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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1984 erschienen.

Libanon
KRIEGSHETZE DER BRD

1. "Bild"

"Schauplatz Libanon: Tote, zerfetztes Blech, rauchende Trümmer - es riecht nach Krieg. Und das nur, weil ein Land Unruhe stiftet: Syrien, ermuntert von Moskau."

"Zerfetztes Blech" ist gut. Als es noch heile war, war's ein Bombenflugzeug der USA. Ein ganzes Geschwader davon ist über syrische Flugabwehrstellungen im Libanongebirge hergefallen, hat dort erfolgreich seine Bomben abgeladen - und die haben keineswegs bloß 'nach Krieg gerochen': so wird dort Krieg geführt. Militäraktionen dieser Art sind doch nicht schon deswegen kein Krieg, weil die "Bild"-Zeitung sich leicht einen noch viel ausführlicheren und ergiebigeren Bombenhagel auf Feindsoldaten vorstellen kann und erst das für einen richtigen Krieg halten würde. Dieser Krieg wird natürlich nicht,nur' deswegen geführt, 'weil Syrien Unruhe stiftet'. Zumindest gehört da noch ein Staat dazu, der erstens die Anwesenheit syrischer Soldaten im Libanon zur "Unruhe" erklärt; der sich zweitens dafür zuständig erklärt, die entsprechende "Ruhe" zu stiften; der drittens Bombenüberfälle für das passende "Beruhigungsmittel" hält; und der viertens einen Gewaltapparat kommandiert, der sich durch ein 'ermuntertes' Syrien überhaupt nicht vom Kriegführen abschrecken läßt. Diese verantwortungsvolle Rolle überlassen die USA nicht mehr allein ihrem israelischen Vasallen: in zunehmendem Maß mischen sie auch selber mit.

"Die Syrer haben im Libanon nichts zu suchen. Sie schüren Konflikte, decken die Mordgesellen der PLO. Syrien wird von Moskau mit Waffen vollgestopft."

Nachdem schon die Palästinenser in Palästina nichts zu suchen haben - wohl aber die Israelis einiges im Libanon -: Dürfen denn wenigstens noch die Libanesen im Libanon bleiben? Oder müssen die sich auch vorher bei der "Bild"-Zeitung eine Aufenthaltsgenehmigung besorgen und sich in gute, die bleiben dürfen, und schlechte, die gefälligst "nach drüben" gehen sollen, sortieren lassen?

Gesetzt den Fall, die Syrer hätten im Libanon wirklich 'nichts zu suchen' - einen Vorposten gegen Israel suchen sie dort, ein bißchen Sicherheit gegen eine weitere Ausdehnung des zionistischen Staates; das ist ja nicht so furchtbar schwer zu merken! Müssen denn dann gleich US-Luft- und Seeflotten und Marinesoldaten her, um sie hinauszubomben?

Ja, offenbar muß das sein. Daß die USA einen halben Globus weit vom Libanon entfernt liegen, berechtigt überhaupt nicht zu dem Verdacht, vielleicht hätten sie mit ihren Bombern und Soldaten im Libanon nichts verloren. Im Gegenteil: Genau deswegen genügt es der amerikanischen Regierung nicht mehr, "nur" Israel 'mit Waffen vollzustopfen'. Ihr Sicherheitsinteresse, diese weltweit allgegenwärtige oberste Richtschnur für "Ruhe und Ordnung", gebietet es der amerikanischen Staatsmacht, im Libanon selber mit einer riesigen Militärmaschinerie vorhanden zu sein, "Konflikte" anzuzetteln und mit Bomben und Granaten auszutragen, die passenden "Mordgesellen " auszurüsten und als Präsidenten auszurufen...

"Syrien hat im Nahen Osten dieselbe Rolle, die Kuba in anderen Weltgegenden hat: Umsturz-Handlanger der Sowjets. Solange die Syrer im Libanon sind, gibt es keinen Frieden im Nahen Osten."

Diese Prognose läßt sich in der Tat leicht stellen. Schließlich haben die USA ihren festen Willen erklärt, im Nahen Osten keinen Frieden zu geben, solange Syrien noch nicht fügsam geworden ist. Und mit ihren Schlachtschiffen und Bombenflugzeugen sorgen sie dafür, daß es auch so kommt. Und auch für den Einfall mit dem "Umsturz-Handlanger" verfügt "Bild" über ein höchst schlagkräftiges Argument: Die USA behandeln Syrien mit jedem seiner politischen Interessen als "Umstürzler", dem vom Weltpolizisten das Handwerk gelegt gehört; sie behandeln Syrien als Stellvertreter der Sowjetunion, an dem sich ein Exempel gegen jedes sowjetische politische Interesse statuieren läßt - ohne gleich mit der Sowjetmacht direkt zusammenzurasseln. Die USA führen ihr Urteil über Syrien aus, ohne sich erst lange mit der Untersuchung aufzuhalten, ob sie damit richtig oder falsch liegen. Sie machen es praktisch gültig; die Hinrichtung beweist da die Schuld des Angeklagten.

Der "Bild"-Kommentar ist also nicht wahr, aber "objektiv": Er spricht das Urteil aus, das die US-Armee vollstreckt. Er erklärt nicht das Kriegsgeschehen, sondern er verdolmetscht die Kriegserklärung, nach der die USA längst handeln: Krieg im Libanon, um Syrien zu schaden und damit der Sowjetunion eine Niederlage zu bereiten. Fürs Sterben ist das doch allemal ein viel schönerer Grund als Allah und dessen "heiliger Krieg", oder:

2. "Der Spiegel"

"Die US-Piloten trafen bei Hammana Raketenbasen, Fla-Geschütze und Munitionsdepots und legten bei Falugha eine Radaranlage nebst Raketenstellungen in Schutt und Asche. Näher an den Verhandlungstisch gebombt aber haben die Amerikaner Syrien mitnichten."

