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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1991 erschienen.

Systematik

Der demokratische Staatssicherheitsdienst entlarvt eine abweichende Meinung
KOMMUNISMUS - EINE PERVERSION DES DENKENS MIT UNMENSCHLICHER ZIELSETZUNG

Die Konstruktion eines Feindbildes in praktischer Absicht

Das erste Vergehen gegen den gesunden Menschenverstand, der sich allemal an den Konjunkturen der nationalen und Weltpolitik orientiert; leistet sich die MG schlicht dadurch, dass es sie gibt. „Im Gegensatz zu der anhaltenden Krise anderer, revolutionär-marxistischer Zusammenschlüsse“ weist sie „eine ungewöhnliche Stabilität“ auf. Das überzeugt. Wo gibt‘s denn sowas, dass jemand sein von der geistigen Umwelthygiene festgelegtes Haltbarkeitsdatum einfach überschreitet? „Unbeeindruckt vom Kollaps des realen Sozialismus“ man höre das noch für den letzten Idioten zu berücksichtigende Gebot, sich dem Hoch auf die Marktwirtschaft anzuschließen - halten da Leute etwas von einer Organisation, und zu ihr, „die auch heute noch die Welt kommunistisch umgestalten will.“ Und was ist, wenn die schöne Welt bis heute noch nicht, in keinem ihrer Winkel, wo Reichtum und Armut, Gewalt und ihre Opfer so harmonisch zusammenwirken“, kommunistisch umgestaltet“ worden ist? Wenn es Leute gibt, die den geständigen und gescheiterten Realsozialisten von Leipzig bis Baku, von Budapest über Prag bis Warschau einen anderen Vorwurf machen als den, sie hätten sich am Kapitalismus versündigt? Was ist, wenn der überlegenen Staatsraison am Ende des 20. Jahrhunderts, dem siegreichen Wirtschaftssystem von ein paar Kritikern in der Bundesrepublik nicht gleich das Kompliment verabreicht wird, sie würden den letzten Schrei des menschlichen Zusammenlebens, die Verwirklichung aller verwirklichbaren Werte, die einzig vernünftige Koexistenz von Überfluss und Beschränkung organisieren? Was ist, wenn ein paar tausend Leute daran zweifeln, dass ein totaler Bombenkrieg im Nahen Osten eine Art Wiedergutmachung für Auschwitz sei, wenn sie Wert auf die Feststellung legen, dass die Besichtigung aller Leistungen des Kapitalismus als Probleme verlogen ist? Was ist, wenn die ganzen „Probleme“, welche moderne Umwelt-, Menschenrechts-, Armuts-, Friedens- und Stabilitätskommissionen so wortreich betränen, gar keine Probleme sind? Sondern die erlesenen Produkte von Geschäft und Gewalt, die von allen diesen Kommissionen gleich den Auftrag erhalten, sich „Lösungen“ um Gotteswillen selber vorzubehalten ?

Überhaupt nichts ist dann. Es geht nämlich gar nicht darum, einer mickrigen Organisation wie der MG einen Fehler vorzurechnen, wenn man ihr ihre Abartigkeit bescheinigt. Es ist vollkommen egal für demokratische Antikritiker, wofür sich die MG je stark gemacht hat. Kenntlich gemacht werden muss eine unzulässige Abweichung.

Deswegen ist es auf der zweiten Seite der Spezialausgabe deutschen Verfassungsschutzdenkens auch wieder vorbei mit dem Schein eines Nachweises, der einer Minderheit einen Irrtum zur Last legt. Munter widmet sich das staatssicherheitsdienliche Pamphlet einer ernsten Sache:

„Häufig ist das ‚Schwabingerbräu‘, ein typisch bayerisches Schankhaus, der Versammlungsort. Hier trifft man sich, um unter Gleichgesinnten den Worten der ideologischen Großmeister zu Lauschen.“

Wenn das der Witz und das Schlimme dazu an MG-Veranstaltungen ist, dann müsste sich das Bundesinnenministerium längst des Politischen Aschermittwochs, der Parteitage renommierter Bundestagsvereine und jeder Sonntagspredigt dazu annehmen. Kommt es nicht doch ein bißchen darauf an, was in den heiligen Hallen bayerischer Großbrauereien gesagt und gehört wird?

Keineswegs. Das Übel liegt im Folgenden: „Solche Veranstaltungen werden sorgfältig vorbereitet.“ Na also. Und nicht nur das: „Diese Versammlung hat unsichtbare Besonderheiten und erprobte Spielregeln.“ Und wer hat sie gesehen? Unser Innenministerium, seine Observanten und die gelehrten Knalltüten, die vor lauter Eifer nicht einmal merken, was sie da zum Kennzeichen höchster Verwerflichkeit ernennen. „An den Türen, im Saal, auf der Empore überwacht ein organisationseigener Ordnerdienst die Teilnehmer.“ Offenbar haben die Eiferer noch nie etwas davon gehört, dass ein Veranstalter vom Rechtsstaat dazu gehalten ist, für alles mögliche vorzusorgen. Und von den Befürchtungen der MG, gewisse politisch Andersdenkende könnten ihre Versammlungen aufmischen, scheinen diese Kenner von Versammlungsrecht und -wirklichkeit einfach nichts zu halten. So bleibt uns nur die traurige Pflicht, unsere Versammlungskritiker, die eine ordentliche Portion Zwischenfragen auf solchen Veranstaltungen vermissen, auf zweierlei hinzuweisen. Erstens: Hätten sie sie doch gestellt! Zweitens: Die Behandlung, die uns zu einer Zeit, als wir auf CSU- und CDU-Veranstaltungen noch Zwischenfragen wagten, zuteil geworden ist, gehört nicht zum Aufgabenbereich unseres Ordnungsdienstes. Der organisationseigene Ordnungsdienst jener demokratischen Vereine hat uns damals schlicht vermöbelt.

Aber so sind wir eben. Ob wir wirklich je „unbedarfte Frager“, die wir erst mit viel Mühe, nämlich mit „Tonnen von Papier“, versuchen zu unseren Veranstaltungen zu bewegen, deswegen mit guten oder schlechten Auskünften beschieden haben, ist so eine Sache. Deswegen weil jemand „eine Art Zeremonie gestört hat“ ist jedenfalls noch nicht einmal ein angetrunkener Nationalist schlecht behandelt worden. Aber auch dieser Frage des guten Benimms, der mit dem Alkoholkonsum steht und fällt nimmt sich das Innenministerium in seiner Dokumentation an:

„Da war es in der Tat faszinierend zu beobachten, wie 400 MGler fünf Stunden lang mucksmäuschenstill und ohne mit der Wimper zu zucken ausharrten, um sich das besoffene Gestammel ihrer Vortänzer anzuhören. Höhepunkt der Zirkusnummer: Der Abgang des 2. Vorsitzenden Dr. Held ins Klo, um sich nach dem Genuss eines Kasten Biers auszukotzen (ein Teppich, um hineinzubeißen, war nicht vorhanden).“ (11)

Als Quelle dient dem Innenministerium ausnahmsweise ein Zitat des Kommunistischen Bundes, den es ansonsten genauso wie uns der Observation und Nachstellung für würdig befindet. Dessen Aussagen zu Staat und Kapital hierzulande es nie und nimmer als verläßliches Zeugnis über die Realität gelten lassen würde. Dessen wunderbare Analyse einer Veranstaltung der MG auf einer „Sozialistischen Konferenz“ aber irgendwie ins Bild paßt, auch wenn sie die Fähigkeit zum soliden Bierkonsum auf unserer Seite gnadenlos entstellt, um im damaligen Konkurrenzkampf linker Minderheiten ein bißchen Rufschädigung zu betreiben. Dabei wird uns nicht von Bier, wohl aber von zum Nationalismus geläuterten Sozialisten und von Verfassungsschutzberichten schlecht, die sich auf solche berufen.

Völlig unverständlich wird die amtlich verbriefte, auf Ungehöriges immer nur anspielende Darstellung des „Phänomens“ MG, wenn sich mitten zwischen so launigen Falschmeldungen über die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses und anderen bedeutsamen Vorkommnissen - “am Vorstandstisch unterhalb der Rednertribüne zeichnet ein Tonband die Veranstaltung auf“ - auch noch ein Argument findet, das einer Entlastung gleichkommt:

„Es stimmt: Die MG will die Revolution, aber sie legt keine Brandsätze, wirft keine Steine auf Polizisten, besetzt keine Häuser.“

Natürlich haben wir keinem Menschen je ein Haar gekrümmt und die ausgiebige Anwendung von Gewaltmitteln, welche die Wirkungsweise der erwähnten Bastelarbeiten bei weitem übersteigt, immer nur auf Seiten der allseits verehrten Staatsgewalten festgestellt, erklärt und kritisiert; aber vor dem Urteil derer, die allen anderen predigen, dass Gewalt kein Mittel der Politik zu sein hätte, haben wir dennoch nichts an Achtung gewonnen. Einerseits sitzen dort, wo das Tonband läuft, „nur hochrangige Funktionäre“, was angesichts des hohen Ranges schon einigen Anlass zum Fürchten bietet. Andererseits kündigt ausgerechnet der Abschnitt, der uns Gewaltverzicht bescheinigt, das Schlimmste an: „Ihre revolutionären Konzepte sind von anderer Art.“ Das macht neugierig.

