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Das "Welt-Hunger-Problem"
GUTE GRÜNDE FÜR HUNGER
Wenn in irgendeiner Ecke des Globus ein paar, ein paar Tausend oder auch einmal ein paar Nullen mehr verhungern, so ist das eine Sache. Eine andere ist es, wenn die Kunde davon über Satellit und in Farbe überall dorthin dringt, wo ein Fernseher oder ein Zeitungskiosk steht. Fotografierter und statistisch erfaßter Hunger besitzt Unterhaltungswert, dient der Belehrung und erwärmt das Gemüt. Er ist ein Problem, für das die politische Prominenz in großen und berühmten Hauptstädten regelmäßig "Verantwortung" ansagt. Er ist "von Interesse", die Gegenden, wo er besichtigt wird, sind nicht gleichgültig. Kurz: Es handelt sich um wahrgenommenen, bekannt gemachten und betreuten Hunger. Und von dem zu behaupten, "es gibt ihn", ist die gerissenste Verdrehung von Ursache und Wirkung, die sich denken läßt.
Daß diese Lüge in den Heimatländern der Zivilisation ihren festen Platz behauptet hat, unter den weltbürgerlichen Kenntnissen, belegt eindeutig die Überlegenheit der freiheitlichen Lebensweise. Hier wird das Elend nachgezählt, weil man es zum eigenen Aufgabenbereich gehörig weiß. Wo "freedom und democracy" fehlen und ihnen auch der freie Zugang über die Landeshauptstadt verwehrt ist, ist es ja auch mit dem millionenweise Verrecken nicht weit her. Die unantastbare Menschenwürde steht nicht umsonst in unserem Wertekatalog ganz vorne, also ist auch der Welt-Hunger unsere Sache. Ehrensache - denn nur wir können und wollen aufgrund unserer traditionellen Ideale, die uns verpflichten, mit dem Hunger etwas anfangen.
Ohne Hunger - kein Glauben und keine freiheitliche Moral
Nur im freien Westen weiß man es richtig zu würdigen, daß diese Hungerleider garantiert nichts für ihr Elend können. Wir können natürlich auch nichts dafür - aber wir können dafür sorgen, daß sie nicht umsonst darben. Als lebendige Mahner zum Glauben, wie sie kein Maler hätte schaffen können, sind sie jedenfalls unentbehrlich. Die Erde ein Jammertal und längst kein Paradies mehr; der Mensch ein vergänglicher Erdenwurm mit allzu anspruchsvoIlen Bedürfnissen und Ausfällen in materialistische Hoffart; in Hochmut seiner selbst als Sünder vergessen, der nur in Demut Rechtes vollbringen kann - wären diese Glaubensgewißheiten zum Ruhme des Höchsten ohne leibhaftiges Elend vor Augen nicht nur halb so schön? Würden wir sie nicht achtlos beiseite schieben, wenn uns nicht unsere Brüder und Schwestern in Christo durch ihr Leid immer wieder bremsen würden in unserer Selbstsucht?
Niemand weiß daher den Sinn des Hungers besser zu schätzen als die Kirchen, die im freien Westen auch Gelegenheit erhalten, die Ärmsten ihrer feierlichen Anteilnahme zu versichern. Das Leben und Sterben derer, deren bloße Existenz für die Erzeugung des kapitalistischen Reichtums und dessen gewaltsame Sicherung überflüssig bis störend ist, wird in den großen Gemeinden als bleibende Aufgabe verstanden, Für Missionare, aber auch für jeden gewöhnlichen Gläubigen ist ihr Schicksal nicht sinnlos. In den Elendsgestalten der "Dritten Welt" begegnen wir Christen der armseligen Menschennatur in uns allen, aber auch ihrer Würde, Kreaturen Gottes zu sein und vor dieser Glaubenserfahrung werden zu Recht die Gründe und Interessen, denen sie ihre Not verdanken, völlig belanglos. Auch im letzten Dreck werden sie ihre Menschen- und Gotteskinderwürde nicht los, sind, ohne es auch nur zu ahnen, unsere Brüder und liefern Stoff fürs Gebet.
