat braucht 'Bares' und verdirbt damit die Preise; und das nicht erst, wenn sie wirklich massenhaft Wohnungsverkäufe tätigt, sondern schon, wenn sie mit ihren Riesenbeständen ins Gerede kommt und der Verdacht aufkommt, sie müsse massenhaft verkaufen. Und ins Gerede ist sie zum Leidwesen der geschäfts- und rufbesorgten Funktionäre zu Genüge gekommen - und nicht bloß so moralisch kindisch, unter den Titeln Mißmanagement und soziale Pflichtverletzung, unter denen die Gewerkschaft selber gern in entsprechenden Fällen ihren Senf zu Sanierungen beisteuert. Sie muß ihr Geschäft und ihren gewerkschaftlichen Ruf und das eine mit dem anderen retten, was gar nicht so einfach zu vereinbaren geht. Aber Gewerkschaftspolitiker wissen für alles Rat. Erst einmal geht es ums Geschäftliche.
Von wegen: Rettung der Gemeinnützigkeit wider die Mißwirtschaft
Da sind sich jenseits aller öffentlichen Heuchelei Verteidiger gewerkschaftlicher Gemeinnützigkeit und Freunde christlich-sozialer Marktwirtschaft über eins absolut einig: Pleite gehen darf der Immobiliengigant auf keinen Fall, jedenfalls nicht so, daß darüber die Immobilienpreise ruiniert werden. Niedrigere Mieten, billigere Wohnungskäufe, gar Verkauf der Wohnungen an die Mieter zu den Preisen, zu denen sie den Länderregierungen und der gewerkschaftseigenen Verwertungsgesellschaft berechnet werden, das geht auf keinen Fall. Gemeinnützigkeit und Geschäft dürfen sich nicht widersprechen, also sind für die Erhaltung der Kreditwürdigkeit und für die Bedienung der Kredite gegebenenfalls Mieterhöhungen nötig - und sei's durch eine schlichte Gesetzesänderung zugunsten des neuen geplagten Milliardenbesitzers. So wie man bis dato das gelungene Gewerkschaftsunternehmen mit der Armut kreditiert hat, so steht nun fest, daß der Wohnungsmarkt vor den Folgen gescheiterter Spekulation bewahrt bleiben muß, weil darunter alle politisch und geschäftlich Beteiligten zu leiden hätten.
Bei soviel Einigkeit im Prinzip gibt es natürlich den lebhaftesten Streit, wer bei der Vermeidung des Bankrotts welche Lasten zu tragen, wieviel zuzuschießen und wieviel abzuschreiben hat. Das geht unter Ehrenmännern von Haus aus nicht ab ohne Querelen über Eigentumstitel, Kreditlinien, vor allem aber staatliche Zuschußgarantien und Unterstützungszusagen, die bei den Banken das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit stärken. In diesem besondern Fall kreuzen sich die Geschäftshändel um die Großsanierung auch noch mit parteipolitischen Gesichtspunkten. Der Milliardenschacher unter Staatsregie ist nämlich aufs innigste mit dem prinzipiellen Interesse der Christ- und Freidemokraten verquickt, die kritischen Mitmacheransprüche der Gewerkschaften, die zur sozialdemokratischen Regierungstour passen und aufrufen, in die Schranken zu weisen. Eine solche Gelegenheit, die der Opposition zugetane Gewerkschaft finanziell für ihr Verlustgeschäft bluten zu lassen, sie geschäftlich zu durchleuchten, öffentlich bloßzustellen und ihren Einfluß und ihr Ansehen zu schädigen, wollte sich die Regierung keinesfalls entgehen lassen. Umgekehrt wollte dei DGB - Vorbilder nach AEG-Manier gibt es ja genug - die geschäftliche Größe der Neuen Heimat sowie ihre wohnungsmarktpolitische Rolle honoriert bekommen, am liebsten die Sanierungskosten ganz der politischen Finanzkraft aufbürden und seinen verschuldeten Bestand zu einträglichem Preis an die Länder verkaufen, wenn schon Bonn keine unbegrenzten Kreditzusagen versprach. Der DGB wäre eben gern eine tragende Säule des Sozialstaats und mächtiger Eigentümer mit grenzenlosen Finanzmitteln geblieben und hätte damit seinen Ruf als erfolgreiche Alternative zum privatkapitalistischen 'bloßen Profit'weg verteidigt. Das alles stieß bei den SPD-Ländern auch durchaus auf Gegenliebe, schließlich wollten sie den unausweichlichen Vorwurf der sozialistischen Mißwirtschaft rechtzeitig ersticken. Die Christen freilich wollten den DGB mit seiner geschäftlichen Abhängigkeit und seiner angeschlagenen Glaubwürdigkeit erpressen: Ohne gewerkschaftliche Milliardenhaftung und Offenlegung aller Bücher keine Staatshilfen, verlautete aus Bonn, und zwar ununterbrochen und unüberhörbar für jedermann.
