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Dollar und "Schuldenkrise"
DER FREIE WELTMARKT - KRIEGSWIRTSCHAFTLICH VERPLANT
"Wir denken nicht im Traum daran, Amerika vor dem Erfolg anderer zu schützen. Wir wollen vielmehr jedermann in den Erfolg des amerikanischen Traums einschließen." (Ronald Reagan)
Das kann doch nicht so weitergehen - wissen die kundigen Betrachter in unseren Wirtschaftsbreiten schon seit ewig, wenn es nämlich um die Verschuldung des amerikanischen Staates geht. Eigentümlich ungerührt vermelden sie so nebenbei den Grund für diese Verschuldung - "die Verteidigung gilt als heilige Kuh" und sagen gleich noch dazu, wen es am ärgsten trifft "der Sozialstaat ist bereits ausgeblutet" (Wirtschaftswoche, 4.10.). Daß sich der US-Staat wegen der Aufrüstung von seinen Einkünften nicht beschränken läßt und die Kreditwürdigkeit des Dollars systematisch ausnutzt, um sich die erforderlichen Mittel aus aller Welt zusammenzuleihen, daß wegen der Aufrüstung jede Ausgabe doppelt und dreifach daraufuntersucht wird, ob sie auch wirklich nötig ist, und jede Ausgabe an Bedürftige sehr konsequent als unnötig befunden wird, wollen diese Fachleute freilich nicht gemeint haben.
Für ihr "Das geht nicht gut" addieren die Wirtschaftsexperten vielmehr Haushaltsposten, um mit großen Zahlen Eindruck zu schinden. Dafür ist besonders die Geschichte beliebt, daß die USA für die erste Billion Staatsverschuldung 190 Jahre brauchten, während es Reagan in nur 5 Jahren zur zweite Billion gebracht hat. Daraus könnte man genauso gut den Schluß ziehen, daß Amerika eben Großes vorhat, und - "es" geht - dafür ohne weiteres eine Billion zusammenpumpen kann. Ebenso ist nicht einzusehen, warum "es" nicht weitergehen soll: Die neue Sorte Verschuldung verdankt sich einem politischen Beschluß, der die Erringung militärischer Überlegenheit zum obersten Ziel der kapitalistischen Staatenwelt erklärt hat, der die Einordnung und Anspannung der Wirtschaftskräfte unter dieses Ziel postuliert. Es ist nicht abzusehen, wer ausgerechnet der US-Regierung die Durchführung dieses Beschlusses unmöglich machen könnte - bei lauter imperialistischen Partnern, die ebenfalls schwer dafür sind. Aber - dafür steht das begriffslose Fuchteln mit großen Zahlen - die Staatsverschuldung hat Wirkungen auf die befreundeten Nationen, die dort zu einer gewissen Unzufriedenheit führen. Der genaue Inhalt dieser Unzufriedenheit bleibt freilich recht dunkel, denn was soll man so metaphysischen Vorwürfen wie "Der Dollar ist überbewertet" eigentlich entnehmen? Ein Wert ist ein Wert, und er ist grad so hoch, wie er zwischen den Geschäftsleuten gehandelt wird, und nicht "eigentlich" niedriger.
Diese Anrufung eines gar nicht ernstgemeinten Ideals von Wirtschaftsgerechtigkeit ist eine seltsame Form der Klageeinreichung bei der höchsten Instanz und verdankt sich wiederum der Ungerührtheit, mit der die USA solcherart "Kritik" an sich abprallen ließen und den aufkommenden Ärger so in seine Schranken wiesen.
Ein gewisses Frohlocken macht sich jetzt also breit, nachdem die amerikanische Regierung die Diskussion über ihr Haushaltsdefizit und den hohen Dollar freigegeben hat. Auf dem von ihr anberaumten Treffen der "Großen Fünf" in New York soll es sogar um eine "Neubewertung des Dollars" gegangen sein. So mag sich mancher europäische Wirtschaftsfachmann so recht bestätigt fühlen. Aber muß man denn gleich so maßlos übertreiben?
"Drastischer konnte der Wandel nicht sein... Schon lange waren die Amerikaner nicht mehr in einer so schwierigen Situation wie heute. Ihnen steht das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Offenbar hat die Regierung in Washington den Ernst der Lage inzwiichen selbst erkannt." (Die Zeit, 27.9.)
Was ein Ronald Reagan unter "Ernst der Lage" versteht, dürfte noch allemal etwas anderes sein, als was ihm ein nationalistisch bewegtes Katastrophenszenario andichten möchte.
Die "Neubewertung" des Dollar
Die blöde Übertreibung vom ertrinkenden Amerikaner, dem obendrein noch mit vergnügtem Schaudern das Menetekel des großen Crashs an die Wand gepinselt wird, hat Ronald Reagan sicher nicht sonderlich erschüttert. Da weiß er doch zu genau, daß er die 300 Milliarden Dollar, die er sich mit Anhebung der gesetzlichen Verschuldungsgrenze von 1,8 auf 2,1 Billionen Dollar bewilligt hat, vom "Kapitalmarkt" auch bekommen wird; die 1,3 Milliarden Dollar, die allein in einer Woche auf dem Euro-Bond-Markt aufgenommen werden, sind ein deutliches Indiz für die noch immer überragende Stellung des Dollars im internationalen Kredit; außerdem hatte er für das Treffen der "Großen Fünf" und für die IWF/Weltbank-Konferenz in Seoul schon ein hübsches Paket parat...
Einen Grund, erfreut einen "drastischen Wandel" der präsidentialen Denkweise zu konstatieren, müssen die europäischen Beobachter aber immerhin haben. Der kann allerdings nicht darin liegen, daß der Präsident irgend etwas "zugegeben" hätte; vielmehr wußten sie - selbstbewußte Vasallen lassen grüßen - die Reaganschen Äußerungen im eigenen Sinn zu interpretieren. Der hatte sich nämlich tatsächlich zur Unzufriedenheit geäußert, bloß eben zu seiner eigenen.
