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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1985 erschienen.

Systematik

Internationale Heimatkunde: Albanien
SKIPETARISCHER MARXISMUS-LENINISMUS

Die SOZIALISTISCHE VOLKSREPUBLIK ALBANIEN hat den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei des Landes Enver Hoxha verloren. In korrekter Einschätzung der internationalen Staatenwelt, bzw. von Verhältnissen zwischen den Staaten, angesichts derer die albanischen Kommunisten sich für die weltweite "Selbstisolation" entschieden haben, schickten sie Beileidstelegramme zurück und ließen keine "Trauergäste" ins Land. Wieder ein Beleg dafür, daß in Tirana Leute das Sagen haben, denen alle politischen Sitten und Gebräuche abgehen.

Statt eines Nachrufs auf den genossen Enver Hoxha haben wir uns für den Wiederabdruck des Artikels über das sozialistische Albanien aus MSZ Nr. 1/1982 entschieden. Lediglich die Einleitung wurde dem Anlaß entsprechend aktualisiert. Ansonsten bot die Politik der albanischen Kommunisten keinen Anlaß für hinzuzufügende Argumente oder die Revision bestimmter Urteile. (MSZ Redaktion)

Was ein exotisches Land über die Normalität der Weltpolitik lehrt

Für die Nachrufschreiber im "Spiegel" (16/1985) bietet der Tod des "Diktators von Tirana" die Gelegenheit, endlich wieder einmal über einen Staatsmann ohne jedes Wenn und Aber herzuziehen. Hoxha war schon "in seiner Jugend" als Student "skrupellos" genug, mit einem "Stipendium seines Königs" nach Frankreich zu gehen und dort im KP-Blatt gegen das heimatliche Feudalregime zu hetzen. 1944 "ernannte er sich selbst" zum Premier und brach mit Tito, nur um den "rückständigen Hinterhof Europas zum eigenen Staat ausbauen zu dürfen". Er überwarf sich mit Chruschtschow, um"die Schulden von 200 Mio. Dollar nicht zurückzuzahlen", und auch der Tod Maos kam "dem gewieften Albaner höchst gelegen", um "mit Peking" zu brechen. Hoxhas manische Furcht vor fremden Einflüssen" ging sogar soweit, "daß Albanien als einziges europäisches Land die KSZE-Akte nicht unterschrieb". Mit einem Wort: Hoxha "stand für einen Kommunismus, den es anderswo nirgends mehr gibt". Das Ableben dieses Politikers, der sein Land weder von Ost noch von West als politischen Verbündeten oder als militär-strategische Basis benützen ließ, führt deshalb auch nicht zu der Frage, die westliche Journalisten noch bei jedem Putsch in Afrika zu Hoffnung und Enttäuschung bewegt: Was bedeutet diese politische Veränderung für "uns", für die Demokratie, für den Westen und für das "Gleichgewicht der Kräfte". Zwar mag sich schon einmal ein "Spiegel"-Korrespondent am Nachweis versuchen, daß auch in Albanien der Kommunismus seine unmenschlichen Züge zeigt und die Albaner für die "rigide Selbstisolation" ihrer "stalinistischen" Führer "mit Schweiß und Konsumverzicht bezahlen müssen". Aber ein richtiger Fetzer wird so eine Reportage über "das einzige Land, das jegliche Religionsausübung verbot", nicht: Was soll schon die Nachricht, daß auch in dieser Weltecke der Kommunismus ein Verbrechen ist, wenn ihr die aktuelle Wucht, die aus dem Glauben jedes braven Demokraten eine politische Anklage macht, fehlt, der Nachweis nämlich, daß dahinter die Russen stecken.

Hüter der Weltrevolution - Gegner der Weltpolitik

Das Urteil über Albanien, hoffnungslos rückständig und isolationistisch zu sein, rührt also daher, daß dieses Land der letzte Überrest einer politischen Periode ist, in der es noch nicht für alle Nationen entschieden war, daß ihre Interessen nur im Einordnen und Unterwerfen unter den Ost-West-Konflikt bestehen. Heute ist eben nichts anachronistischer, als die Ideale von staatlicher Souveränität und nationaler Selbständigkeit, mit denen überall Politik gemacht wird, als Außenpolitik realisieren zu wollen - und nichts weltfremder als der Anspruch der Kommunistischen Partei Albaniens (PAA), sich im Verhältriis zu anderen Staaten nur vom "Vertrauen in die eigenen Kräfte" leiten zu lassen.

"Die Sozialistische Volksrepublik Albanien hält an dem Prinzip fest, daß jedes Volk das Recht hat, seinen eigenen Entwicklungsweg zu wählen und selbst auf souveräne Weise über sein Schicksal zu entscheiden.

Das sozialistische Albanien als völlig freies Land sagt offen, was es denkt, ohne Vorbehalt und mit voller Aufrichtigkeit. Es verfolgt eine souveväne Außenpolitik, denn es hat sich weder politischen Pakten noch Militärverträgen, noch abgeschlossenen Wirtschaftsorganisationen verschrieben. Es gründet seine wirtschaftliche und politische Entwicklung, seine Verteidigung und seine Zukunft weder auf Kredite und Anleihen noch auf die Hilfe von anderen Staaten, sondern auf die eigenen Kräfte." (I, 223)

Albanien hat sich im Lauf seiner Geschichte zu diesem Standpunkt hingearbeitet, nachdem seine Bündnisse mit der UdSSR und China in die Brüche gegangen sind und Enver Hoxha erfahren mußte, daß die russische und chinesische Politik keineswegs dem weltweiten Sieg einer Lehre, der des Marxismus-Leninismus, zum Durchbruch verhelfen wollte und deswegen als "revisionistisches Renegatentum" die "Völker der Welt" nicht weniger bedrohe als der amerikanische Imperialismus. Aus der Lehre, daß es der russischen und chinesischen Politik nur bedingt auf die Unterstützung Albaniens ankam, weil sich auch dort das staatliche Handeln nach machtpolitischen Ansprüchen und nicht nach der Reinheit einer Lehre richtet, die allenfalls die Politik legitimatorisch begleitet, hat Hoxha die Konsequenz gezogen, daß diese Länder abgefallen sind und nur noch Albanien als Hüter der Weltrevolution übrig bleibt. Hoxha, der selbst in den besten Freundschaftstagen in Moskau und Peking als notorischer Querulant galt, weil er als theoretischer Lehrmeister auftrat, hat sich starr einer Einsicht verweigert, die heute jeder andere Staatsmann, der in Afrika oder Asien sitzt, beherzigt. Die stolze Rolle des Mitbeteiligten am Weltgeschehen verlangt, sich zum bedingungslosen Mittel dafür zu machen - eine Einsicht, die nicht schwer zu haben ist, denn Blut und Elend dieser Beteiligung trägt die Bevölkerung.

Im Vertrauen auf die Lehren des Marxismus-Leninismus ist Albanien zum Gegner der gesamten Weltpolitik geworden, und daß sich dieses Land isoliert behauptet, ist der schlagende Beweis, daß der Sieg der Weltrevolution nicht aufzuhalten ist.

"Und die Erfahrung Albaniens zeigt, daß auch ein kleines Land mit einer rückständigen materielltechnischen Basis eine überaus zügige und allseitige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung erreichen kann, seine Unabhängigkeit sichern und die Angriffe des Weltkapitalismus und Weltimperialismus bewältigen kann, wenn es von einer wahrhaft marxistisch-leninistischen Partei geführt wird, wenn es entschlossen ist, bis zuletzt für seine Ideale zu kämpfen, und wenn es die Gewißheit hat, diese Ideale auch verwirklichen zu können." (I, 10)

Diese Erfahrung ist allerdings eine gewaltige Aufschneiderei: Ohne die Existenz des Ostblocks, dessen Herren gegenüber die albanischen Politiker einen Haß an den Tag legen wie ihn nur ein Glaubensstreit um die rechte Lehre erzeugen kann, wäre auch diese balkanische Insel der Weltrevolution schon längst beseitigt. Daß es Albanien in seiner jetzigen Staatsform noch gibt, hängt auch ohne den Ostblock mehr vom nur bedingten Willen des Westens, an dieser Stelle Fronten zu begradigen, als von der entschlossenen Kampfkraft einer Partei ab.

