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NACHRICHTEN VON DER MARKTWIRTSCHAFT
Gefährliche Butter
Die Weihnachtsbutter ist nicht von der ganz allerbesten Qualität und auch ihre Lagerfähigkeit läßt zu wünschen übrig. Aber was soll's - schnell verzehrt, ordentlich Wurst drauf oder in den Weihnachtskuchen: Da wird sich das Billigangebot doch nutzen lassen? Eine sehr naive Weltsicht. Die Weihnachtsbutter hat nämlich folgende Nachteile:
- Sie stört "das Marktgleichgewicht".
- Sie verstößt gegen den "EG-Grundsatz, die Märkte zu stabilisieren".
- Sie verletzt den "rechtlich anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit".
Der Entdecker solcher Menschheitsprobleme heißt "Margarineindustrie":
"Mit der Weihnachtsbutteraktion wird der Verbraucher nach Meinung der Margarineindustrie bewußt über die Preiswürdigkeit des Produkts getäuscht. Wenn dieser im Laden für 1 Kilo der mindestens 4 Monate alten Butter etwa 6 DM bezahle, so sei er bereits zum drittenmal für diese Butter zur Kasse gebeten worden. Einmal habe er als Steuerzahler bereits 5 DM pro Kilo für die Finanzierung der permanenten Butterüberschüsse gezahlt. Da jedoch nur mit einem teilweisen Mehrabsatz der verbilligt angebotenen Buttermenge gerechnet werden könne, werde durch die Weihnachtsbutteraktion eine große Menge Frischbutter in die Lagerhaltung abgeschoben, wofür der Verbraucher rund 12 DM pro Kilo zahlen müsse. Einschließlich des Kaufpreises für die Weihnachtsbutter koste das Kilo damit rund 23 DM. Kommentar des Verbandes: 'Die Anfang Dezember anlaufende Aktion bringt die teuerste Weihnachtsbutter aller Zeiten'."
Kaum ist die Butter mal eine Mark billiger, schon ist sie die teuerste aller Zeiten. Erstaunlicherweise findet man nirgendwo die kleine Anmerkung, ob die Rama-Kapitalisten nicht ein bißchen übertreiben. Aber erstens einmal ist das Interesse von Sanella und Konsorten gesellschaftlich bedeutungsvoll: Das Stück Armut, das sie als "Hersteller von anderen Nahrungsfetten" zum profitträchtigen Markt ausgebaut haben, darf ihnen nicht einfach von einem höherwertigen Nahrungsfett bestritten werden; es ist schon bedenklich, wenn der Preis, der manchem Brotaufstrich"verbraucher" vorschreibt, daß er Margarine mehr lieben muß als Butter, unverhofft außer Kraft gesetzt wird:
"Bei einem drastisch reduzierten Butterpreis wird die Lagerbutter zwangsfäufig auch für Margarinekäufer attraktiv. Schwerwiegende Umsatzeinbrüche bei den Margarine-Herstellern..."
Zweitens haben die Margarine-Hersteller einen öffentlichen Nerv getroffen: Geht es denn an, daß der Staat den Leuten das Fressen billiger macht? Die Tatsache, daß niedrige Preise fürs Wohlergehen der gewöhnlichen Konsumentenblödiane im Kapitalismus wirklich nicht vorgesehen sind, erfreut sich umfänglicher Interpretationskunststücke - und die beliebteste Variante dabei ist, daß der Butterkäufer sich bei jedem Pfund nur selber schadet, als Steuerzahler nämlich. Der simple Sachverhalt, daß die EG in ihren Lagern ein bißchen Luft schaffen will, taugt also zum modernen Aufguß der uralten Sentenz: Nix Genuß ohne Reue. Der problembewußte Butterkäufer hat mit Gedanken folgender Art im Supermarkt herumzurennen:
"Auch die Bonner Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AVG) kritisierte am Dienstag die Tatsache, daß die Weihnachtsbutteraktion die tatsächlichen Kosten der Überschußproduktion auf dem Milchmarkt eher verschleiere als offenlege. Die Aktion bringt nach Meinung der AGV jedem Steuerzahler einen Vorteil von 8 DM, dem jedoch eine zusätzliche Belastung in Höhe von 9,10 DM gegenüberstehe. Die Verbraucherorganisation sieht im übrigen keine Chance, daß die Kosten der Milchmarktordnung durch die Kontingentierungsregelung gedämpft werden könne. Schon jetzt sei im kommenden Jahr ein neuer Kostenrekord bei der Milch zu befürchten. Wenn darüber hinaus die Milchpreise im Vertrauen auf die Bremswirkung der Kontingente weiter erhöht würden, dann sei die Chance für eine Sanierung des Milchmarktes endgültig vertan."
So was nennt man einen gebildeten Staatsbürger, der sich bei jedem Pfund Butter die eingebildeten Sorgen des Staates macht Vertue ich jetzt womöglich die Chance für eine Sanierung des Milchmarktes? Wehe dem, der einfach bloß so seine Butter kauft:
"Der Appell, nur 'haushaltsübliche' Mengen mitzunehmen, konnte die Raffgier nicht mildern."