"Bislang haben die Amerikaner den starken Dollar stets als Ausdruck der Stärke Amerikas gepriesen... Die Amerikaner haben seit Jahrzehnten wirtschaftspolitisch so agiert, als ginge sie die Welt nichts an. Nun entdecken sie plötzlich weltwirtschaftliche Zusammenhänge, die auch sie nicht ignorieren dürfen." (Die Zeit)
Es stimmt, daß der Präsident sich kritisch zu Dollar und Weltwirtschaft äußerte. Man mußte jedoch schon Habichtsaugen mitbringen, um die paar versteckten Hinweise über "Gefahren des Haushaltsdefizits und des hohen Dollar" überhaupt zu entdecken und dann auch noch als Selbstkritik zu interpretieren. Obendrein ließ die amerikanische Administration keinen Zweifel daran, daß diese Hinweise mehr der Höflichkeit geschuldet waren - so ungefähr, man habe die Klagen der Partner vernommen.
Reagans Rede wollte auf etwas anderes hinaus - auf eine Generalabrechnung mit einem für die USA unbefriedigenden Weltmarkt bzw. einer mangelhaften Weltwirtschaft. Mr. Reagan führte Klage über die anderen, und die Stoßrichtung war eindeutig: Sie haben sich auf das Wohl der USA verpflichten zu lassen:
"Amerika hat sich niemals vor Wettbewerb gefürchtet. Solange die Regeln eingehalten werden und jedermann die gleichen Chancen vorfindet, ist unser 'business' mindestens so wettbewerbsfähig wie jeder andere auch. Das ist fairer Handel und Wandel, und wir werden nicht dagegen verstoßen. Wenn diese Voraussetzungen jedoch nicht existieren, dann ist dies unfair, und wir werden dagegen ankämpfen." (Rede vom 24.9.)
Bei der Ausführung dessen, worin die Partner eigentlich ihre Pflichten verletzt haben, kommen freilich ein paar ziemlich verrückte Theorien zum Vorschein:
"Im Gegensatz zum robusten Wirtschaftswachstum und der steigenden Nachfrage der letzten Jahre in den USA, war das Wachstum unserer Partner allgemein langsamer. Der weite Abstand zwischen unserem Wachstum und dem unserer Handelspartner trug im folgenden zu unserem Handelsbilanzdefizit bei (und zu den Überschüssen bei ihnen). Während unsere Industrieproduktion seit 1982 um 19 Prozent gestiegen ist, ist die der wichtigsten entwickelten Länder im allgemeinen viel weniger angestiegen... Im Gegensatz zu den 8 Millionen seit 1982 bei uns geschaffenen Arbeitsplätzen, gab es in Europa keinen Nettozuwachs der Beschäftigung seit über 10 Jahren."
Der Präsident warf also den Partnern nicht ihren Geschäftserfolg vor, sondern ihren mangelnden Erfolg. Genau der, behauptet er, ginge auf Kosten der USA. Das ist seine Theorie des Handelsbilanzdefizits:
"Ein ganz wesentlicher Grund für das Anwachsen unseres Handelsbilanzdefizits war die Kombination zweier Faktoren: unsere ausgezeichnete wirtschaftliche Entwicklung und das zögerliche Wachstum bei unseren hauptsächlichen Handelspartnern. Das setzte unserem Export Schranken, trug zur Schwächung der mit dem Dollar verknüpften Währungen bei, ermutigte somit zusätzliche Exporte in die USA und entmutigte unsere Exportwirtschaft."
Weil wir stark sind und die anderen schwach, wurden sie stark und wir schwach. Die Aufforderung hieß also: "Werdet stark!" - das stärkt uns:
"Größere Ausgaben für Privatinvestition in diesen und anderen Ländern würden helfen, die Lücke zwischen Wachstum und Beschäftigung bei ihnen und bei uns zu schließen. Das würde umgekehrt zur Verringerung unseres Handelsbilanzdefizits beitragen, weil die Nachfrage des Auslandes relativ zu unserer Nachfrage nach seinen Produkten steigen würde."
Somit empfahl der Präsident den konkurrierenden Nationen ganz uneigennützig ein staatlich gemachtes Wachstum, offensichtlich ohne die Sorge, daß sie ihm dann völlig über den Kopf wachsen, vielmehr mit der offenen Absicht, davon zu profitieren. "Der will sich an uns bereichern" hat allerdings dann keiner geschrien...
Die Angelegenheit wird noch verwirrender, weil sie im Gewand der Import-Export-Ideologie daherkommt. Die verpaßt dem Export immer ein dickes Plus und 'vergißt' darüber ganz, daß billig einkaufen eine mindestens genauso feine Sache ist, die nicht nur eine angesehene Kapitalistenabteilung namens Importeure ernährt, sondern auch den Exporteuren eine willkommene Voraussetzung für profitables Verkaufen abgibt. Daß ein hoher Wechselkurs, in dem Fall für den Dollar, immer zugleich ein "Vorteil" und ein "Nachteil" ist, wird erst recht klar, wenn man sich vor Augen führt, daß ein entwickelter kapitalistischer Weltmarkt mindestens genauso viel von Kapitalimport und -export hält, die wiederum zum Wechselkurs genau umgekehrt wie der Warenverkehr stehen. So taugt diese Ideologie überhaupt nur als kindgemäße Bebilderung eines dafür um so gültigeren, abstrakten Prinzips: Es gilt, mehr aus der anderen Nation herauszuholen, als sie ihrerseits aus dem eröffneten Geschäftsverkehr an einem selbst profitiert - womit auch ein paar zarte Hinweise über handfeste Gegensätze im imperialistischen Waren- und Kapitalverkehr sich andeuten. Gerade so, als ob er die Unsinnigkeit der Ideologie im Verhältnis zu ihrem harten Kern noch betonen wollte, gibt Ronald Reagan noch eins drauf:
Der verhinderte Export der USA schwächte die anderen Währungen, machte so den Dollar stark und verhinderte sich selbst nochmal extra.
Fragt sich also, wie verrückt diese Theorien des amerikanischen Präsidenten sind. Umgekehrt: Wenn sie ernst gemeint sind - auf was wollen sie hinaus?
Was stört wirklich am hohen Dollar?
"Müssen die USA jetzt endlich ausländischem Druck zu verstärkter Intervention nachgeben? Preston Martin: Die USA unterlagen keinem Druck. Vergessen Sie nicht, daß es Finanzminister Baker war, der das Treffen initiierte. Und das läßt mich eher darauf schließen, daß es die US-Regierung einfach für angebracht hielt, etwas zu unternehmen."