Da diese Ideale albanische Realität sind, sind sie auch noch heute die richtigen Maßstäbe für die Einschätzung aller politischen Ereignisse auf der Welt und in einer erfrrischenden, weil von keinem anderen revisionistischen Politiker mehr praktizierten Direktheit wird der Glaube an den Sieg des Kommunismus, den Sieg der Arbeiterklasse und aller unterdrückten Völker zum Gradmesser der Beurteilung, nach der die Führer der PAA die Weltlage hoffnungsvoll, aber mit einem Haß auf Imperialismus und Bourgeoisie, der Ostblockvertretern schon längst abhanden gekommen ist, begutachten. Der Sieg des Kommunismus schreitet unaufhaltsam voran - gesetzmäßig und tatsächlich:

"Der Kampf der Völker und des Proletariats gegen ihre Feinde wird vorwärtsschreiten. Er ist ein objektiver historischer Prozeß und es gibt keine Macht, die ihn aufhalten kann." (I, 222)

"Das nationale und revolutionäre Bewußtsein ist überall gewachsen. Das zeigt sich auch klar an der Verbreiterung der Bewegung der verschiedenen Länder und Kräfte, die für die Errichtung der nationalen Souveränität über die eigenen Reichtümer, für die Neubewertung der Rohstoffe und Energiequellen, für den gleichberechtigten Austausch im Welthandel zum gegenseitigen Vorteil, für die Änderung des vom Imperialismus errichteten Weltwährungssystems, für die Einschränkung und Beseitigung der monopolistischen Wirtschaftsmacht der multinationalen Gesellschaften usw. kämpfen." (I, 215 f.)

Da der Nationalstolz und der Glaube an den Kommunismus in der Sozialistischen Volksrepublik zusammenfallen, haben die albanischen Politiker keine Mühe, jede Schlächterei in der "Dritten Welt", in der unter dem Titel: Kampf für nationale Unabhängigkeit ganze Völker niedergemacht werden, damit irgendwelche Figuren ins Rampenlicht imperialistischer Berücksichtigung rücken können, auf der Erfolgsseite der Welttendenz abzubuchen, genausowenig, wie sie die Einseitigkeit, nach der der Streit um den Welthandel ausgetragen wird, bekümmert.

Die Hauptfeinde in der Dauerkrise

Gegen die weltweite Revolution stehen die Supermächte. Der amerikanische Imperialismus, der russische Sozialimperialismus und der chinesische Hegemonismus sind die Hauptfeinde der Menschheit. Auch dieses Urteil ist nicht an dem interessiert, was diese Mächte auf der Welt anrichten, und genausowenig an einem Unterschied zwischen ihnen, der ja immerhin einen Weltkrieg auf die Tagesordnung setzt. Daß Albanien das Urteil der Völker vollstreckt und gleichermaßen gegen alle drei Mächte steht - wobei im Falle Chinas und Rußlands die eigene Enttäuschung als besondere Perfidie dieser Staaten ausgemalt wird - reicht aus, um China, das sich gerade zu einem normalen Entwicklungsland des Westens hinentwickelt, zur dritten blutrünstigen Weltmacht zu erklären. Sie knechten die Völker der Welt - also sind sie schlecht, und umgekehrt, die unterdrückten Völker sind gut, weil geknechtet:

"Die Interessen der Supermächte und der Völker stimmen zu keiner Zeit und in keinem Augenblick überein; sie haben nichts gemeinsam. Die Existenz des Imperialismus setzt die Versklavung der Völker voraus; die Befreiung der Völker setzt die Zerschlagung des Imperialismus voraus." (I, 188)

So läßt die Hoffnung auf diese Weltrevolution Hoxha glatt übersehen, daß die vom Imperialismus benützten Staaten einen grundlegenden Unterschied zum sozialistischen Albanien aufweisen: Sie richten sich auf die Benützung durch die Weltmächte ein - und das, nicht der Kampf gegen den Imperialismus, kostet Millionen Menschen das Leben. Albanische Politiker sehen in allen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen, die immer nur einen Gewinner haben, das glatte Gegenteil am Werk, die Fäulnis und den Zusammenbruch der Supermächte unter den Schlägen, die Nationen, Völker und die Arbeiter aller Welt diesen versetzen. Daß ein Weltkrieg ansteht und vorbereitet wird, ist dabei der schlagendste Beweis, daß die Supermächte ohnmächtig von ihrer schlimmsten Krise geschüttelt werden.

"Die Zuspitzung der internationalen Lage und die Erhöhung der Kriegsgefahr werden noch krasser aufgrund der schweren wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Krise, die heutzutage die kapitalistische und revisionistische Welt ergriffen hat." (I, 202) "Der amerikanische Imperialismus und der sowjetische Sozialimperialismus unternehmen große Anstrengungen, um als unbesiegbare Supermächte zu gelten. Zwar verfügen sie über ein großes Militär und Wirtschaftspotentaal, mischen sich in die inneren Angelegenheiten anderer Völker und Staaten ein und beeinflussen sie, doch Waffen zu haben, über Dollars und Rubel zu verfügen, heißt noch nicht, unbesiegbare Macht zu haben. Die imperialistischen Supermächte müssen als das betrachtet werden, was sie wirklich sind, ohne sie zu unterschätzen, aber auch nicht zu überschätzen. Sie sind mächtig und wild, aber sie sind auch in Fäulnis begriffen, sind zerfressen und entartet; ihre Grundlagen sind erschüttert," (I, 221)

Die sympathische Seite dieser Weltbetrachtung besteht darin, daß Hoxha im Namen der Weltrevolution ausnahmslos allem, was im Namen der Politik auf der Welt außerhalb Albaniens angestellt wird, mit feindseliger Ablehnung und glühendem Haß gegenübertritt. Aber im Namen einer Lehre vorgetragen, an der alles, was in der Welt passiert, gemessen wird und die so nur zum Belegesammeln und Entlarven taugt, gehen die Erklärungen, mit denen die Stellungnahmen gegen alles und jeden vorgetragen werden, immer haarscharf an der Realität vorbei. Zwar ist die islamische Revolution im Iran ein religiöser Betrug an den Massen, aber im gleichen Atemzug ein "heldenhafter Kampf" dieser Massen, der

"den Schah und sein mittelalterliches Regime mit eisernem Besen hinwegfegte und seine amerikanischen Herren davonjagte." (I, 1q9) Was das eine mit dem anderen zu tun hat, spielt keine Rolle, wenn der Glaube an die Aufgabe der Massen für die Wirklichkeit einsteht und die Schilderung der Realität ein Beleg für die Notwendigkeit dieses Kampfes ist.

Erfrischende Wahrheiten

Albanische Politiker, die in der Betrachtung der Weltpolitik den Beweis ihrer Lehre finden - und für die das durchaus nicht als unpraktisch gilt, diese Lehre ist ja die Tendenz, nach der sich die wirkliche Welt richtet - kommen daher zu Urteilen über politische Ereignisse, in denen Fakten noch benannt werden, die sonst nur noch durch Lügen ersetzt werden. Wer sagt schon, daß das Geschäft des Kapitals Polen ausblutet und daß der Westhandel der Ruin dieses Landes ist, außer Hoxha und der MSZ.

"Das sind die Ergebnisse der von der polnischen Revisionistenpartei verfolgten Linie zur Wiederherstellung des Kapitalismus, die folgen der allseitigen Unterwerfung des Landes gegenüber der Sowjetunion; das liegt daran, daß dem westlichen Kapital Tür und Tor geöffnet wurde; das sind die folgen der Schulden Polens, die sich auf die kolossale Summe von 27 Milliarden Dollar belaufen." (I, 211)

Und die "Solidarnosc", die von hiesigen Linken wie von allen Politikern als Vorkämpfer von Freiheit, Demokratie und wahrem Sozialismus gefeiert wird, muß sich folgendes Urteil gefallen lassen - an dem wir kaum etwas auszusetzen haben:

"Im Falle der 'Solidarnosc' wird die Arbeiterklasse von der katholischen Kirche, der polnischen Reaktion und der Weltreaktion manipuliert und geleitet, die dafür kämpfen, auf einem Weg voll Gefahren und tragischer Überraschungen ein anderes revisionistisches, kapitalistisches System zu errichten."

