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EG/USA - IMMER ÄRGER MIT DEM GESCHÄFT
Daß einem Freunde nutzen und Feinde schaden, ist eine Weisheit, die bei internationalen Beziehungen so unbedingt nicht gilt. Das freundschaftliche Verhältnis, das wir zu unseren Partnern im Westen, zumal den USA, unterhalten, erweist sich in schöner Regelmäßigkeit als eine Quelle von Streitigkeiten, wie sie sich im Verkehr mit dem Osten nie einstellen. Denn die Mitglieder der NATO treffen als Macher und Nutznießer der Weltwirtschaft überall als Konkurrenten aufeinander, die mit politischem Einfluß den nationalen Geschäftsinteressen zum Erfolg verhelfen wollen.
So bewähren sie sich laufend als Schädiger der materiellen Interessen der lieben Partner und entdecken sich umgekehrt als Opfer von deren eigensüchtiger Machtausübung.
"Das Verhältnis zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten ist nach den Worten des designierten Präsidenten der EG-Kommission, Jacques Delors, derzeit abscheulich. Auf seiten der USA gebe es zuviel Auftrumpfen, Aggressivität und Selbstsicherheit. Der Tatbestand der derzeit schlechten Beziehungen zwischen den USA und Europa sei umso schlimmer, da Europäer und Amerikaner Freunde und keine Gegner seien." (SZ, 15.12.84)
Solche Beschwerden im Namen der transatlantischen Freundschaft sind nun allerdings nicht die moralische Vorbereitung - der andere ist schuld! - dafür, diese Freundschaft aufzukündigen. Vielmehr handelt es sich um die doppelte Feststellung, daß a n sich Grund für ein Zerwürfnis vorhanden sei, dieses aber nicht eintreten soll. Es wäre für konkurrierende Nationen normal und längst fällig, die aufgetretenen Gegensätze mit allen einem souveränen Staat zu Gebote stehenden Mitteln auszutragen. Aber um des Bündnisses willen ist man entschlossen, ganz im Gegenteil eine einvernehmliche Regelung zu finden, so daß noch stets ein Kohl adäquat in den Worten einer Eheberatung verkündet, "daß auf beiden Seiten Fehler begangen worden seien." (SZ, 3.12.84)
Denn der Zweck des westlichen Bündnisses ist die Feindschaft gegen die Sowjetunion, und an dieser obersten außenpolitischen Richtlinie relativieren die kapitalistischen Staaten ihre Differenzen. Allerdings, das Gebot, daß es nicht zu einer schrankenlosen Schädigung der Partner und zu einer ordentlichen Gegnerschaft im Bündnis kommen darf, beruht auf mehr als dem in diversen NATO-Erklärungen festgeschriebenen politischen Willen der Beteiligten. "Eingebunden" in die Mechanismen ihrer Weltwirtschaft können sie sich wechselseitig, und die Weltmacht Nr. 1 allen anderen, Vorteilsrechnungen und Angebote präsentieren, die sich kaum mehr ausschlagen lassen.
Der Dollar - eine Bombenwährung
Der "Höhenflug des Dollar" wird hierzulande für sehr ungerecht befunden. Man ist sich einig, daß der Dollar "überbewertet", sein Kurs "künstlich, unnatürlich, unlogisch" ist.
"Wie wenig Kaufkraftrechnungen noch gelten, zeigt folgender Vergleich: Vom Januar 1980 bis August 1984 verbesserte sich die Kaufkraft der DM gegenüber dem Dollar jährlich um durchschnittlich 1,6%. Gleichzeitig fiel aber der Außenkurs der DM jährlich um 12,4%." (SZ, 22.9.84)
Bloß, was soll eine Kaufkraftrechnung, von der der Autor selber sagt, daß sie nicht gilt? Sie wird der moralischen Wirkung zuliebe aufgemacht, und dasselbe gilt für die angestrengte Deuterei auf ein Faktum, das den gegenwärtigen Außenwert des Dollar kritisieren soll. Die Amerikaner leisten sich nämlich einen "Nachfragerausch", der nicht nur der "größte seit dem Koreaboom" ist, sondern auch noch auf Pump basiert. Denn sie haben erstens ein "gigantisches Haushaltsdefizit" und zweitens ein "atemberaubendes Loch in der Handelsbilanz". Und das alles müßte doch ihre Währung statt auf einen Höhenflug rapide in den Keller schicken.