In der eigentümlichen Art, wie Reagan den hohen Dollar seinerseits in die Debatte einführt, gibt er einerseits den europäischen Beschwerdeführern ihre Beschwerde quasi zurück. Andererseits gibt er ihrer Beschwerde über den "überbewerteten Dollar" - nebenbei noch eine Widerlegung der Import-Export-Ideologie: Sollen sie sich doch für ihren Export freuen, wenn der Ddllar hoch ist! - aber indirekt auch recht: Er selbst fragt sich, ob der Dollar nicht ungute Auswirkungen auf seine Vorhaben hat. Da sich nun beide Parteien in einem Punkt treffen, zugleich aber auch für beide der hohe Dollar keine Frage von Im-/Export sein kann, stellt sich schon die Frage, was an ihm eigentlich stört.
Die Amerikaner haben damit ein hervorragendes Kreditmittel in die Welt gesetzt, hinter dem ihre gesamte wirtschaftliche, politische und militärische Macht steht, haben damit also auch den Händlern in Sachen Geld, Zinsen und Kurse eine äußerst verläßliche Grundlage geschaffen. Im Unterschied zu den meisten Ländern werden die hohen Zinsen des US-Staates eben nicht als Anzeichen einer gefährlichen Überschuldung, sondern als besonders attraktives Angebot angesehen, und der Nachfrager gibt sich sozusagen selbst recht, wenn er mit seiner Nachfrage für einen gleichmäßig hohen Kurs des zinsträchtigen Dollars sorgt.
Für die Nationen, deren Währungen in einem abhängigen Verhältnis zum Dollar stehen, heißt dies allerdings, daß sich ihre Verschuldung im selben Maß verteuert - der staatliche Gebrauch der Währung als einer Sache, mit der er sich Handlungsfreiheit beim Einkauf verschafft, indem er sich zusätzliche Mittel bei der Geschäftswelt gegen Zins besorgt, wird durch die überragende Attraktion des Dollars eingeschränkt. Das ist in erster Linie ein staatliches Bedenken. Privatkapitalisten reagieren auf das Steigen einer Währung nämlich damit, daß sie "in sie gehen"; und steigende Zinsen haben für die Banken - auch sie, wie die Importeure, ein respektabler Bestandteil der Kapitalistenklasse - eine eher wohltuende Wirkung.
Die Einwände der vom "überbewerteten Dollar" geschlagenen Nationen hat sich die amerikanische Regierung lange genug angehört, ohne darauf zu reagieren. Diverse Vorschläge, gemeinsam ein bißchen zu intervenieren, sind auf ziemlich taube Ohren gestoßen; achselzuckendes "Nachgeben" hatte eher den Charakter einer Provokation:
"Solche Aktionen können Bitterkeit verursachen, wenn sie nicht sorgfältig koordiniert sind. Letzten Januar unternahmen die USA und sechs Verbündete den Versuch, den Dollar ein wenig von seinem Dauerhoch herunterzubringen. Während aber die Deutsche Bundesbank 4 Milliarden Dollar in einen gemeinsamen Topfvon 10 Milliarden Dollar einschoß, um entsprechend Währungen aufzukaufen, steuerte Washington nur 600 Millionen Dollar bei. Das machte die Deutschen verletzlich und brachte ihnen einen dicken Verlust ein, als der Dollar im Sommer wieder mal stieg; der Wert der D-Mark, die sie aufgekauft hatten, verminderte sich wieder mal." (Time, 7.10)
Wenn Reagan den hohen Dollar jetzt zum Problem erklärt, dann liegt das nicht daran, daß er ein Einsehen mit den Partnern hat und ihm ihre Klagen über Zinsen, Währungsverfall und Kapitalabwanderung zu Herzen gegangen wären. Vielmehr paßt ihm an seiner Verschuldung deren pure Quantität nicht. Auf seine Art geht ihm der Spruch mit der Billion, die er in 5 Jahren zustandegebracht hat, nämlich doch ans Gemüt.
Genau die Selbstverständlichkeit, mit der er Zugriff auf das Kapital in aller Welt genommen hat und mit der er die Größe der amerikanischen Nation allemal für eine ausreichende Garantie für ökonomischen Erfolg gehalten hat, gibt ihm jetzt zu denken. Irgendwo geht nämlich die ökonomische Grundlage der Verschuldung flöten, wenn immer bloß die sich in rasantem Tempo weiterentwickelt. Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen wirklicher Reichtumsvermehrung und dem - durch seinen Beschluß anschwellenden - Kreditüberbau hat der amerikanische Präsident nicht, und er braucht sie auch nicht. Er bemerkt schlicht und bekommt es von seinen innenpolitischen Konkurrenten vorgehalten: Die Verschuldung kostet den Staat immer mehr! Die Bedienung der Staatsschuld macht mittlerweile ein Drittel des Staatshaushaltes aus, mit zunehmender Tendenz.
Nun gibt es dafür ein probates Mittelchen: Einfach so weitermachen, höhere Schuldentilgung mit vermehrter Schuldenaufnahme 'beantworten'. Der Gedanke hat etwas Bestechendes; denn da sich Verschuldung nur in sich selbst bzw. in dem Beschluß zu ihr begründet und da sie obendrein geht, ist eine quantitative Grenze nirgendwo ableitbar - Kredit hat ja die schöne Eigenschaft, nie auszugehen, sofern der Kreditnehmer für würdig befunden wird. Mehr noch: Mit seinen Schuldscheinen setzt der US-Staat immer neuen Kredit in die Welt, der mit den ihm eigentümlichen Verdopplungen und Verdreifachungen dem verschuldungswilligen Staat immer neue Bedienungsmöglichkeiten schafft.
In diese Richtung muß Reagan etwas aufgefallen sein: Seine Verschuldung geht zu gut. Seiner massiven Kreditaufnahme entspricht eine Bereitwilligkeit der Banken, die aufmerken läßt. Offensichtlich betrachten die den Dollar als ein ausgezeichnetes Geschäftsmittel, was er für sie auch ist. Das Ausland hat ebenfalls beschlossen, den starken Dollar zu einer bevorzugten Geldanlage zu machen, entscheidet sich zur Zeit beim Währungsvergleich zum größeren Teil für ihn, ohne jedoch die anderen Währungen deswegen links liegen zu lassen.