Sicher, nicht jedem ist es möglich, sich so abgebrüht glaubensfromm wie die Mutter Teresa zu betätigen. Schon aus Zeitmangel können die meisten nicht den Tag damit zubringen, halbtote Inder aufzusammeln und ihnen beim Sterben aus der Bibel vorzulesen. Doch heißt das nicht, daß gewöhnliche, gut erzogene Bürger aus dem Hunger gar keine brauchbaren Konsequenzen ziehen könnten. Der Stolz auf die heimische Blüte der Menschenwürde und die Gewißheit, in einem Lande zu leben, dessen Macher das Zustandekommen selbiger Würde heftig vertreten, ist das Mindeste. Darüber hinaus läßt sich die Politik der eigenen Nation als moralische Verantwortung verstehen und einklagen; sie kann mit dem Hunger da hinten im Sinn als Auftrag gedeutet werden, das Hungerproblem zu lösen. Auch auf diesem Felde erspart der Hunger zumindest lästige Fragen nach den Urhebern der ungesunden Ernährungsweise in fernen Landen.
Damit sind die Dienste des Hungers beileibe nicht erschöpft. Für jeden, der Not in den Hinterhöfen der freien Welt ernst nimmt und sich gleich an der Verantwortung beteiligen will, gibt es Sammelbüchsen jeder Größe. Wer sich eines überschwenglichen Lebenswandels bezichtigt, weil er von Siemens regelmäßig Lohn bekommt, und darüber erschrickt, daß die Geschäfte von seiner Firma in anderen Breiten "die Unterentwicklung noch nicht beseitigt haben", was er auf dem Foto mit den Hungerbäuchen sofort sieht; wer also meint, er hätte im Vergleich mit denen dahinten "zu viel", der kann die Opfer anderer um sein eigenes ergänzen. Seine Mitmenschlichkeit wird im Westen nicht unterdrückt, sondern nach dem Lehrsatz "Ohne Hunger keine Caritas" nach Kräften gefördert. Er darf sich nur nicht darauf versteifen, tatsächlich helfen zu wollen mit seiner Mark für 'Misereor', 'Brot für die Welt' oder eine Fernsehaktion. Sonst hat er schnell einen Ärger beim Anschauen der nächsten Statistik statt ein gutes Gewissen. Dafür nämlich ist das Skelettgerippe auf den einschlägigen Bildern gut, wenn es ein Almosen hervorlockt.
Das Fortdauern des Elends ist insofern das Lebenselixier für mildtätiges Mitleid - und die höchsten Amtsträger unserer Nation sind sich nicht zu schade, für diese zutiefst menschliche Haltung ihre freie Zeit zu opfern. Zur Einstimmung des Staats- und Kirchenvolkes auf diese unausweichliche Reaktion auf das bekanntgemachte Elend halten sie Reden:
"Mit 10 Mark kann man einem Bauern in Asien Ackergerät zur Verfügung stellen. 50 Mark kosten Hefte und Bücher für einen Ausbildungsplatz in Ecuador, mit 100 Mark können wir einem Dorf in Gambia das notwendige Saatgut für eine Gemüsezucht verschaffen."
So wenig brauchen "wir" uns also, obwohl es uns gut geht, das Vegetieren der Neger kosten zu lassen! Ein Klacks gegen den Butterberg der EG und ihren in Geld bezifferten Reichtum, der nicht nur zeigt, was "wir" an Überfluß haben. Aber wer mag bei der Vorführung der Opfer, die "unsere" Außenwirtschaft schafft, schon ans Geschäft denken, das sie ruiniert hat!
