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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1984 erschienen.

Systematik


"So wünschenswert mehr Freizeit für viele sein mag, Arbeitswille, Leistungsbereitschaft und Durchhaltevermögen müssen die anerkannten Ziele unserer Gesellschaft bleiben." (Lambsdorff)

Die Arbeitszeit ist ins Gerede gekommen. Nicht ihretwegen, nicht wegen der Länge des Arbeitstages, der Intensität der Arbeitsstunden, der Niedrigkeit des Monatslohns, sondern wegen der Arbeitslosen. Denen, so behaupten alle streitenden Parteien, muß unbedingt wieder Arbeit verschafft werden - durch Neuregelungen der Arbeitszeit, die den Arbeiter Lohn kosten werden, weil sie für Staat und Unternehmer teuer sind. Die verschiedensten Vorschläge Wochenarbeitszeitverkürzung, flexible Jahresarbeitszeit, Lebensarbeitszeitverkürzung - werden als Alternativen behandelt, während gleichzeitig im modernen Betriebsalltag längst all diese Alternativen neben einander angewandt werden als Mittel unternehmerischer Kostensenkung. Schließlich ist die Arbeitszeit kein Ergebnis einer mehr oder weniger gerechten Verteilung einer vorhandenen Menge Arbeit und Lohn auf eine vorhandene Anzahl arbeitsfähiger Menschen. Sie ist vielmehr die tarifvertraglich geregelte und staatlich abgesicherte Anwendung von Arbeitskräften für lohnende Geschäfte. Dementsprechend ist sie 'gestaltet', nämlich nach dem Grundsatz:

Viel Leistung für wenig Lohn - tage-, wochen-, lebenslang


WIE SICH DIE (ARBEITS-)ZEITEN GEÄNDERT HABEN

Arbeitszeitregelung

Damals, im finsteren 19. Jahrhundert, da waren 12- - 14-stündige Arbeitstage keine Seltenheit, und sogar Schichtarbeit gab es schon, besonders seit der Zunahme der Maschinerie. Denn Maschinen sind Kapitalvorschuß, ausgelegt, "um Arbeit und mit jedem Tropfen Arbeit ein proportionelles Quantum Mehrarbeit einzusaugen. Soweit sie das nicht tun, bildet ihre bloße Existenz einen negativen Verlust für den Kapitalisten, denn sie repräsentieren während der Zeit, wo sie brachliegen, nutzlosen Kapitalvorschuß, und dieser Verlust wird positiv, sobald die Unterbrechung zusätzliche Auslagen nötig macht für den Wiederbeginn des Werks.... Arbeit während aller 24 Stunden des Tags anzueignen ist daher der immanente Trieb der kapitalistischen Produktion. Da dies aber physisch unmöglich, werden dieselben Arbeitskräfte Tag und Nacht fortwährend ausgesaugt, so bedarf es, zur Überwindung des physischen Hindernisses, der Abwechslung zwischen den bei Tag und Nacht verspeisten Arbeitskräften..." (Karl Marx, Das Kapital, 1. Band. Hieraus auch die folgenden Zitate).

Heute dagegen, in der sozialen Marktwirtschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts, gibt es den gesetzlich geregelten 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche. Natürlich "bewegt sich" der Arbeitstag immer noch "innerhalb physischer und sozialer Schranken. Beide Schranken sind aber sehr elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum." Das gehört schließlich zur Menschennatur, daß man sie mit knappem Lohn zur Mehrarbeit bewegen kann. Aber heute sind 12- - 14-stündige Arbeitstage nur dort keine Seltenheit, wo es die Konjunktur des Betriebs verlangt, und es gibt sogar Zulagen dafür - manchmal bis zu ein paar hundert Mark brutto oder sogar netto. Dafür ist die Schichtarbeit in der großen Industrie zur Normalität geworden. Schließlich ist der Kapitalvorschuß in Maschinerie gewaltig gestiegen, der keinesfalls ungenutzt brachliegen darf, auch samstags und sonntags oft nicht. Dafür gibt es nochmals Zulagen, ohne die der Schichtarbeiter nur noch sehr schlecht auskommt.