Ungerührt um die eigene Einschätzung, was sich polnische Arbeiter leisten, die sich zum Opfer ihres Nationalismus und der Hl. Muttergottes machen, empfiehlt Hoxha dieselben Arbeiter, als ob sie plötzlich mit Solidarnosc gar nichts im Sinn hätten, der Obhut einer marxistisch-leninistischen Partei wenn sie's gäbe:

"Andersherum, wenn der subjektive Faktor eine wirklich kommunistische marxistisch-leninistische Partei wäre, würde die polnische Arbeiterklasse eine proletarische Revolution durchführen und die Diktatur des Proletariats errichten." (I, 212)

Eines kann man den Führem Albaniens nicht vorwerfen, nämlich daß sie aus irgendeiner parteilichen Hoffnung politische Ereignisse und deren Macher in der Welt anders als durchaus ablehnend behandeln würden. Um so hoffnungsvoller beweisen ihnen die verdammten Machenschaften die Existenz der revolutionären Kräfte, die, weil alle Taten der Supermächte nur Reaktion auf sie sind, die Weltlage bestimmen. Die albanischen Genossen sind gegen alles und die Verdammung des amerikanischen Imperialismus ("Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als er an die Spitze der imperialistischen Mächte trat... hat der amerikanische Imperialismus das Blut der Völker in Strömen vergossen."), des sowjetischen Sozialimperialismus ("Der Chrustschowrevisionismus verwandelte sich allmählich in eine Ideologie der neuen imperialistischen Supermacht, die Expansion, Aggression und Kriege zur Errichtung der Weltherrschaft rechtfertigt und verteidigt,"), läßt sie die wenig gemütlichen Absichten der EG keineswegs übersehen. Am Ostblock, China und den Eurokommunisten haben sie den Abfall von den Zielen des Kommunismus ohne jeden taktischen Unterschied zu kritisieren, wobei ihnen eine treffende Charakterisierung der einst unter Linken hochgeschätztein MaoTse-Tung-Ideen gelingt:

"Der chinesische Revisionismus ist eine opportunistische Strömung in der kommunistischen Weltbewegung, und die Mao-Tsetung-Ideen, seine Grundlage, sind eine Ideologie mit archaischen Zügen, ein Amalgam aus alten chinesischen Theorien... und neuen, völlig unzusammenlnängenden paraphrasierten Theorien, überpinselt mit marxistischer Phraseologie." (I, 283)

Die chinesische Theorie von der "Dritten Welt" beweist ihnen schlagend die hegemonialen Absichten Chinas, wie sie auch die Blockfreiheit und ihre Vertreter, allen voran Jugoslawien, als Betrugsmanöver und Betrüger kennzeichnen:

"Dazu ist auch die Bewegung der 'Blockfreien' zu rechnen. Ihre Grundlage sind die Predigten gewesen, sich nicht an den politischen und militärischen Blöcken zu beteiligen und die Interessen der wirtschafttlich unterentwickelten Länder vor der Politik der Supermächte zu verteidigen, Doch jetzt, da die Rivalität zwischen den Supermächten gewachsen ist... zeigt sich klar, daß ein großer Teil der 'blockfreien' Länder dabei ist, sich mit der einen oder anderen Supermacht zu vereinigen." (I, 218)

Die Klage der Länder der "Dritten Welt" über mangelnde Entwicklungshilfe und die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung kontern sie mit dem Hinweis auf die gegensätzlichen Zwecke der Partner dieser Ordnung:

"Doch die Jahre gehen ins Land und nichts wird realisiert, weil die Imperialisten und Neokolonialisten nicht auf ihre Privilegien und ihre dominierenden Positionen verzichten. Was bleibt, sind fruchtlose Resolutionen der verschiedenen Tagungen und die Beschlüsse, neue Tagungen abzuhalten." (I. 219)

Auch hier dient eine Wahrheit dazu, nichts darüber, wie es zwischen dem Imperialismus und seinem Hinterhof steht, wissen zu wollen: So wird eben die Politik gemacht, die ganze Völker um ihre Existenz bringt von wegen Nichtstun! Die Entspannung und der Vertrag von Helsinki sind ein Betrug, der

"darauf abzielte, die gegenseitigen Einflußzonen in Europa zu sichern und zu festigen und ihre Herrschaft auf diesem Kontinent zu legitimieren und zu verewigen." (I, 228)

Daß es der UdSSR und den USA nicht um das gegangen ist, was sich der einfache Menschenverstand unter Frieden und Entspannung vorstellt, heißt doch noch lange nicht, daß die KSZE die gegenseitige Stahilisierung der Herrschaftssphären zum Ziel gehabt hätte. Mit der Zustimmung der UdSSR, die sich davon politische und wirtschaftliche Anerkennung versprochen hat, ist hier ein Vertrag zur Destabilisierung des Ostblocks ratifiziert worden, den Albanien als einziges Land Europas nicht unterschrieben hat.

Albanische Außenpolitik nach dem "Prinzip der Völkerfreundschaft"...

Was die praktische Außenpolitik Albaniens betrifft, so ist sie der direkte Ausfluß dieser Betrachtung der Welt als ein Lehrstück für die Richtigkeit des Marxismus-Leninismus - und deshalb sehr einfach pragmatisch. Außer bei den beiden Supermächten sind es die Völker und Nationen, mit denen Albanien, da sie der eigentliche Träger der Geschichte sind, Beziehungen aufnimmt, und da spielt die Tatsache, daß die Türkei von einer Militärdiktatur regiert und auf NATO-Linie gehalten wird, bei diplomatischen Beziehungen keine Rolle. Die gründen sich ausschließlich auf die

"aufrichtigen Freundschaftsgefühle des türkischen Volkes gegenüber dem albanischen Volk." (I, 248)

Hinzukommt, daß der albanischen Außenpolitik jedes Taktieren, das dem Versuch einer politischen Einflußnahme entspringt, abgeht. Das stolze Bewußtsein, das leuchtende Vorbild für die Möglichkeit und Notwendigkeit der Weltrevolution zu sein, verbinden die Führer der PAA mit der Nichteinmischung, mit der es ihnen ernst ist. Ihr Vorbild besteht doch darin, auf den Erfolg des "Auf-die-eigenen-Kräfte-Bauens" hinzuweisen, dem die Völker und die Arbeiterklasse der Welt, ebenso nur auf ihre Kräfte vertrauend, nachfolgen sollen. Da dieser Schritt unvermeidlich ist, besteht gar nicht das Interesse, sich in die inneren Auseinandersetzungen eines anderen Landes einzumischen. Als gäbe es die Politiker gar nicht, denen ihre Untertanen gehorchen, will Albanien mit allen Ländern von Volk zu Volk freundschaftliche Beziehungen knüpfen und ist sich der Bewunderung durch dieses Subjekt, das nichts bestimmt und überall nur aus hörigen Untertanen ihrer politischen Herrscher besteht. gewiß - jenseits aller politisclren Differenzen, Supermächte ausgenonmmen.

"Die Worte und Taten Albaniens werden von den Völkern und Werktätigen der verschiedenen Länder mit Respekt gehört und aufgenommen, weil sie mit ihren Interessen und Bestrebungen übereinstimmen. Deshalb schätzen und billigen die Völker und die fortschrittliche Weltöffentlichkeit diese Politik und verfolgen Sie mit Interesse; deshalb stehen ihr Länder und Staaten mit verschiedenen Gesellschaftssystemen wohlwollend gegenüber. (I, 226)

Albanien ist in dieser Hinsicht alles andere als isolationistisch und aus dem Prinzip der Völkerfreundschaft heraus politisch prinzipienlos internationalistisch - zum Wohle des wahren Hüters der Weltrevolution am Südostende der Adria.