Zwei Risiken dieser dominanten Stellung des Dollars sind unübersehbar:
- Das problemlose Geldhecken über den Kreditmarkt kostet den Schuldner immer mehr, die Staatsschuld akkumuliert.
- Die Vorliebe des Auslands für den Dollar deckt sich nicht mit den Bedürfnissen des US-Haushalts nach Einkünften.
Weil er Herausgeber des Weltgeldes ist, genießt der US-Staat im Vergleich zu anderen Staaten die Freiheit, seine Kreditaufnahme nicht auf konkurrierende Währungen bzw. die Verschuldungsvorhaben anderer Staaten "abstimmen" zu müssen. Diese Freiheit wird ausgenutzt - aber mit einem anspruchsvollen Zusatz, der in den Augen des Politikers den eigentlichen Witz ausmacht: Die Verschuldung soll sich selbst abschaffen. Die Kosten der Reichtumsattraktion werden in Kauf genommen, mit der Berechnung, daß die Verschuldung einen sie überkompensierenden Reichtumszufluß zur Folge hat.
Dieses Finanzierungsideal, das seinen Grund und seine 'Berechtigung' in der vorherrschenden Stellung des Dollars hat, unterstellt die nationalen Wirtschaftskräfte als selbstverständliche Garanten des Haushalts, und zwar auch und gerade dann, wenn dieser aufgrund eines politischen Beschlusses jenseits der Ökonomie wächst: Per Staatsakt dazu aufgerufen und durch die Verschuldung sozusagen vorfinanziert, wird die Wirtschaft einem Reagan nicht nur den "Vorschuß" hereinholen, sondern für weitere Vorhaben erst recht solide Finanzfreiheit verschaffen.
Dies ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: Die ständig wachsende Verschuldung, die steigenden Zinslasten, beweisen nichts anderes, als daß die Reagansche Absicht nicht aufgeht, während alle Welt aus dem Dollar ein prima Geschäft macht. Das Auseinanderfallen von Staatswillen und Geschäftsgang ist verdächtig: Die profitable Zirkulation des Dollars ist eine Spekulation in Dollar und auf den Dollar, die ihr Maß an sich selbst hat: Aus Kredit mehr Kredit machen, nicht zuletzt deswegen, um ihn dem amerikanischen Staat zur Verfügung stellen zu können. Wenn sich diese Spekulation umgekehrt nicht am Maßstab eines soliden US-Haushalts bemißt, so ist dies gefährlich: Sie kann ihre Parteinahme für den Dollar auch bleiben lassen, spätestens dann, wenn andere Anlagemöglichkeiten günstiger erscheinen. Dann wird die Frage "Gibt es nicht zuviel davon?" sehr ausschlaggebend, eben weil sie in Wall Street mit ganz anderen Absichten gestellt wird als im Oval Office des Weißen Hauses. Die Absicht, sich durch souveränen Gebrauch des internationalen Kreditwesens Finanzfreiheit in Sachen Aufrüstung zu verschaffen, stößt sich an den Berechnungen derer, die ganz marktwirtschaftlich die Kriegskredite herbeischaffen sollen.
Weil Mittel und Zweck der Staatsverschuldung nicht umstandslos ineinsfallen, drängt sich dem US-Präsidenten eine Abhängigkeit auf, die sogar den "Großen Crash" möglich erscheinen läßt: Diejenigen, die davon sprechen, können ihn auch herbeiführen, sofern sie daran glauben, und weil ihnen der amerikanische Staat mit seiner "Dollarschwemme" selbst die Handhabe dazu gegeben hat - "Flucht aus dem Dollar".
Anhaltspunkte für Risiken eines fraglos gerechtfertigten Staatsprogramms lassen sich genug finden, wofür das Attribut "bedenklich" ausreicht: Einige amerikanische Banken sind wegen zu reichlicher Kreditvergabe in Schwierigkeiten geraten, die "Schuldenkrise" der Dritten Welt droht mit weiterem Unheil, nicht wenige Anleger sollen sich aus dem Dollar zurückgezogen haben, und der selbst hat in letzter Zeit einige rasante Kurssprünge durchgemacht.
Hitlers Glauben an die böse Zinsknechtschaft teilen amerikanische Haushaltsexperten nicht; aber die Unberechenbarkeit der Spekulation, die sie mit ihrer Finanzpolitik eröffnet haben, wird diesen Managern des größten Rüstungshaushaltes aller Zeiten schon zum Problem. Krachende Banken sind ihnen ein Signal für "in Unordnung geratene Märkte", die vielleicht doch Vorsichten beim Staatshaushalten geraten scheinen lassen. Sich einen ganzen Rüstungshaushalt zusammenzuborgen, ist eben doch was anderes, als ihn aus einer "gesund" wachsenden Wirtschaft zu finanzieren. Das wirklich Ärgerliche an der Dollarspekulation ist, daß alle "ehrlichen" Geldquellen zu wenig leisten und die weitere Verschuldung das wesentliche Finanzierungsmittel bleibt. Das Programm, durch Hochtreiben des Dollars die amerikanische Akkumulation zu befördern, schlägt zwar in der Geschäftsabteilung durch, die mit Geld und Schulden ihr Geschäft betreibt. Allerdings so, daß dieses Geschäft unsolide wird und so die restlichen Geschäftszweige in Schwierigkeiten bringt bei der ihnen zugedachten Aufgabe, dem Staat die nötigen Mittel zuzuführen.