Also: Gottseidank gibt es die Sahel-Zone und andere "Katastrophengebiete" in reichlicher Anzahl, um das Verständnis für das "Hunger-Problem" in der Welt zu schärfen! Wie wäre ohne das alles "die Rolle der Kirche in der heutigen Entwicklungspolitik deutlich zu machen"? Käme ohne das schöne Beweismaterial des "unsäglichen Leidens", das in Illustrierten bis zum Erbrechen dargeboten wird, je jene moralische Reife zustande, die "Betroffenheit" heißt? Stünden wir ohne die Hungerleider etwa mit Willy Brandt fassungslos vor dem verhängnisvollen "Nord-Süd-Gefälle"? Könnten wir uns alle zu einer "verfehlten Politik" bekennen und fest glauben, daß der Hunger mit Außenhandel und Abmachungen bei Staatsbesuchen unserer Oberdemokraten partout nichts zu tun hat, wenn uns nicht tausendfach Belege zur Verfügung stünden - dafür, "daß es ihn gibt"?
Ohne Hunger - kein selbstgerechter Nationalismus
Die Beiträge, die der Hunger zur politischen Kultur in den freiheitlichen Demokratien leistet, sind Fastenkünstlern aus den Armenhäusern der Weltwirtschaftsordnung bislang kaum gedankt worden. Dabei beflügeln sie das politische Gespür regierender wie regierter Demokraten auf bestechend einfache Weise zu den schönsten Leistungen - sie heizen den politischen Sachverstand an, indem sie sich zum Vergleich anbieten.
Wie kommt wohl ein deutscher Kanzler zu dem Befund, die Deutschen seien "verwöhnt" und lebten schon jahrelang "über ihre Verhältnisse"? Auf welche Weise finden sich Wissenschaftler und Journalisten berechtigt, dem höchsten Dienstherrn der Nation zu sekundieren und von ihrer Entdeckung "satter Wohlstandsbürger" zu künden? Richtig - das Alltagsleben, Arbeit, Geld, Familie und Gesundheit, im eigenen Land bietet dafür wenig Belege. Aber der Kontrast der einheimischen Ammut, die doch glatt mit regelmäßigen Lohnzahlungen und Kaufhäusern nützlich gemacht wird, mit den Hungerbäuchen inmitten unwirtlicher Landschaften, der bringt's!
Und zwar keineswegs nur bei den Nutznießern und Sachwaltern der so wirksam gegenübergestellten Sorte von Weltbürgern.
Da läßt sich mancher Prolet, der seine Familie mit fünfzehnhundert Mark durchbringt und beim Einteilen einige Probleme hat, auf sehr politische Art die Habenichtse aus anderen Breiten zu Kopf steigen: Nein, Hungerkatastrophen von der Sorte da unten gibt es hierzulande nicht dafür sorgen offensichtlich seine Herrschaften. Und schon nehmen diese sich sehr tüchtig, weitsichtig und spendabel dazu aus - da kann man ihnen wirklich keinen Vorwurf machen. Eine florierende Wirtschaft bringen sie nebst "Ordnung" zustande, wodurch die Überlegung entfällt, ob man mit Nulldiät wohl für deutsche Wertarbeit brauchbar wäre...
Dank den Hungerleidern aus aller Welt, die uns täglich demonstrieren, wie lebenswert das Leben in der eigenen freien Marktwirtschaft ist! Ohne sie wüßten wir nicht, was wir an unserer Ordnung haben. So aber wissen wir nicht nur das. Wir kennen auch den Grund dafür, daß es um sie so schlecht steht - bei ihnen fehlt all das, was "uns" auszeichnet. Und insofern ist ihr sinnloses Verrecken nicht ganz zu entschuldigen. Haben sie es schon zu einem ordentlichen Staatswesen gebracht? Leisten sie gescheite Arbeit? Bauen sie eine Industrie auf und verstehen sie sich auf einen gewissen Leistungswillen? Irgendwie muß es schon an ihnen liegen, daß sie die Bananenrepubliken haben und wir die Dinger, mit blauen Chiquita-Zetteln drauf, für ein paar Pfennig verspachteln! Man braucht ja nur an ihre Staatsmänner denken! - dann ist einem völlig klar, warum es ihnen an Geld und Arbeit und Erspartem fehlt. Dafür marschieren sie dann hier bei "uns" auf, und "Bild" und "Süddeutsche" ertappen sie dabei, wie sie pumpen und "uns" Arbeitsplätze klauen wollen...