Jugendschutz

Damals, da gab es noch Kinder- und Frauenarbeit in Hülle und Fülle, und erst 1833 wurde gesetzlich bestimmt, daß "Arbeit zwischen halb 9 Uhr abends und halb 6 Uhr morgens für alle Personen zwischen 9 und 18 verboten" war. Damals jammerten die Kapitalisten noch darüber: "Außerdem müssen die Jungen jung anfangen, um das Geschäft zu lernen. Die Beschränkung auf die bloße Tagesarbeit würde diesen Zweck nicht erfüllen." Damit meinten sie eigentlich: "Der Profit würde bei dieser Gelegenheit etwas fallen, und dies ist der... gute Grund, warum Jungen ihr Handwerk nicht bei Tag lernen können."

Heute dagegen gibt es hierzulande kaum noch Kinderarbeit, und nach den neuesten Beschlüssen dürfen Jugendliche über 15 in Bäckereien und Konditoreien erst ab fünf, falls über 17 erst ab vier Uhr antreten, erst ab 6 beim Bau, im Fleischergewerbe und in Krankenanstalten; solche über 16 in Mehrschichtbetrieben sogar erst ab 6 Uhr und nur bis 23 Uhr. Mit Profit hat das gar nichts mehr zu tun, sondern mit der "Verbesserung der Ausbildung Jugendlicher"; das dient allein dem "Abbau beschäftigungshemmender Vorschriften" des Staates, schafft also mit staatlicher Hilfe ganz, ganz viele Arbeitsplätze. Denn ohne daß sie ausgebildete Arbeitskräfte billigst ersetzen, werden viel, viel weniger Lehrlinge beschäftigt. Das wäre doch unsozial.

Schichtarbeit

Damals behaupteten die Kapitalisten noch frech: "Wir finden nicht, daß Tag- oder Nachtarbeit irgendeinen Unterschied in der Gesundheit macht, und wahrscheinlich schlafen Leute besser, wenn sie dieselbe Ruheperiode genießen (also immer nachts arbeiten), als wenn sie wechselt." Dafür handelten sie sich noch den gehässigen Kommentar von Marx ein: "Daß solche Dinge überhaupt den Gegenstand ernsthafter Kontroversen bilden, zeigt am besten, wie die kapitalistische Produktion auf die 'Gehirnfunktionen' der Kapitalisten und ihrer retainers (Anhänger) wirkt."

Heute, wo Schichtarbeit normal ist, beweisen Wissenschaftler täglich aufs neue, daß sie ungemein schädlich ist; gestritten wird nur noch, ob der "Biorhythmus", der "soziale Kontakt", das "Selbstbewußtsein" oder doch nur die Gesundheit drunter leiden. Die Gewerkschaft beklagt die mit ihrer Zustimmung ständig wachsende Schichtarbeit sogar als 'Mißstand' im Unterschied zur angenehmen 'Normalarbeit', und Mediziner empfehlen manchem, sich lieber eine leichtere Arbeit zu suchen. Ja, sogar Kuren und Schlaftabletten werden auf Rezept verschrieben, und Schichtarbeiterfernsehen gibt's auch.

Gesundheit

Damals war das Kapital überhaupt sehr gesundheitsschädlich: "Das Kapital ist rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird... Das Kapital fragt nicht nach der Lebensdauer der Arbeitskraft. Was es interessiert, ist einzig und allein das Maximum von Arbeitskraft, das in einem Arbeitstag flüssig gemacht werden kann. Es erreicht dies Ziel durch Verkürzung der Dauer der Arbeitskraft", also durch "schnelleren Verschleiß", d.h. auch "größere Verschleißkosten" für den Arbeiter. Die mußte er allerdings erst einklagen und erkämpfen, und irgendwie und -wann läßt sich ja der Verschleiß mit Geld sowieso nicht aufwiegen.