Die Auskunft des Preston Martin
"Die Unternehmensverschuldung ist durchaus ein Grund zur Sorge. Denn hier handelt es sich nicht nur um Neuverschuldung aus Gründen der Produktivitätserhöhung. Was hier stattfindet, ist einfach ein Rückgang der Eigenkapitalisierung der amerikanischen Konzerne, und zwar um 75 Milliarden Dollar pro Jahr. In den meisten Fällen wurde dieser Rückgang durch Schulden ersetzt - und zwar kurzfristige Verschuldung." (Wirtschaftswoche) -
macht auch einem Reagan Sorge, weil von den Unternehmen zu wenig Mittel an ihn fließen, obwohl sie über genügend verfügen. Die "Reaganomics" sollten den Unternehmen per Steuer- und Abschreibungserleichterungen ein sozusagen staatsverzichtlerisches Eigenkapital zuführen, damit sie dem Staat Reichtum in völlig neuem Ausmaß verschafften. Nun mangelt es ihnen zwar nicht an Reichtum, aber der Zustrom von Steuern und Abgaben ist gemessen am Anspruch viel zu gering. Die staatliche Nachfrage nach Rüstung verschafft zwar manchen Branchen gigantische Gewinne, aber sie "kurbeln nicht an", sind eben Gewinne aus Staatsschuld bezahlt. Das Marxsche Diktum, daß Aufrüstung und Krieg grad so sind, "als ob eine Nation ihr Kapital ins Meer würfe", macht sich bemerkbar: Eine umfassende Akkumulation in allen Abteilungen stellt sich nicht ein.
Irgendwo, irgendwie, irgendwann... kriegt auch ein amerikanischer Präsident zu spüren, daß ein politischer Beschluß die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Ökonomie nicht außer Kraft setzt, solange er sich ihrer marktwirtschaftlich bedienen will. Noch das tollste Kreditmanöver muß ein Stück Mehrwert als Grundlage haben und in dessen Vermehrung resultieren, auch wenn es selbst behauptet, Profit aus Staatstransfer wäre ein genauso gültiges Stück Reichtum wie die Erlöse eines industriellen Kapitalisten, oder ließe sich gar aus der Ingenuität des Broker-Hirns allein schöpfen. Daß es noch allemal auf den wirklichen Reichtum ankommt, macht sich um so mehr geltend, je hartnäckiger das (politische) Gerücht verbreitet wird, es käme nur auf die Sicherheit des Kredits an. Der kommt aber nicht umhin zu wackeln, je mehr die reale Akkumulation nur noch als Selbstbedienungsladen für die Ansprüche der Kreditvermehrung aufscheint: Dann stellt sich irgendwann heraus, daß auch ein einigermaßen solides Wachstum der Euphorie des Kreditmarkts nicht mehr genügt. Oder umgekehrt: Die reale Akkumulation hat sich den Verdacht gefallen zu lassen, daß sie ein an und für sich gesundes Geschäft gefährde, weil sie einfach zu "klein" sei.
Ordnung durch Einheit
"Es wird einfach keine Epidemie geben, weil wir nicht zulassen werden, daß das amerikanische Finanzsystem Schaden nimmt." (Preston Martin)
Die absurd anmutenden Beschwerden über den Import haben hier ihre Quelle. Den zu schwachen Gang amerikanischer Geschäfte legt sich der Staat als die Konsequenz eines Mißverhältnisses zurecht: Die internationalen Erfolge seiner Wirtschaft sind zu gering, weil andere die Nutznießer amerikanischen Außenhandels geworden sind. Beweis: die Handelsbilanz. Hier melden die USA den Anspruch an, daß Import und Export allemal eine positive Wirkung auf ihren Haushalt hervorzubringen hätten. Ob ein Außenhandelsüberschuß je ein Weltraumprogramm finanzieren könnte, tut da wirklich nichts zur Sache, wenn in Washington beschlossen wird, genau dafür hätten Import und Export dazusein.
Der US-Präsident läßt sich nicht darüber aus, was er bei sich zu tun gedächte, um seiner Wirtschaft auf die vorgestellten strammen Beine zu verhelfen. Vielmehr übersetzt er den Verdacht, die Dollarspekulation könne crashmäßig gegen seine Politik ausschlagen, in einen Ordnungsgedanken der ersten Kategorie: Wenn die Gleichsetzung von Geschäft und Gewalt nicht klappt, dann muß politisch dafür gesorgt werden, daß ökonomische Quertreibereien unterbleiben. Wenn die fiktive Akkumulation unsicher ist, dann muß politisch die Sicherheit an ihr wiederhergestellt werden. Mit seiner Verschuldung ungehindert weitermachen zu können, ist nun mal der Wille dieses amerikanischen Politikers, den er sich von dazwischenkommenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nicht bestreiten läßt. Er anerkennt sie nicht als solche - wie sollte er auch -, sondern erklärt sie zu Machenschaften. Die haben erstens einen Urheber, den man zweitens dingfest machen kann und drittens der politischen Kontrolle unterwerfen muß. Ronald Reagan dringt als erstes darauf, daß die abhängigen Währungen sich für die Gefahrentilgung mitzuständig erklären. Dem möglichen Ausreißen der Spekulation ist zu begegnen, indem alle führenden Notenbanken sie begrenzen. Eine Spekulation gegen den Dollar beinhaltet ja immer die Teilnahme einer (konkurrierenden) Währung. Auf diesen Punkt hatten gerade die europäischen Notenbanken unter Anführerschaft der Deutschen Bundesbank nachdrücklich praktisch hingewiesen, als sie mit den "nervösen Reaktionen am Devisenmarkt" einen sehr berechnenden Umgang pflegten. Sie bedienten sich dieser Gemütsverfassung der Spekulanten, um durch absichtsvolles Nicht-Intervenieren oder durch gezieltes Intervenieren dem Dollar ein paar radikale Auf- und Abwärtsbewegungen zu verschaffen. Diese Spekulation auf die Spekulation verfolgte die eindeutige Absicht, der amerikanischen Regierung einen Fingerzeig zu geben, welchen Schaden man anrichten könnte.
Dieser Konjunktiv will andererseits auf eine Aktion der USA selbst hinaus, nämlich Stabilisierung des Dollars auf niedrigerem Niveau. In diesem Ansinnen erkennt Reagan durchaus ein gemeinsames Interesse, dem er durch ein Verbot zum Durchbruch verhilft: Auf nationalen Vorteil bedachte Aktionen einzelner Notenbanken, womöglich als rechtzeitige Schadensvermeidung, die sich einem drohenden Dollarverfall anschließt und ihn dadurch erst recht vorantreibt, solche Aktionen werden unterbleiben. Das Verbot tritt positiv auf, nämlich als demonstrative Einheit der fünf Notenbankchefs: Sie erscheinen geschlossen vor den Fernsehkameras, haben nichts weiter zu vermelden, als daß sie sich einig sind, und erklären somit die Spekulation für obsolet, es könnte Alternativen zur weiterwachsenden amerikanischen Staatsverschuldung geben. Dies, verknüpft mit der Ankündigung einer "maßvollen" Intervention für eine "weiche Landung" des Dollars, genügte den Geldhändlern als durchschlagendes "Signal" - der Dollar richtete sich bei 2,65 DM ein und ist erst einmal aus dem Gerede.