In der Beschwerde, die hierzulande im Namen unumstößlicher, aber leider nicht gültiger Gesetze des Wirtschaftens geführt wird, spricht sich unverhohlen der Neid auf die transatlantischen Brüder aus. Die USA können sich etwas leisten, was keinem anderen Staat, leider auch uns nicht, so mühe- und gefahrlos zu tun erlaubt ist. Die Amerikaner "leben über ihre Verhältnisse", was eine zum Himmel schreiende Verantwortungslosigkeit gegenüber der Weltwirtschaft ist. Und vor diesem Vorwurf tritt erstmal ganz in den Hintergrund, daß sich insbesondere unsere eigene Exportnation gleich zweimal am US-Boom dumm und dappig verdient: erstens als Kreditgeber und zweitens als Warenlieferant. Wenn, wie die "Wirtschaftswoche" (50, 1984) als Beispiel für unsolide Lebensführung meldet, der Amerikaner sich heutzutage die Flasche Apollinaris zu 1 Dollar 25 hinter die Binde gießt (auf solche Zahlen gründet sich wohl obige Kaufkraftrechnung), so muß das uns und unserem Herrn Apollinaris doch wohl mehr als recht sein, oder? Als besorgte Frage bleibt allerdings, warum sich die Amerikaner das leisten können. Und da hat ein Herr Leutwiler von der Schweizerischen Nationalbank herausgefunden:
"Natürlich haben die Amerikaner es einfach, weil sie die Währung fabrizieren, mit der die Welt bezahlt; aber sie werden nun gewissermaßen freiwillig finanziert. " (Spiegel 39, 1984)
Der Mann hat recht, auch wenn man sich die Sache nicht so vorstellen darf, daß "letztendlich wir" den Amis ihre teuren drinks spendieren. Im Unterschied zu allen anderen Währungen ist der Dollar die monetäre Basis des internationalen Geschäfts, verbindlicher Wertträger und gültiges Zahlungsmittel, soweit die Weltwirtschaftsordnung reicht. Wenn sich der amerikanische Staat also, wie es so schön heißt, in seiner eigenen Währung verschuldet, so verschafft er sich internationale Zahlungsfähigkeit und damit Zugriff auf jedweden Reichtum. Der Fabrikant der Weltwährung befindet sich dem ganzen Globus gegenüber in der schönen Position, die ein x-beliebiger Staat der eigenen Wirtschaft gegenüber einnimmt, die er mit seinen Zetteln als gesetzlichem Zahlungsmittel versorgt. Bloß, daß an die Stelle der inländischen Gesetzeskraft die Gewalt der Weltmacht Nr. 1 tritt sowie der trotz aller Klagen unerschütterliche Entschluß der übrigen Nationen, diese Funktion des Dollars nicht in Frage zu stellen, sondern sich seiner zu bedienen.
