Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 7-1984 erschienen.

Systematik

Der Gipfel in London
DIE SCHÖNSTEN SORGEN DER WELTHERRSCHAFT

In der Woche vor Pfingsten haben sich die maßgeblichen Häuptlinge der sieben maßgeblichen Nationen der freiheitlichen Völkerfamilie in London zu ihrem jährlichen "Weltwirtschaftsgipfel" getroffen. Erfahren hat man darüber vor allem, daß die demokratische Öffentlichkeit rundherum unzufrieden war.

"Zu öffentlich!"

lautete der erste Kritikpunkt genau der Journalisten, die sich darum verdient gemacht haben, jeden Schritt und jeden Furz der wichtigen Herrschaften als wichtiges Politikum darzubieten. Auf die öffentliche Meinung bei sich zu Hause bedacht, auf Stimmenfang für ihren Präsidentschafts- bzw. Europa-Wahlkampf erpicht, hätten die versammelten Führerfiguren eine berechnende Schau abgezogen - statt einmal fern aller Demokratie und Meinungsfreiheit die aktuellen Welträtsel zu lösen: "Tagung als Selbstzweck... eine grandiose Polit-Show, die vor allem der Eigenwerbung der Teilnehmer dient" (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.6.); "London war... der 'politische Zuckerguß'auf der Wahlkampftorte Ronald Reagans" (Frankfurter Rundschau vom 12.6.).

Fast möchte man diese Kommentatoren fragen, wer denn anders als sie das berechnende Gehabe der internationalen Politgrößen täglich kolportiert hat; oder was sie denn eigentlich sonst publik zu machen haben; ob die ganze Show denn nicht ins Wasser gefallen wäre, hätten nicht 3.000 Journalisten alle Welt davon in Kenntnis gesetzt. Aber es ist ja auch gar keine Abneigung gegen die Sitten demokratischer Meinungsmache, die sich in solcher "Kritik" äußert. So reden Macher der veröffentlichten Meinung, wenn sie sich ihrer Unentbehrlichkeit fürs Selbstbespiegelungsgeschäft ihrer regierenden Herrschaften sicher sind und diese ihre abgeleitete Wichtigkeit von Herzen genießen. Umgekehrt lebt das demokratische Showgeschäft davon, daß es von "mündigen Bürgern", also mit dem Gestus der Besserwisserei und der Verachtung... genossen wird.

"Zu wenig herausgekommen!"

hieß Kritikpunkt Nummer 2: Keine neuen Rezepte, keine wegweisenden 'Problemlösungsstrategien' seien vereinbart worden; bloß nichtssagende uralte Spruchweisheiten und harmonisierende Floskeln hätten in den Abschlußverlautbarungen gestanden.

Nun ist es allemal lächerlich, wenn ein gebildetes demokratisches Publikum zum hunderttausendsten Male so tut, als hätte es sich ausgerechnet von seiner höchsten Obrigkeit die tiefsten Erkenntnisse und die raffinierteste Weltverbesserung erwartet und wäre wieder einmal bitterlich enttäuscht worden. Unterm Strich bleibt von diesem Getue doch die Lüge übrig, die Politik und ihre "wahren" Probleme und Anliegen wären "eigentlich" unvergleichlich höherstehend als ihre Macher - die vorgespiegelte Enttäuschung beendet ja gar keine Täuschung, sondern verewigt diejenige über die Zwecke demokratischer Politik.

Über diese - die wirklichen, nicht die "eigentlichen" Zwecke - haben sich dic Gipfelteilnehmer in London in ihren "verwaschenen" Abschlußdeklarationen denn auch klar genug ausgedrückt. Kein Grund, etwas zu vermissen: Was sie hingeschrieben haben, mag alt und längst bekannt sein, ist deswegen aber alles andere als belanglos. Immerhin laufen ihre Phrasen auf nichts geringeres hinaus als eine stattliche Masse unmißverständlicher Todesurteile.