Von wegen harmlos! Extrem funktionstüchtig.

Kaum ist bei der ersten „Annäherung an ein Phänomen“, das wir sind, nichts herausgekommen, was einen Anhänger von Kapitalismus und Demokratie zu stören braucht, geht es los. „Apparat, Anhänger und Ausbreitung“ sind einfach zu groß, zu viel, zu fortgeschritten. Wofür: Für solche wie die MG. Die „Landplage“ (eine weitere vom KB entliehene Kennzeichnung) mit ihren vielen Veranstaltungen macht sich bemerkbar, was die Frage aufwirft, wie (sich) solche so viel leisten können. Über „mehr als zehntausend fest eingebundene Anhänger“ verfügen sie, über ein „umfangreiches Netz für den Druck und Vertrieb von MG-Publikationen“ und über Adressen für ihre Läden dazu. Wahnsinn. Da kommt der Fachmann für allenfalls zulässige Dimensionen öffentlich-kritischen Wirkens schnell zu dem Befund, von einem „technisch sehr leistungsfähigen Medienkonzern“ der MG zu schwärmen. Wir kennen da zwar ganz andere Gruppen, die „ohne Rückgriff auf Fremdfirmen innerhalb kürzester Zeit Flugschriften in sechsstelligen Auflagen, aber auch Bücher“ zu erstellen in der Lage sind. Aber wer von der Sache, die wir in Wort und Schrift vertreten, genug hat, dem ist natürlich der gar nicht konzern-taugliche Schrotthaufen, mit dem wir unsere Publikationen gefertigt haben, entschieden zu viel. Zumal die MG-Forschung zweifelsfrei ermittelt hat, dass wir gar nicht wie die anderen hochanständigen Medienkonzerne unseren Reibach machen, sondern glatt selbst für unseren Haushalt geradestehen.

„Ihre umfangreichen publizistischen Aktivitäten, aber auch die Alimentierung der hauptamtlichen Funktionäre, finanziert die MG aus Beiträgen ihrer Anhänger.“

Offenbar gibt es Leute, die das für einen Skandal halten. Fast möchte man schon fragen, was an der Solidarität unter Leuten, die für die Politik der MG etwas übrig haben, so störend wirkt. Außer eben der Tatsache, dass da Leute ihre Zeit und ihr Geld für eine Sache einsetzen, die das Bundesinnenministerium für das demokratische Leben der Republik gar nicht bestellt hat. Da kommt auch schon der nächste Hammer. Die Führung dieser Organisation

„legt vor den Anhängern keine Rechenschaft über die Verwendung der Mittel ab. Quittungen über die in bar abgelieferten Beträge werden nicht ausgestellt.“

Fürwahr ein dicker Hund. Bei diesem Haufen denkt einfach keiner daran, eine Quittung zu verlangen, weil er gar nicht wüßte, wo er sie zum Zwecke der Steuerersparnis vorlegen könnte. Dieser Tip war aber offensichtlich auch gar nicht gemeint. Eher schon der Verdacht, der in unseren Reihen - mit Verlaub noch nie aufgekommen ist. dass wir uns wechselseitig bescheißen, ist in der langjährigen Praxis der MG noch keinem Beteiligten je in den Sinn gekommen. Zu auffällig und eindeutig ist die Rechenschaft über die Verwendung des Zasters ausgefallen: Er wurde einfach für die Publikationen, für Mietkosten und für das Bier der „Hochrangigen“ verpulvert. Den armen „Knechten“, denen, die sich mehrmals wöchentlich an Schulungen beteiligen, pardon: „sich zu unterwerfen haben“, war seltsamerweise immerzu bewußt, dass sie sich nicht in einer jener famosen staatsbürgerlichen Vereinigungen herumtreiben, in denen ganz andere Dinge geschehen. In denen ganz andere Beträge herumgeschoben werden, in denen die Führung mit Quittungen bescheißt, wo immer es geht, wo Spenden die Bilanz und die Karriere fördern. An den dort üblichen Maßstäben gemessen, das geben wir zu, ist die Marxistische Gruppe verdächtig. Eben immer nach dem Muster: Wo gibt‘s denn sowas:

Insofern konnte die Anmahnung von Quittungen zur Einsicht der Behörden auch nicht der letzte Schlag bleiben. Der nächste folgt sogleich:

„Innerhalb der MG gelten keine demokratischen Prinzipien. Es gibt keine Wahlen zur Besetzung von Führungsgremien, keine Abstimmungen über Aktionsvorhaben, nicht einmal zentrale Delegiertenkonferenzen.“

Ob unsere Superdemokraten in ihrem Bedürfnis danach, uns grober Vergehen gegen alles Liebe und Teure im abgekarteten Spiel des deutschen Demokratiefilzes zu überführen, hier nicht etwas leichtsinnig werden? Wenn bei uns auf der einen Seite „Führungsstärke“ (was Demokraten in ihrem Hang zum Personenkult bei ihren „Aussitzern“ und „Hoffnungsträgern“ so sehnlich herbeiwünschen) ausgeprägt ist, wie in diesem Sicherheitsbericht beklagt; wenn auf der anderen Seite die Neigung der Gefolgschaft zur „Unterwerfung“ eindeutige Zeichen von knechtischem Wesen annimmt, wie es der Bericht ebenfalls empört vermerkt dann sollten sie mit der Forderung nach Wahlen, Abstimmungen und Delegiertenkonferenzen lieber etwas vorsichtiger sein. Die hätten wir wohl auch noch hingekriegt. Die MG hatte solchen Firlefanz bloß nie nötig.

Reden wir mal im Klartext, was hier an uns vermißt wird: Einheit herstellen durch parteiinterne Einpeitscher, durch Fraktionszwang und karrieregeilen Opportunismus, das Handwerkszeug von Vereinen, die einen Kampf um die Macht über andere, im Staat und innerhalb ihrer eigenen Mannschaft führen, das kennen und schätzen Demokraten. dass es so zugeht, wie „ein MG-Leitungskader erklärte, man diskutiere in der MG, his man sich einig sei, und wenn man sich nicht einigen könne, trenne man sich“ - solche Zustände erachten dieselben Leute glatt für einen Mangel, nämlich für das Fehlen einer respektablen Herrschaftstechnik. Genau um die ist es in der langjährigen Geschichte der MG allerdings nie gegangen. Und wenn die studierten und beamteten Kritiker ihren Verbotsantrag ernsthaft mit dem Vorhandensein einer Hierarchie begründen wollen, so können wir ihnen nur eines raten: Fangt doch mit dem Verbieten gefälligst in eurer eigenen staatsnatürlichen Umgebung an, ihr Heuchler!

Irgendwie scheint das sorgsam zusammengetragene Elaborat von Vorwürfen gegenüber einer Gruppe, der die Verkehrsformen des bürgerlichen Oben und Unten zuwider sind, von dem Bedürfnis getragen zu sein, dass Klartext nottut. Der hört sich dann so an:

„Die wie ein Geheimbund arbeitende, logenähnliche Organisation wuchs von der Öffentlichkeit fast unbemerkt zu ihrer heutigen Größe an.“

Aber auch nur fast. Unser Papier weiß nicht nur über das Alter, das Geschlecht, also die Frauenquote, über die elternhäusliche Herkunft und über die Berufe der MG-Anhänger Bescheid. Es beruht natürlich auch - sonst gingen solche“ Statistiken“ nämlich gar nicht - auf der Kenntnis von Namen und Gesichtern.