Allerdings: Der Wert einer Währung, ihre Relation zu Kreditgeld anderer nationaler Provenienz, ist, was dafür gezahlt wird. Und das hängt wieder davon ab, wie sehr die Währung gewollt wird. Hier gibt es, das grundsätzliche Zutrauen zum Dollar unterstellt, Unterschiede und Konjunkturen, und hier kommt auch die von Leutwiler angedeutete Freiwilligkeit ins Spiel. Denn die "Doltar-Euphorie" rührt daher, daß mit ihm derzeit die allerbesten Geschäfte zu machen sind, wenn auch keine solchen, die mit dem Einkaufen von Waren etwas zu tun hätten. Die USA sind "überaus attraktiv" für Geldanleger: Wer ganz gemütlich 12% Rendite für sein Vermögen will, geht genauso in den Dollar wie der Spekulant, und Unternehmen und Banken "parken" dort jede kurzfristig freie DM. Das Ergebnis, daß den USA pro Jahr 100 Milliarden auswärtiges Kapital zufließen, weiß ein anderer Vorstandsvorsitzender, Walter Seipp von der Commerzbank, so zu deuten:
"Der Markt hat längst bestätigt, daß es gerade für die amerikanische Währung nicht primär auf die ökonomischen Fundamentals und auch nicht nur auf die Zinsdifferenz ankommt, sondern zugleich auf das psychologische Umfeld. Am nachhaltigsten scheint der Dollar auf die politische Performance der USA, zu reagieren." (Wirtschaftswoche 52, 1984)
"Die Amerikaner können sich noch lange erlauben, über ihre Verhältnisse zu leben, weil die übrige Welt bereit ist, das zu finanzieren. Außerdem gibt es keine Kapitalflucht aus den Vereinigten Staaten. Ganz im Gegenteil, es gibt einen Kapitalsog. ... Der Devisenmarkt wertet das amerikanische Budget-Defizit offenbar geringer als die Attraktivität der hohen Zinssätze. Und der Markt hat immer recht",
schwadroniert der Schweizer Chef der 'Bank für internationalen Zahlungsausgleich'. Er teilt aber auch mit, worauf sich die internationale Finanzwelt dabei verläßt - auf die hemmungslose staatliche Kreditpolitik:
"Der Fall Continental Illinois hat gezeigt, daß die amerikanischen Behörden bereit sind, eine solche Bank zu retten. Für mich ist das die Gewähr dafür, daß man sich bei ähnlichen großen oder größeren Banken gleich verhalten wird. Das ist eine Art Garantieerklärung. So wie die Bundesbank keine große deutsche Bank fallenlassen kann, so wie wir in der Schweiz keine große Bank fallenlassen können, so kann kein größeres Land eine wichtige Bank pleite gehen lassen." (Spiegel 39/1984)
Diese offenbar hochgebildete Wirtschaftspersönlichkeit weiß, woran sich Leute zu halten haben, die ihr Geld in Geld und anderen national gefärbten Zetteln anlegen. Sie spekulieren in Nationalkredit, das heißt, sie setzen nicht auf den Ausgang von Geschäften, sondern den Erfolg von Staaten. (Schon Jesus kannte die entscheidende Frage: "Zeiget mir einen Groschen! Wes Bild und Überschrift hat er?" Lukas 20, 24). Dieser Erfolg ist an der laufenden Politik auszumachen, und die ökonomischen Fundamentals sind kein extra Kriterium, das vorsichtshalber auch noch irgendwie zu berücksichtigen wäre. Im Gegenteil. Wer jetzt in den Dollar geht, nimmt ganz offensichtlich die amerikanische Schuldenpolitik nicht als Schwächezeichen, sondern als Einleitung und Zubehör der "wiedergewonnenen Führerschaft", der "kraftvollen Außenpolitik" und des "nationalen Pioniergefühls" der USA.
Und das mit gutem Grund. Denn der enorme politische Finanzbedarf der USA ist aus dem Beschluß erwachsen, die Nation durch Aufrüstung konkurrenzlos überlegen zu machen. Den wahrhaft astronomischen Zahlen, die regelmäßig aus Washington zu den geplanten Rüstungsanstrengungen verlautbart werden, entnimmt die Finanzwelt drei gewichtige Argumente zur Bonität amerikanischer Schulden.