Heute dagegen wird die verkürzte Arbeits- und Lebensdauer der arbeitenden Klasse genauestens registriert - als Kostenproblem des Staates. Dem Kapital muß Mehrbezahlung nicht mehr abverlangt werden, es zahlt ja Zuschläge,und der Staat kassiert sogar kräftig mit. Arbeitslebenslang darf man für Gesundheit und Altersversorgung zahlen und bekommt, so man lang genug lebt, sogar wieder was davon raus. Berufskrankheiten und Arbeitsunfähigkeit werden anerkannt - der Mensch verdient nicht mehr so viel. Zum 'Gesünder-Leben' wird jeder angehalten, und der Staat zwingt ihn bei den Beiträgen und Auszahlungen zur Rücksicht auf die hohen Kosten des sozialen Netzes. Und die Untemehmer entlassen ihn oft schon mit 59 in den verdienten, aber vorzeitigen und deshalb ärmeren Ruhestand.

Intensivierung

Damals hielten sich die Kapitalisten, nachdem der Normalarbeitstag gesetzlich beschränkt war, durch die Intensivierung der Arbeit schadlos, wie sie "nur innerhalb des verkürzten Arbeitstages erreichbar ist". Dafür bedienten sie sich ziemlich hinterhältiger Mittel, nämlich ihres Eigentums an den Produktionsmitteln, deren Arbeitsgang sich die Arbeiter anzupassen hatten: "Sobald die Verkürzung des Arbeitstags, welche zunächst die subjektive Bedingung der Kondensation der Arbeit schafft, nämlich die Fähigkeit des Arbeiters, mehr Kraft in gegebener Zeit flüssig zu machen, zwangsgesetzlich wird, wird die Maschine in der Hand des Kapitals zum objektiven und systematisch angewandten Mittel, mehr Arbeit in derselben Zeit zu erpressen. Es geschieht dies in doppelter Weise: durch erhöhte Geschwindigkeit der Maschinen und erweiterten Umfang der von demselben Arbeiter zu überwachenden Maschinerie oder seines Arbeitsfeldes." "Daß der Arbeiter aber auch wirklich mehr Arbeitskraft flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode der Zahlung, namentlich durch den Stücklohn." Die Folge ist, daß wegen der Verdichtung der Arbeitszeit "abermalige Abnahme der Arbeitsstunden unvermeidlich wird" und der Staat auf Druck der Arbeiter erneut auf den Plan tritt.

Heute werden diese Methoden zwar auch noch alle angewandt, aber längst viel moderner. Einfache Veränderung der Akkordvorgaben und Beschleunigung der Bänder gibt es natürlich immer noch. Aber oft gehen sie mit kleinen Änderungen an der Maschinerie, neuen Maschinen oder einer entsprechenden Einrichtung der Bänder und Arbeitsplätze einher, die große Wirkung zeigen: Die Arbeit wird einfacher und einseitiger, also kann man sie verdichten und zugleich den Lohn senken. Das ist ein Sachzwang, eine technische Notwendigkeit. Dank gewerkschaftlicher Mitbestimmung gibt es nämlich tarifvertragliche Lohngruppen, in die so ein Arbeitsplatz fällt, je stumpfsinniger, um so niedriger. Außerdem ist das Volk längst an den technischen Zwang des Arbeitsplatzes gewöhnt, so daß es in den verschiedensten Lohnformen bezahlt werden kann und dennoch gleiche Stückzahlen liefert. Die Arbeit ist so intensiv, daß Kapitalisten selber kalkulieren, wann und wo sich für sie eine Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechend sinkendem Lohn auszahlt. Dafür warten sie nicht auf Gewerkschaft und Staat, sondern machen Betriebsvereinbarvngen und verlangen selber vom Staat eine "Flexibilisierung der Arbeitszeitordnung".