"Wir verfolgen und analysieren die internationalen Situationen mit besonderem Interesse, uns uns niemals überrumpeln zu lassen, um stets vorbereitet zu sein, damit wir erfolgreich jeder Gefahr trotzen, die von außen auf uns zukommen kann, um erfolgreich den Sozialismus aufzubauen. Auf der anderen Scite stellt das auch eine Bedingung dar, um unsere internationalistische Pflicht bei der Unterstützung des Kampfes der Völker für Freiheit und nationale Unahhängigkeit, für Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt auf effektive Weise und richtig zu erfüllen..." (I, 183 f.)

...und des skipetarischen Nationalismus

Anders als im Ostblock sieht sich die albanische Regierung deshalb auch nicht genötigt, ihrer Bevölkerung irgendetwas, was in der Welt possiert, zu verschweigen - und die empfangenen italienischen Fernsehprogramme können die Regierung nicht blamieren, da die Fakten schon bekannt sind.

Das Maß, wonach sich die tatsächlich aufgenommenen außenpolitischen Beziehnungen richten, ist der albanische Nationalismus, für den mehr zählt, daß die englische Regierung sich weigert, einen Goldschatz, auf den AIbanien Anspruch hat, zurückzugeben, als welche arbeiterfeindliche Politik Frau Thatcher macht. Es ist dies nicht ein Nationalismus, der von Staats wegen auftritt, sondern Ansprüche des albanischen Volkes geltend macht und deshalb die Beziehungen mit anderen Ländern nach Kriterien eingeht, die sonst keinem Staatsmann einfallen würden. Im Streit mit Jugoslawien um die albanische Bevölkerung des Kosovo treten die albanischen Politiker nicht für eine Annexion dieses Gebiets ein, sondern für eine stärkere Aufwertung der albanischen Bevölkerung in der jugoslawischen Föderation - was man vom bundesdeutschen Wiedervereinigungsgebot wahrlich nicht sagen kann, Sehr im Unterschied zu anderen Balkanländern wird die griechische Minderheit im Süden Albaniens keineswegs diskriminiert. Die "internationalistische Aufgabe", die Albanien durch seine politischen Beziehungen erfüllt, dient der Unabhängigkeit der Völker und ist damit ein Schlag gegen die Supermächte und ein Schritt zur Weltrevolution - für diese optimistische Einschätzung wäre jeder weitere Bezug auf nähere Umstände schon ein Zweifel an der eigenen Glaubensgewißheit. Die scharfe Polemik gegen die praktizierte Politik anderer Länder ist dann auch kein Grund, Beziehungen erst gar nicht einzugehen, sondern Sie steht neben und unabhängig von dem Wunsch, im anderen Staat nur das Brudervolk zu sehen: Entlarvung und Unterstützung widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich prächtig. Das albanische Interesse, zu allen anderen Ländern des Balkans besonders enge Beziehungen zu knüpfen, schließt so Jugoslawien, das ansonsten als der finsterste Renegat betrachtet wird, nicht aus, sondern ein.

"Das veranlaßt uns nach wie vor dazu, unabhängig von der ideologischen Polemik, die nach wie vor von beiden Seiten geführt wird, zu versuchen, mit Jugoslawien stets in Frieden und guter Nachbarschaft zu leben, ohne sich in die inneren Angelegenheiten des anderen einzumischen, wobei die Rechte jeder Seite zu respektieren sind." (I, 231)

Der Spruch: "Ungeachtet aller Differenzen beteuern wir den Wunsch nach friedlicher Zusammenarbeit " geht auch Politikem anderer Länder leicht vom Mund und ist die übliche Verständigungsform internationaler Diplomatie, die Zusammenarbeit zum Mittel der feindlichen Auseinandersetzung zu erklären. Ganz anders bei albanischen Staatsmännern: Außenpolitik ist für aufrichtige Marxisten-Leninisten eine Freundschaftserklärung an alle per se friedenswilligen und fortschrittlichen Völker, und daß diese Subjekte der Weltgeschichte in der Wirklichkeit staatlicher Beziehungen durch Politikerfiguren vertreten werden, flößt albanischen Genossen einen Abscheu gegen das gewöhnliche politische Treiben ein, dem nicht nachzugeben sie sich als "Vorbild, auf das die Völker der Welt sehen", schuldig sind.

Politik zu machen, ist für ein Land, das dem Sozialismus aIs einziges bisher eine Heimat gegeben hat, durchaus nötig - bei der PAA handelt es sich ja nicht um einen ML-Zirkel, sondern um eine Staatsmacht.

"Das sozialistische Albanien ist für normale Beziehungen mit allen Staaten auf Grundlage der Gleichberechtigung, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, der Respektierung der nationalen Souveränität und der territorialen Integrität, der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil mlt all jenen Ländern, die mit ihm solche Beziehungen haben möchten. Wir sind insbesondere an der Entwicklung der Beziehungen der guten Nachbarschaft mit allen Nachbarstaaten interessiert." II, 205)

Auf dieser Grundlage hat Albanien inzwischen diplomatische Bezighungen zu über 50 Staaten und sitzt selbst in der UNO. Aber die angeführten Ideale staatlicher Harmonie, die Staatsmännern anderer Länder dazu dienen, praktische Politik zu machen, drücken für die Führer Albaniens nur die Verachtung gegen das politische Treiben aus, da dieses nicht aufrichtig dem Herzenswunsch der Völker nach Frieden, Zusammenarbeit und Souveränität dient.

Mit revolutionärer Ehrlichkeit gegen Geheimdiplomatie

Von dieser Einschätzung aus haben die albanischen Genossen schon lange Zeit vor ihrem Bruch mit der UdSSR und China heftige Kritik an der Außenpolitik dieser Länder gehabt und geäußert - und die tiefe Enttäuschung "in Worten revolutionär, in den Taten reaktionär" gilt mehr der mangelnden Aufrichtigkeit russischer und chinesischer Politiker als ihren wirklichen Taten, weshalb die jetzige Einschätzung ernsthaft behaupten kann, der chinesische Hegemonismus wäre vom gleichen verderblichen Welteinfluß wie die Politik der USA und der UdSSR.

Politik - außer der, die Albanien betreibt ist Geheimdiplomatie, und es ist der Stolz der albanischen Regierung, sich bei ihren politischen Beziehungen in keine diplomatischen Manöver einzulassen, vielmehr offen und ehrlich den Völkern der Welt die Verbrechen der Politik als geheime Machenschaften zu entlarven:

"Zur Praxis der Verbindungen und Vereinbarungen des amerikanischen Imperialismus und des Sowjetrevisionisinus, dieser beiden imperialistischen Supermächte, gehört auch die Geheimdiplomatie. Das ist begreiflich, das brauchen sie, denn ihre Politik und ihre Taten richten sich gegen die Interessen der Völker der Welt, sind Banditenkomplotte, die im Dunkeln eingefädelt werden müssen." (III, 21)

Das ist zwar lächerlich: Ein Geheimnis aus ihren Absichten machen die Figuren, die die Weltpolitik bestimmen, nun wirklich nicht, aber aus der Sicht der reinen Lehre, in der die Alltagsmeinung, Politik sei ein schmutziges Geschäft, zum wissenschaftlich begründeten Glauben wird, sehr konsequent. Bei dieser Entarnung spielen die Zwecke der Politik, wo es ja wirklich einiges zu "entlarven" gäbe, keine Rolle mehr, und die Welt kann in den Augen der albanischen Genossen getrost auf dem Kopf stehen.

"Deng und Mao hoben die Theorie der 'dritten Welt' aus der Taufe und erklärten, diese Welt sei 'der Verbündete Chinas'. Deng benutzt diese Theorie, um Ford einzuschüchtern, indem er so tut, als habe er diese 'dritte Welt' in der Tasche. Und Ford lacht sich ins Fäustchen, denn er ist es, der die herrschenden Cliquen dieser 'Welt' in der Tasche hat und nicht Deng. Dieser könnte die Völker der sogenannten Dritten Welt auf seiner Seite haben, wenn China eine marxistische Politik betreiben würde... Deshalb hat China die 'marxistische Analyse' angestellt, derzufolge die Sowjetunion Europa angreifen wird. Deshalb hüte dich, Westeuropa, denn der Krieg lauert vor deiner Tür. Ihr Völker Europas, hört auf mich, China, rüstet auf, vereinigt euch mit euren reaktionären bürgerlichen Regierungen, die euch unterdrücken, und fallt über die Sowjetunion her, vermindert nicht die Spannung, erhöht sie. Seht her, ich halte zu euch. Auch du, Amerika, sieh dich vor, befreie dich aus der Krise, schließe dich noch enger mit Westeuropa zusammen und mildere die Spannung mit der Sowjetunion nicht, sondern verstärke sie, schlagt alle nach Möglichkeit auf sie ein und holt mir (!) die Kastanien aus dem Feuer." (III, 182 f.)