Vielleicht wollten sie das auch gar nicht: Die "Botschaft" dieser Bomben ist doch eindeutig genug - sollte man meinen -: Erst vollstrecken amerikanische Aufklärungsflugzeuge den Hoheitsanspruch der USA über die gesamte Gegend; die Abwehr der Syrer wird dann zum Anlaß genommen, die aufgeklärten syrischen Ziele durch Bombardements mit Flugzeugen und Schiffsgeschützen zu vernichten. Offensichtlich geht es darum, die militärische Lage für die syrische Armee nach und nach unhaltbar zu machen; dem syrischen Anspruch auf Einfluß im Libanon - und der Sowjetunion, die Syrien darin unterstützt - eine Niederlage beizubringen; die Syrer zu vertreiben. So klar ist diese amerikanische Absicht, daß der amerikanische Präsident sich veranlaßt sieht, zweimal pro Woche die logisch anschließende nächste Konsequenz zu dementieren: "Nein, wir planen keinen Krieg gegen Syrien..." das "Aber...!" folgt so sicher wie das Amen in der Kirche.

Für einen linksliberal-bundesdeutschnationalen Spiegel-Journalismus ist das alles nicht klar genug. In diesen Kreisen hält man die Anführer der westlichen Führungsmacht lieber für notorische Dummköpfe und Versager, ehe man sich dazu herabläßt, den gar nicht lieblichen Zweck westlicher Nahostpolitik zur Kenntnis zu nehmen, der da mit zielstrebiger Brutalität vorangetrieben wird.

3. "Frankfurter Allgemeine"

"Der Nahe Osten ist keine Weltgegend, in der ein Präsident der verständlichen Sehnsucht nach Lösungen im Sinne des 'dicken Knüppels' Theodore Roosevelts huldigen kann. Eigentlich lautet die Frage, ob sich Washington im Libanon auf eine tragische Nebenbühne begeben hat und ob es, indem der Konflikt als Teil der Ost-West- Auseinandersetzung dargestellt wird, sich nicht jener Vermittlerrolle begibt, die Carter in Camp David erfolgreich versucht hatte."

"Verständlich" also findet die Zeitung für den klugen Kopf die "Sehnsucht" nach dem "dicken Knüppel", der jeden Widerstand gegen US-amerikanische Ordnungsansprüche zerschlägt - ist das nicht vielleicht ein bißchen primitiv gedacht ? Oder hat Jan Reifenberg da bloß in tiefster Parteilichkeit die Tatsache nachempfunden, daß der weltherrschaftliche Anspruch auf die Kontrolle jeder fremden und die Unterordnung jeder feindlichen Souveränität ohne den brutalen Vernichtungswillen, der in Bomben und Granaten seine angemessenen Instrumente besitzt, nicht zu haben ist!

Von solcher Einfühlung nimmt der ausgewogene FAZ-Kommentar allerdings gleich wieder Abstand - zugunsten der beliebten bundesdeutschen Albernheit, noch das gewalttätigste Vorgehen der USA am Ideal einer über allen Gegensätzen angesiedelten "Vermittlerrolle" zu messen und problematisch zu finden. Ob es wirklich so schwierig ist zu begreifen, daß auch amerikanische Kriegsaktionen nicht eine etwas hölzerne Form von Weihnachten sind, sondern berechnete Zerstörung mit dem eindeutigen Zweck, den Willen eines fremden Souveräns zu brechen? Ob demokratische Intellektuelle sich wirklich nicht ein bißchen bescheuert vorkommen, wenn sie bei jeder demokratischen Schlächterei immer von neuem die besorgte Frage aufwerfen: 'Gibt es denn keinen besseren Weg zu gutnachbarschaftlichem Einvernehmen?'- ?!

Nein, wahrscheinlich kommen sie sich in solchen Momenten am allergescheitesten vor. Denn auch wenn ihre Sorge blöd ist und durch die demokratischen Kriegsaktionen stets von neuem blamiert wird, im Prinzip wissen sie sich mit dem Standpunkt des westlichen Imperialismus einig: Nicht Partei, sondern hoheitlicher Weltschiedsrichter will das Weltreich der Freiheit sein. Also dürfen und sollen die USA sich auch nicht auf das Niveau einer nahöstlichen Kriegsfraktion hinabbegeben, sondern die zerstrittenen Parteien zum Kompromiß antreten lassen... Das ist nun allerdings gar nichts anderes als das Ideal des bedingungslos erfolgreichen "dicken Knüppels"!

Im Namen dieses Ideals ergeht die Empfehlung, nicht überall das notorisch antisowjetische Weltbild des Herrn Reagan zur Anwendung zu bringen - jedem ausgewogen denkenden Mitteleuropäer aus dem nationalistischen Herzen gesprochen. Ein bißchen töricht allerdings auch dieser wohlmeinende Vorschlag: Sollte der FAZ tatsächlich entgangen sein, daß die Behandlung des Libanon als Gelegenheit zur Bekämpfung sowjetischer Macht keine Frage der ideologischen 'Darstellung' ist, sondern ein kriegerisch vollstrecktes politisches Interesse -? Immerhin ist diese Mahnung wiederum vom reinsten imperialistischen Geist beseelt: Am besten sollten die USA bei der hoheitlichen Regelung der nahöstlichen Affären die entgegenstehenden Interessen der Sowjetunion gar nicht zur Kenntnis nehmen. Die Rolle des Weltpolizisten ist nämlich unteilbar... Im Namen dieses reinen Ideals von Weltherrschaft darf dann schon mal vergessen werden, daß seine Verwirklichung einen schmutzigen Krieg nach dem anderen erfordert.