Die fortschrittlichste (Unternehmens)Kraft im Lande hat sich dagegen zu wehren gewußt ganz im Sinne ihrer gewerkschaftlichen Linie, jeden Gewinn mitzunehmen, Verluste aber möglichst gering zu halten: die an Vermögen und die an Ansehen - streng in dieser Reihenfolge. Mit dem symbolischen Verkauf an den Privatmann hat sie zwar das gemeinnützige Eigentum aus der Hand gegeben, damit aber auch die ziemlich unbeschränkte Haftung in eine sehr beschränkte verwandelt, sowohl im geschäftlichen wie im politisch-moralischen Sinn.- Damit ist der DGB zwar noch ein Stück Ruf los, aber aueh den 'Schrecken ohne Ende' sprich: die Notwendigkeit, dauernd auf Kosten des Gewerkschaftskapitals an Geld und Ansehen das Verlustgeschäft regeln zu müssen. Das läßt er sich noch einmal mindestens zwei Milliarden Mark kosten, die für die gewerkschaftseigene Erhaltung der Neuen Heimat vorher angeblich nicht vorhanden waren wegen der heiligen Streikkassen. Aber jetzt rechnet er ja darauf, daß Staat und Banken ihren Strohmann nicht hängen lassen und unter seiner Eigentümerschaft den Konzern durch Aufkäufe und Kreditzusagen äuch zum Besten der BGAG sanieren. Daß der unternehmungslustige Schiesser ohne Ansehen die unumgänglichen Maßnahmen trifft, die Belegschaft abbaut, Mietbindungen überprüft, ist der Gewerkschaft recht und Sozialplangelder und Mitbestimmung wert. Warum sollte sie auch als Unternehmer anders wirtschaften, als sie es von Unternehmern verlangt; und warum sollte sie als Gewerkschaft ausgerechnet dort Widerstand leisten, wo sie selbst gerade unternehmerisch engagiert ist.
Die Vertragsmodalitäten verraten Könnerschaft in Gemeinwirtschaftsgeschäften: Sollte der Staat den neuen Mann von der Mietbindung befreien, profitiert die BGAG nachträglich mit; sollte der Gewerkschaft nachträglich die Gemeinnützigkeit abgesprochen, also Steuernachzahlung fällig werden, zahlt Schiesser zurück. Ob der neue Mann sich noch mit gemeinnützigem Gewinn zufriedengeben kann, wird genauso bezweifelt wie umgekehrt, ob frei festgesetzte Mieten überhaupt viel höher sein könnten - beides Beweis für die Sachnotwendigkeiten, die jedem von Gewerkschaft bis Lappas selbstverständlich sind: Zuviel Wohnungsangebot ist ein Geschäftsproblem; knapper Grund und Boden sichert Gewinn; sanieren heißt dafür sorgen, daß auch Proleten sich noch als Mieter auszahlen; Gemeinnützigkeit ist ein Geschäft, bis sie zur Schranke wird und der Wohnungsmarkt noch freier werden muß...