Ohne Hunger kein anständiger Rassismus! Da es aber Hunger in genügender Menge gibt, besteht auch keinerlei Beweisnot für alle Arten gebildeter Weltbürger, die genau wissen, was wer verdient. Sie sehen es ja am Ergebnis - und das spricht, richtig gedeutet, eine deutliche Sprache zugunsten unserer freiheitlichen Ordnung. Zu bedauern ist nur, daß die Deutschen aussterben, während die - obwohl sie nichts zu essen kriegen - eine Überbevölkerung in die Welt setzen. So werden sie "uns" zum Problem, und es ist nur zu wünschen, daß unsere Politiker das Nötige unternehmen. Denn in gewisser Weise sind die Gesellschaften, in denen der Hunger grassiert, ein Faß ohne Boden, solange sie sich nicht verändern. Was hilft denn das Stopfen hungriger Mäuler, das Verteilen von Reis und Trockenmilch, die ganze Mildtätigkeit, solange die das Zeug nur wegputzen. Auf die Dauer wird aus ihnen nur etwas, wenn sie eine gescheite eigene Wirtschaft aufmachen. Sie müssen sich entwickeln...
Ohne Hunger - keine Entwicklungshilfe
Geschäftsleute und Politiker sind gewiß keine Engel. Ihre Entscheidungen sind nicht selten von Profitstreben und nationalem Egoismus beeinflußt. Insofern standen sie zunächst den Forderungen ihrer Bürger, sich dem Ausland zuzuwenden, in dem so gar nichts läuft, eher reserviert gegenüber.
Doch auch hier hat der Hunger sein Werk getan. Dem Argument, daß dem Problem mit Almosen allein nicht beizukommen sei, konnten und wollten sie sich nicht verschließen. Zumal sie die reizvollen Aufgaben erkannten, die ihrem Naturell entgegenkamen: Die Entwicklung neuer Volkswirtschaften, der Aufbau eines gerechten Systems der Produktion und Verteilung - also das, was sie daheim schon mit Erfolg geleistet hatten - mußte sie zu Taten anstacheln. So schmiedeten sie mit der Entwicklungshilfe die Waffe gegen den Hunger.
Auf der einen Seite stellte sich die Entwicklung mit Riesenschritten ein. Durch den geschickten Einsatz von Geld, Kredit und Zinsen wurde aus dem "natürlichen Reichtum" - den die Neger auf sich gestellt nie recht zu nützen wissen - manch gut gehender Exportartikel. Wo investiert wird, bleibt eben das Wachstum nicht aus, wenn es marktgerecht geschieht. Zahlungsfähige Nachfrage war zunächst einmal nur in den Ländern zu erwarten, die schon eine Wirtschaft hatten. Dort gab es sie auch, so daß begründete Hoffnung bestand, daß durch den Export von Bodenschätzen und Erdnüssen, Kaffee und anderen Früchten der Natur für das Einkommen gesorgt sein würde, das die Not beendet.
Andererseits wurde bald offenbar, daß auch seitens der Einheimischen ein Beitrag zur Entwicklung geleistet werden mußte. Ihre bisherige Lebensweise stand nämlich schon in gewisser Weise einer rationellen Wirtschaftsweise im Wege. Viele von ihnen, die sich schon ohne die Tücken der Geldwirtschaft mehr schlecht als recht zu ernähren wußten, konnten sich an die neue Ordnung nicht gewöhnen. Weder waren sie für die Arbeit in Bergwerken oder auf Plantagen geeignet, denen sie samt ihrem überkommenen, primitiven Wirtschaften Platz machen mußten. Noch verstanden sie es, an Geld zu kommen, auf das es nun ja auch in ihrem Entwicklungsland ankam. Insofern zeigte sich, daß auch die Entwicklungshilfe den Teufelskreis der Armut und des Hungers nicht von heute auf morgen durchbrechen konnte.
Zunächst mußte man sich also darauf beschränken, dafür zu sorgen, daß sich die Investitionen in Minen, Plantagen und Transportwege wenigstens für die Geberländer rentierten. Mit sinnlosen Verlusten wäre ja auch denen nicht gedient gewesen, die durch die Entwicklungshilfe in den Genuß einer funktionierenden Wirtschaft kommen sollten.