- Eine Liebeserklärung an die eigene Macht

Sie mögen die Demokratie, die Chefs der westlichen Demokratien. Fast hätte man sich's gedacht. Aber was heißt es denn wohl, wenn die 7 maßgeblichen Machthaber der Freien Welt das fröhliche Bekenntnis zur Geschäftsgrundlage ihrer Macht eigens verlautbaren? Solch ein Papier ist doch kein Besinnungsaufsatz und kein politologischer Seminarbeitrag - auch wenn es mit der gleichen Einfalt daherkommt. Hier wird der regierungsamtliche Wille der 7 beteiligter Mächte kundgetan, nichts Höheres und nichts Wichtigeres zu kennen und anzuerkennen als sich selbst und ihren Erfolg. Die Phrasen über "freie Wahlen" und "blühenden Unternehmergeist" drücken nicht bloß die schrankenlose Selbstzufriedenheit der führenden demokratischen Machthaber aus, sondern dokumentieren den erneuerten Beschluß, neben dem Sieg des demokratischen Systems keinerlei Rücksichten anzuerkennen. Die Übereinstimmung mit den "Grundwerten" der NATO, als den jede Gewalt rechtfertigenden Kriegsidealen des Westblocks, ist keineswegs zufällig. Darum geht es in einer solchen Deklaration gerade: um die Bekräftigung, daß die Freiheitsideale des Westens Rechtstitel rücksichtsloser Gewalt sind.

- Eine Kriegserklärung an unbeliebte Mächte

Überhaupt nicht leiden können unsere gewählten Herrschaften jeglichen "staatlich unterstützten Terrorismus". Auch das nicht eben neuartig - aber ist es deswegen auch nichtssagend? Wozu weisen die 7 weltgrößten Rechthaber denn wohl eigens auf ihr Recht hin, maßgeblich darüber zu befinden, wann und welche staatliche Gewalt rechtens ist und wann welche staatliche Gewalt unter die Rubrik "Terror" fällt? So definieren sie sich ihren Anspruch auf Kontrolle der Staatenwelt als Pflicht zur internationalen "Verbrechensbekämpfung"!

Man wüßte gar nicht genau, wen die Chefs da überhaupt meinen, hieß ein öffentlicher Einwand - als wäre es nicht gerade der Witz dieses Beschlusses, daß da die 7 mächtigsten Staaten der Welt ihre politische Freiheit definieren, allein nach eigenem Ermessen über jedes fremde Interesse zu richten. So etwas wie eine vorsorgliche, allgemeine, jederzeit anwendbare Kriegserklärung haben die NATO-Partner und ihr japanischer Kumpan da in die Welt gesetzt. Gewiß: zum x-ten Mal - aber macht das denn die Sache harmlos?!

- Eine Zuständigkeitserklärung für nützliches Blutvergießen

Sorgen machen sie sich um den Golfkrieg, die größten Waffenhändler der Weltgeschichte, die ihrer jeweiligen Rüstungsindustrie freie Bahn schaffen, um beide Seiten mit modernster Tötungs- und Vernichtungsmaschinerie auszustatten. Eine erstklassige Heuchelei - aber nach imperialistischer Logik überhaupt kein Widerspruch: Wenn die friedliebenden Demokratien des Westens das Abschlachten am Golf schon n Gang halten, dann steht es ja wohl auch ihnen zu, und ihnen allein, es unter Kontrolle zu halten. Und das ist nun einmal etwas ganz anderes als ein Rezept zur diplomatischen Beendigung des Krieges, das "kritische" Kommentatoren des Gipfels so vermissen. Die Oberaufseher des Weltfriedens selbst sind offenkundig ganz zufrieden damit, wie der islamische Antiimperialismus des Iran und die einstige "sozialistische Gefahr" im Irak sich wechselseitig blutig fertigmachen. Das "Chaos" soll weitergehen - die Waffenlieferanten sind so frei, es als Ruf nach ihrer Ordnungsmacht zu interpretieren und die gesamte Umgebung zur Bastion westlichen Militärs herzurichten.

- Ein Monopolanspruch auf bewaffneten Kriegswillen

Der Sowjetunion machen sie noch einmal mehr das "Angebot", sie solle gefälligst nach Genf zu Gesprächen über die eurostrategischen Atomraketen zurückkehren, die die NATO überhaupt nicht zur Verhandlung stellen will. Prompt vermissen wohlmeinende Kritiker einmal mehr "wesentliche neue Ideen und Angebote" - sollte die Einsicht so schwierig sein, daß es den vereinigten NATO-Atommächten eben tatsächlich immer nur auf das Eine und Selbe ankommt? Alle ihre "Angebote" wollen nichts anderes sein als das ständige Ansinnen, die Sowjetunion habe den bewaffneten Kriegswillen der USA und ihrer demokratischen Satelliten friedfertig als Geschäftsgrundlage ihrer Politik anzuerkennen.