Ab sofort testen die Herren Geldhändler die Einigkeit. Ihre spezifische Verrücktheit schlägt sich in Sätzen folgender Art nieder:
"Händler bezeichneten das Geschäft als schwach und nervös. Die Furcht vor neuen Eingriffen der Notenbanken bestehe weiter. Der Dollar werde weiter nach oben gedrückt, um die Interventionsbereitschaft der Zentralbanken zu testen, hieß es. Die untere Dollargrenze liege gegenwärtig bei DM 2,60." (Neue Zürcher Zeitung, 9.10.)
Präsident Reagan hingegen ist sich erst einmal sicher, der Spekulation dadurch zuvorgekommen zu sein, daß er ihr in gewisser Weise nachkam. Er bediente sich dafür des ihm zur Verfügung stehenden Mittels: Die Partner werden zitiert. Recht bekamen sie in ihrer Auffassung, daß der Dollar zu hoch sei. Unrecht bekamen sie in der Auffassung, daß die Kurskorrektur ihr Erfolg gewesen sei. Sie wurden an der Abwehr der Gefahr einer Spekulation beteiligt, die von niemanden anders als ihnen selbst hätte ausgehen können. Sie scheinen sich in der NATO und ihrer Weltwirtschaft so wohl zu fühlen, daß es ihnen recht war.
Die Neubewertung der anderen Schulden
Anfang Oktober trafen sich Macher und Opfer des Weltmarkts in Seoul. Veranstalter waren IWF und Weltbank, die Institutionen, die darüber entscheiden, wieviel Kredit in die ca. 100 Dauerschuldner der westlichen Welt zu stecken ist.
Darüber verwundert sich mittlerweile keiner mehr, daß der größte Teil dieser westlichen Welt ein einziges Armenhaus und völlig von den "Zuwendungen" der paar kapitalistischen Führungsnationen abhängig ist. Vielmehr soll man sich gleich die Sorgen der Verursacher machen: Die Konferenz sei "von schwerwiegenden Problemen überschattet". Die 865 Milliarden Dollar, mit der die sogenannten Entwicklungsländer samt ihrer Fortschrittsabteilung, den "Schwellenländern", in der Kreide stehen, werden nicht zurückgezahlt - das steht fest. Ebenso steht fest, daß man sie weiter finanzieren muß, oder es kracht. Bei den Banken nämlich, die so freigiebig Kredite ausgeteilt haben.
Das ist auch nichts speziell Neues. Die eigentliche Sensation war der "Wieder"auftritt der USA nach angeblich "langer Abstinenz". Mit Spannung wartete alles auf die Vorschläge des Finanzministers Baker, und als sie auf dem Tisch lagen, vermeldete die "Süddeutsche Zeitung" einigermaßen erstaunt:
"Es erstaunt aber trotz allem, daß die USA mit so leichter Hand und offenbar ohne Konsultation ihre westlichen Freunde bei der Begradigung eigener Schwierigkeiten eingespannt haben." (9.10.)
Da täuschte sich der Erstaunte. Die "Konsultation" hatte zuvor in New York stattgefunden und es zu dem Resultat gebracht "Der Dollar darf nicht krachen". Wenn man es mit riesigen Summen in Dollar ausgegebener Kredite zu tun hat, die nicht regulär bedient werden, so muß eben dafür gesorgt werden, daß dies dem Dollar nicht schadet - selbstverständlich sind in die "Begradigung eigener Schwierigkeiten" die "westlichen Freunde eingespannt".
Die Erfolge "langer Abstinenz"
Die Ankündigung, innerhalb dieser Interessengemeinschaft die Betroffenen als aktive Mitmacher einzuspannen -
"Schuldnerländer können nicht auf Wunder hoffen / US-Finanzminister Baker hält Lösungsvorschläge parat, die die Mithilfe der Betroffenen erfordern" (Überschrift vom selben Tag) -,
ist ein höflicher Auftakt für ein sehr ungemütliches Programm. Der Form nach handelt es sich bei der Verschuldung der Staaten der 3. Art um dasselbe Verfahren wie beim US-Haushalt. Während beim Dollar aber niemand danach fragt, wie der US-Staat mit seinen Zinszahlungen zurandekommt, sind diese Schuldnerländer dem Diktat unterworfen, daß sie sich mit den Krediten die Zinsen wirklich verdienen müssen. Zugleich täuscht sich niemand darüber, daß dies allerhöchstens in Ausnahmefällen gelingt. Wenn der Baker-Plan im ersten Punkt -
"1) Die Hauptschuldnerländer verfolgen, unterstützt vom Währungsfonds und den Entwicklungsbanken, an der Spitze die Weltbank, eine Wirtschaftspolitik, die das Wachstum fördert, die Zahlungsbilanz verbessert sowie auch die Inflation eindämmt." -
den Schuldnern wie von gleich zu gleich eine ganz normale Wirtschaftspolitik - nur eben besonders energisch muß sie sein - anempfiehlt, dann ist die Hoffnung auf Entschuldung erstens genauso irreal wie beim amerikanischen Staatshaushalt; zweitens aber kann sich niemand über die damit erlassene Vorschrift täuschen. Die Verwe ndung der Schuld hat sich die Beaufsichtigung durch IWF und Weltbank gefallen und ständig daraufhin begutachten zu lassen, welchen Ertrag sie den Gläubigern einbringt. Eine wachstumsdienliche selbständige fiktive Akkumulation ist für diese Länder nicht drin, also wird auch nicht mehr so getan, als wäre ihnen beim Umgang mit Kredit dasselbe erlaubt wie anderen Staaten: Jedes Stückchen Kredit wird auf seine reichtumsvermehrende Wirkung auf den Kreditgeber und seine Hintermänner kontrolliert.