So konzentrierte sich die Entwicklungshilfe zurecht darauf, den Anbau der landwirtschaftlichen Produkte und den Abbau der Bodenschätze voranzutreiben, welche durch ihre Qualität und ihren Preis gleichermaßen attraktiv waren. Dies ging nur, wenn diese Geschäftszweige so rationell wie möglich und auf großer Stufenleiter betrieben wurden; daß sich kleine Bauern nicht halten konnten, wurde ihnen ziemlich schnell klar an den Preisen - an denen, die sie für ihre Erträge erzielten genauso wie an denen, die sie für Saatgut und anderes Zeug bezahlen mußten. Und bloße Selbstversorgung widersprach ja ganz offensichtlich dem Ziel der Hilfe; Entwicklung konnte so nie und nimmer zustandekommen.
Ganz abgesehen davon, daß die Fortführung der unwirtschaftlichen Art, sich über Wasser zu halten, einfach keinen Platz mehr hatte. Wo industriell produziert wird, wo nur rentable Monokulturen den Schritt in die Entwicklung gewährleisten, kann auch auf die gemächliche Lebensart der Eingeborenen keine Rücksicht genommen werden. In erschreckender Weise enthüllte das Eindringen zivilisatorischer, fortschrittlicher Methoden des Lebens und Arbeitens einen Aspekt des Hungerproblems, den man in diesen unterentwickelten Gesellschaften nie so recht wahrhaben wollte: die Überbevölkerung. Ohne wirtschaften zu können, hatten sich viele dieser Gemeinschaften eine wahre Bevölkerungsexplosion geleistet, der sie nicht Herr werden konnten.
Zumal die politische Organisation der Gemeinwesen genau so rückständig war wie die wirtschaftliche. Im Zuge der Entwicklungshilfe waren auch hier Reformen fällig, standen doch nicht nur technisch-infrastrukturelle Aufgaben, sondern auch soziale Probleme an. Dem mit Hilfe der Industrieländer ermöglichten Ausbau von Städten, Häfen und Flugplätzen folgten die Ordnungsprobleme eines funktionierenden Staatswesens auf dem Fuß. Spätestens am Wachstum der Slums am Rande der Städte und der Produktionsstätten wurden die Versäumnisse sichtbar, die nun als Hypothek der Vergangenheit auf der Staatskasse lasteten. Ohne einen brauchbaren Polizei- und Militärapparat, der bisweilen wenigstens in Ansätzen aus der Kolonialzeit vorhanden war, konnte man mit den sozialen Schwierigkeiten nicht fertig werden.
So blieb den entwickelten Industrienationen nichts anderes übrig, als die jungen Staatswesen erst einmal mit den Mitteln auszustatten, die es ihnen erlaubten, die wirtschaftliche Partnerschaft auf eine gesicherte Grundlage zu stellen. Allerdings konnte das daraus hervorgehende Dilemma nicht lange verborgen bleiben: die Erträge, welche durch die Ankoppelung an die Weltwirtschaft erzielt wurden, reichten für die finanziellen Verpflichtungen der Entwicklungsländer nicht aus. Ihre Exporte an landwirtschaftlichen Gütern und Rohstoffen, von denen die Industrieländer inzwischen weitgehend abhängig sind, sind nicht in der Lage, ein Wachstum hervorzubringen. Aufgrund ihrer Verschuldung fehlen auch für den Kampf gegen den Hunger die nötigen Mittel.
Ohne Hunger - kein Wirtschaftswachstum
Die Zahlen in den Hungerstatistiken, die von Jahr zu Jahr gestiegen sind, haben die Verantwortlichen aufgeschreckt. Schonungslos und kritisch gehen sie aber auch zu Werk, wenn sie die Fehler aufdecken, die zu einer "Welthungerkatastrophe" nach der anderen führen. Heute wissen sie ganz genau,
- daß den armen Völkern mit "Technologietransfer" und "Überfremdung" kaum gedient ist. Deren Ernährung ist, wenn überhaupt angesichts ihrer Zahl, eher durch "Hilfe zur Selbsthilfe" zu sichern, mit der Unterstützung in Techniken des Überlebens, die von der Pflugschar abwärts gehen, ihrer Mentalität viel eher entsprechen und auf dem ökonomischen Grundsatz beruhen, "arbeitsintensiv" zu sein. Ihr Heil auf den Müllhalden der Großstädte brauchen sie dann nicht mehr zu suchen, wenn sie unter sachkundiger Anleitung beschäftigt werden - mit der Beschaffung ihres E xistenzminimums.