Üherstunden

Damals ließen die Kapitalisten ihre Arbeiter je nach Gang der Produktion unregelmäßig und viel länger antreten, als ihre offizielle Arbeitszeit dauerte: "Während der fünfzehnstündigen Periode des Fabriktags zog das Kapital den Arbeiter jetzt für 30 Minuten, jetzt für eine Stunde an und stieß ihn dann wieder ab, um ihn von neuem in die Fabrik zu ziehn und aus der Fabrik zu stoßen, ihn hin und her hetzend in zerstreuten Zeitfetzen, ohne,je den Halt auf ihn zu verlieren, bis die zehnstündige Arbeit vollgemacht. Sie zahlten zehnstündigen Arbeitslohn für zwölf- und fünfzehnstündige Verfügung über die Arbeitskräfte. Dies war des Pudels Kern, dies die Fabrikantenausgabe des Zehnstundengesetzes!"

Heute gibt es zwar Teilzeit- und andere Arbeiter auf Abruf auch, manche werden wegen Arbeitsmangels mal für einen halben Tag in Urlaub geschickt. Aber ansonsten geht es längst nicht mehr so vorsintflutlich zu. Wenn die Belegschaftsmitglieder antreten, ist dafür gesorgt, daß sie genug zu tun kriegen, sonst werden sie zwischen Abteilungen hin und her verschoben. Per Gleitzeit und unterschiedlicher Arbeitszeiten spielt sich die entsprechende Belegschaftsanzahl lässig ein, und Betriebskonjunkturen werden bei immer knapp gehaltener Belegschaft durch lohnmindernde Kurzarbeit, Zwangsurlaub um Weihnachten und sonstwann, Leiharbeiter, Überstunden und Sonderschichten bewältigt. Neueste Betriebsvereinbarungen sorgen sogar dafür, daß Überstunden zu einer Zeit durch Freizeiten zu anderer Zeit, wenn es nicht soviel zu tun gibt, kostengünstig ausgeglichen werden.

Freiheit und Selbstbestimmung

Damals war "der Arbeiter nichts mehr als personifizierte Arbeitszeit. Alle individuellen Unterschiede lösen sich auf in die von 'Vollzeitler' und 'Halbzeitler'".

Heute dagegen heißt er 'Teilzeitarbeiter' und arbeitet oft mehr oder weniger als bis zur Halbzeit, ohne Überstundenzuschläge und Kurzarbeiterausgleich. Außerdem gibt es noch den 'job sharer', die stunden- oder tageweise 'Aushilfsarbeiter'...

Damals gab es noch ein furchtbares, willkürliches Kapitalistenregiment, was die Regelung der Arbeitszeit im Betrieb anging. Da wurden die Arbeiter behandelt wie ein Stück Vieh. Sogar das Essen wurde ihnen, während sie an der Maschine standen, "als bloßem Produktionsmittel" reingeschoben, "wie dem Dampfkessel Kohle und der Maschinerie Talg oder Öl" zugesetzt werden.

Heute gibt es eine Mittagspause, nicht zu lang, denn die Arbeit ruht in dieser Zeit. Der Lohn "ruht" auch. Arbeiter sind heute schließlich freie Menschen, also ist Tanken ihr Bier, die Kosten dafür natürlich auch. Und wie sie das in der kurzen Zeit hinkriegen, dürfen sie auch ganz allein mit sich ausmachen.

Damals wurde den Arbeitem der ganze Tagesablauf bis ins Kleinste vorgeschrieben: "Der Arbeiter muß auf Kommando essen, trinken und schlafen. Die despotische Glocke ruft ihn aus dem Bett, ruft ihn vom Frühstück und vom Mittagstisch." Pausen gab es selten bis gar nicht, statt dessen "'kleine Diebstähle' des Kapitals an der Mahlzeit und Erholzeit der Arbeiter".

Heute stellen sich Arbeiter selber den Wecker, je nachdem, zu welcher Zeit sie antreten dürfen. Heute sind sie zur rechten Zeit hungrig. Und wenn sie den Dreck erst nach der Arbeitszeit abduschen, sich Pinkeln und Zigaretten für die festgelegten Pausen aufsparen und Umrüstzeiten in die Pausen gelegt werden, dann ist das gutes Recht des Betriebs, weil es die Arbeit verdichtet und vor dem Arbeitsgericht durchgeht; denn heute bestiehlt höchstens der Arbeiter den Untemehmer, wenn er den Weg zur Kantine nicht in die Mittagspause legen will.