„Die in den letzten 15 Jahren geworbenen und fest in die Strukturen der MG eingebundenen Anhänger rücken nach Abschluss der Ausbildung zunehmend in wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft vor. Sie bilden dort verdeckt arbeitende Einflussnetze und Seilschaften, mit deren Hilfe jüngere Genossen unauffällig nachgezogen werden. Da die MG unter Studenten einen relativ größeren Anteil an Geisteswissenschaftlern für sich gewinnen konnte, dominieren heute die entsprechenden Berufsgruppen in der Organisation. Dazu zählen vor allem Lehrer an Schulen, Hochschulen und in Einrichtungen der Erwachsenenbildung, aber auch Zeitungs- und Rundfunkjournalisten, Künstler und Verwaltungsfachleute. Die MG verfügt über eigene Rechtsanwälte, Ärzte und Psychologen. MG-Mitglieder aus technischen Berufen, z.B. EDV-Fachleute, sind teilweise bei Großkonzernen in interessanten Positionen tätig.“ (13)

Das ist ein Hammer. MG-Anhänger verdienen sich glatt ihren Lebensunterhalt wie alle Welt. Und das tun sie dann auch noch in Berufen, in die man mit einem Studium zumeist hineingerät. Andersherum: Wenn sonst ein Verein mit einer äußerst ehrenwerten Berufsstruktur (oder sind die Staatsschützer inzwischen Feinde von Trägern ihrer „Leistungsgesellschaft“?) aufwarten kann, gereicht es ihm dann zu einem guten oder schlechten Ruf? Die ganze Konstruktion des Bösen, das sich da in den Reihen einer für untragbar erachteten Organisation versammelt haben soll, geht nur durch die höchst absichtliche Verdrehung eines Sachverhalts. Es mag ja sein, dass ein paar Leute aus den genannten Berufszweigen die MG unterstützen - die Umkehrung allein aber liefert dem Gegeifer der innenministeriellen Lohnschreiber ihr Material: „Die MG verfügt über...“

Diese Umkehrung drückt nichts anderes als den Wunsch von erklärten Freunden des Systems aus, das sich die Marxistische Gruppe zu kritisieren traut. Den Wunsch, dass solche Kritiker das Recht verwirkt haben, in und „von“ der Gesellschaft zu leben, die ihnen nicht paßt. Das ist er eben, der neue Typus von Kommunistenverfolgung: Er kokettiert mit der sattsam bekannten Moral, dass es Gegner der Grundrechnungsarten des Kapitals und der Ordnungsvorstellungen des Staates einfach nicht verdient haben, gemäß den herrschenden Regeln etwas zu verdienen. Schon gleich nicht etwas, das ihnen erlaubt, ihre Gegnerschaft zu Gehör zu bringen. Gar nicht kokett ist das Gebot, welches mit dieser Umkehrung innenministeriell in Kraft gesetzt wird. Es lautet: Vernichtet die MG dort; wo ihr sie treffen könnt. Sie gehört weg, auch wenn das, was sie mit der Befürwortung des Kommunismus meint und will, in ihrer Erfolgsbilanz gar nicht auftaucht. Eine Arbeiterbewegung, der sich die MG dienstbar macht, ist nämlich hinten und vorne nicht zu sehen. Der bloße Rat zum Klassenkampf, der Kommunismus als Theorie darüber, wie sich die Opfer und Bediensteten von Kapital und Staat nicht mehr für die Sachzwänge benützen lassen, die andere stiften, wird nicht geduldet. Die Verfasser und Herausgeber der rechtsstaatlichen Hetzschrift belassen es keineswegs bei der Häme darüber, dass die eigentlichen Adressaten der MG ihr Interesse mehr schlecht als recht im Mitmachen wahren wollen. Sie begnügen sich gar nicht mit dem süffisanten Hinweis darauf, dass den von der Geschichte überholten Marxisten niemand glaubt noch folgt. Ihr Bedürfnis nach einer keimfreien politischen Landschaft, in der jedermann das ökonomische und politische System gutheißt und seine unangenehmen Wirkungen als „Probleme“ an deren Urheber zurückdelegiert, fällt gründlich aus.

Deswegen bemühen die Saubermänner der wehrhaften Demokratie auch noch die ausgefallensten Verrenkungen des akademischen Geistes, um der Marxistischen Gruppe die Polizeiwidrigkeit ihrer paar Gedanken nachzuweisen. Deswegen werden sie auch auf eine denkbar rohe Weise ausfällig, wenn sie der Marxistischen Gruppe den verbrecherischen Charakter ihrer Zielsetzungen anhängen wollen. So kommen in einem Traktat, welches allein der Staatssicherheit, Marke West, zu einem letzten Erfolg verhelfen soll, ganz disparate und abwegige Ideen zu höchsten Ehren. Ideen, über die wohl das Amt Gehlen noch herzlich gelacht hätte. Einerseits eine wissenschaftstheoretische Darlegung der Doktrin, dass die MG wert ist, zugrunde zugehen; andererseits die Vorstellung, dass die europäische Führungsmacht BRD damit befaßt sei, sich des Steinzeitkommunismus zu erwehren.

„Die Gedanken sind frei“ - oder: Anstandsregeln beim Denken verletzt

dass sich unsere Befunde über „das Leben“ - in Uni und Betrieb, in den neuen Bundesländern und in der alten NATO - erheblich von den Auffassungen anderer Leute unterscheiden, hat auch der Brain-Trust des Innenministeriums gemerkt. Das war insofern nicht schwer, als wir ja über Jahre hinweg gegen die land- und weltläufigen Ansichten polemisch aufgetreten sind. Dabei mussten wir immer wieder feststellen, dass zwar die MG viel Mühe darauf verwendete, andere Zeitgenossen vom Leitartikler über den Professor bis zum Bundespräsidenten zu widerlegen. Umgekehrt hingegen hat von denen niemand auch nur versucht, seine Ablehnung unserer Meinungen in derselben Weise zu begründen. Vielmehr ist man uns in schöner Regelmäßigkeit mit dem Vorwurf gekommen, wir würden unsere Gedanken zu selbstsicher vorbringen und anderen antragen, weil wir sie für Wissen halten. Und das würde sich eben nicht gehören.

Die Schelte, wir glaubten uns wohl im „Besitz“ der Wahrheit, gar der „absoluten“, ließ nie lange auf sich warten. Da hat es uns auch wenig genützt, darauf hinzuweisen, dass sich jeder Gedanken macht, Urteile fällt und Schlüsse zieht und dass es eben darauf ankommt, ob es stimmt, was sich der eine oder andere für eine Erklärung dessen zurechtlegt, was er so in Erfahrung bringt. dass Wahrheit jemand ausschließlich gehört, so dass sie andere nie zu fassen kriegen, haben wir immer für eine alberne Vorstellung gehalten und das auch gesagt. Allerdings auch, wer warum auf diesen Schwachsinn verfällt.

Und was müssen wir jetzt schon wieder lesen: „Die MG beansprucht für ideologische Fragen ein Erkenntnismonopol.“ Deshalb zum letzten Mal: Wir werden uns erstens hüten, etwas zu beanspruchen, was es gar nicht gibt. Zweitens sind wir mit unseren Urteilen über Gottes schöne Welt an die übrige Menschheit herangetreten und haben damit eine äußerst antimonopolistische Grundhaltung an den Tag gelegt. Wer andere von seinen Gedanken überzeugen will, legt nämlich keinen Wert auf ausschließliche Verfügung über dieselben. Aber die guten Menschen, die ihre Meinung wie ein Eigentum behandeln, das ihnen böse Kommunisten entwenden wollen, wenn sie kritisieren gehen, sind ziemlich stur. Sie sind im Unterschied zu uns offensichtlich sehr scharf auf ihre eigene Meinung - so sehr, dass es sie nicht einmal interessiert, ob ihr Schatz an Auffassungen auch stimmt. Als ob ein paar Korrekturen an dem einen oder anderen Befund etwas daran ändern würden, dass sie es sind, die da denken, werden sie recht unverschämt und stellen die Eigentumsfrage, wo sie einfach nichts verloren hat. Dies ist nämlich ihre Art, ohne Widerlegung „fremde“ Ansichten zurückzuweisen und jeden zur Relativierung seiner Auffassungen aufzufordern, ohne den geringsten Grund dafür zu sagen. Sie bestehen darauf, dass es gerade beim Denken einen Unterschied zwischen richtig und falsch nicht gibt; und dass sich im Denken deshalb für jeden Zurückhaltung und Bescheidenheit ziemt. Locker dogmatisch beharren sie darauf, dass man ohne diese Zurückhaltung nicht nur nichts für Wissenschaft taugt, sondern auch wenig fürs Zusammenleben. Ohne die Würdigung mit Anerkennung von jedem Mist, den andere von sich geben, sei man auf dem Sprung dazu, mit den ach so eigenen Gedanken dem anderen auch noch die Würde zu klauen. Im Grunde sei der mangelnde Respekt vor eigenen Meinungen schon der Anlauf zur Gewalt, die ja immer in Betracht gezogen werden muss, wenn Eigentum im Spiel ist.