Diese Einschätzung Hoxhas stammt von 1975, also noch während der unverbrüchlichen Freundschaft mit China - die Verachtung der Politik geht also so weit, eine Kritik, die ja immerhin China zum Hauptfeind der Menschheit stempelt, erst einmal als etwas ganz anderes zu betrachten als eine Aussage, die Konsequenzen für die politischen Beziehungen hat. Kurz vor seinem Selbstmord empfing Shehu den rumänischen Vizepremier Burtica, damit zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder einen Politiker des Ostblocks, und wie zur Begrüßung erschien einige Zeit vorher die Biographie Enver Hoxhas, in der folgende Sätze stehen:

"Sogar nach den Auseinandersetzungen der Rumänen mit den Sowiets blieben ihre Staatsbeziehungen zu uns unverändert: kalt, fade und unangenehm. Wir habe keine Parteibeziehungen mit der rumänischen Partei und werden sie auch nicht haben, solange diese Partei nicht öffentlich die Fehler anerkennt, die sie, was unsere Partei betrifft, gemacht hat."

Es ist leicht vorzustellen, wie sehr Moskau und Peking noch während der dicksten Freundschaft der albanische Lehrmeister in Sachen Marxismus-Leninismus auf den Geist gegangen sein muß. Hoxha empört jedenfalls nachträglich nichts so sehr wie die herablassend arrogante Haltung, mit der er im Kreml abgefertigt wurde. Bei dem, was Politik an Ergebnissen in aller Welt zeitigt, hat die albanische Emporung über sie durchaus einen sympathischen Zug, könnte man nur von der Verrücktheit absehen, sich um nichts, was sie wirklich anrichtet, zu kümmern, weil jedes angerichtete Massaker als Fortschritt der Welttendenz abgehakt wird.

Imperialistische Sichtung Albaniens

Eines kann man der albanischen Regierung nicht nachsagen: sie würde ihre Überzeugung, "allein der marxistisch-leninistische Weg ist der Weg der Freiheit und der Unabhängigkeit des Volkes" nicht praktisch beherzigen. Und in dieser Hinsicht wird der albanische Sozialismus, der sich als Staatsmacht nur erhalten kann, weil es den Ost-West-Konflikt gibt - der "Sowjetrevisionismus" ist als politische Macht die letzte Garantie der weiteren Existenz dieses Balkanstaates, auch wenn sich für ihn das ganz anders darstellt -, auch von den Machern der Weltpolitik anerkannt. Der Europa-Bevollmächtigte der Reagan-Administration drückt lebhaftes Interesse aus, zu besseren Beziehungen mit Albanien zu kommen, und steckt das gleich wieder weg: Es wird wohl nichts daraus werden.

"Die albanische Führung hat klargestellt, daß sie derzeit keine Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten anstrebt. Sollte Albanien an der Wiederaufnahme der Beziehungen zu uns interessiert sein, wären wir zu einer entsprechenden Reaktion bereit." (Eagleburger)

Und die deutsche Industrie registriert den neuen Fünfjahresplan Albaniens mit einem lachenden und einem weinenden Auge:

"Die Einstiegschancen für westliche Maschinen- und Anlagenbauer sind gegenwärtig zwar merklich besser als Ende der 70er Jahre. Andererseits gilt es zu berücksichtigen, daß durch das Festhalten Tiranas an den bisherigen wirtschaftspolitischen Grundprinzipien die Grenzen für eine Ausweitung des Handels mit dem Balkanland weiterhin eng gezogen sind." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Das Grundprinzip der albanischen Wirtschaftspolitik besteht einfach darin, - daß Albanien als einziges Land der Welt, nachdem China diese Linie aufgegeben hat, es ablehnt, sich wirtschaftlich von anderen Ländern abhängig zu machen, und sich weigert sich mit "Kredithilfen" zu verschulden. Die wirtschaftliche Entwicklung ist Mittel der Unabhängigkeit und Souveränität Albaniens, was Außenhandel nicht ausschließt.

"Die Entwicklung unserer Wirtschaft haben wir stets auf dem Weg der unaufhörlichen Festigung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit vorgenommen, niemals aber zielten wir auf eine autarke Entwicklung ab, genauso wie wir nach wie vor gegen jeglichen Druck kämpfen, unsere Wirtschaft in die Wirtschaft der kapitalistischen und revisionistischen Länder zu integrieren." (I, 55)

Dem kapitalistischen Auge, das nur die Tugend der Öffnung aller Märkte für die Segnungen des Kapitals kennt, muß das antiquiert erscheinen:

"Diese antiquierte Auffassung von der Funktion des Außenhandels bewirkt denn auch, daß in Tirana als Tugend gesehen wird, was den europäischen RGW-Ländern momentan so großen Kummer bereitet: die mangelnde organisatorische und funktionale Einbindung in den Welthandel." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Und der Hinweis auf den Ostblock beweist nicht, daß die Ergebnisse der erfolgten "Einbindung" den dortigen Ruin verursachen.

Ökonomische Unabhängigkeit

Albanien hat diese schönen Wirkungen des Weltmarkts auf sich bisher dadurch vermieden, daß es auch ökonomisch nur "auf seine eigene Kraft baut" und ein Wissen um den Weltmarkt ist den politischen Führern Albaniens nicht abzusprechen.

"Vermittels des Systems der verschiedenen Kredite, Anleihen, Hilfen und Fonds haben sie diese Länder in ewige Schuldner verwandelt, die von der Gnade der Gläubiger abhängen, die ihrerseits für das geliehene Geld nicht nur Sachwerte, sondern auch die Seele verlangen. Zusammen mit Krediten und Hilfen haben auch die multinationalen Gesellschaften Wurzeln geschlagen... Die Großbanken, mit attraktiven Namen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds, Europäischer Entwicklungsfonds usw. haben sich in Stäbe des internationalen Neokoloniaismus zur Beherrschung und Ausbeutung der neuen Staaten verwandelt." (I, 214)

Offensichtlich sind die Albaner die einzigen Politiker auf der Welt, die noch ernsthaft an die Theorie vom Monopolkapital glauben und deshalb überhaupt noch die Wirkungen des Imperialismus auf Länder bemerken, die sich der Konkurrenz des Weltmarkts aussetzen, ohne die entsprechenden Mittel dieser Konkurrenz zu besitzen, und deshalb nur als Opfer auftauchen.

Den Erfolg, auf den es die albanische Regierung mit dem Außenhandel abgesehen hat, mit Export und Import die Subsistenzwirtschaft ihres Landes unabhängig zu halten und diese Unabhängigkeit mit dem Außenhandel zu vergrößern und nicht zu stören, hat sie durchaus erreicht:

"Wir haben sie (die wirtschaftliche 'Blockade der Imperialisten Und Revisionisten auf unsere Wirtschaft') durch die materielle Stärke unseres Wirtschaftspotentials und durch unsere politische Haltung durchbrochen, indem wir unsere Außenhandelsbeziehungen auf dem Weltmarkt ausgeweitet und dafür gesorgt haben, daß alle Anstrengungen der Imperialisten und Revisionisten Schiffbruch erlitten, die uns zwingen wollten, von ihnen Kredite zu verlangen und ihrem wirtschaftlichen Eindringen in unser Land Tür und Tor zu öffnen. Das Schwierigste haben wir hinter uns: Nunmehr ist unser Außenhandel ausgeglichen, der Export deckt den gesamten Import, die wirtschaftliche Unabhängigkelt wurde auf unerschütterliche Weise gewährleistet." (II, 8 f.)