Damals verpaßten die Kapitalisten ihren Untergebenen willkürlich Lohnabzug, wenn einer mal zu spät zur Arbeit kam: "Der Arbeiter muß morgens um halb 6 in der Fabrik sein. Kommt er 10 Minuten zu spät, dann wird er gar nicht hereingelassen, bis das Frühstück vorüber ist, und er verliert einen Vierteltag am Lohn." Viele schliefen sogar im Betrieb oder hatten weite Wege zum Arbeitsplatz.

Heute geht die Stechuhr ihren geregelten Gang. Gestempelt wird oft erst bei Aufnahme der Arbeit, Wegzeiten und oft auch Herrichten des Arbeitsplaties zählen also nicht zur Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Freizeit. Geschlafen wird normalerweise zu Haus - natürlich mit Ausnahmen jede Menge -, und für größere Entfernungen gibt es Fahrtkostenzuschüsse und Werksbusse.

Damals konnten die Kapitalisten einfach die Leistung steigern, ohne einen Pfennig mehr zu bezahlen: "Zwölf Stunden Arbeit werden jetzt in 10 Stunden gepreßt."

Heute wird mehr Leistung in 8 Stunden gepreßt, indem Duschen, Herrichten und andere Arbeitsnotwendigkeiten aus der Arbeitszeit fallen. Das steht dem Betrieb zu; der Arbeiter hat das Recht, für acht Stundenlöhne länger unterwegs und intensiver beschäftigt zu sein.

Damals gehörten Vati und Mutti dem Betrieb, auch samstags.

Heute gehört Vati samstags uns, wenn ihn der Betrieb nicht braucht.

Damals galt ja auch noch das unverschämte Ansinnen der profitsüchtigen Kapitalisten: "Konsumiert der Arbeiter seine disponible Zeit für sich selbst, so bestiehlt er den Kapitalisten."

Heute dagegen versündigt er sich an der Welt und seinen Kindern: "Was wäre das für eine Welt, in der die Erwachsenen weniger arbeiten als ihre Kinder, die noch zur Schule gehen." (Lambsdorff)

Klassenkampf

Damals glaubte ja Marx wegen dieser Gesetze des Kapitals auch noch ohne jeden Rechtsidealismus an die unausweichliche Notwendigkeit eines Kampfes um weniger Arbeit und mehr Lohn: "Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich und womöglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andererseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt. Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normierung des Arbeitstages als Kampf um die Schranken des Arbeitstages dar - ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d.h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter oder der Arbeiterklasse."

Heute ist dieser Kampf immer noch notwendig wie eh und je. Aber unausweichlich ist er längst nicht mehr. Heute findet er statt in Form einer Debatte um die beste Verteilung der Arbeit, die auf jeden Fall Lohn kosten wird. Diese Debatte führen Staat und Untemehmer mit Begeisterung - unter reger konstruktiver Teilnahme der Vertretung der Lohnarbeiter. Ansonsten wird die den Betrieben zusagende Regelung der Arbeitszeit auf Grundlage des Normalarbeitstages zwischen Unternehmem und Gewerkschaften einvernehmlich ausgehandelt; der gesetzliche Rahmen des Staates regelt alle Freiheiten der Über- und Unterarbeit; die dafür anfallenden Lohnkosten sind tarifvertraglich niedrig ausgehandelt, der niedrige Lohn spornt den Willen zur verordneten Mehrarbeit unerbittlich an; und die Intensivienng der Arbeit gehört zu den unregelbaren Naturrechten des Kapitals, das höchstens über Abgruppierungen und Arbeitsplatzbewertungen mit sich reden läßt. So geht die Arbeitszeit ganz ohne Willkür betriebsnotwendig und mitbestimmt dahin - und nicht zu knapp.