Die "lange Abstinenz" der USA war nichts anderes als die Beseitigung wirtschaftssouveräner Flausen. Die von den USA geforderten und vom IWF stellvertretend durchgezogenen Mittelkürzungen und Verelendungsauflagen dringen auf bedingungslose Verfügbarkeit des eingeborenen Reichtums für die Wünsche der kapitalistischen Nationen. Die USA gingen sogar so weit, eine imperialistische Hauptagentur wie die Weltbank anzufeinden, weil sie deren langfristige Darlehen noch für eine unzulässige, idealismusfördernde Geldverschleuderung hielten, der sie mit einer Mittelkürzung ihrerseits entgegentraten: Für solche Abenteuer ist der Staatskredit zu wertvoll. Im imperialistischen Weltneuordnungsprogramm sind diese Souveräne als Handlanger sans phrase vorgesehen: Sie bewerkstelligen den freien Zugang für die gerade aktuellen Anforderungen, sonst nichts.
Das erste und mit Wohlwollen vermerkte Ergebnis der Seoul-Konferenz war die bescheidene Sachlichkeit der Schuldnerländer: Das alte Ideal einer "neuen Weltwirtschaftsordnung" wurde gar nicht wieder aufgewärmt; Proteste standen nicht auf der Tagesordnung.
Nochmal: "Es wird einfach keine Epidemie geben..."
Während Punkt 1 des Baker-Programms die Schuldnerländer darauf festlegt, ehrliche Schuldner zu sein, befassen sich die Punkte 2 und 3 mit der eindeutigen Auskunft, daß Gläubigerländer mit den Problemen ehrlicher Gläubiger nicht mehr behelligt werden wollen. Da die Grundsatzentscheidung der "Großen Fünf" in New York schon getroffen war, bestand die mit Spannung erwartete Direktive der USA "nur" noch in der Benennung der Verfahrensweise:
"2) Der Währungsfonds behält seine zentrale Rolle, und zwar in Verbindung mit verstärkten Darlehen zur Strukturanpassung durch die multinationalen Entwicklungsbanken. Dies alles, um eine marktorientierte Wachstumspolitik der Schuldnerländer zu unterstützen.
3) Geplant sind ferner verstärkte Ausleihetätigkeiten der privaten Banken, um die Strukturanpassung zu erleichtern."
Diese zwei Punkte fassen sich so zusammen: Wenn Kredit erforderlich ist, um gefährdeten Kredit abzusichern, dann wird er vergeben wenn Schuldnerländer Kredit brauchen und beantragen, heißt das noch gar nichts.
Hinsichtlich einer Reihe von Ländern leistet sich der Imperialismus die Klarstellung, daß sie überhaupt bloß noch Zuschußunternehmen sind, ruiniert und abgeschrieben. Da aber Kredite in ihnen stecken und ein völliges Fallenlassen Rückwirkung auf die hiesige Geschäftswelt und den amerikanischen Nationalkredit hätte, erhalten sie weiter Zuwendungen. Der Nutzen heißt auf amerikanisch: Vermeidung eines Schadens - und dafür reicht der "Trust Fund" des IWF, gespeist aus Rückflüssen im Zusammenhang mit irgendwelchen früheren Goldverkäufen, völlig aus, nachdem China und Indien versprochen haben, ihn nicht zu beanspruchen. Mehr braucht's für ein paar Sahel-Länder und ähnliche verlorene Weltgegenden wirklich nicht. Nach demselben Strickmuster wird mit den Ländern verfahren, die mit ihren sogar wachsenden Exporterlösen ihren Schuldenpflichten hinterherlaufen. Für sie stellen IWF und Weltbank Mittel bereit, die die kontinuierliche Rückführung der dort angelegten Kredite ermöglichen. Die Forderung des IWF-Präsidenten Larosiere -
"Wir können nicht von einer Umschuldung zur anderen leben" -
wird so aufgegriffen, daß Umschuldung als gewohnheitsmäßiger Vorgang eingerichtet, in Routine verwandelt wird. Dafür sind zwei Parteien zuständig, nämlich die Staaten und die Banken. Letztere hatten für ihren mehr als reichlich vorhandenen Kredit eifrige Kreditnehmer gefunden. Den Gesichtspunkt der kaufmännischen Vorsicht ließen sie dabei keinen Moment lang außer acht: Sorgfältig listeten sie "Länderrisiken" auf, und wenn ein Risiko besonders hoch war, dann ließen sie deswegen die Kreditvergabe nicht bleiben, sondern verlangten einen entsprechend höheren Zins. Das Geschäft der Banken ist die Kreditvergabe und nicht die Vermeidung von Ruinierung - sonst könnten sie ihren Kredit ja gleich für sich behalten und einfach so pleite gehen. Auf eines konnten sich gerade die amerikanischen Banken, die den Löwenanteil der 3. Welt-Verschuldung halten und traditionell gute Beziehungen zu den lateinamerikanischen Hauptschuldnern pflegen, immer verlassen: Einen Zusammenbruch dieses Kreditgebäudes würde ihr Staat zu verhindern wissen die Gründe sind bekannt. Es gibt die naive Vorstellung, der US-Staat hätte dieses Bankgebaren unterbinden müssen - aber warum sollte er? Ganz im Reaganschen Sinne handelt es sich hier um ein ordentliches privatkapitalistisches Geschäft, komplementär zur staatlichen Enthaltsamkeit.