Wie praktisch diese Richtlinie gemeint ist, hat gleich die nächste Woche zweimal gezeigt. Der amerikanische Beschluß, auch im erdnahen Weltraum und von Satellitenbahnen aus Krieg gegen die Sowjetunion führen zu können, wird praktisch vorangetrieben und überhaupt nicht erst auch nur zum Schein in Verhandlungen zur Diskussion gestellt. Und der niederländische Beschluß, die Zustimmung zu den neuen amerikanischen Atomraketen mit einer bedeutungslosen! - Zeitklausel zu versehen und so mit der Heuchelei fortdauernder Kompromißbereitschaft des Westens zu garnieren, wird NATO-öffentlich als Verrat an der gemeinsamen Sache verteufelt. An seinem bewaffneten Kriegswillen läßt dieses Bündnis nicht deuteln.

All das wurde in London als der feste Konsens der 7 Hauptmächte der westlichen Welt verkündet. Und das soll ein "Gipfel der Harmonie" (Frankfurter Rundschau), eine "Medienveranstaltung ohne nennenswerte Substanz" (Frankfurter Allgemeine Zeitung) gewesen sein?!

"Zu inkompetent!"

Auf alle Fälle - so lautet der dritte Kritikpunkt - hätten die Gipfelteilnehmer sich vor lauter politischem Grundsatzgeschwafel zu wenig um die "drängenden Probleme der Weltwirtschaft" gekümmert; zu wenig und vor allem nicht 'kompetent' genug. Auch dies ist allerdings keine Kritik, sondern eine grandiose idealistische Verharmlosung der Weltwirtschaftspolitik des Londoner Gipfels.

- Ökonomischer "Sachzwang" Nr. 1: Die Regelung der Gewaltfrage

Wenn Reagan, Kohl und Co sich über ihre gemeinsame "Pflicht" verständigen, mit rücksichtsloser Gewalt die Welt unter ihrer gemeinsamen Kontrolle zu halten, dann ist "die Weltwirtschaft" viel realistischer und 'kompetenter' behandelt, als wenn sie dem Kommentatorenbedürfnis nach "konkreten, zukunftsweisenden Strategien der Kooperation" und dergleichen Genüge getan hätten. Den Machern der Weltwirtschaft ist ganz ohne ökonomischen Sachverstand klar, daß das Gelingen ihres weltumspannenden Gemeinschaftswerks zuallererst eine Frage funktionierender Gewaltverhältnisse ist. Die "Gewaltfrage" muß geregelt, d.h. es muß gesichert sein, daß kein Staat außer einer schrumpfenden Zahl von Schützlingen der Sowjetunion es wagen könnte, Land und Leute, Waren und Geld dem Zugriff "der Weltwirtschaft" zu entziehen. Erst dann stellen sich überhaupt jene auserlesenen "Probleme ", an denen sich am Ende auch noch der volkswirtschaftliche Sachverstand zu schaffen macht.

- "Weltwirtschaftliche Probleme": immer so wichtig wie der, der sie hat

Selbst diese "Probleme" stellen "sich" nicht einfach von selbst. Gerade in der Welt der weltwirtschaftlichen "Sachzwänge" gilt nämlich, daß "Probleme" in gar nichts anderem bestehen als in den Schwierigkeiten, die die maßgeblichen Nationen in den Machenschaften anderer Staaten entdecken. Sie liegen deswegen immer genau dort, wo die Chefs dieser Nationen unzufrieden werden; und sie sind immer genau so wichtig und drängend, wie der unzufriedene Machthaber in der Konkurrenz der Mächte gewichtig ist.

Also war das "Problem", das der öffentliche westdeutsche Sachverstand für das wichtigste hält und sogar den Kanzler höchstselbst, eigener Aussage zufolge, bedrängt haben soll: die "zu hohen" amerikanischen Zinsen, nicht erst im "harmonisierenden" Abschlußcommunique, sondern bereits mit der Eröffnung des Treffens vom Tisch. Denn es stimmt zwar - wie der Kommentator der Frankfurter Rundschau bemerkt -, daß mit der Schuldenpolitik des US-Fiskus "ausgerechnet das reichste Land wie ein Saugtrichter aus aller Welt Milliardengelder anlockt und seine Hochrüstung finanziert" (Frankfurter Rundschau vom 12.6.). Aber daß deswegen ein "Kurswechsel der US-Haushaltspolitik" "bitter notwendig" wäre (ebd.), stimmt eben überhaupt nicht. Bei solchen "Notwendigkeiten" kommt alles darauf an, wer sie verspürt. Und die "verspürt" die Weltwirtschaftsmacht gerade nicht; schließlich ist es ihr Vorteil, was den Partnern da ein gewisses - und übrigens sehr relatives Ungemach bereitet.