Diese Meinung ist sehr verbreitet. Sie hat so viele Anhänger, dass es schon wieder verwundert, wie schrecklich viel sich jeder von ihnen darauf einbildet, dass er eine so gängige und dem ansonsten so ausgeprägten Bedürfnis nach Originalität hohnsprechende Allerweltsware zu seinem ureigensten Besitz zählt. Weniger verwunderlich ist dagegen, dass die guten Menschen dieses Glaubens die paar Abweichler in Wissensfragen zu stellen trachten; sie beschimpfen sie aufs heftigste, stellen sie ins Abseits und erfinden allerlei üble Nachreden, um die Exkommunizierung aus dem Kreis rechtschaffener, sich selbst relativierender Denker zu vollziehen. Darauf verstehen sich auch die für Affären der Staatssicherheit rekrutierten Geistesschaffenden. Sie zerren eine eher profane Angelegenheit - es sollen ja nur ein paar Kommunisten dingfest gemacht werden - in die lichten Höhen der Erkenntnistheorie.

Wie man mit der Waffe der Wissenschaftstheorie auf „anders Denkende“ einholzt

„Äußerungen und Verhalten von MG-Angehörigen bleiben für Außenstehende schon deshalb häufig ganz unverständlich, weil die MG einen vom ‚bürgerlichen‘ Denken stark abweichenden Erkenntnisgang bevorzugt. Positivistische ‚bürgerliche ‚Wissenschaft verwendet einen sogenannten induktiven Erkenntnisgang. Er nimmt zunächst die in der Realität auffindbaren Einzelphänomene zur Kenntnis, sortiert und systematisiert sie nach bestimmten Merkmalen oder Erfahrungswerten. Aus diesem Vorgang wird eine Theorie entwickelt, welche eine Vielzahl von Einzelphänomenen allgemein erklären soll. Versagt die Theorie bei ihrer Anwendung auf die Realität, gilt sie als widerlegt.

Anders die MG: Sie verwendet eine deduktive, von den Axiomen einer angeblich unwiderleglich ‚wahren‘ Theorie auf die Einzelphänomene der Wirklichkeit schließende Erkenntnismethode. Entscheidend für die Wirklichkeitssicht der MG sind nicht Kategorien wie Empirie und Erfahrung, sondern eine ‚Ableitung‘ aus ideologischen Vorgaben. Nicht das Faktum aLs solches giLt als entscheidend, sondern seine ‚richtige‘ Bewertung nach ideologischen Axiomen. Tritt ein Widerspruch zwischen Fakten und dem erwünschten ‚AbLeitungsergebnis‘ auf, gibt die MG der ‚Ableitung‘ den Vorzug.“ (18 f.)

Der unbedingte Respekt vor Andersdenkenden ist eine Sache. Was wir davon halten, zitieren die Staatsanwälte des guten Benimms in geistigen Auseinandersetzungen völlig richtig.

„Marxisten sind keine Liebhaber der berühmten ‚Freiheit der Andersdenkenden‘- sie wollen lieber wissen, was der andere denkt, und denken dann entweder dasselbe oder argumentieren dagegen. Und sie befürworten keine Toleranz, die es verbietet, Interessengegensätze auszutragen, und die damit nur denen zugute kommt, die sowieso die Macht haben.“ (34)

Natürlich nicht ohne einen Kommentar, der vor Freude darüber strotzt, auf eine so „entlarvende“ Stelle bei uns gestoßen zu sein. Den Beweis für die Dummheit, die solcher Freude zugrunde liegt, liefern sie gleich mit:

„Konkurrierende, vorgeblich ‚falsche‘ Auffassungen sind zu bekämpfen und möglichst zu vernichten. Das von der MG reklamierte Erkenntnismonopol zielt auf praktische Durchsetzung.“ (34)

Zur leidigen Frage des Monopols ist bereits alles Nötige gesagt. dass es falsche Auffassungen nur in Anführungszeichen und vorgeblich dazu gibt, nehmen wir Leuten nicht ab, die ihre Dienstherrn mit Ausführungen über einen „induktiven Erkenntnisgang“ rechtfertigen, in dem durchaus auch von einer Widerlegung von Theorien die Rede ist. Dabei machen wir uns überhaupt nichts darüber vor, dass ein Wissenschaftstheoretiker, wenn er von Widerlegung spricht, etwas ganz anderes im Kopf hat als das Aufzeigen und Korrigieren von Fehlern beim Urteilen und Schließen. dass er bestimmte Sorten Gedanken aus dem Reich der approbierten Wissenschaft ausschließen will, dass er den rechten Gang des Erkennens so lange zurecht definiert, bis er Unzulässiges von Wohlgelittenem scheiden kann, ist ihm allemal geläufig. Und wenn er mit Popper, Stegmüller, Schnädelbach, Becker etc. so weit ist, wird er sich hüten, über Gedanken der MG zum Beispiel ein anderes Urteil zu fällen als: nicht durch den TÜV gekommen. Bzw. „gilt als widerlegt“. Die Gültigkeit ist eine praktische.

Schließlich möchten wir noch ganz bescheiden anmerken, dass die mit den Bildern „bekämpfen“ und „vernichten“ so süffisant berührte Gewaltfrage, die uns da angehängt werden soll, schon gleich gar keine Sache der MG ist. Wir kriegen sie vielmehr laufend gestellt, diese Frage, und zwar schon lange bevor sich die arbeitende Menschheit ein paar Erklärungen von uns Marxisten, ihre Lage, ihre Leistungen und Opfer für Kapital und Staat betreffend, durch den Kopf gehen lässt und auf ihren Interessen besteht. Umgekehrt wagen wir zu bezweifeln, dass Leute früh um halb sechs in eine Rüstungsfabrik marschieren, weil sie einen „induktiven Erkenntnisgang“ der „deduktiven Erkenntnismethode „ der Marxistischen Gruppe vorziehen. Kein Zweifel hingegen besteht daran, dass die Kommentatoren unseres Zitats nur seine Richtigkeit bestätigen, wenn sie aufgeregt vermelden: „zielt auf praktische Durchsetzung“. Ihre wissenschaftstheoretische Polemik gegen ‚richtig‘ und ‚falsch‘, gegen Sicherheit des Wissens, hat eben mit einer innertheoretischen Auseinandersetzung nicht das geringste zu tun. Das dogmatische Leugnen der bloßen Vorstellung, es könnte so etwas wie Wissen um Gründe und Notwendigkeiten in der kapitalistischen Hausordnung geben, wendet sich überhaupt nicht gegen einen theoretischen Irrtum. Vielmehr gegen den Willen, der sich aus gewissen Einsichten ergeben könnte.

Aber wem sagen wir das. Wir haben es ja gar nicht mit Leuten zu tun, die ihren Weltanschauungen jede praktische Konsequenz untersagen. Bloß mit dem kleinen Unterschied zu uns bestehen sie darauf, dass ihren Vorstellungen auch ganz ohne den Anspruch, sie würden stimmen, das Recht zuteil wird, für den insgesamt ziemlich gewalttätigen, demokratischen, marktwirtschaftlichen, weltordnungsmäßigen Gang der Dinge bestimmend zu sein. Dabei spielt es noch nicht einmal eine Rolle, dass sich von den maßgeblichen Instanzen dieser Welt keine einzige an ihre komplizierten Denkvorschriften hält.

Insofern brauchen Leute, die den demokratischen Imperialismus ausgerechnet mit Spielregeln des geistigen Verkehrs gleichsetzen und rechtfertigen, eine Verlegenheit nicht zu befürchten. Wenn sie die Marxistische Gruppe aus dem Geiste der Wissenschaftstheorie für gefährlich erklären, müssen sie keine Angst haben, dass ihre Theorie je versagt. Wie sollte ihre Theorie der Falsifizierung von Ergebnissen ihres induktiven Erkenntnisgangs je in Kraft treten: „Versagt die Theorie bei ihrer Anwendung auf die Realität, gilt sie als widerlegt.“ Keine Anwendung, kein Versagen, keine Widerlegung - nur brauchbar.

Von solchen Geistesriesen kriegt die Marxistische Gruppe einen Steckbrief verpaßt.

„Die Axiome ihrer Ideologie gelten den MG-Anhängern als unverrückbare Wahrheiten; sind sie einmal ‚wissenschaftlich‘ festgeLegt, bedürfen sie keiner Veränderungen mehr.“

Wenn man uns bei dieser Gelegenheit wenigstens die „Axiome“ hingeschrieben hätte, nach denen sich in unseren verbildeten Gemütern alles richtet! Wenn die professionellen Festleger des Erlaubten und Verbotenen im Reich der Wissenschaft wenigstens verraten würden, was in unseren Reihen je festgelegt worden ist! Wir wären dankbar für einen so handlichen Mechanismus, den wir - man hat ja schließlich studiert - ausschließlich aus der Wissenschaftstheorie kennen. Den wir ablehnen, weil wir auf ein paar Einsichten scharf sind, und die Anpreiser der einschlägigen Erkenntnismodelle glaubwürdig versichern, ja darauf bestehen, dass mit ihrem Erkenntnisapparat garantiert keine Erkenntnis zustande kommt.