Das hindert freilich niemanden, die gewerkschaftlichen Ehrenmänner am allerwenigsten bei der parteipolitischen Auseinandersetzung die jenseits der geschäftlichen Händel in erlesenster Form stattfindet, Gemeinnützigkeit und Mieter, Sozialstaat und Marktwirtschaft im Dienste des Volkes wie eh und je hochleben zu lassen. Schließlich sind Arbeiter, Mieter und andere Bürger ja auch noch Öffentlichkeit und Wähler und wollen als solche hofiert sein. Und die angeschlagene Gewerkschaft setzt mehr denn je darauf, daß man auch selbsternannten Saubermännern der Republik ein Stück Heuchelei durchgehen lassen wird, das man zur Glaubwürdigkeit der Politiker gewöhnlich dazurechnet, weil sie ja die Macht haben.
Von wegen: parteilicher Streit um ehrenwerte Grundsätze
Der unter den sozialstaatlichen Ehrentiteln geführte Streit um die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft, die diese Titel programmatisch auf ihre Fahnen geschrieben hat, beschert dem Volk neben der Rettung der Immobilienpreise und kapitalgemäßen Mieten auch noch das erlesene Schauspiel einer Skandaldebatte, die sich um garantiert nichts mehr außer um öffentliche Stimmungmache dreht, welche die Teilnehmer der Öffentlichkeit so gerne für die wahre Sache ausgeben. Ein paar harte parteipolitisch eingefärbte Lehren bleiben da nicht aus. Die Regierung beherrscht besonders die Kombination von sozialstaatlichen und geschäftlichen Grundsätzen, an denen sich die Gewerkschaft gleichermaßen vergangen haben soll: Weil sich die Gewerkschaftsmanager wie die kostenbewußten Unternehmer aufführen und ihr Vermögen geschäftstüchtig beisammenhalten, sind sie verantwortungslos und unsozial, während jeder Christenkapitalist Arbeiter und Mieter beglückt. Umgekehrt beweist der DGB damit schlagend, daß zuviel Sozialstaat nur zum sozialistischen Saustall führt, weil er gegen die wirtschaftliche Vernunft verstößt, was sich natürlich rächt. Fazit: Nur wer rücksichtslos für den Profit eintritt und den Kräften des Marktes vertraut, handelt sozial im Dienste des Volkes, und nicht der, der Mitbestimmung und Gemeinnützigkeit gegen Unternehmerwillkür verlangt, sie aber selbst am meisten mit Füßen tritt. Anschließend können Christengewerkschaftler natürlich versichern, daß ihnen an einer Demontage der Gewerkschaft nichts gelegen ist, so nämlich, wie sie alle Welt ausschließlich verhandelt: als sozialstaatliche Abteilung mit gemeinnützigem Auftrag. Das ist nicht einmal ganz unehrlich: Eine politisierte und dabei bescheiden gemachte Gewerkschaft ist den Christen recht - weil sie den sozialen Frieden garantiert, ohne sich noch als Wahlverein der SPD störend bemerkbar zu machen.
Die Gewerkschaft umgekehrt macht sich an ihrer Ehrenrettung streng nach dem Grundsatz zu schaffen: Erst einmal die eigenen Geschäftsmittel erhalten, mit und ohne Gemeinwirtschafts-Organisation; dann beweisen wir, daß es der Idee der Gemeinwirtschaft oder irgendeinem anderen Gewerkschaftstitel dient. Der Arbeitervertretungsverein verläßt sich also darauf, daß seine Bedeutung und Macht im Lande andere Quellen hat als die Überzeugung von Arbeitern, die Gewerkschaft meine es mit den Segnungen sozialstaatlichen Wirtschaftens wirklich ernst. Als Fachleute der Öffentlichkeitsarbeit, die für Ansehen in den richtigen Kreisen sorgt, wissen die Gewerkschaftstaktiker auch: Die einzige Kritik, die sie am kapitalistischen System anbringen wollten, die Kritik an unternehmerischem Egoismus, an Mißmanagement und Willkür, die nach gewerkschaftlicher Kontrolle verlangen, ist nicht deshalb in Mißkredit geraten, weil ihr praktisches 'Gegenmodell' widerlegt worden wäre und Gewerkschaftsbetriebe keine sicheren Arbeitsplätze, harmonische Mitbestimmung, vortreffliche Arbeitsbedingungen und Löhne, arbeiterfreundliche Produkte und darüberhinaus auch noch ewigen Gewinn garantieren. Das hat sich ja von Anfang an widerlegt. Der geschäftliche Mißerfolg ist schuld daran, daß ihr ein jeder ihre hehren Prinzipien unter die Nase reibt und den Widerspruch zwischen Worten und Taten entdeckt.
