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Libanon
DIE USA ÄNDERN IHRE KRIEGSTAKTIK
Ihre Marineinfanterie setzt sich von den militärisch teilweise erfolgreichen Gegnern des Präsidenten von US-Gnaden, Dschemeijil, ab; dafür erhalten die Schiffsartillerie und die Flugzeuge auf der vor Beirut stationierten Eingreif-Flotte Schießbefehl.
Mehr Gewalt und Zerstörung: Das ist die - nach der Logik einer demokratischen Schutzmacht unabweisbare - Antwort des US-Präsidenten auf den vorläufigen Fehlschlag des Unternehmens, einer aus Libanesen rekrutierten, von dem christlichen Falange-Häuptling Dschemeijil kommandierten Söldnerarmee das nationale Machtmonopol zu verschaffen ("das Machtvakuum zu füllen" - so hieß und heißt die diplomatisch-absurde Sprachregelung).
Drusen, Schiiten, Syrer und wer weiß wer sonst noch, jedenfalls alle Parteien, die unter die Räder dieser prowestlichen Nationalgewalt kommen sollten, haben sich dagegen nämlich gewehrt. Die stolze, soeben erst mit US-Mitteln neu aufgemachte "libanesische Armee" wurde offenbar teils zerschlagen, teils lief sie auseinander: Sie war eben gar nicht das Machtinstrument eines angeblichen durch Dschemeijil repräsentierten nationalen libanesischen Interesses, sondern das einheimische Instrument der USA, um keine womöglich prosyrische "Ordnung im Lande" aufkommen zu lassen. Ein politisch unerwünschtes Ergebnis und Ende des Blutvergießens sollte sie verhindern, also den Kriegszustand dahingehend "stabilisieren", daß alle Gegner des israelischen und amerikanischen Interesses an einem Verbündeten im Libanon ihre Machtpositionen verloren; mit dem Fernziel einer dementsprechend geordneten und befriedeten Republik. Dieses Fernziel haben Syrer, Drusen usw. fürs erste verhindert; schießen können deren Truppen und Milizen schließlich auch. Gegen die "Gefahr", daß sie die Landstriche um Beirut gleich in ihrem Sinn befrieden und politisch ordnen, hat Dschemeijils Soldatenhaufen aber seine Wirkung getan. Und wo dieser Erfolg ins Wanken gerät, schlagen die US-Streitkräfte gleich selber dazwischen - mit ihren eindrucksvollen S chlachtschiff-Granaten auf West-Beirut und in drusische Dörfer, mit ihren Flugzeugen ins Hinterland bis an die syrische Grenze hin.
Daß damit einer menschenfreundlichen Neuordnung der Verhältnisse der Weg geebnet würde: Diese Ideologie von wegen "Friedenstruppe" mag nicht recht passen zu solchen Vernichtungsaktionen gegen jeden Feind des amerikanischen Interesses an einem Dschemeijil-Staat. Sie mögen andererseits (noch) nicht geeignet sein, um mit einer gegnerischen Partei endgültig "aufzuräumen" - so wie die Israelis es mit ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die PLO vorexerziert haben. Aber so sieht offenbar das westliche Kriegsziel im Libanon derzeit aus: Jede "Lösung" verhindern, die den Syrern ihre Position beläßt oder gar nutzt; mit Bomben und Granaten alles Nötige tun, damit die Dschemeijil-Lösung - ob mit dieser Figur oder ohne sie - im nächsten Anlauf besser klappt.
Die rege diplomatische "Vermittlungstätigkeit", die derweil im Libanon und um den Libanon herum von den verschiedensten Konkurrenten um einen Zipfel arabischer Macht inszeniert wird, stört diese blutige Politik nicht. Die Versuche des Christenhäuptlings, seine Stellung als Präsident womöglich zu retten, indem er seinen Gegnem die Annullierung des Pakts mit Israel anbietet und sich damit taktisch von seiner eigenen Geschäftsgrundlage distanziert gleichzeitig schickt er ein Hilfsgesuch nach dem anderen an seine "Schutzmacht" USA! -, zeigen nur eins: Für einen Frieden im Libanon kommt es auf den "Verständigutigswillen" der innerlibanesischen "Bürgerkriegs"-Fraktionen zuallerletzt an. Den Kuhhandel zur Aufteilung einer wiederhergestellten nationalen Staatsmacht würden die Dschemeijils, Dschumblats und Co. ja wohl noch hinkriegen, wie ihre Väter es auch schon geschafft haben - wäre das überhaupt das Problem Für die Schutzmächte der streitenden Parteien, und auf die kommt es an, wäre eine innerlibanesische Einigung eben längst eine viel zu "beschränkte Lösung".
Saudi-Arabiens Diplomaten setzen sich für eine durch und durch "gerechte Lösung" ein" den gleichmäßigen Abzug von Syrern und Israelis aus dem Libanon - und dabei kommt es ihnen erst recht nicht auf ein friedliches Leben für libanesische Volksgenossen an. Auf diese Weise meldet eine aufstrebende arabische Macht ihren Anspruch an, die arabische "Brudernation" Syrien, die einen strategisch wichtigen Landesteil gegen Israel verloren hat und im Libanon diese "offene Rechnung" wenigstens offenhalten will, in die Schranken zu weisen. So wird also die Konkurrenz um die Rolle der arabischen Vormacht in der Region in Schwung gebracht - und nicht etwa ein machtvoller arabischer Konsens hergestellt, mit dem der Westen Probleme kriegen könnte.
Im übrigen verfügen die westlichen Friedensstifter noch über einen bislang ungeschlagenen, zu einem ansehnlichen Militärstaat gereiften vorletzten "Einwand" gegen jede verkehrte Regelung der Lage: Die Sicherheitsinteressen Israels, das sich nur sicher fühlen und Ruhe geben will, wenn es allein über Krieg und Frieden und staatliche Sicherheit in der Region entscheidet, garantieren den USA und ihren NATO-Partnern ein "strategisches Gleichgewicht" nach Wunsch. Vorsorglich hat die israelische Armee sich schon bereit erklärt, einen Vernichtungsfeldzug gegen falsche Ordnungskräfte - wie 1982 gegen die PLO - zu wiederholen, sollten Syrien und seine Verbündeten die Lage in den Griff kriegen.
Das letzte "Argument" des Westens ist nicht die diplomatische Geheimwaffe Strauß - auch wenn der, auf den Spuren des schwarzen Präsidentschaftskandidaten aus den USA, die Beziehungen der NATO zu den arabischen Gegnern pflegt, und das sogar ganz ohne höheren Auftrag -, sondern die eigene militärische Macht. Eine vorausschauende US-Sicherheitspolitik hat alles Erforderliche für das Zuschlagen einer Eingreiftruppe längst vorbereitet.
Nur eine Alternative ist ganz undenkbar: daß der Westen sich raushält. Denn das wäre ja glatt eine westliche Niederlage.