- Erstens ist der Finanzbedarf schier unermeßlich; die Verschuldung wird also garantiert weitergehen. Das ist gleichbedeutend damit, daß die USA dauerhaft für Zinsen und Wert ihrer Papiere einstehen.
- Zweitens wird bei der Fabrikation dieses ganzen papierenen Reichtums ökonomischen Klagen z.B. der US-Kapitalisten über hohe Zinskosten mit Sicherheit nicht nachgegeben. Wo der Grund des Finanzbedarfs der Kurs auf militärische Überlegenheit ist, läßt sich die Beschaffung der Mittel nicht durch Rücksichten auf allfällige volkswirtschaftliche Bedenken behindern. Die Erfolgsgarantie dieser Politik liegt in der Kombination von Rücksichtslosigkeit in Sachen Staatsverschuldung mit äußerstem Entgegenkommen bei der Besteuerung florierender Kapitale.
- Drittens sind alle kapitalistischen Nationen herzlich eingeladen und längst dabei, dieses Programm mitzutragen. Wo alle ihren Nationalkredit strapazieren, ist es keine Frage, welche Währungen "attraktiv" werden und welche weniger. Die größte Macht hat auch den größten Kredit. Und wer die Leitwährung nicht macht, der muß sich nach ihr richten.
Die Sicherheit, die der Dollar den Anlegern zu bieten hat, ist die Gewalt der USA und ihr politisches Programm. Dessen Erfolge werden unmittelbar als ökonomische Daten genommen. Die USA wollen sich an den Geldmärkten der Welt bedienen, statten ihre Papiere mit entsprechenden Zinsen aus, und von da aus nimmt alles seinen geschäftsmäßigen Gang: Kapitalabfluß in die USA, hoher Dollarwert, Spekulation. Ein Gang, der zwar haarklein alle Regeln des Geldmarkts exekutiert, aber in seiner Konsequenz manchen alten Hasen als Teufelskreis erscheint. Ihnen graust es vor einer Akkumulation, die durch Fortschritte der US-Weltpolitik statt durch eine solide BRD-Bankpolitik vorangetrieben wird. Da wollen sie auf einmal davor erschrecken, wie fiktiv die Größen sind, mit denen sie so wunderbare Geschäfte machen.
"Wenn die sich selbst verstärkende Aufeinanderfolge von horrendem Budgetdefizit, hohen Zinsen, harter Geldpolitik, ungehemmter Auslandsverschuldung, hochfliegende US-Dollar und emporschießendem Handelsbilanzdefizit einmal bricht, ist das an allen Ecken der Welt, doch mit den USA als Zentrum des Sturms, zu spüren." (K. Rickebäcker von der Dresdner Bank, "Wirtschaftswoche" 51, 1984)
Eine solche Aufeinanderfolge wird nicht in Gang gesetzt, um sie irgendwann mit der Rückkehr zu einer ökonomischen Normalität zu beenden, die dann aus lauter unbezahlbären Schulden und geplatzten Papieren bestünde. Das wissen die Finanzmenschen andererseits auch; und dabei verlassen sie sich ganz auf den politischen Willen der Weltwirtschaftsmächte.
Aufhalten will diese Entwicklung niemand mehr. Wenn sich die Europäer über die Dollarbewegung, an der ihre eigenen Kapitalisten bis hin zu den Nationalbanken kräftig beteiligt sind, beschweren, dann deshalb, weil diese Bewegung ihnen auch Kosten bereitet. Der Dollar ist ihnen zu teuer als Mittel all der anderen Geschäfte, die in ihm abgewickelt werden, und die Verteidigung des eigenen gesetzlichen Zahlungsmittels in der Konkurrenz der nationalen Kredite erfordert Stützungskäufe und eine Orientierung am hohen amerikanischen Zinsniveau, das der Kaufkraft weniger erfolgreicher Nationen entsprechend schlechter bekommt.