Abschreckend wirkt auf uns außerdem der einzige uns bekannte Fall, wo nach solchen Prinzipien vorgegangen wird, was aber die Staatssicherheit weniger stört. Mit 2 bis 3 Axiomen über Gott, den Menschen und andere Engel packen die Kirchen die komplette Welt ein, ganz nach dem vom Innenminister verteufelten Modell:

„Nicht das Faktum als solches ist entscheidend, sondern seine ‚richtige‘ Bewertung nach ideologischen Axiomen.“

Trotz der allgemeinen Beliebtheit, der sich dieses erschöpfend angewendete Verfahren erfreut, können wir damit wenig anfangen. Mehr als eine universelle Deutung der Realität, bei der hinter allem eben immer dasselbe steckt, kommt dabei nicht heraus. Und die taugt bloß zu einer Untertanengesinnung, die in allem mordsmäßig viel Sinn ausmachen darf, also so ziemlich das Gegenteil von Kritik darstellt. Deshalb hat der Verfassungsschutz im übrigen da, wo der Kommunisten angedichtete „Erkenntnisgang“ wirklich veranstaltet wird, trotz einer gewissen Entfernung der Lehre von der Realität kaum Bedenken gegen die Großsekten, die das betreiben...

Für den Steckbrief ist natürlich das Dümmste gerade gut genug.

„In der Praxis bedeutet dies: Deckt sich die Wirklichkeit nicht mit den Erfordernissen der Theorie, werden die Fakten solange faLsch dargestellt oder bewertet, bis sie als aus der Theorie scheinbar stimmig ‚abgeleitet‘ erscheinen. „ Hier scheinen ein paar durchgedrehte Intellektuelle für den alten Freud reif zu sein, der sich ausgiebig mit dem Phänomen der Projektion auseinandergesetzt hat. In dem Bemühen, statt einer Widerlegung von MG-Behauptungen (da müsste man ja glatt wieder richtig und falsch scheiden können und etwas wissen wollen) etwas ganz anderes zu leisten: den Beweis einer systematischen Unbelehrbarkeit zu erbringen, rügt ausgerechnet eine Schrift des Innenministeriums einen politischen Gegner des Frevels an methodischen Regeln der Wissenschaft. Nicht die Auseinandersetzung mit den Andersdenkenden - davon hält man in solchen Kreisen nichts - ist angesagt, sondern die Kennzeichnung anders Denkender, von Leuten, die einen Kanon verletzen. Dafür ersinnen sich Geistesschaffende, denen unsere Gesellschaft (auch das spricht nicht für sie) den Status geistiger Autorität verleiht, ein Modell von „deduktiver Theorie“, das weder mit Deduktion, noch mit Axiomatik, noch mit Ableitung etwas zu tun hat. Es scheint uns, dass diese Wissenschaftler von allen drei Dingen keine Ahnung haben, weshalb sie auch gleich zweisprachig „Empirie und Erfahrung“ als Korrektiv anmahnen. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass sie uns mit dem uns zuerkannten Erkenntnismethödchen zumindest eines bescheinigen möchten: den gesalzenen Grad von Paranoia, dessen es ihrer Meinung nach bedarf, um Kommunist zu sein.

Deshalb soll auch der Gipfel der Beweisführung in Sachen „die spinnen deduktiv mit ihren Axiomen und sehen die Welt nicht mehr“ nicht aus Platzmangel verschwiegen werden.

„Dabei kann es bisweilen zu grotesken Ergebnissen kommen. Ein Beispiel dafür lieferte die MG mit ihrer „wissenschaftlichen Analyse“ der Fluchtwelle aus der DDR im Sommer 1989. Als sich damals Tausende von DDR-Bewohnern in die Bundesrepublik Deutschland absetzten, mochte sich die MG nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass Gründe für die Massenflucht im politischen und wirtschaftLichen System des SED-Regimes liegen könnten. Vielmehr hatte sie bereits zuvor bekundet, schuldig am Ausbluten der DDR sei die Bundesrepublik. Sie habe sich im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes ein imperialistisches Programm gesetzt und der DDR - durch die Nichtanerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft - die Souveränität über ihre Bevölkerung streitig gemacht.“ (20)

Wir werden uns hüten, unser Zitat noch einmal abzudrucken, das soll jeder Interessierte selbst nachlesen in MSZ 5/1989. Es sei nur bemerkt, dass das Zitat selbst und der ganze Artikel sich ausführlich mit den Gründen der Massenflucht befassen und zwar ausdrücklich auch mit denen, die im System der DDR liegen. Es rechnet allerdings mit einer Besonderheit dieses Systems, und die besteht in einem Verhältnis zur BRD und zu den anderen Ostblockstaaten. Kaum erwähnen wir das, wollen unsere wissenschaftstheoretischen Interpreten selbst den Genscher-Dank an Gorbatschow, an Ungarn und die Tschechoslowakei - die immerhin der bundesrepublikanischen Nicht-anerkennung einer DDR-Staatsbürgerschaft ihre praktische Gültigkeit verschafft haben - nicht mehr zur Kenntnis nehmen, bloß weil sie die MG einer „Deduktion“ überführt haben wollen! Dabei kennt jedes Kind die einschlägige Sachlage, jeder weiß, dass sich dabei Staaten auf die Seite der BRD geschlagen und die Macht der DDR über ihre Bewohner gebrochen, Grenzen dafür geöffnet haben, die sonst kein Asylant ungeschoren überschreitet. Jeder kennt das Wechselspiel von inneren und äußeren Gründen, aber mit Realität dürfen diese Gründe nichts zu tun haben, der MG-Analyse werden sie als reelle bestritten - weil die Autoren eben diese Analyse von Gründen verwechseln, identisch setzen wollen, mit etwas ganz anderem, nämlich einer Klärung der Schuldfrage. Wenn die Marxistische Gruppe sich am Wälzen der Schuldfrage nicht beteiligen, sondern vielmehr erklären will, auf welch sonderbare Weise ein Staat zugrunde geht, dann lässt sie die Moral vermissen, mit der die wissenschaftlichen Fans der BRD die Massenflucht einzig und ausschließlich beglückwünscht sehen wollen. Das ist der ganze Realitätssinn, den die Anhänger einer „induktiven“ Methode selbst an den Tag legen.

Irgendwie wartet man auch auf den Nachweis des Fehlers, den die MG begangen haben soll, indem sie im Grundgesetz ein imperialistisches Programm entdeckt haben will. Es ist ja unüberhörbar, dass den deutschen Gelehrten unsere Vokabeln nicht schmecken; aber die Sache zu bestreiten, dass mit dem Wiedervereinigungsgebot ein Staat das Existenzrecht eines anderen grundsätzlich und systematisch nicht anerkennt, folglich auch nicht den Paß von dessen Bürgern, und dass die BRD im Sommer 1989 eben dieses Programm mit Hilfe der anderen Ostblockstaaten in die Realität umgesetzt hat - das zu bestreiten trauen nicht einmal sie sich. Und was die „Verwechselung von Ursache und Wirkung“ betrifft - von wegen! Drittweltbewohner können angesichts der Unzuträglichkeiten des Systems, unter dem sie leben, noch so zahlreich den Wunsch hegen, BRD-Boden zu betreten; Ursache für die Wirkung, dass die BRD ihnen diesen Wunsch erfüllt, wird das nie. Ursache für die Öffnung der Grenzen war ebensowenig der bloße Wunsch der DDR-Bewohner, sondern schon der Einfluß der BRD, mit dem sie ihrem Wiedervereinigungsprojekt im gesamten Ostblock Geltung verschafft hat. Alle diese Gründe sind in dem inkriminierten Artikel gründlich betrachtet und aufgeführt worden, aber mit der Schuldfrage nach dem Muster ‚DDR böse, BRD gut‘ können wir den Spezialisten methodisch kontrollierten Denkens leider nicht dienen.