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Während die europäischen Regierungschef's letzte Woche in Dublin mal wieder untereinander ausgehandelt haben, wie viele Milliarden Mark sie sich im nächsten Jahr die Beseitigung der Wein- und Milchseen, Butter- und Fleischberge kosten lassen wollen, hat der sogenannte "kleine Mann", oder auch "Endverbraucher", die hochoffizielle Chance bekommen, sich auch mal an der EG zu "bereichern".
Man könnte natürlich auch die Frage stellen, warum es nicht möglich sein sollte, daß es das ganze Jahr über Butter für 1,30 DM gibt. Und Milch für 60 Pfennig, Wein für 1,50 den Liter, Rindfleisch für 5 Mark das Kilo gleich dazu. Vorhanden wäre ja wohl genug, Millionen von Tonnen und Hektolitern in Lagerhäusern und Tanks. Die Antwort der EG auf solche Fragen heißt allerdings kurz und bündig: Die Weihnachtsbutter-Aktion kostet den "Steuerzahler" ungefähr 1,20 DM pro 250g-Paket, und so teure Geschenke können wir uns nur ganz ausnahmsweise leisten. Ein schlagendes Argument! Auch wenn noch niemand ein Schild im Lebensmittelladen gesehen hat: "250g Weihnachtsbutter 1,39 DM. Wahlweise DM 1,20 bar auf die Hand."
Die gut 2 0 Milliarden Mark, die sich die EG jedes Jahr zur "Marktregulierung" leistet, sind nämlich wirklich für andere Zwecke da als zur Bereitstellung billigerer Lebensmittel. Die werden gebraucht, um die Überschüsse an Butter, Milch, Wein, Fleisch usw. "dem Markt zu entziehen" (d.h. der Vernichtung bzw. industriellen Verwertung als Öl, Sprit usw. zuzuführen,
allenfalls sie in fremde Länder zu exportieren - Hauptsache, weg vom europäischen Markt!). Denn so erhält man sich die Landwirtschaft als eine Branche, wo dank hoher, staatlich garantierter Verkaufspreise gute und sichere Geschäfte zu machen sind.
Hier wie überall ist für die Ausnutzung von Geschäftschancen natürlich Kapital vonnöten, je mehr, desto besser. Und deshalb stellt sich der von der EG garantierte Geschäftserfolg auch nur für die Agrarkapitalisten großen Stils ein, während kleinen Bauern bestenfalls die Perspektive winkt, sich als Nebenerwerbslandwirt mit viel Arbeit wenige Märker dazuverdienen zu können zum Arbeitslohn, ohne den nichts geht.
Kapitalismus zum Anfassen
Der britische Staat hat seine Fernmeldeanstalt Telecom privatisiert. Die Leute haben sich wie die Wilden angestellt, um eine Aktie zu kaufen, unter anderem weil man dann einen Rabatt beim Telefonieren bekommt; so löhnten sie 14,5 Milliarden Mark in den Staatssäckel. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" findet die Idee, so die Staatskassen zu füllen, nicht schlecht; da aber die Zeiten vorbei sind, wo sich die Bourgeoisie sozialdemokratischer Reformidealisten und katholischer Soziallehrer meinte bedienen zu müssen für das Märchen, eigentlich könne ein jeder Kapitalist werden, erlaubt sich die FAZ, ein paar Kübel Spott auszuschütten:
"Am Montag wird der Börsenhandel aufgenommen werden, zu einer ganz und gar unüblichen Zeit: von drei bis sechs Uhr. Auf diese Weise will man verhindern, daß das normale Börsengeschäft durch den Telecom-Handel erstickt wird. Manches an dieser größten Emission der Weltgeschichte paßt nicht recht zu dem gemäßigten Klima des Aktienhandels und Emissionsgeschäfts, so die zusätzlichen Anreize, die einhämmernde Fernsehwerbung oder die geringe Anzahlung. Aber so macht man das wohl wenn man 'Volkskapitalismus' schaffen will.
Offensichtlich hat der Herdentrieb mitgewirkt bei diesem Massenstart auf British Telecom. Soviel wurde davon geredet, soviele Möglichkeiten gab es zu erwägen, nicht zuletzt die steuerlichen, daß unzählige Menschen in den Bann des Ereignisses gezogen wurden. Viele Frauen, die noch nie mit Aktien zu tun gehabt hatten, füllten das Zeichnungsformular aus, während der Ehemann brummend dabeisaß - die Verlockung des Fernsprechrabatts zog für ihn nicht, da er seine Fernsprechrechnung im Geschäft steuerlich geltend machen kann. Spekulantengeister mobilisierten Verwandte und Freunde, um in deren Namen zu zeichnen, denn eine hohe Zeichnung auf einen einzigen Namen würde unweigerlich zu einer drastischen Rationierung führen. Friseusen und Putzfrauen, Briefträger, Portiers und Grünkrämer schnalzten fachmännisch über die Vorzüge einer langfristigen Anlage in dem "Wachstumswert". Die Wirtschaftsteile der britischen Zeitungen mögen sich künftig einer völlig neuen zusätzlichen Leserschaft erfreuen."