Bleibt nachzutragen, daß die Dollarspekulänten sich natürlich keinen ernsthaften Gedanken, geschweige denn Sorgen über die Rüstungspolitik und den Kriegskurs der NATO machen. Es reicht, wenn die USA Rüstungsprogramme bis über das Jahr 2000 hinaus auflegen und Reagan als Garanten solcher Perspektiven wiederwählen. Und im übrigen spricht das Geschäft, das mit dem Dollar zu machen ist, überzeugend für sich selbst. Das "psychologische Umfeld" ist jedenfalls von eitel Optimismus erfüllt:
"Was hat dem Gold seine Attraktiuität genommen?... Die Angstkomponente, sonst Hauptquelle für den Glanz des Goldes, spielt derzeit keine Rolle." (Wirtschaftswoche 52, 1984)
Wenn der Goldhorter darauf setzt, daß die Erfolge von Staaten kommen und gehen, aber der Kapitalismus bestehen bleibt, so weiß der Dollaranleger es besser: Diesmal fällt der Fortbestand des Kapitalismus mit dem Erfolg der USA zusammen.
Die Röhren
Wie bekanntlich jede Medaille zwei Seiten hat, so verfügt auch der vielgeschmähte Dollar über eine attraktive Hinteransicht. Auf ihr ist, hiesigen Wirtschaftskommentatoren zufolge, eine kleine Konjunkturlokomotive zu sehen: Der Dollarkurs sei dafür verantwortlich, daß der Absatz der EG in die USA enorm steigen und deshalb auch hierzulande einiges bewegen konnte. Dies Argument beinhaltet ein gutes Stück Konfusion: Der Wechselkurs mag ein eingeführtes Produkt im Vergleich zu seinem eigenen alten Preis verbilligen; es wird aber nicht notwendig billiger im Vergleich zu einheimischer Ware. Und im übrigen ist "billig" noch lange nicht dasselbe wie "gekauft".
Der Zusammenhang zwischen US-Nachfrage und Dollarkurs ist eher bei den Ursachen des letzteren zu suchen. Denn erstens macht der amerikanische Staat Schulden, weil er Geld ausgeben will, wenn auch nicht gerade zur Wirtschaftsförderung. Und zweitens besorgt er sich das Geld auf dem Anleiheweg, mit der erklärten Absicht, seine Wirtschaft nicht zu strapazieren, sondern massiv zu entlasten. (Eine Vereinigung namens Citizens for Tax Justice beschwert sich, daß über die Hälfte der von ihr durchleuchteten Firmen überhaupt keine Abgaben mehr zahlt.) Unter diesen Bedingungen ist in den USA eine flotte Belebung des Geschäfts zustandegekommen. Wenn nun die EG, die BRD voran, die dazugehörige Nachfrage ausnutzen können, so liegt das an der Produktivität ihrer Kapitale, d.h. am Erfolg der Sanierungs- und Rationalisierungsprogramme, die sie in den letzten Jahren durchgezogen haben. Deshalb stimmen amerikanische Wirtschaftskommentare ein Lied an, das hierzulande mit anderer Besetzung bekannt ist: Deutsche Arbeiter sind billiger als ihre amerikanischen Kollegen...
Ausgangspunkt der US-Nachfrage ist das Geschäft des Importeurs, erst recht im Falle der Investitionsgüter. Als ausgesprochen geschäftsschädigend gilt das alles aber bei den amerikanischen Produzenten, die Vergleichbares anzubieten haben, und deshalb wird dort der Ruf nach Importbeschränkungen laut (im letzten Jahr eine dreistellige Zahl protektionistischer Gesetzentwürfe und privater Einfuhrschutzanträge). Bei diesem Thema ist man in den USA grundsätzlich nicht zimperlich: Die negativen Wirkungen der Weltmarktkonkurrenz gehören verboten, ganz gleich, ob sie auf heimischen Märkten oder sonstwo auf dem Globus auftreten.