Das zweite Beispiel für die Vergewaltigung der Realität, die das MG-Denken angeblich vornimmt, hört sich so an:

„Erbringt beispielsweise eine westliche Demokratie wirksame Sozialleistungen, obwohl sie nach ideologischen Vorgaben der MG nur Ausbeutung, Elend und Gewalt hervorbringen kann, so gilt der sozialpoLitische Fortschritt als, Beweis besonderer Heimtücke.“

Wo, bitte, haben die MG-Exegeten bei uns etwas von Heimtücke gelesen? Wir behaupten etwas anderes, nämlich 1. dass die demokratischen Sozialleistungen auf der Armut beruhen; und zwar nicht zum Beweis marxistischer Theorie, sondern aufgrund der Tatsache, dass es sie gibt. Wären alle Demokratiebewohner gut ausgestattet, wären Sozialleistungen nämlich schlicht überflüssig. 2. legen wir Wert auf den kleinen, ebenfalls in der Realität vorfindlichen Unterschied, dass nicht die Demokratien die Sozialleistungen „erbringen“, sondern immer noch die Lohnarbeiter selbst in Gestalt sogenannter Sozialabgaben, die ihnen zwangsweise vom Lohn abgezogen werden, was auch in gewisser Hinsicht auf so etwas wie Armut hinweist. Vermögendere Gesellschaftsmitglieder pflegen sich nämlich freiwillig und besser zu versichern. Wer ist jetzt wirklichkeitsfremd? Die MG, die auf die Funktionalität der Sozialpolitik für die Benützung einer Arbeiterklasse hinweist, auf die Funktionalität eines Zwangsversicherungswesens dafür, dass Arbeiter bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter nicht gleich ganz ohne Geld und Wohnung dastehen und daher bei Bedarf auch wieder zur Benützung tauglich sind. Oder die Herren Wissenschaftstheoretiker, die sich lieber erst gar nicht für den Sozialstaat und seine Organisationsweise interessieren, weil sie das nämlich in ihrer Lobhudelei angesichts der lieben Demokratie nur stören könnte? Wer nicht einmal hinschauen will, wie die Sozialleistungen funktionieren, der vermißt - sehr axiomatisch und deduktiv - das Lob auf das Ding. Und hängt höchst wissenschaftlich und objektiv der MG sein erfundenes „obgleich“ als deren Widerspruch an. In Wissenschaftstheoretikerkreisen muss die „induktive“ Betrachtungsweise von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe ergeben haben, dass es kein Pech, sondern ein Glück ist, ins „soziale Netz“ zu fallen. Zumindest im Vergleich, aber auch nur durch den Vergleich mit Elendsgestalten in anderen Ländern stellt sich dann wohl heraus, dass jede Ähnlichkeit dieser Lebenslagen mit Not und Elend in der Realität ausgeschlossen werden muss. Streng induktiv verkünden unsere Realisten:

„Dieses angebliche Wissen über die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland bezieht die MG - gemäß ihrer Denkmethode - nicht aus einer Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Realität, auch nicht aus einem Vergleich der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten. Die Realität ist für die MG grundsätzlich kein Maßstab ihrer Bewertungen.“

dass wir nicht zur Kenntnis genommen hätten, dass es in Deutschland einen Sozialstaat mit diversen Kassen ebenso gibt wie haufenweise Leute, die auf diese Einrichtungen angewiesen sind, glaubt ihr ja wohl selbst nicht. Soweit wäre eigentlich der Streit um die großspurige „Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Realität“ schon einmal entschieden. Es geht aber eben doch um etwas anderes. Nämlich um die Bewertung dieser banalen Tatsache, der wir uns tatsächlich nicht anschließen wollen. Zumal mit dem methodisch vorbildlichen, wissenschaftlich einwandfreien Tip, die Verlaufsformen moderner Armut - die, was auch Realität ist, auch anderen Leuten nicht übermäßig gefallen - nicht einfach einer Erklärung zuzuführen, schon wieder ein Streit entschieden ist. Mit der Bewertung, wie wir sie versäumen, ist schlicht das Verbot ausgesprochen, das banale Unbehagen bei der Besichtigung von Leuten, denen es schlecht geht, festzuhalten. Wenn dann noch der geniale Vorschlag ins Spiel kommt, statt einer Klärung der Frage, ob und warum das so sein muss, lieber erst einmal einen Vergleich anzustrengen, ist endgültig jeder Zweifel beseitigt. Dieser Vergleich beruft sich nämlich auf Menschen, denen es noch dreckiger geht - möglichst solche aus der Dritten Welt, mit der die Exportnation nie und nimmer etwas zu tun hat -, damit er auch so ausfällt, wie es einer Bewertung ansteht. Dann sind zwar die paar Realitäten aus dem leidigen Sozialbereich garantiert kein Grund mehr, an der lieben Bundesrepublik herumzukritisieren. Denn es wurde ja bewertet und nicht erklärt. Fraglich ist nur, ob sich nicht die Bewertung insofern von der Realität mehr entfernt, als es tausend MGler in 20 Jahren je fertig gebracht haben. Denn eines steht fest: Durch die Bewertung geht es ja keinem besser; aber darauf kommt es der leicht verbesserten Sicht des deutschen Sozialwesens ja ohnehin nicht an. Soviel zu den verschiedenen Weisen der Berücksichtigung der Realität. Und zu dem unverschämten Versuch, unserem Denken zwar keinen Fehler, aber ganz viel Abartigkeit nachzuweisen.

Überhaupt: Das Menschliche

Bei den Mitarbeitern des Innenministeriums ist man der Auffassung, dass es uns ziemlich fehlt. Zaghafte Hinweise auf durchaus vorhandene Leidenschaften, wie Biertrinken und Anknüpfen geschlechtlicher Kontakte, können nichts daran ändern. Wir sind abgrundtief zynisch, achten keine Ideale und Werte, glauben also genau genommen an nichts.

Ein „unverwechselbarer, von beißendem Zynismus und belehrender Überheblichkeit geprägter Stil“ zeichnet schon unsere Sprache aus. Das ist furchtbar leicht zu sehen, für den, der es sehen will. Wenn ein um die Sicherung der Arbeitsplätze besorgtes Management seinen Sprecher verkünden lässt: „Wir müssen abspecken! „, macht sich kein Geisteswissenschaftler der Nation gemeinsam mit gewissen Behörden die Sorge, ob da nicht vielleicht ein von beißendem Zynismus beseelter Verein besondere Beachtung verdient. Wenn aber die MG, einfach mal zur Abwechslung, die Realität zitiert und schreibt: „Ein Konzern senkt den cw-Wert seiner Belegschaft“, dann ist beißender Zynismus am Werk. Und der verdient jede Menge Aufmerksamkeit, die natürlich ganz der Menschenwürde verpflichtet ist.

„Ein typisches Beispiel für diesen Zynismus lieferte ein MG- Pamphlet aus dem Jahr 87. Dort heißt es:

‚Zwei Millionen Arbeitslose

- keiner will sie

- keiner braucht sie

- jeder beklagt sie‘

Nachdem die MG so ihre Verachtung für zwei Millionen menschliche Schicksale bekundet hat - Arbeitslose werden hier nur in Kategorien von Brauchbarkeit und Nutzen, wie beliebige Gegenstände bewertet - dient sich die Gruppe an, den arbeitslosen ‚Proleten‘ Grund und Zweck ihrer Existenz zu erläutern:

‚Warum und wozu gibt es sie dann?‘“ (43)

Wir sind uns nicht ganz sicher, auch das gibt es bei uns, wie wir dieses Beispiel für die Sicherheit dass es sich bei uns um eine zynische Bande handelt, bewerten sollen. Auf jeden Fall paßt die ganze Sache nicht zu dem Vorwurf, wir würden uns weigern,

„auch nur Ausschnitte der Wirklichkeit zu erfassen: unbeeindruckt von der Realität predigt er die Ergebnisse seiner ‚Ableitungen‘...“

Eher schon sieht es so aus, als hätten da gewisse überhebliche MGler schlicht einen saftigen Ausschnitt aus der landesüblichen Wirklichkeit kopiert, in der offenbar fehlgeschlagenen Absicht, andere Leute darauf aufmerksam zu machen, wie der landesübliche Zynismus in Sachen Arbeitslose beschaffen ist. Nachdem die ethisch fundiert argumentierenden Intellektuellen das nicht verstanden haben, müssen wir uns fragen, ob wir nun überheblich oder sie leicht auf den Kopf gefallen sind. Denn das zieht sich durchs ganze Pamphlet des Stasi-West durch: Die eher einfältige und gar nicht überhebliche literarische Technik zu sagen, wie es ist, bzw. wie es die Verantwortlichen sagen, ist diesen Trotteln einfach nicht verständlich. So kommen sie darauf, den real existenten Umgang mit den Arbeitslosen ausgerechnet uns in die Schuhe zu schieben, nur weil wir ihn hersagen. Nach der eigentümlichen Logik, dass nicht die Verhältnisse brutal sind, sondern diejenigen, die die Brutalität beim Namen nennen. Diesen Anwälten der Menschenwürde hätte es auch nichts geholfen, wenn wir als vierte Zeile hinzugefügt hätten: „Alle bedauern 2 Millionen menschliche Schicksale.“

Darum ist es nämlich gegangen. Um die Charakterisierung der öffentlichen Heuchelei, die Arbeitslosen betreffend, einer Heuchelei, die maßgeblich von denen betrieben wird, die „Verantwortung tragen“. Von denen, die darauf bestehen, dass jeder Arbeiter, der sein Geld verdient, ihnen für die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes zu danken hat. Die umgekehrt ebenso darauf bestehen, dass sie Entlassungen ‚nicht verhindern‘ können, weil die Sachzwänge des Marktes, über die sie selber gebieten, es ihnen verwehren würden. In der Abteilung „Warum und wozu gibt es sie dann?“ haben wir im übrigen dargelegt, was wir für Antworten auf diese Frage haben - und solange die mitschreibenden Observanten, die auf dieser Veranstaltung anwesend waren“ zu blöd sind, die Richtigkeit unserer Antworten zu überprüfen, weigern wir uns, den Vorwurf des Zynismus zu akzeptieren.