- Kein Problem: der Klassenkampf von oben

Folgerichtig lautete der erste und grundlegende Befund zur Weltwirtschaft, daß ihre versammelten Macher mit ihrem Lauf grundsätzlich zufrieden sind und so weitermachen wollen wie bisher. Und das schließt, immerhin, wie die größte Selbstverständlichkeit, ein ganzes Klassenkampfprogramm mit ein:

- "Ein effizientes Funktionieren des Arbeitsmarktes" wollen die kapitalistischen Großmächte "fördern" - sprich: wo es geht, das Entlassen noch mehr erleichtern und die Illusion einer arbeiterfreuncUichen Rechtssicherheit im Lohnarbeitsverhältnis abschaffen, so wie Minister Blüm es z.B. schon mit seiner Arbeitsrechtsreform vormacht.

- "In der Gestaltung der Arbeitszeit" wollen sie "Flexibilität fördern" - sprich: den allzeit bereiten Taglöhner als Normalfall durchsetzen, den deutsche Unternehmer und deutsche Gewerkschaften gerade per Arbeitskampf aushandeln.

- "Maßnahmen zur Stützung überholter Produktion und Technik" wollen sie "unterlassen" - sprich: dem Konkurrenzkampf ihrer Kapitalisten äußerste Rücksichtslosigfleit im Umgang mit ihrem Arbeitermaterial und bei der Schaffung von Arbeitslosen abverlangen, ganz egal, mit welchem "Stand der Technik" ein Kapital sein Geschäft macht und welche Subventionen der zuständige Staat für die Förderung seiner Konkurrenzfähigkeit aufwendet.

- Erst recht kein Problem: Die Ruinierung verschuldeter Länder

Daß damit zugleich der fortschreitende Ruin all der Volkswirtschaften beschlossen ist, die die Konkurrenz der "technisch fortschrittlichen" Nationen schon jetzt nicht bestehen, war den Gipfelteilnehmern logischerweise kein Problem - sonst hätten sie diesen Beschluß ja wohl kaum gefaßt. Sie haben aber auch nicht einfach darüber hinweggesehen, daß der Erfolg ihrer Nationen, den sie sich so einvernehmlich versprochen haben, den weiter fortschreitenden Ruin anderer mit sich bringt. Einer Rückwirkung dieses Effekts auf ihr nationales Wohl haben sie vielmehr durchaus ihre Besorgnis gewidmet: der Gefahr, daß die verschuldeten Konkurrenten als Schuldner und Zinszahler untauglich werden könnten für die edlen Zwecke der Gläubigerbanken und -staaten. Nicht so, als hätten sie sich in ihrem Tatendrang in Sachen "Fortschritt" bremsen lassen. Umgekehrt: Die drohende Gefahr hat sie zu konstruktiven Vorhaben beflügelt, zu denen es wahrhaftig keiner akademischen Spezialbildung bedarf. Bei den Opfern ihrer Weltwirtschaft halten die Chefs der 7 reichen Mächte eine "Änderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik" für "notwendig" nämlich dahingehend, daß noch drastischer als bisher Schuldendienst vor Lebensunterhalt geht. Dabei rechnen diese christlichen Herrschaften durchaus mit noch krasserer Verelendung - aber wie? Sie versprechen "angemessene Berücksichtigung politischer und sozialer Schwierigkeiten": Stabil und im Griff der zuständigen Obrigkeit sollen die Verhältnisse in Zukunft auch bleiben!

Für die ökonomische Zukunft dieser Länder wissen sie ebenfalls Rat: Was ihnen nottut, ist eine "größere Aufgeschlossenheit für private Investitionen", der "Zustrom langfristiger Direktinvestitionen", eine 'Selbsthilfe' in der Form, daß sie "Investitionen aus den Industrieländern begünstigen". Ein ungemein großherziges Angebot an die Bankrotteure einer blühenden Weltwirtschaft: Was bei ihnen als funktionsfähiges Eigentum überhaupt noch in Frage kommt, wird gleich direkt von den Kapitalbesitzern aus den 7 Gipfelstaaten übernommen; das hat den glücklichen Schuldnern einige 'Begünstigung' durchs Herschenken ihrer letzten Mittel wert zu sein.