Daß diese Gewährleistung alles andere als gesichert ist - schließlich hat Albanien keinen Einfluß auf die ständig steigenden Preise der Importwaren, auf die ein Entwicklungsland wie Albanien angewiesen ist, hauptsächlich Industriegüter und Maschinerie -, ist den Leitern der albanischen Planwirtschaft dennoch klar. Sie begegnen dieser Gefahr damit, selbst Halbfertigprodukte und verarbeitete Rohstoffe zu exportieren und den bloßen Ausverkauf ihrer Wirtschaft durch freizügige Auslieferung ihrer Rohstoffe nicht zuzulassen.

"Es ist vorgesehen, in der Exportstruktur weitere Verbesserungen vorzunehmen, Fertigwaren und Halbfabrikate werden 1985 rund drei Viertel des Gesamtexportvolumens ausmachen." (II, 136)

Die geforderte Verbesserung der Qualität der eigenen Produkte und die Diversifikation der Handelsbeziehungen - vor dem Bruch mit China wurden 50% des Außenhandels mit China abgewickelt - sind weitere, allerdings nur bedingt taugliche Mittel, den Außenhandel zu benutzen, statt sich ihm auszuliefern, Haupthandelsländer Albaniens sind zur Zeit: Jugoslawien, Italien, Frankreich und Schweden. Unverarbeitete und verarbeitete Bergbauprodukte stellen den größten Exportanteil dar: Albanien ist der größte europäische Produzent von Chromerz und führt Eisen und Metalle aus. Der Überschuß über den eigenen Bedarf des in Albanien geförderten Erdöls geht nach Jugoslawie und Griechenland ebenso wie elektrische Energie. Die albanische Landwirtschaft stellt einen Anteil von 30% am Außenhandel (Tomaten, Gurken, Oliven etc.). Auf der anderen Seite zeigen die Importe von Maschinen, Industrieprodukten und Rohstoffen, daß sich Albanien noch in der Aufbauphase seiner Industrie befindet. Zu den größten Erfolgen des vergangenen 6. Fünfjahresplans zählt die albanische Regierung, daß die eigene Industrie inzwischen den Sprung von der Ersatzteillieferung für verschlissene Produktionsmittel zu den Anfängen einer eigenen Produktionsmittelherstellung geschafft habe.

Planwirtschaft wie im ML-Lehrbuch

Die Polemik gegen die revisionistischen Länder, sie seien politisch vom wahren Marxismus - Leninismus abgefallen und hätten sich ökonomisch zu einer kapitalistischen Ausbeutergesellschaft entwickelt, hat seine albanische Wahrheit. In Albanien wird die sozialistische Planwirtschaft noch praktiziert, wie sie in den entsprechenden Lehrbüchern steht, während sie in den Ländern des Ostblocks und in Ghana nur noch als Bekenntnis zitiert werden, weil sie für die praktischen Notwendigkeiten, Devisenhandel, joint ventures, Enklaven kapitalistischer Produktion im realen Sozialismus, so hoffnungslos veraltet sind.

Albanien ist so die einzige Planwirtschaft nach altem Muster, und das heißt keineswegs, daß der albanische Staat seine Ökonomie rationell plant - laut kapitalistischem Credo soll das sowieso nicht gehen von wegen der Komplexität der Wirtschaft, die so komplex wohl nicht sein kann, wenn das Kriterium Profit sich so mühelos durchsetzen läßt. Der Plan besteht in zu Zahlenvorgaben umgesetzten Appellen an das Schöpfertum der albanischen Massen:

"Vor allem muß die handwerklerische Denkweise voll und ganz verändert werden, müssen Phantasie und schöpferisches Denken entfaltet werden, muß mit Geschicklichkeit und Schnelligkeit gearbeitet werden, um positive Änderungen vorzunehmen, um dem Neuen überall breite Wege zu eröffnen." (I, 31).

Es ist also die Willigkeit zu arbeiten, auf die als größte Produktivkraft gesetzt wird, und es ist Solidarität bei der Anwendung dieses Prinzips verlangt, weshalb Pläne zwar aufgestellt werden, aber gleich mit dem Appell versehen werden, sie schöpferisch anzuwenden und zu verändern.

"Natürlich ist der Plan Gesetz, und seine Durchführung ist eine staatliche Pflicht, doch darf uns das nicht daran hindern, Maßnahmen zu ergreifen, um eventuelle Änderungen vorzunehmen, so oft das nötig und möglich ist." (I, 70);

Verständlich deshalb die Klage, die sich wie ein roter Faden durch die Vorstellung des 7. Fünfjahresplanes hindurchzieht, die Klage über die mangelnde Leitungstätigkeit der Kader und den "Bürokratismus", der nicht genug bekämpft werden kann.

Die Planwirtschaft Albaniens richtet sich nach Kriterien aus, die jedem ökonomisch deakenden Menschen des Westens verrückt erscheinen müssen: Stabilität und Sparsamkeit. In Albanien fehlen tatsächlich alle jene Segnungen des Weltmarkts, die das Arbeitsleben so abwechslungsreich und den Profit so scher machen. "Diese Faktoren zusammengenommen bestimmen und haben es möglich gemacht, daß sich die albanische Wirtschaft als ein organisches Ganzes entsprechend einem einheitlichen Staatsplan entwickelt, daß sie sich ohne Spontaneität und Anarchie, ohne Krisen und Stillstand, ohne Inflation und Arbeitslosigkeit, ohne Preissteigerungen und andere negative sozialökonomische Erscheinungen entwickelt, die unvermeidliche Weggefährten der kapitalistischen bzw. bürgerlich-revisionistischen Wirtschaft sind." (II, 21)

Das alles ist freilich erkauft dadurch, daß es die Anstrengungen der Bevölkervng allein sein sollen, die die Wirtschaft voranbringen - und das ist alles andere als der Versvch, die Arbeit auf das möglichst niedrige notwendige Maß einzuschränken, indem man planmäßig die Mittel zur Arbeitserleichterung einsetzt. Für die Subsistenz der Bevölkerung Albaniens ist auf diesem Niveau jedenfalls gesorgt - und das ist ein historischer Fortschritt, den andere Länder dieser Weltgegend erst gar nicht zustandebringen, obwohl und weil sie in der EG sind.

Diesem Stand der Produktion und den Interessen, nach denen die Ökonomie Albaniens organisiert wird, entspricht das negative Prinzip der Wirtschaftsentwicklung, die maximale Ausnutzung und der sparsame Umgang mit den Mitteln der Produktion - und das ist ein Prinzip, das den wenig sparsmmen Umgang mit der Arbeitskraft nicht ersetzt, sondern voraussetzt.

"Im 7. Fünfjahresglan müssen wir den Kampf für die Festigung des Sparsamkeitsregimes auf eine höhere Stufe heben. Deshalb üssen die Probleme der wissenschaftliche Normierung für den Verbrauch von Rohstoffen (ohne Beeinträchtigung der Qualität), Brennstoffen und Treibstoffen, sowie der Steiggerung der Arbeitsproduktivität in den Betrieben und landwirtschaftlichen Genossenschaften von der Partei ernsthafter in die Hand genommen werden." (II, 178)

Ganz abgesehen davon, was das für die albanischen Bauern und Arbeiter bedeutet, vernünftig ist es keineswegs, möglichst wenig Lastwagen einzusetzen, um Benzin zu sparen und an gänzlich veralteten Maschinen arbeiten zu lassen. Die Folgen dieser revisionistischen Wirtschaft stehen im Fünfjahresplan zu lesen: Das Transportwesen muß verbessert werden, die Wirtschaft leidet unter "handwerklerischer Denkweise", und an der Behebung der Mängel im Konsumtionsbereich muß gearbeitet werden. Es beißt sich eben in den Schwanz, von "den Investoren, Planern und Ausführenden" zu verlangen,

"gründlichere Untersuchungen über die Notwendigkeit und über den Nutzen der Werke, über die Auswahl der optimalen Varianten, über die Festlegung der Produktionskapazitäten und der fortgeschrittensten Technologien durchzuführen, wobei diese Probleme durch ein strenges Sparsamkeitsregime zu lösen sind." (II, 129)

Für die selbstgeschaffenen Mängel einer revisionistischen Ökonomie hat diese ökonomische Hebel parat, mit denen dennoch die wirtschaftliche Sparsamkeit - und die Kostensenkung der Produktion erreicht werden sollen. Da ist einmal der Lohn, der als Anreiz dafür dient und der deshalb in einen Normteil und einen Teil für die Leistung zerfällt.