Auch der andere Vorwurf an den MG-Agitator

„die Forderung, darzulegen, wie dem Kritikwürdigen abgeholfen werden könnte, wird er ebenso zurückweisen wie Zumutungen, für die Verbesserung der kritisierten Wirklichkeit Verantwortung zu übernehmen“ -

ist äußerst ungerecht. In Sachen Abhilfe haben unsere Antworten auf das Warum und Wozu erschöpfend Auskunft gegeben. Das hat aber nur dazu geführt, dass unsere Kritiker die letzten wären, uns überhaupt ein Gramm Verantwortung zuzugestehen. Wieder nicht verstanden? Na gut. Dann soll hier wenigstens einmal erwähnt werden, dass die MG über Jahre hinweg ihren Beitrag zur Sicherung einer Reihe von Arbeitsplätzen geleistet hat - in den Reihen derer, die sich mit ihr so aufmerksam befassen durften. Aber vor lauter Observation halt doch alles verpasst haben, was an uns interessant ist.

Was die Verbotsfanatiker vom Stasi-West unter „Kritik“ verstehen

dass eine Behörde der Staatssicherheit besser die Finger von so heiklen Dingen wie „sprachliche und normative Aspekte der MG-Agitation“ gelassen hätte, wird selbst blutigen Laien an folgenden Stilblüten klar:

„MG-Sprache ist stark mit Adjektiven, Adverben und sonstigen Füllwörtern angereichert.“

Erstens muss man sich fragen, was nun daran schon wieder schlimm sein soll. Zweitens fällt der Vorwurf auf die Kritiker selbst zurück. In manchen Sätzen der staatlich subventionierten Hetzschrift kommen benannte Wortarten gleich mehrfach vor. Zuzugestehen ist nur eine gewisse Beschränkung auf das Adjektiv ‚zynisch‘, das ein paar Seiten lang auf Kosten anderer schöner Wörter dominiert. Gänzlich unverständlich werden die Bemerkungen über gewisse Umständlichkeiten in unserem Satzbau die sich wie ein Ratgeber zu effektiverer Agitation lesen. Den können wir nun leider nicht mehr beherzigen, die guten Ratschläge aber zurückgeben. Schreibt doch das nächste Mal einfach: „MG böse!“, und fertig ist die Laube.

Dieser Rat ist ernst gemeint. Denn jedesmal, wenn die „Themen zur Inneren Sicherheit“ zum Beweis schreiten, wird zwar nicht ihre Sache, wohl aber der Beweis peinlich.

Dazu eine Vorbemerkung. Um einer Organisation ihre Verfassungswidrigkeit nachzuweisen, bedarf es keiner Wissenschaft. Das Geschäft, das hierzu vonnöten ist, beschränkt sich auf ein ödes Vergleichs- und Subsumtionsverfahren, ergänzt durch eine schlichte Entscheidung darüber, ob man sie gewähren lässt oder wegputzt. Die gesamte Durchführung beruht auf der Anwendung von Gewalt, die ihre Prinzipien und Anwendungsregeln rechtlich formuliert. Um eine Organisation zu kritisieren, muss man sie erst einmal kennen. Begreifen, aus welchen Gründen heraus sie ihrer Sache nachgeht, um dann, mit solchem Wissen (sic) ausgestattet, die Vorhaben und Zwecke des Vereins mit seinen eigenen Interessen zu vergleichen und seine Entscheidung zu treffen. Falls diese Entscheidung wider die Organisation ausfällt, hält man ihr seine Kritik vor, begibt sich in einen Streit und sucht ihn zu bestehen.

Diese Vorbemerkung wollte einerseits auf den kleinen Unterschied zwischen Verbot und Kritik hinweisen, andererseits festhalten, dass Fanatiker eines Verbots in der Pose von Kritikern eine außerordentlich schlechte Figur abgeben. Ausgerechnet an einem Aufsatz über Kritik, ausgerechnet an seinem Schluß, der mehr mit Hegels Urteil des Begriffs zu tun hat als mit innerer Sicherheit, wollen die intellektuellen MG-Hasser herausgefunden haben, dass man die MG auch mit Argumenten, die von ihr selbst stammen, wohlbegründet absägen kann.

„‚Entweder ich teile den gewussten Zweck der Sache (... ), aber ihr Zweck ist schlecht verwirklicht. (...) Die Sache entspricht nicht ihrem Begriff. Sie ist an sich in Ordnung, aber ihre besondere Ausprägung ist unvollkommen - gemessen an ihrem Begriff (... ). Kritik ist dann das konstruktivste Geschäft der Welt.‘

Von ihren Anhängern erwartet die MG hingegen nicht ‚konstruktive‘, sondern kompromißlos ‚destruktive‘ Kritik:

‚Oder das Wissen um die Sache offenbart etwas ganz anderes. Ihr Zweck steht im Gegensatz zu meinem Interesse, die Unangemessenheit meinem Anliegen gegenüber ist notwendig (... ). Die Sache hat nicht einen Mangel, der in meinem Interesse zu beheben wäre, sondern sie ist der Grund meines Schadens. Man macht sich dann besser nicht zum Anwalt ihrer Verbesserung, (...) sondern zum Anwalt ihrer Beseitigung.‘ (MSZ 3/89)

Welche Art der Kritik sich auf einen Sachverhalt anwenden lässt, hängt nicht zuletzt vom Werthorizont des Kritikers ab. Man kann z.B. der MG zum Vorwurf machen, dass sie im Sinne einer revolutionären Organisation nicht richtig funktioniert (‚konstruktive‘ Kritik) oder man kann gute Gründe anbringen, dieser Organisation, da sozialschädlich, keinen Bestand zu wünschen (‚destruktive‘ Kritik). Die Entscheidung für die zweite Möglichkeit ergibt sich bei diesem Beispiel problemlos aus dem Werthorizont der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Also muss es auch einen Wertmaßstab geben, der für die MG eine Beseitigung von Freiheit, Gleichheit und Demokratie wünschenswert erscheinen lässt. Diesen Wertmaßstab gilt es zu finden; er liegt offenbar in den politischen Zielen der Gruppe begründet.“ (46)

Das zumindest muss man den Rechenkünstlern, die da aus dem wissenschaftstheoretischen Ghetto herausgetreten sind, bescheinigen: Sie sind anpassungsfähig. Eine Argumentation, die über Kritik handelt und zwar ausdrücklich so, dass sie das Wissen um die Eigenarten und Notwendigkeiten des kritisierten Objekts zur Bedingung dafür erklärt, dass die Kritik eine begründete - und nicht eine willkürliche, einer Laune oder einem Standpunkt, einem Vorurteil geschuldete - ist, gefällt ihnen. Plötzlich vergessen sie, dass für sie Wissen überhaupt nicht existiert, es sei denn in der Anmaßung antidemokratischer Elemente. Sie übergehen das Wort und die mit ihm verbundene Forderung, die überhaupt den ganzen Witz des zitierten Artikels ausmacht, um eines festzuhalten: dass schließlich auch MG-amtlich zu Protokoll gegeben ist, dass beim Kritisieren immer gemessen wird, und zwar von einem Standpunkt aus. Damit ist nicht nur die ganze erste Hälfte des zitierten Artikels erschlagen und vergessen; damit ist auch genau der Standpunkt eingenommen, den besagte erste Hälfte des Artikels als Grundlage der Dummheiten, Naivitäten und Gemeinheiten moderner Kritik vorführt. Aber eben nicht nur das. Es würde ja gar nichts ausmachen, wenn die Ghostwriter von Lochte und Co. einen Artikel der Marxistischen Gruppe nicht verstanden hätten. Der Gipfel der „Anwendung“ einer theoretischen Äußerung von uns besteht darin, dass unter perfekter Missachtung des Inhalts des Zitierten - auch eine Art der Nicht-Wahrnehmung von Realität - MG-Äußerungen zur methodisch kontrollierten Rechtfertigung einer MG-Liquidierung herangezogen werden.