Tja, wer den Schaden hat...
Die Opposition in Gestalt der Labour Party hatte übrigens auch was Kritisches zu vermelden: Die Aktien seien unterbewertet gewesen, so daß es zu einer Überzeichnung kam. Im Klartext: Man hätte mit diesem tollen Trick den Leuten noch viel mehr Geld abknöpfen können.
L'inflation, c'est moi
sagt der französische Unternehmemerband CNPF:
"Der Lohnanstieg muß 1985 weiter gebremst werden, um die Inflation zu vermindern, die in Frankreich immer noch höher ist als bei den wichtigsten Handelspartnern."
Noch könnte man darin einen leisen Anflug einer verflossenen Ideologie entdecken, die da hieß: Die Unternehmer müssen ihre Preise wegen der steigenden Löhne erhöhen. Aber für die nötige Klarstellung wird gleich gesorgt, daß nämlich die Unternehmer ihre Preissteigerungen unbehelligt von allen Löhnen durchziehen wollen:
"Notwendig sei jetzt der Verzicht auf jede Bindung der Löhne an einen Preisindex. Die Löhne dürften sich nicht mehr nach der Inflation richten, sondern prioritär nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen im internationalen Wettbewerb."
Ein klares Bekenntnis zu einem Verelendungsprogramm, dem die Regierung - nach Auffassung der Unternehmer - allzu lang Steine in den Weg gelegt hat mit der Koppelung von Löhnen und Preisen. Die Gewinnsteigerung durch Preiserhöhung schlägt erst dann richtig durch, wenn sich die entsprechende Verarmung der lohnarbeitenden Massen stabilisiert. Warum solch beherzte Töne hierzulande kaum mehr zu vernehmen sind, ist dem Aufruf der französischen Unternehmer ebenfalls zu entnehmen: Sie fühlen sich im "internationalen Wettbewerb" benachteiligt, was nichts anderes heißt, als daß diese Sorte Verarmung in der BRD - Frankreichs Hauptkonkurrent in der EG - schon längst selbstverständlich und keines Aufhebens mehr wert ist. Nicht zuletzt daraus beziehen deutsche Kapitalisten ihre Durchschlagskraft gegen ausländische Konkurrenten. Man muß schon ziemlich genau hinschauen, um diese Selbstverständlichkeit im kapitalistischen Musterländle überhaupt noch erwähnt zu finden:
"Der eigenen Angaben zufolge größte konzernfreie deutsche Anbieter von Margarine (schon wieder die!) erwartet in diesem Jahr einen kräftigen Umsatzanstieg um über 40 Prozent... Der Umsatzsprung ist auf die 'drastischen' Preissteigerungen bei den Rohstoffen zurückzuführen, die ihrerseits eine Erhöhung der Werkabgabepreise zur Folge gehabt haben."
Die kleine Lüge dahingestellt, daß ausgerechnet Preise höhere Preise "zur Folge gehabt hätten" - so stellt sich das ein Kapitalist vor: Er steigert die Preise, wenn es ihm paßt. Der "soziale Friede", der in der BRD so vorbildlich herrscht und das Programm der "Reallohnsenkung" garantiert, verschafft ihm die Freiheit, sich ungestört mit seinen Konkurrenten auseinanderzusetzen. Wer dabei den Schaden hat, ist abgehakt.
Kapital und Konsum
Einen Anhaltspunkt, welch' ungeheurer Reichtum in der kapitalistischen Produktion umgewälzt und vermehrt wird, gibt folgende Notiz:
"Und noch eins: 1985 suchen rund 140 Milliarden DM aus Zins und Tilgungen neue Anlagen."
Es handelt sich um Geldkapital, wesentlich in Händen der Banken, das an der kapitalistischen Reichtumsvermehrung partizipiert: Mit ihm ist die Bedingung des Kredits für die Produktion gewährleistet, was ihm das Anrecht verschafft, sich seinen Teil vom Mehrwert herauszuschneiden. Der Beruf auch dieses Kapitals ist "rastlose Vermehrung", wie ein gewisser Karl Marx nachgewiesen hat, weswegen es unablässig "neue Anlagen sucht". Dieses Kapital ist nicht für den Konsum bestimmt, eben weil dies seiner Vermehrung widerspricht - das Problem der leiblichen Versorgung kennen seine Besitzer aufgrund ihres Eigentums nicht.
Umgekehrt besteht die Sorgfaltspflicht der Banken darin, jedes Stück Geld der produktiven Anlage zuzuführen. Die schlichte Verwandlung in Güter des täglichen Bedarfs erledigen die Banken in der Abteilung "Dienstleistungsverkehr" zwar mit - wofür sie erst einmal jeden freien Pfennig der Gesellschaft durch Gehaltskonten usw. an sich ziehen -, aber nur um den Daumen draufzuhalten:
"Eurocheque noch wertvoller (!). Der seit 1972 (!) unveränderte Eurocheque-Höchstbetrag von 300 DM wird zu Jahreswechsel auf 400 DM angehoben."