Das ist ein Maßstab öffentlicher Kritik, dem Breit und Konsorten seine Berechtigung nicht absprechen. Deshalb fühlen sie, sich schwer in die Defensive gedrängt - und kümmern sich um die Sanierung des Gewerkschaftsimages nach der biedermännischen Devise: Man muß nur den Realismus durchsetzen, daß die Sache mit der Versöhnung von Kapital und Arbeit, Bodenspekulation und Mieterglück, Kostenrechnung iind Konsumentenzufriedenheit, also die Versprechungen der Gewerkschaftspropaganda nicht ernst genommen werden dürfen; dann kann man sie auch weiter: als sein Markenaabzeichen tragen, mit dem man seine eigene gesellschaftliche Wichtigkeit dokumentiert. Diese abgebrühte Einstellung zu den verantwortlichen Instanzen fördert man am besten, indem man sie als selbstverständlich unterstellt und an sie appelliert. Kaum hat Breit einen ganz normalen brutalen Geschäftsschlußstrich gezogen, erklärt er dem "Spiegel" den unlösbaren Zwiespalt zwischen lauter gemeinnützigen Prinzipien, in dem er gestanden und unter dem er gelitten habe. Besonders glaubwürdig wird das dadurch, daß die Spitzenfunktionäre jetzt die radikale 'Ehrlichkeit' und das Mitleid als politische Waffe entdeckt haben. An sich selber richten sie den Vorwurf des Mißmanagements, das nun leider, leider keine andere Wahl mehr gelassen habe - und lassen so andersherum mit der gemeinnützigen Idee die Gewerkschaft hochleben. Freilich, wer mit dem "Spiegel" über das Thema diskutiert: 'Hat die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaft gelitten?', der kommt vom demonstrativen Schuldbekenntnis auch wieder schnell zu der Anklage, die Christenpolitiker hätten es nur darauf abgesehen, die Gewerkschafts'bewegung' kleinzumachen, indem sie sie geschäftlich durch vorenthaltene Milliarden in den Konkurs treiben und indem sie das Ansehen der Gewerkschaft und all die menschen- und arbeiterfreundlichen Grundsätze, für die sie einsteht, ruinieren.
Damit ist Breit im gewohnten Fahrwasser gewerkschaftlichen Kritikverbots und sozialdemokratischer Propaganda. Unzufriedenheit mit der Gewerkschaftspolitik nutzt nur den Rechten! Das ist die letzte Botschaft, die wirklich nichts mehr verspricht, sondern mit zwei Härten wirbt: Erstens ist die Arbeitervertretung von den Tarifen bis zur großen Politik mitbeteiligt, also jeder Arbeiter von ihrer Politik abhängig; zweitens kann er sich von christlicher Marktwirtschaft keinesfalls mehr gemeinnützliche Segnungen erwarten als von gewerkschaftlichen Sozialpolitikern.
Nur: Warum soll man dem Geschäftssinn und Politikverstand der Frankfurter Funktionäre eine Ehrenrettung nach der anderen widerfahren lassen, bloß weil die Koalitionsregierung das Geschäft lieber bei den Unternehmern und die Politik lieber bei sich aufgehoben sieht. Wenn die Breits und Steinkühlers mit ihren Weh- und Anklagen etwas beweisen, dann doch, daß sie auch noch die Techniken der öffentliche Heuchelei genauso beherrschen wie ihre politischen Kontrahenten.
Zur Wohnungsfrage
"Die Wohnungsnot der Arbeiter und eines Teils der Kleinbürger unserer modemen großen Städte ist einer der zahllosen kleineren, sekundären Übelstände, die aus der heutigen kapitalistischen Produktionsweise hervorgehen... Die Ausdehnung der modernen großen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen derselben dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhn, drücken ihn vielmehr herab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen; man reißt sie nieder und ersetzt sie durch andre. Dies geschieht vor allem mit zentral gelegenen Arbeiterwohnungen, deren Miete, selbst bei der größten Überfüllung, nie oder doch nur äußerst langsam über ein gewisses Maximum hinausgehen. Man reißt sie nieder und baut Läden, Warenlager, öffentliche Gebäude an ihrer Stelle... Das Resultat ist, daß die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, daß Arbeiter- und überhaupt kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind; denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen...