- daß den Staaten dieser armen Völker bei der Bewältigung des alten und neuen Elends nur geholfen werden kann, wenn man sich ihrer Schulden annimmt. Dabei ist einerseits darauf zu achten, daß die Industrie und Landwirtschaft, die für den Weltmarkt produziert, diesen Ländern erhalten bleibt, da sie sonst über gar keine Einnahmequelle verfügen. Sie sind nun einmal in die Gesetze der Weltwirtschaft eingebunden. Andererseits gilt es zu verhindern, daß sie den Kredit der Wirtschaftsnationen - wie früher, als ihnen das finanzielle Engagement von Anlegern zum erstenmal die Freiheit sicherte, Geschäfte zu machen - für untaugliche Versuche verschwenden, ihr Land zu "modernisieren". Untauglich waren diese Versuche schließlich deshalb, weil sie ohne Rücksicht auf die Gesetze des Marktes für Wachstum sorgen sollten, sich dann aber eben nicht lohnten. "Prestigeobjekte" sollte es schon wegen des dringlichen Hungerproblems nicht mehr geben...
- daß die "Schuldenlast der Dritten Welt" nicht nur diese schier erdrückt, sondern auch die Weltwirtschaft und ihr kompliziertes Gefüge von Geld und Kredit. Die hohen Inflationsraten und Staatsschulden in zweistelliger Milliardenhöhe gefährden nämlich auch die Leistungsfähigkeit der Industrienationen, die ja nach wie vor erwünscht ist. Als Kunden und Partner der "Dritten Welt" entfallen diese entwickelten Industrienationen schließlich, wenn sie selbst von Krisen heimgesucht werden.
Die Gebote der Stunde liegen auf der Hand. Die Entwicklungsländer müssen den Sachgesetzlichkeiten der Weltwirtschaftsordnung entsprechen und ohne "Großmannssucht" im Innern haushalten; alles was ihre Natur und ihre nationale Arbeitskraft hergibt, haben sie zu mobilisieren, um ihren Beitrag zum Wachstum der Weltwirtschaft, von der auch das Schicksal ihrer Völker abhängt, zu leisten. Erste Erfolge auf dem Felde der Überzeugung konnte Entwicklungszusammenarbeitsminister Warnke für Afrika vermelden. Das ist umso erfreulicher, als dort das Krepieren einen rasanten Aufschwung nimmt:
"Fast alle afrikanischen Regierungen haben heute die Zeichen der Zeit erkannt. Sie sind bereit, die Anpassungsprogramme, die ihnen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds empfehlen, durchzuführen - auch wenn diese Kuren heute drastisch sind, drastisch sein müssen."
Das werden auch die anderen in Lateinamerika einsehen, daß sie kleinere Brötchen backen müssen und an ihrem Volk noch viel mehr einsparen müssen, als sie das bisher tun. Die Lösung des Hungerproblems kann nur im weltweiten Maßstab erfolgen. Ohne ein Wachstum der Weltwirtschaft, ohne ihr Funktionieren mit ihren empfindlichen Mechanismen Weltbank, IWF usw. sind die Länder der "Dritten Welt" nämlich ganz zum Scheitern verurteilt bei ihrer Entwicklung. Eingedenk dessen hält der deutsche Außenminister auf Weltwirtschaftsgipfeln auch Reden über das "Welthungerproblem" - er und die Verwalter des internationalen Finanzwesens tragen schließlich die Verantwortung dafür...