"Das Realeinkommen - der Arbeiter und Angestellten setzt sich zu rund 17% aus der von ihnen geleisteten Arbeit und zu rund 23% aus den gesellschaftllchen Fonds zusammen." (II, 52)

Dieser Fonds ist kein Topf, in den der albanische Staat greift, um ihn gerecht zu verteilen, sondern besteht aus den "Maßnahmen", "die in letzter Zeit zur Verbindung der Arbeitsentlohnung mit der Menge, der Qualität und den Kosten der Produktion in den Wirtschaftsbetrieben und in den landwirtschaftlichen Genossenschaften ergriffen wurden." (II, 172)

Und alle Hebel, wie der sozialistische Wettbewerb und die Arbeitseinsätze für städtische Bevölkerung und Studenten bei der Ernte fallen immer wieder auf die Mobilisierung der schöpferischen Kräfte, die der Marxismus-Leninismus den Menschen verleiht, zurück. Bei der Mobilisierung der Energien der Menschen, bei der Entfaltung ihres Neuerergeistes ist es die Aufgabe des sozialistischen Wettbewerbs und der Produktionspropaganda, eine besondere Rolle zu spielen... Damit der sozialistische Wettbewerb den Geist der Kritik und Selbstkritik, der Selbstkontrolle und Kontrolle anspornt, muß er besser organisiert werden..." (II, 189)

Keinerlei weltpolitische Ambitionen

Nun war es gerade die konsequente Durchführung dieses Programms einer "sozialistischen Ökonomie, die allen anderen revisionistischen Ländern bereits vor Jahren als entscheidender Mangel ihrer Wirtschaft aufgestoßen ist und den sie durch die Öffnung hin zum kapitalistischen Weltmarkt, der ihnen von Albanien so verübelt wird, zu beheben suchten. Nach dem, was die revisionistische Ökonomie ist, ging die Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Planwirtschaft gewiß nicht von den Beschränkungen aus, die diese der damit beglückten Bevölkerung bereitete. Der Mangel, der in Moskau und Peking auf Abhilfe drängte, lag einfach daran, daß die staatlich angesetzte Begeisterung für die Produktion ihren Urhebern nicht die Mittel bereitstellt, den politischen Ansprüchen eines Auftretens auf der Weltbühne zu genügen. Für die militärischen Ansprüche, die sich die UdSSR als zweite Weltmacht stellt, für die politische und wirtschaftliche Organisierung einer eigenen Einflußsphäre des Ostblocks und für die trotz mäßiger Erfolge stets teuren Unternehmungen, die eigene Einflußsphäre zu erweitern oder sie, wie heute, überhaupt noch zu halten - also für die Konkurrenz mit der ersten Weltmacht -, taugte die staatliche Ausbeutung der Arbeitermassen nie in entsprechendem Ausmaß, was den neidvollen Wunsch zur Benützung der Erfolge, die das Kapital auf diesem Gebiet erzielt, zur Folge hatte. Konsequent, wenn auch nicht beabsichtigt, war der Ruin der Ostblockökonomie und die politisrhe Aufweichung des Ostblocks das Ergebnis dieser Entscheidung, und China beeilt sich zur Zeit, die Phasen dieser Entwicklung noch schneller zu erledigen als der Ostblock und beim westlichen Entwicklungsland zu enden.

Der albanische Stolz, einer solchen Entwicklung bis heute widerstanden zu haben, hat weniger mit einem Streit um die Bewahrung der reinen Lehre zu tun als mit der praktischen Einsicht, eine weltpolitische Aufgabe und Rolle weder spielen zu können noch zu wollen. Die faux frais, die sich ein anständiger Staat heute schuldig ist - und diesen Anstand weist heute schon jede Bananenrepublik auf: Militärapparat, diplomatische Vertretungen weltweit und Einflußnahme in die innere Politik anderer Staaten, spart sich die albanische Regierung zum größten Teil. Wenn ein "Spiegel"-Korrespondent aus der Tatsache, daß überall in Albanien leere Ein-Mann-Bunker stehen, nahtlos und interessiert auf ein kommunistisches Militärregime schließt, ist das einigermaßen lächerlich. Albanien geht alles Kriegswerkzeug ab, auf das heute kein anständiger Staatsmann mehr verzichten will: Weder hat es Flugzeuge, noch schwere Waffen. Die militärische Ausbildung in der Schule, der Dienst auch der albanischen Frauen in der Volksarmee und die Ein-Mann-Bunker dienen der Volksverteidigung und sind die Fortsetzung der Tradition des Partisanenkampfes: Eine Tradition, mit der heute weder Kriege begonnen noch gewonnen werden, von der Tatsache ganz zu schweigen, daß es sich kaum ein mit dem Westen verbündetes Entwicklungsland leisten könnte, seine gesamte Bevölkerung mit Waffen auszustatten. Die sichere Hoffnung, daß die "Völker der Welt sich aus eigener Kraft erheben und dem Imperialismus aufs Haupt schlagen werden", befreit Albanien von den Kosten, die eine diesbezügliche Außenpolitik sonst fordern würde.

Umgekehrt hält es sich der albanische Staat zugute, seine Bevölkerung nicht mit Steuern und Abgaben zu belasten:

"Albanien ist das einzige Land der Welt ohne In- und Auslandsschulden, ohne Steuern, ohne Inflation, ohne Preissteigerungen und Arbeitslosigkeit mit kostenloser gesundheitlicher Versorgung und Bildung, mit Diktatur des Proletariats und wirklich sozialistischer Demokratie, wo alles allein für das Wohl des Volkes getan wird, wo sich Partei und Volk in stählerner Einheit befinden." (II, 6 )

Ob sich diese Leistungen des albanischen Staates in "stählerner Einheit" niederschlagen, darf bezweifelt werden: Schließlich trifft die PAA, die sich als Ausdruck des Volkes weiß, ihre Entscheidungen als Staatspartei, und die vermutlichen Fraktionskämpfe spielen sich jenseits der Bevölkerung ab, die davon gar nichts zu wissen braucht. Daß es eine politische Unzufriedenheit nicht gibt und von albanischen Dissidenten noch nichts gehört wurde, ergibt sich aus dem Vergleich mit der Vergangenheit Albaniens, und mehr als diesen bornierten Standpunkt braucht kein Albaner,- um die heutigen Zustände in Albanien als einen Gewinn für sich zu betrachten, zumal der Blick auf Griechenland und Jugoslawien kaum Anregungen für einen kämpferischen Wunsch nach Demokratie und Freiheit gibt.

Landwirtschaft und Industrie

Die kollektivierte Landwirtschaft Albaniens - im gebirgigen Landesinneren gibt es noch vereinzelt Einzelhöfe, während der größte Teil der Bauern in Genossenschaften zusammengefaßt ist, die allmählich in Staatseigentum überführt werden - hat im letzten Fünfjahresplan zum ersten Mal die Ernährungsgrundlage der Bevölkerung, Brotgetreide, gedeckt und einen Exportüberschuß an Gemüsen und Obst erzielt. Wer dies lächerlich rückständig findet, sollte immerhin bedenken, daß ein großer Teil der EG-Länder dies nicht schafft, weil er sich eine solche Aufgabe gar nicht stellt. Wenn auch die Mechanisierung der Landwirtschaft erst in den Anfängen steckt, handelt es sich um eine äußerst intensive Landbebauung. Die Perfektion des Bewässerungssystems - hauptsächlich im besonders fruchtbaren Küstengebiet - und die Gewächshauskultur können sich mit - Holland gut vergleichen. Durch große Entwässerungsanlagen wurden die Küstensümpfe trockengelegt und die Agrarfläche um 30% vergrößert. Im Landesinneren sind noch die kleinsten bebaubaren Flächen bestellt.