In der größten Volkswirtschaft der Welt ist man der Meinung, daß alles, was gegen sie auf Gewinnkurs liegt, nur ein Beispiel "unfairen Wettbewerbs" sein kann. Die Praktiken, mit denen ein Kapitalist dem anderen das Wasser abzugraben sucht, sind zwar sämtlich in den USA an der Tagesordnung bzw. gar bodenständig; aber "unfair" heißt für einen Amerikaner soviel wie "staatlich gefördert". Weil die dortige Art der Staatsfürsorge fürs Kapital zuerst im weltweiten Wirken der US-Gewalt besteht, hat man es leicht, so ziemlich sämtliche Realitäten des europäischen Wirtschaftens - von der Kredithilfe bis zur Sozialmaßnahme, vom Wissenschaftsprogramm bis zur Abschreibungserleichterung - als Subventionierung zu denunzieren. Staatshilfen waren gut und schön, - solange sich die Europäer noch für den Ost-West-Gegensatz fit machen mußten. Aber seit der wirtschaftliche Erfolg ein allgemeiner ist und der Weltmarkt sich in einer Krise befindet, muß sich jede Mark im EG-Haushalt die Frage gefallen lassen, ob sie nicht statt dessen besser gleich in die Rüstung gehörte:
"Der von Präsident Reagan eingesetzte Sonderausschuß für internationale Privatwirtschaft hat die EG-Staaten aufgefordert, ihre Ausgaben für die NATO zu erhöhen statt ihre Stahl- und Agrarausfuhren zu fördern...
Die von der EG zur Stützung ihrer Agrarexporte inuestierten Milliarden könnten konstruktiver zur Deckung der Kosten der NATO genutzt werden." (SZ, 15.12.1984)
Zu dieser "Empfehlung" gibt es eine doppelte Praxis. Erstens wird in langwierigen Gerichtsverfahren über die Ungerechtigkeit fremdländischer Preisgestaltung befunden. Zweitens hat der Präsident weitgehende Vollmacht der Entscheidung, wann der Außenhandel amerikanischen Interessen zuwiderläuft und was dagegen zu tun ist; er ist der oberste Feldherr auch in Handelskriegen.
Aus jüngster Zeit liegen zwei Entscheidungen Reagans vor: Bei den EG-Stahlröhren besteht er auf Einhaltung der schon früher verfügten Beschränkungen, während er entsprechende Anträge der Werkzeugmaschinenhersteller und einiger anderer Branchen abgewiesen hat. Ein Land wie die USA hat eben die Freiheit, in hohen Importen einmal eine Schädigung des heimischen Geschäfts zu sehen, die als Resultat unamerikanischer Umtriebe eine Staatsaktion nötig macht, oder sie das andere Mal als Siege zu deuten, insofern sich die eigenen Kapitalisten ganz souverän aus dem Angebot der ganzen Welt heraussuchen, was ihrer Profitmacherei nützt.
Die amerikanische Ankündigung, die dauernde Überschreitung der der EG eingeräumten Stahlkontingente nicht dulden zu wollen, hat hierzulande kurzfristig für Aufregung gesorgt. Das Ergebnis hatte die Form einer Selbstbeschränkung, was nicht nur den Willen zur Einigung dokumentiert, sondern auch Möglichkeiten für einen innereuropäischen Streit um die Aufteilung des Kontingents sowie einiger bilateraler Extra-Würste bot. Der Gedanke an einen Handelskrieg - im Gespräch wär die Beschränkung von Agrarimporten aus den USA - war beinahe schneller vom Tisch als auf demselben. Den hier bewährte sich wieder einmal das Faktum, daß die USA selber das größte Stück Weltmarkt sind. Und gegen den läßt sich nun einmal kein Handelskrieg führen, erst recht nicht, wenn man ihn gerade wie der als dringend benötigte "Konjunkturlokomotive" für sich entdeckt hat.