Ohne Hunger - keine Stabilität und kein Frieden
Freilich ist auch bei noch so kundigem Umgang mit der Weltwirtschaft und ihren Sachzwängen dem Hungerproblem nur zu begegnen, wenn die fälligen Maßnahmen konsequent ausgeführt werden. Was helfen alle Einsichten und Ratschläge, solange man in den Entwicklungsländern nicht willens oder fähig ist, sie durchzusetzen.
Auch und besonders dabei brauchen die Regierungen auf den braunen und schwarzen Kontinenten Hilfe. Zu oft findet ihre Bemühung, ihr Volk aus seiner unverschuldeten Not herauszuführen, keine Unterstützung. Ungebildet und auf traditionsorientierte Wege des Überlebens festgelegt, erkennt es in den Einrichtungen der Entwicklungshilfe oft weder Sinn noch Nutzen. Da wohnen Untertanen auf einmal an verkehrten Stellen, und mangels Einsicht, daß sie neben den neuen Bohrtürmen fehl am Platz sind, müssen sie weggeräumt werden. Sammeln sie sich dann an anderer Stelle, stellt sich das Problem, den Hunger nicht in Chaos und Unregierbarkeit versinken zu lassen. Wenn Privateigentum, Geld und Waren zu den einzig legitimen Nahrungsmitteln erklärt werden, wo bislang die Gesetze des Dschungels regierten, ist staatliche Nachhilfe nötig. Sonst stellt sich der Respekt vor den neuen Gütern nicht ein. Die Integration in das nationale Projekt der Entwicklung, eines künftigen Wohlstands der Nation, bedarf eines wohldosierten Einsatzes von Gewalt.
Kaum sind die ersten Entwicklungshilfeprojekte in Gang, stellen sich mit den sozialen Unterschieden auch Neid, Haß und Verbrechen ein. Nur die, die sich zum Arbeiten haben bringen lassen, haben ein Einkommen; die anderen kommen sich irgendwie überflüssig vor und beanspruchen Arbeit, ihre Früchte oder beides. Selbst die Beschäftigten sind bei der Ausführung ihrer Pflichten in den Minen oder auf den Plantagen nicht immer bei der Sache. Ohne Züchtigung sind sie nicht zu einem zwölfstündigen Arbeitstag zu bringen. Für all diese Probleme haben die Entwicklungshelfer aus dem demokratischen Ausland von Anfang an Sorge tragen müssen. Ihren Partnern haben sie deshalb immer gleich die Ordnungsmittel zur Verfügung gestellt.
Eine viel größere Gefahr jedoch als der Hunger und mangelnde Disziplin stellt seit den ersten Tagen der Entwicklungshilfe der immer wieder unternommene Versuch dar, den nicht berücksichtigte einheimische Politiker unternehmen. Sie bedienen sich des durchsichtigen Manövers, die schleppende Gangart der gerade erst einsetzenden Entwicklung zum Argument gegen die im Amt befindliche Herrschaft zu machen; sie beklagen Korruption und Ausverkauf der neuen Nation, wollen eine andere Unabhängigkeit und versprechen denen, die unter die Räder gekommen sind, einfach eine bessere Regierung. Dies führt zu Konflikten, die das Aufbauwerk empfindlich stören. Insbesondere dann, wenn bei anderen Nationen Interesse an der "Alternative" besteht und Gewehre eintreffen. Bürgerkriege sind eine immer wieder vorkommende Form des Machtkampfs, so daß die Industrienationen, die ihr Geld und ihr Personal für die Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen, gefordert sind. Da nutzt es nichts, zu bedauern, daß die Reife zur Demokratie noch fehlt und die Techniken der Ermächtigung, wie wir sie pflegen, von Vorteil sind. Die Entwicklungshilfe kann dem Hunger wirksam nur beikommen, wenn Stabilität herrscht. Insofern ist Waffenhilfe die Voraussetzung dafür, das Hungerproblem mit Anstand in den Griff zu bekommen - und viel dringlicher als Versuche, allen Völkern gleich die Demokratie "überzustülpen"...