Und da soll "die derzeitige Zusammensetzung" des Gipfels "qualifizierte Beratungen über Wirtschafts- und Finanzfragen nicht möglich" gemacht haben, wie die FAZ naserümpfend anmerkt?!

- Schon gar kein Problem: "Armut und Dürre"

Selbst die letzten Opfer ihrer Weltwirtschaft haben Reagan, Kohl und Co einer Gedenkminute gewürdigt. Unter Punkt römisch X "bereiten uns" "die brennenden Probleme der Armut und Dürre in Teilen Afrikas... große Sorgen". "Armut und Dürre" - wie in einem schlichten 'und' ein ganzes Lügengebäude stecken kann!

Ihren Nachtisch haben "die großen Sieben" zwar nicht für eine Armenspeisung gespendet - was doch ihre zur Mildtätigkeit angehaltenen Bürger für den Ausweg aus der Not halten sollen. Dennoch sind ihre "großen Sorgen" nicht einfach geheuchelt - leider! Denn indem diese Staatsmänner ihre Anteilnahme ausrufen, belegen sie eine ganze Weltgegend noch einmal extra mit Beschlag. "Armut und Dürre", für die sie mit ihrer Weltwirtschaft nicht verantwortlich gemacht sein wollen, rufen nach ihrer erweiterten Zuständigkeit und beschwören geradezu den Kolonialismus als modernes Ideal herauf.

"Gipfel-Überdruß"

haben die Herren Kommentatoren nach alledem verspürt. Die Herren Macher sehen das anders: "Wir haben vereinbart, im nächsten Jahr erneut zusammenzukommen, und haben hierzu die Einladung des Bundeskanzlers in die Bundesrepublik Deutschland angenommen." Denn was auch immer die Anführer des demokratischen Publikumgeschmacks an derlei Veranstaltungen zu nörgeln haben: Eine funktionierende Weltherrschaft braucht, gerade wegen ihrer mörderischen Fortschritte, immer wieder die gemeinsame Festlegung ihrer Regisseure und Nutznießer, was sie inwiefern als "Problem", d.h. als Auftrag an ihre Gewalt betrachten und mit welchen Auflagen sie einander und vor allem den Rest der Welt im Griff behalten und ausnutzen wollen.

Nächstes Jahr also in Bonn. Das Datum muß man sich merken.

Wer ist der "Satellit"?

Rumänien

durchkreuzt die diplomatischen Klarstellungen der Sowjetunion, daß die amerikanische Kriegstreiberei für sie nicht als normale friedliche Geschäftsgrundlage in Frage kommt, nach Kräften. Ceaucescu schickt seine Sportkrüppel nach Los Angeles, seine Funktionäre zum Siebenbürger Heimattreffen in die BRD und ein Kooperationsangebot nach dem anderen nach Bonn und Washington. Offen kritisiert er die Rüstungsanstrengungen des Warschauer Pakts und hält eigene Beiträge zurück. Westliche Diplomaten und Handelspolitiker brauchen auf eine Spaltung gar nicht mehr zu spekulieren: Sie nutzen sie längst aus. Als Symbol der Herauslösung Rumäniens aus dem Ostblock ist eine amerikanische Satellitenstation auf rumänischem Boden im Gespräch. - Moskau schaut zu.

Die Niederlande

ziehen den NATO-Beschluß, auch auf eigenem Boden amerikanische Atomraketen modernster Machart und von strategischer Reichweite aufzustellen, mit gewissen taktischen Rücksichten durch. Das Parlament in Den Haag läßt es sich nicht nehmen, die Lüge des "Doppelbeschlusses" - die Raketenaufstellung würde vom Maß der sowjetischen Aufrüstung abhängig gemacht - noch einmal auf holländisch durchzuexerzieren. Wie beim NATO-"Doppelbeschluß" besteht auch hier keinerlei Zweifel: Die Raketen kommen zum vorgesehenen Zeitpunkt in ihre vorbereiteten Stellungen. Dennoch: Die NATO-Öffentlichkeit regt sich auf, als hätte sie im niederländischen Königreich einen einzigen Dissidenten mitten im eigenen Lager entdeckt: "Wankelmut", "zweifelhafte Bündnistreue" ... Wenn demokratische Manöver den Schein erwecken könnten, die Blockdisziplin bei der machtvollen Vorwärtsverteidigung der Demokratie ließe zu Wünschen übrig, dann geht die demokratische "Rücksichtnahme" bereits viel zu weit.