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VOM GANZ GEWÖHNLICHEN MILITARISMUS
Manöver-Kritik
Neulich wurde die Öffentlichkeit, ob interessiert oder nicht, mit den neuesten Informationen über das Frühjahrsmanöver der NATO versorgt. Weit oben im Nordatlantik übte die Marine der Mitgliedsländer Zusammenarbeit und Sicherung der transatlantischen Nachschubwege ("Teamwork '84").
Noch größer und mit mehr Aufwand als in den Jahren vorher und ähnlich wie an vielen anderen Orten auf dem Globus demonstrierte die NATO ihre Kriegsbereitschaft. "Teamwork '84" soll "verdeutlichen, daß die NATO-Nordflanke aus strategischer Sicht der eigentliche Schlüssel zur Verteidigung Europas ist." (NATO-Befehlshaber Metcalf III). Und derselbe Metcalf III:
"Wir mhssen gegenüber dem Osten demonstrieren, daß dieses Nordmeer nicht der Sowjetunion gehört."
Trotzdem tauchten doch wahrhaftig nur wenig später sowjetische Schiffe in der Gegend auf. Da mußte allerdings etwas schiefgelaufen sein. Man hatte, so heißt es, zu spät Wind von der russischen Schiffsbewegung bekommen; und aus Frankfurt war zu vernehmen, daß dem Gegner ein kapitaler "strategischer Schachzug" (Frankfurter Allgemeine Zeitung) gelungen sei. Es sei der SU aufs Neue geglückt, "sich aus den Randmeeren um ihren Kontinentalblock in die Ozeane vorzuwagen". Natürlich glaubt niemand im Westen, daß russische Schiffe in Nichtkriegszeiten aus den internationalen Gewässern herauszuhalten sind, nur: Erstens ist mal wieder die prinzipielle Gefährlichkeit des Gegners bewiesen; und zweitens sind schon jetzt alle Vorbereitungen zu treffen, um die sowjetische Kriegsflotte im Ernstfall auszuschalten. Den Westen stört eben nicht eine konkrete Bedrohung durch den Osten, sondern allein dessen mögliche Fähigkeit, NATO-Kriegsschiffe bei ihren weltweiten Operationen gefährden zu können.
In dasselbe kritische Horn bläst die "linksliberale" Frankfurter Rundschau:
"Hatte die NATO Mitte März bewiesen, daß sie in der Lage sei, die sowjetische Nordflotte im Kriegsfall aus den strategisch wichtigen nordatlantischen Meeresengen zu vertreiben, so gab ihr das sowjetische Manöver zwei Wochen später die Antwort, daß dies nicht leicht sein würde. Nicht ohne bessere Vorbereitung jedenfalls: Obwohl NATO-Minister dies nur ungern eingeräumen wollen, scheint festzustehen, daß die westliche Verteidigungsallianz vom Manöuer eist erfuhr, als die Sowjetflotte schon im Nordatlantik war." (FR, 11.04.84)
Inhalt der Manöverkritik also: Manöverzweck nicht erreicht! Umso mehr Verständnis finden offizielle NATO-Überlegungen, wie der drohenden "Gefahr", daß russische Schiffe überhaupt in den Atlantik gelangen, zu begegnen sei. Liebevoll zitiert die Frankfurter Rundschau den US-Marineminister, der schon weiß, wie: Man muß
"den Streit in die Heimatgewässer des Feindes führen, um auf die sowjetischen U-Boote zu treffen, ehe diese sich ausbreiten und die amerikanische Flotte und die Seeverbindungen im Nordatlantik bedrohen könnten".
Da ist die kritische Presse allemal dafür, ebenso wie es höchste Zeit wurde, daß die BRD-Marine selbstauferlegte Beschränkungen abwirft und nun wieder vor Norwegens Küste aufkreuzt...
Kritik der Waffen
So wie sich Militär und Politik um jede einzelne Gewehrkugel kümmern, so hat sich jeder Bundesbürger um die Beschaffungs- und sonstigen Probleme seiner Armee zu sorgen. "Bild am Sonntag" macht sich zum Sprachrohr für die Anliegen des Bundeswehr-Generalinspekteurs Altenburg: "Wir brauchen besonders elektronische Aufklärungs- und Führungssysteme!" Überhaupt müssen "wir" uns über folgendes im klaren sein:
"Wir haben Panzer und Flugzeuge. Aber wir haben nicht in allen Bereichen genug Munition eingelagert. Und wir haben nicht genügend Reserven, die rechtzeitig an der Front sein könnten."