Um so mehr, als unter den regierenden Partnern aus den Entwicklungsländern mancher kluge Kopf ist, der seine Lektion an der Sorbonne oder in München gut gelernt hat. Er weiß, daß er für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den reichen Nationen etwas anbieten muß - die Verfügung über möglichst viel Land und Leute, von denen er sagen kann, daß sie ihm gehorchen. So tut auch ab und zu ein Krieg gegen den Nachbarn seine Wirkung, wenn es auf die Brauchbarkeit der eigenen Nation hinzuweisen gilt. Den reichen Ländern ist es dann beschieden, zu bremsen oder zu unterstützen, mit Beratern und Gewehren. Je nach vollzogenem oder geplantem Engagement in Sachen Entwicklung bemühen sich die Führer der großen Wirtschaftsnationen um eine Friedenslösung. Denn das wissen sie längst: Ohne Frieden sind ihre Anstrengungen vergebens...
Noch mehr ist Aufmerksamkeit an anderer Stelle geboten. Die Staaten, denen wir Bündnispartnerschaft antragen - als erste Hilfe zur Selbsthilfe - können sich nämlich entscheidend vertun, indem sie das "Hungerproblem", das sie verwalten, mißbrauchen. Dieser Mißbrauch entscheidet sich nicht an der Korruption und den goldenen Badewannen schwarzer Kaiser und schon gar nicht an den von hiesigen Gebräuchen auffallend abstechenden Regierungsgewohnheiten und Formen. Er wird an der Herkunft der Waffen ausgemacht und an dem falschen Wunsch von Regierungen, sich untragbare Beziehungen zum erklärten Feind des freien Westens leisten zu wollen. Die fallen dann aus der Gemeinschaft der Staaten heraus, die sich "auf dem Weg zur Demokratie" befinden und unsere Entwicklungshilfe verdienen. Die Zuständigkeit der USA und der europäischen Staaten für die Lösung des Welthungers bekommen sie dann durch Handelsboykott und Einstellung der westlichen Hilfe zu spüren. Mit amerikanischen Waffen werden sie von außen bekannt gemacht. So lange die falsche Regierung das Sagen hat und keine freie Marktwirtschaft herrscht, ist dem Hunger dort nicht beizukommen. Das erste Gebot zum Gelingen der "Welthungerhilfe" lautet ganz einfach: An der obersten Kontrolle und Zuständigkeit der USA und der NATO für dieses Problem darf sich kein Staat der Welt vorbeimogeln. Selbst Staaten, die dem Weltmarkt sonst nichts zur Verfügung zu stellen haben, tun insofern den entscheidenden Schritt in Richtung auf das Beste für ihr Volk, wenn sie ein Stück Boden als Landeplatz für die US-Army und deren Flugzeuge freiräumen.
Fazit
In jedem Winkel der "Dritten Welt" ist wegen des Hungers der Weltfrieden in Gefahr. Die Sowjetunion leistet keine Entwicklungshilfe. "Wir" geben mehr für Rüstung aus als für den Hunger, der uns genauso wichtig ist. Der Ost-West-Konflikt darf den Nord-Süd-Dialog nicht überlagern. Umgekehrt wär's einfacher. Wenn "wir" den Welthunger nicht beseitigen, ist kein dauerhafter Frieden möglich. El Salvador ist auf dem Weg zur Demokratie. Die DDR nicht. Das Sammelergebnis der Welthungerhilfe ist Rekord. Gewalt ist kein Mittel der Politik...
Wer für die freiheitliche Moral ist, vielleicht so sehr, daß er sie bisweilen gegen ihre Vordenker einklagt,
Wer in der "heutigen Welt " so oder anders "unsere Interessen" vertreten sehen will,
Wer mit Entwicklungshilfe einverstanden ist und höchstens beklagt, sie würde hie und da scheitern oder zu wenig verabreicht, Wer Wirtschaftswachstum zum Zwecke des Verteilens, für den ja erst "was da sein muß", für unabdingbar hält,
Wer Stabilität und Frieden schätzt, und der Politik als höchste Ziele aufträgt,
der soll gefälligst beim Hunger die Schnauze halten!
Die Geschichte des Hungers ist die "unserer" guten Taten.