Das Resultat ist überall dasselbe, mag der Anlaß noch so verschieden sein: die skandalösesten Gassen und Gäßchen verschwinden unter großer Selbstverherrlichung der Bourgeoisie von wegen dieses ungeheuren Erfolges, aber - sie erstehn anderswo sofort wieder..." (Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage, in: Marx/Engels, Werke (MEW), Bd. 18)
Die verräterische Idee: Gewerkschaftliche Konkurrenz zum Kapital
"- Schrittmacher sein.
Die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen fördern die Durchsetzung gewerkschaftspolitischer Forderungen durch beispielgebende Verwirklichung in ihrem Bereich. Zwei Beispiele dafür: Bei allen großen gemeinwirtschaftlichen Unternehmen ist die paritätische Mitbestimmung eingeführt. Und die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen sind durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen vorbildlich gestaltet.
- Alternativen bieten.
Die Alternativfunktion der gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen besteht darin, daß sie durch ihr gutes Funktionieren zeigen; daß das Gewinnstreben für private Ziele nicht das einzig mögliche Unternehmensziel ist; sie sind ein Beispiel für alternative Unternehmenskonzeptionen in der Wirtschaft... Mit ihren gemeinwirtschaftlichen Unternehmen ergänzen die Gewerkschaften ihre Tarif- und Sozialpolitik, indem sie mit den privaten Unternehmen in Wettbewerb treten und günstige Preise erzwingen. Durch ihre arbeitnehmerorientierte Angebotspolitik helfen sie auch auf ihre Weise und im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Realeinkommen, d.h. die Kaufkraft der Löhne und Gehälter zu erhöhen. Mit ihrer Wettbewerbspolitik unterstützen die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen die Arbeitnehmer in ihrer sozialen Rolle als 'Konsumenten'. " (Materialien Gemeinwirtschaft. Nr. 59 der Schriftenreihe der IG Metall)
Eine Sternstunde der Arbeiterbewegung: Der DGB auf dem Prüfstand
Ehrlich wie sonst keiner
"SPIEGEL: Gemeinwirtschaftliche Unternehmen sollen doch vorbildlich sein - oder?
BREIT: Ja.
SPIEGEL: Meinen Sie, daß Sie ein gutes Beispiel gegeben haben?
BREIT: Nein, wir haben kein gutes Beispiel gegeben... Das Renommee der Gewerkschaften haben wir sicherlich nicht gefördert, indem wir die Neue Heimat an einen Privatunternehmer verkauft haben..."
Verantwortlicher als jeder Kapitalist
"SPIEGEL: Man fragt sich, unterscheiden sich die Gewerkschaften eigentlich noch von dem, was sie sonst so gern schnöde Kapitalisten nennen?
BREIT: Ein ganz normaler Unternehmer pflegt etwas zu unternehmen, um Geld zu verdienen, je mehr, desto besser. Das ist kein Motiv für die Gewerkschaften. Es ist auch kein Motiv gewesen für das Wohnungsbauunternehmen Neue Heimat. Aber das ändert überhaupt nichts daran, daß solche Unternehmen den Zwängen des Marktes unterworfen sind... ...daß die Führung von Gewerkschafts-Unternehmen in schwierigen Verhältnissen, wie wir sie seit einigen Jahren zu verzeichnen haben, an Arbeitnehmerorganisationen Anforerungen stellen, die weit über das hinausgehen, was in einem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen vergleichbarer Art zu verzeichnen ist..."
Garantiert wertorientiert
"SPIEGEL: Sie retten lieber das Geld als die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften?