Im Namen des nationalen "Wir" klagt Altenburg öffentlich ein, daß die BRD aus ihrer größeren Rolle im Bündnis die Konsequenz zieht, sich ebenfalls auf allen Ebenen einsatzbereit zu machen. Zur Erfüllung dieses Anliegens wird Kritik am Militär in erster Linie von seinen eigenen Exponenten vollzogrn. Nichts ist ihnen gut genug. Presse und Fernsehen greifen diese Art von Problemen auf ihre Weise bereitwilligst auf und widmen sich z.B. gleich nach der Tagesschau der Frage, wie es um die Bequemlichkeit und Kampfesfreude "unserer Jungs" in den Kasernen steht: Muß es wirklich sein, daß sie zum Mittagsessen immer nur Apfelblütentee statt Bier oder Orangensaft serviert bekommen? Wo doch das Kantinenessen der "Truppe" (auch so ein wieder in Mode gekommener Terminus) sonst ganz prima ist...
Stets sind um den Verteidungsauftrag bemühte Journalisten zur Stelle. Sie verbreiten die Sorgen des US-Verteidigungsministers Weinberger, daß mit der Eigenbrötelei der NATO-Staaten, die an ihren nationalen Waffensystemen festhielten, wegen des einfacheren Nachschubs Schluß sein müsse (das durch die Standardisierung eingesparte Geld könne überdies in mehr Waffen umgesetzt werden). Der eben noch wegen seiner "Ungeschicklichkeit" gescholtene Wörner findet die größte Aufmerksamkeit, wenn er bei der Tagung des Nuklearen Planungsstabes der NATO kritisch anmerkt, das neue Weltraumraketenprogramm der USA sei nicht in der Lage, einen "vollkommenen" Schutz gegen die sowjetischen Raketen zu schaffen und koste überdies "zu viel" - ziehe also "Geld und Ressourcen" vorzeitig in einen Bereich ab, was zu Lasten der bestehenden Rüstungsanstrengungen ginge. An solchen Problemen wärmen sich die journalistischen Militärspezialisten.
Jede diplomatische, wirtschaftliche oder militärische Aktivität des "Gegners" bedarf der Observation und "entsprechender" "Gegen"maßnahmen. Dem Inspekteur der Bundesmarine, Vizeadmiral Bethge, ist nicht nur jedes Schiff der sowjetischen Kriegsflotte ein Schiff zuviel (weshalb "wir " eben nicht genug Schiffe haben können): Auch die russische Handelsflotte wird ihm zu einem Argument sowjetischer Bösartigkeit, weil sie westlichen Reedern die Aufträge wegnimmt und so zu einer Minderung der westlichen Schiffsraumkapazität für Nachschub im Ernstfall führt. Um so mehr gehört die westliche Marine aufgerüstet. Der Admiral ist so von seiner fixen Idee - mehr Schiffe für die Bundesmarine - besessen, daß er gleich noch weiter geht und zu dem verrückten Vorwurf ansetzt, sogar "98 Prozent " des Lastwagenverkehrs zwischen der BRD und der Sowjetunion würde auf russischen Lkws abgewickelt...
Kritik der Kritiker
Galt die Einrichtung des Wehrbeauftragten noch vor einigen Jahren als Garant für die Ideologie von der zivilen Natur des Wehrdienstes, so wird er heute als Gewährsmarin dafür angepriesen, daß in der Bundeswehr das stramme Soldatentum zur "vollkommenen Normalität" geworden und die Truppe fest in die Heimatfront eingebettet ist:
"Den Wehrbeauftragten ist es gelungen, Vertrauen in die Streitkräfte und für die Streitkräfte zu gewinnen sowie den Zusammenhalt der Bürger und der Streitkräfte zu festigen." (Wörner)
Wie es in der "Truppe" zugeht und was die aktuellen Anforderungen an die Unterwerfungsbereitschaft der Wehrpflichtigen sind, erhellt aus dem nunmehr praktizierten Umgang mit "Totalverweigerern" (d.h. solchen Leuten, die auch nach ihrer Ablehnung als Kriegsdienstverweigerer an ihrem Beschluß festhalten): Gerichtlich wurde jüngst die "Ungerechtigkeit" aus der Welt geschaffen, daß man sie eventuell vorzeitig wegen ihres Querulantentums aus der Bundeswehr entläßt. So was ist heute nicht mehr drin solche Leute werden von der "Schule der Nation" jetzt so lange mit Arrest und Gefängnisaufenthalt "erzogen ", bis ein - so das Gericht - "angemessenes Verhältnis" zu 15 Monaten Wehrdienst erreicht ist. Solche "Einzeltäter", denen selbst ihre ansonsten "sozial angepaßte Lebensführung" nichts nutzt, gehören laut Gerichtsbeschluß "abgeschreckt", damit die "Disziplin der Truppe" nicht "beeinträchtigt" wird.
Ein Vorgeschmack darauf, wie diese Abschreckung im Ernstfall aussieht: Kriegsgericht und Erschießungskommandos.