Genau diese geschäftsmäßige Anlage von Kredit sollen sie - vgl. Bakers Punkt 3 - weiter betreiben, wofür sie mit staatlichen Garantien versehen werden. Die muß man sich nicht so billig vorstellen, daß det Staat aufjeden Kredit eine Versicherung abschließt - das Verfahten ist sehr viel prinzipieller. Die Mittel von IWF und Weltbank bzw. der dahinterstehende Staatenwille bürgen dafür, daß dem Bankensystem aus fallierenden Krediten kein Schaden entsteht. Aufgabe des Kreditgewerbes ist es, ein ganz gewöhnliches Gläubiger-Schuldner-Verhältnis aufrechtzuerhalten mit Betonung auf wirklicher Bedienung der Schuld: Die Schuldner haben darum zu kämpfen und ihren gesamten nationalen Reichtum dafür einzuspannen, auf daß die Anforderungen der Banken nach gewöhnlichen geschäftsmäßigen Kriterien erfüllt werden. Der Kredit hat einmal die Verwertung ungehobenen Rohstoffs und Menschenmaterials eingeleitet. Die sehr einseitige Witkung dieses Kapitals, das Nutzen immer nur für den Gläubiger abwirft, hat dazu geführt, daß die Schuldner nach den Regeln eines soliden Bankgewerbes zahlungsunfähig geworden sind. Das Durchstreichen der Kredite kommt deswegen noch lange nicht in Frage. Selbst ein Kredit, von dem jeder weiß, daß er selbst längst nur fiktiv ist, tut noch seine Dienste für die Aufrechterhaltung und ökonomische Abwicklung des "3.-Welt-Geschäfts". Mit der Dauerumschuldung werden ganze Staaten ununterbrochen darauf verpflichtet, jedes Stück Reichtum zu einem Mittel für die Schuldenbedienung zu machen, also ganz gerecht abzuliefern.
Vom Standpunkt der imperialistischen Staaten ist dieser bankmäßig verwaltete Kredit ein reines Reichtumstransportmittel, wofür sie den Banken als ihren Erfüllungsgehilfen den Fortgang ihres Geschäfts garantieren - immer mit dem Auftrag: Holt euch die Zinsen bei denen. Die "Absurdität", daß ein Land von IWF oder Weltbank einen Kredit bekommt, "nur" um die Forderung eines Bankenkonsortiums erfüllen zu können, hat also den harten Kern, daß jeder dort ansässige Reichtum jetzt schon verpfändet ist und vermittels dieser "Technik" auf seine Abholung wartet. Mit der Trennung von Kreditoperation und Reichtumsabtransport entledigt sich die Gläubigerwelt schlußendlich auch der Sorge, offiziell festgestellte Zahlungsunfähigkeit könne auf das gesamte Kreditgebäude zurückschlagen: ie steht dafür ein, daß, was die Banken betrifft, die schon längst eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Milliardenschuldner durch eine Kredittechnik kontinuierlich für null und nichtig und zu einem neuen Anspruch erklärt wird. Dieses wollen die USA freilich nicht als bloße Überlebensstrategie verstanden wissen. Die Untersuchung des "Wo geht was?" ist durchaus mit dem altbekannten Idealismus verknüpft: Bei gelungener Einrenkung der ganzen Chose und mit dem gefestigten Kredit der Staaten- und Geschäftswelt wird sich doch wohl noch eine endgültige Beseitigung des "Schuldenproblems" hinkriegen lassen. Die Wachstumskräfte des amerikanischen Kapitals werden auch noch den Schuldnerländern und damit den USA schließlich selbst zu neuer Prosperität verhelfen. Auf diesem Hintergrund ist die plötzliche Entdeckung einer "Kapitalflucht" in den Ländern der 3. Welt zu verstehen: Eingeschossenes Geld fließt sofort wieder heraus - Skandal. Was sonst so normal ist wie nur was - den eigenen Reichtum vor der heimischen Inflation schützen und am Kreditschwindel des Auslands teilnehmen -, das steht der Geschäftswelt dieser Länder nicht zu. Die hat Kredite nur für "ordentliches" Verdienen zum Zwecke der Zinsenbedienung zu verwenden. Sehr witzig, welche Durchschlagskraft moralische Imperative kriegen können, wenn es um die absolute Funktionalität geht...
Zu diversen Vorschlägen wie Zinsplafondierung, Zinskapitalisierung, Umwandlung von rückfließenden Zinsen in langfristige Darlehen der Weltbank, Bindung des Zinsdienstes an die Exporterlöse, Umwandlungen von Schulden in Beteiligungen, MIGA (Investitionsrisiko-Absicherungen) äußerten sich die USA absichtlich unbestimmt, heißt: Das kann man alles ausprobieren, je nachdem. Wichtig ist die von den USA abverlangte feierliche Garantieerklärung der imperialistischen Hauptmächte, daß sie mit ihren Agenturen IWF und Weltbank die Wechselreiterei, die die Banken schon seit Jahren mit ihren Schuldnern betreiben, in den Rang einer hochoffiziellen Wirtschaftspolitik erheben.
Noch einmal zu der "Großzügigkeit" der USA. Wenn diese nicht mehr den IWF-typischen Spar- und Zurichtungswillen in den Vordergrund rücken, sondern sogar ausdrücklich auf freie Mittel der Weltbank hinweisen, dann konstatieren sie damit zum einen den erreichten Stand von Zurichtung und Abhängigkeit, dem tatsächlich keine weiteren "Programme" mehr nachzuhelfen brauchen. Zum anderen verweigern sie eine Erhöhung des Weltbankkapitals und Erhöhung der Sonderziehungsrechte beim IWF, lassen also keine Illusionen über erleichterten Schuldendienst der Schuldnerländer aufkommen.
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Dass ganze Schwindelunternehmen ist eine sehr grundsätzliche Übereinkunft darüber, daß die Krise da ist; auch die fällige Entwertung von Dollarkapital ist vorgenommen worden - aber als gemeinschaftlich geregelte Abwertung des Dollars. Sie ist nicht über den Markt "erfolgt", die Konkurrenz der Nationen um die Bewältigung der Krise wurde nicht und darf nicht geführt werden. Statt dessen beteiligen sich die Staaten gemeinschaftlich an den Kosten der Sicherung der fiktiven Akkumulation - wofür gibt's denn schließlich eine imperialistiche Führungmacht und selbstbewußte Vasallen: Für deren Kriegsprogramm ist ein Krachen der Wirtschaft nicht erlaubt - das Verbot wird durch einen gewaltsam gesicherten freien Dollarverkehr exekutiert - zu diesem Zweck muß die Einheit im Bündnis unbedingt gewahrt bleiben. Konkurrierend hervortun kann man sich nun beim Einheitsstiften und beim konstruktiven Gebrauch der Organe der Einheit. Das geht so lange gut, wie alle daran festhalten, daß es nur so gut geht.