BREIT: Wir retten nicht das Geld. Wir sorgen dafür, daß die Gewerkschaften in einer außerordentlich schwierigen Zeit für Arbeitnehmer handlungsfähig bleiben... Es ist überhaupt keine Frage, daß unsere Aktionskraft geschwächt ist und daß auch die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften eingeschränkt ist." (Spiegel 40/1986)
Zum Fall Lappas
- dem DGB-Manager, der dem Untersuchungsausschuß des Bundestags zum Thema "Neue Heimat" mit einer frechen Aussageverweigerung gekommen und deshalb spektakulär in Haft genommen worden ist - soll der Mensch sich zwei blöde Sorgen machen:
1. Wurde das Bonner Parlament beleidigt?
Und wenn? Wer oder was ist dann kaputt? Wurden dadurch vielleicht die Brötchen teurer? Mal im Ernst: Daß parlamentarische Untersuchungsausschüsse fürs parteipolitische Schaugeschäft da sind und für sonst nichts, das weiß doch sowieso jeder. Die Elle der gediegenen Ehrbarkeit, an der da gestandene Schlitzohren einander messen, ist doch bekanntermaßen eine einzige Heuchelei.
Aber wie das mit demokratischer Heuchelei so ist: Jeder durchschaut sie - aber jeder läßt sie gelten. Sie schafft Handhaben, dem politischen Gegner in der schäbigsten Weise, also wahlkampfwirksam am Zeug zu flicken. Sie ist eine unentbehrliche Waffe im schmierigen Intrigenstreit, der gewählte Demokraten so sehr beschäftigt, wenn sie sich zu Führerfiguren hinaufstilisieren wollen. Deswegen darf niemand den Schein rechtlicher Redlichkeit, lauterster Unbefangenheit usw., also den ganzen Ehrfurchts-Zauber um die parlamentarischen Geschäfte herum, in Frage stellen. Deswegen setzt es sogar Beugehaft für Aussageverweigerer.
Und deswegen geschieht es dem "Neue Heimat"-Ausschuß völlig recht, wenn ihm mal ein herbeizitiertes "Opfer" frech kommt.
Bloß: Was ist das für ein "Opfer"?
2. Wurde die Streikfähigkeit der deutschen Gewerkschaft verhaftet?
Ungefähr so hat der Lappas sich hingestellt auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall. Fast als Märtyrer der tiefsten und höchsten und ältesten und goldensten Gewerkschaftsrechte hat er sich feiern lassen, vor seiner operettenhaften Festnahme.
Darf man die ach so empörten Gewerkschaftler vielleicht noch mal daran erinnern, was ihr gutgenährter Manager mit ihrer Streikfähigkeit wirklich zu tun hat? Der Mann ist für die Geschäftemacherei mit Gewerkschaftsbeiträgen führend zuständig. Er repräsentiert den Geschäftssinn einer Gewerkschaft, die fürs Streiken viel Geld einsammelt, wenig Geld ausgibt, also viel Geld übrig hat - und die von den Kapitalisten gelernt hat, daß übriges Geld "arbeiten", also als Kapitalanlage eine Rendite bringen muß. Ein Profitgeier im Gewerkschaftsdienst eben.
Und einer, in dessen "Holding-Gesellschaft' der Pleitegeier einen Besuch abgestattet hat. Der also Beitragsgelder braucht, um damit ein stinknormales, aber gewerkschaftseigenes Unternehmen zu sanieren. Beitragsgelder, die dann also erst recht nie wieder für einen gewerkschaftlichen "Kampf" ausgegeben werden.
Aber was ist damit schon kaputt?
Um die Streikaktionen einer Gewerkschaft, die mit ihren Streikgeldern einen Lappas zum Topmanager aufsteigen läßt, ist es sowieso nicht schade.
Und um Herrn Lappas?
Ach, der ist noch lange kein Knastbruder, auch wenn ihn die Kollegen von der GdP für 1 Tag ins Gefängnis "geführt" haben. Schließlich reicht der fortschrittliche Arm der Gewerkschaft bis in die letzte Zelle.
Vielleicht sollten DGB und Bundestag den Fall einvernehmlich so sehen: Von einer einzigen Aussageverweigerung schmarotzen jetzt, grob geschätzt, ein Dutzend Anwälte; und ca. zwei Dutzend Richter, Staatsanwälte, Gefängniswärter, Journalisten etc. sind beschäftigt. So schafft man doch - Arbeitsplätze, oder?!