Albanien ist ein Industrieland: 65% der gesamten Produktion fallen in diesen Sektor. Grundlage der Industrie ist die Metallgewinnung und verarbeitung: Chrom, Kupfer (Herstellung von Kupferdraht), Eisen (Hütte "Stahl der Partei") und Nickel. Die eigene Erdölförderung deckt den Bedarf und wird zusätzlich an Jugoslawien und Griechenland verkauft. Alle Dörfer Albaniens werden mit Strom versorgt: Die Überschüsse der gebauten Wasserkraftwerke ("Licht der Partei") gehen ins Ausland. In den letzten fünf Jahren vollzog sich der Übergang, sich unabhängig vom Maschinen- und Technikimport zu machen. Im Werk "Enver Hoxha" werden Autos und Traktoren nachgebaut, Fernseher und Rundfunkgeräte gibt es als albanische Produkte. Dem Vorrang der Schwerindustrie entspricht die Klage über Mängel in der Versorgung der Bevölkerung, aber nicht einmal der "Spiegel" vermag so recht die leeren Märkte und Käuferschlangen zu entdecken, die sonst zu jedem Bericht aus kommunistischem Feindesland dazugehören.

"Mensch und Sozialismus in Albanien"

Daß die Albaner inzwischen begeisterte Marxisten-Leninisten und revolutionäre Kämpfer geworden sind, ist kaum anzunehmen, daß sie in ihrer Mehrheit, anders als die Opportunisten in den Ostblockländern, die ihren Regierungen eher ablehnend gegenüberstehen, halbwegs begeisterte Mitläufer sind, stimmt schon eher. Mit der Klage der Partei über "kleinbürgerliche Überreste im Volk" kann diese offensichtlich gut leben.

"Vor allem einige veraltete Sitten und Praktiken müssen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die sich, obwohl sie heftige Schläge haben hinnehmen müssen, noch in der Lebensweise, in den Familienbeziehungen, in der Einstellung gegenüber Frauen usw. äußern." (I, 152 )

Zwar hat die PAA tiefgreifend in die Lebensgewohnheiten der Skipetaren eingegriffen: Abschaffung der christlichen wie islamischen Religion (Hoxha: "Albanien ist der erste atheistische Staat der Welt" ), Abschaffung der Blutrache, Emanzipation der Frau; aber ihre Selbsteinschätzung, Vorbild und Diener der Völker der Welt zu sein, gibt dem zur staatlichen Ehre gelangten Marxismus-Leninismus einen ebenso internationalistischen wie albanischen Charakter. Was für die Volkskunst gilt, trifft auch anderswo zu: mit der selbstverständlichen Sicherheit vom fortschrittlichen Charakter aller Volkstümlichkeiten stützt sich die Partei auf das unter Albanern vorhandene Bewußtsein.

"Doch in den Beziehungen zwischen kultivierter Kunst und Volkskunst muß ein richtiges Verhältnis gewahrt werden; man darf keinen Mißbrauch damit treiben, indem der einen gegenüber der anderen Vorrang eingeräumt wird, denn die Loslösung der kultivierten Kunst von der Volkskunst ist genau so schädlich wie ihre Gleichsetzung." (I, 170)

Da darf man gespannt sein, wann die ersten albanischen Filme, die es schon gibt, über die Leinwand flimmern und hiesige Intellektuelle in helle Aufregung versetzen!

Einiges hat die Kommunistische Partei Albaniens ihrer Bevölkerung durchaus als einen für sie zählbaren Erfolg anzubieten. Da ist die Tatsache, daß von der früher fast ausnahmslos analphabetischen Bevölkerung heute 80% die achtjährige Grundschulausbildung abgeschlossen, 700.000 von einer Bevölkerung von 2,7 Mill. die Mittelschule besucht haben und die Zahl der an der neu gegründeten Universität Tirana ausgebildeten Intellektuellen sprunghaft zugenommen hat.

Das Gesundheitssystem ist ausgezeichnet - die Säuglingssterblichkeit z.B. geringer als in der Bundesrepublik. Die Entdeckung der "verdeckten Massenarbeitslosigkeit ", die der "Spiegel" gemacht haben will, weil die albanischen Männer in der heißesten Tageszeit in den Cafes sitzen und nicht arbeiten, ist gleich doppelt lächerlich. Schließlich stellt sich das Problem der Arbeitslosigkeit überhaupt erst da, wo die Arbeit nicht nur benützt, sondern profitabel angewandt wird, weshalb diese Benutzung auch die Nichtanwendung von Arbeit einschließt. Die albanische Regierung jedenfalls weiß sich im Wunsch nach großen Familien einig mit den Lebensgewohnheiten ihrer Bevölkerung und ist stoIz darauf, die größte Geburtenrate Südosteuropas zu haben.

Das vom "Spiegel" entworfene Schauergemälde: Zwar geht es den Leuten in bescheidenem Maße gut:

"ein geordnetes Land, wo bestellte Äcker, satte Menschen, die ihren zwar bescheidenen, doch nach Maßstäben junger Aufgeklärter von heute durchaus hinreichenden Lebensstandard ganz aus eigener Kraft produzieren." (Spiegel 49/81)

- um so mehr leiden sie unter der Abgeschlossenheit, in der sie ein kommunistischer Polizei- und Spitzelstaat gewaltsam hält, widerspricht sich selbst. Warum sollen Albaner mit einer Herrschaft unzufrieden sein, die ihnen dazu, selbst in den Augen des "Spiegel"korrespondenten, keinen Grund gibt: Nur weil das freie Leben in Griechenland und Italien so viel schöner ist?

"Die Skipetaren erwidern keinen Gruß, entziehen sich bestürzt einem Gespräch, und Kinder, die winken, bekommen von der Mutter eins auf die Finger"

stellt der "Spiegel" fest; sollen sie den Abgesandten der Freiheit denn begeistert begrüßen, wo sie doch immerhin so viel wissen, daß ihr Stolz auf das mit den eigenen Kräften in Albanien Errungene durchaus damit zu tun hat, daß alle anderen Staaten der Welt nur auf feindselige Isolierung ihres Staates aus sind? Die eine Agitation Hoxhas ist Albanern durchaus einleuchtend, wenn sie deswegen auch nicht gleich zu glühenden Marxisten-Leninisten werden müssen:

"Unsere Partei, unser Staat und unser Volk kämpfen Aug in Aug und ganz allein gegen eine kolossale feindliche Macht, gegen die uns umgebende kapitalistische und revisionistische Welt. Unsere Menschen dürfen niemals die Gefahren unterschätzen und vergessen, die unserer sozialistischen Gesellschaft von dem starken und allseitigen politischen, wirtschaftlichen, ideologischen und militärischen Druck dieser Welt drohen." (I, 130)

Seitdem sich die Linken in den westlichen Ländern die Sprüche über Weltrevolution und den Befreiungskampf der Völker abgeschminkt haben und anderen zeitgemäßeren Moden huldigen - wir halten das für keinen Fortschritt! -, hält nur noch der Führer des kommunistischen Albanien das Banner des Marxismus-Leninismus hoch:

"The situation is not easy, but let us recall the optimistic words of Stalin, that 'there is no fortress which the communists cannot take'. This revolutionary optimism stems from the objective laws of the development of society. Capitalism is an order condemned by history to liquidation. Nothing, neither the frenzied resistance of the bourgeoisie nor the treachery of modern revisionists can save it from its inevitable doom. The future belongs to socialism and communism." (IV, 287 f.)

Für die Wahrheit dieser Gewißheit ist Albanien freilich kein Beweis: Staatliche Gewalt und politische Herrschaft sind nicht für den Beweis einer Lehre, sondern für sehr viel ungemütlichere Tatsachen zuständig - auch wenn "der teure Führer unseres Volkes, der Gründer unserer ruhmreichen Partei, unser geliebter Lehrer, Genosse Enver Hoxha" das nicht wissen will.

Nachweis der Zitate:

I: Enver Hoxha: Bericht an den 8. Parteitag der Partei der Arbeit Albaniens (1. Nov. 1981), Tirana 1981

II: Mehmet Shehu: Bericht über den 7, Fünfjahresplan (1981-85), Tirana 1981

III: Enver Hoxha: Betrachtungen über China. Bd. 1, Tirana 1979

IV: Enver Hoxha: Eurocommunism is anticommunism, Tirana 1980