Dieses Kunststück bringen tatsächlich nur Leute fertig, die sich die Frage vorgelegt haben, ob man der MG „Bestand wünschen soll“. Unter dem Vorwand, mit Argumenten der MG prüfend umzugehen, wird eben jede Wortmeldung dieses Vereins nur nach dem oben genannten Gesichtspunkt der Verfassungswidrigkeit besichtigt. Deshalb auch die lockere Abwendung vom „Wissen“, das im Zitat vorkommt, zum „Werthorizont“, der „nicht zuletzt“ also ganz zuerst entscheidet, wen man ins Unrecht setzt. Nicht theoretisch.

Die Sicherheit bezüglich der Existenz eines „Wertmaßstabs, der für die MG eine Beseitigung von Freiheit, Gleichheit und Demokratie wünschenswert erscheinen lässt“, kündet von zweierlei - einem Versäumnis und einer Absicht.

Das Versäumnis besteht darin, dass diese Sophistiker des Verfassungsschutzdenkens, diese ‚Ich-weiß-dass-ich-nichts-weiß-Säuberer‘ einfach bei der Bestandsaufnahme der Realität versagt haben. Mehr noch bei der Erklärung dessen, was sie selbst einmal als“Widrigkeiten der Welt“ locker erwähnen. Wer auf die FDGO nichts kommen lassen will, der weigert sich auch auf Teufel komm raus, ihr das anhängen zu lassen, was der ihr verpflichtete Staat mit seiner Währung, seinem Genscher, seinem Beitrag zur Weltordnung, zur alten wie zur neuen, mit seinem Giftgas und Lome-Abkommen, mit seiner nahost-militaristischen Wiedergutmachung und überhaupt mit seinem Export und Import, Umwelt eingeschlossen, daheim und in der Welt anrichtet. Also nichts mit Wertmaßstab. Die Geschädigten von „Freiheit, Gleichheit und Demokratie“ reichen voll und ganz, um ihnen keinen Bestand zu wünschen. Spätestens dann, wenn man weiß, dass die Schäden von diesen drei großen Werten, verkörpert in ein paar mächtigen Staaten, ausgehen. Aber jetzt kommt sicher wieder die Leier mit dem Wissen...

Die Absicht zielt auf die Behebung eines ganz anderen Versäumnisses: Mit der Feststellung, dass die MG die braven Werte aller anständigen Macher und Mitmacher der freien Welt ablehnt, ist das eigentliche Motiv für die feststehende Niedertracht erst noch auszumachen. Wie in jedem ordentlichen Gerichtsverfahren gehört zur Handlung eben ein Vorsatz - andernfalls der Inkriminierte wegen Fahrlässigkeit billig davonkommt. In diesem Vorsatz entdeckt dann selbst das Bundesinnenministerium, mit welcher Sorte Feind es zu tun hat. Das wäre ohne die Mitwirkung von professoralen Kammerjägern nicht möglich gewesen.

Die wirkliche Bedrohung: Die Brutalos ante portas

Es ist guter Brauch in der Demokratie, dass man Kritiker fragt, wie sie es mit der Gewalt halten. Da nützt es dann gar nichts, wenn die Kritiker entgegnen, nach ihrem Geschmack gäbe es von diesem hohen Gut schon viel zu viel. Die Frage ist anders gemeint.

Nämlich gar nicht als Frage. Denn was da als „letztes“ Kriterium daherkommt für die Entscheidung, welchen Kredit man den Kritikern einräumt, gerät schlicht zum ersten und einzigen. Es zeugt davon, dass die Fragesteller unbekümmert um Argumente und Gründe von Leuten, die alles mögliche geändert sehen möchten, der Kritik nur dann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, wenn sie garantiert nicht „mit Gewalt verbunden“ ist. Und das ist, gelinde gesagt, eine Heuchelei, aber eine in praktischer Absicht. Da wird so getan, als wäre jede ansonsten noch so wohlmeinende Absicht verwerflich, wenn zu ihrer Verwirklichung Gewalt zum Einsatz kommt. Das Schöne an dieser noblen Einstellung ist, dass ihre Verfechter zielstrebig darauf verzichten, ihren radikalen Test anderswo als an Gesellschaftskritikern und vielleicht zusammen mit ihnen an den maßgeblichen Instanzen der Gesellschaft durchzuführen, zu der sie stehen.

Stattdessen ist sowohl den Herrschaften aus Politik und Wirtschaft als auch den Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur etwas ganz anderes geläufig. Die Ordnung, in der sie das Sagen haben, gilt ihnen mit ihren Verkehrsformen, ihren ökonomischen Zielen und Mitteln als so heilig und hochwertig, dass zu ihrer ‚Verteidigung‘ ganz viel Gewalt legitim ist. Ohne den geringsten Anflug von schlechtem Gewissen bekennen sie sich im Innern der Gesellschaft zur Wahrnehmung des Gewaltmonopols, wo immer sich jemand störend bemerkbar macht. Dazu erfinden sie an Universitäten sogar ein „unwertiges“ „Menschenbild“, demzufolge die ganze Meute der Untertanen von demokratischen Staaten konsequent faustrechtlich aufeinander losgehen würde, wenn nicht... Mit dem besten Gewissen der Welt befürworten sie die Beschaffung und den Einsatz von Gewaltmitteln für die Durchsetzung der Sache von „freedom and democracy“ auf dem ganzen Globus - und müssen noch nicht einmal befürchten, dass der Ruf dieser Sache bei ihren Völkern darunter etwas leidet. Bei der Besichtigung anderer Staaten, die ihnen mit der Verfügung über dieselben Mittel in die Quere kommen, die es gar wagen, ihre Kriegsmaschinerie in Marsch zu setzen, werden sie dann wieder Kritiker der Gewalt; und die Ergebnisse der Waffengänge, die natürlich des zielstrebig mit „Gewaltlosigkeit“ verwechselten lieben Friedens wegen stattfinden, heißen „Weltordnung“ oder so ähnlich.

Kurz: Nichts, aber auch gar nichts in der stets mit ihren „Werten“ Freiheit und Gleichheit charakterisierten Welt funktioniert ohne den dauernden Gebrauch von Gewalt. Überall, von der häuslichen Pflege des Rechts bis zu weltpolitischen Großaktionen, die die auswärtigen Rechte gewisser Nationen sichern, ist sie am Werk. Und niemand stört es, außer eben ein paar Kritiker. Genau umgekehrt dürfen sich diese ein hemmungsloses Bekenntnis zur Gewalt nach dem anderen anhören - und sich die Gewaltfrage stellen lassen.

Wenn dann Folgendes geschieht:

„Die MG bekennt im übrigen offen, dass die Beseitigung des bürgerlichen Staates nach ihrer Einschätzung nur gewaltsam möglich sei: Auf einem Teach-In ‚Marxismus und Gewalt‘ im Sommer 1989 erklärte MG-Hauptagitator Karl Held dazu ganz unverblümt (‚Was jetzt kommt, ist zum Mitschreiben für den im Saal anwesenden Verfassungsschutz gedacht‘): Marxisten beantworten die Frage, inwieweit Gewalt angewendet werden dürfte ausschließlich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. So sei das Bombenlegen durch Terroristen als idiotisch zu beurteilen. Gewaltanwendung sei erst in einer revolutionären Situation lohnenswert und notwendig.“ (48) -,

dann wird nicht etwa die Zurückhaltung honoriert, die sich da im Vergleich zu den Befürwortern des Systems weltweiter Freiheit offenbart. Da hilft es gar nicht, dass da welche auf die Ergänzung der Gewaltorgien um noch ein paar Schlachten keinen Wert legen; weil sie nämlich nur das Nötige, das aber schon in Betracht ziehen, um dem ausgiebigen Gebrauch der Gewalt ein Ende u setzen. Was sie mit „revolutionärer Situation“ umschreiben, ist im übrigen überhaupt kein Geheimnis. Wenn nämlich ihre Kritik von denen für die brauchbare Formulierung ihres Interesses gehalten wird, die unter dem famosen System unserer Tage immer etwas zu kurz kommen, kracht es ohnehin schon wieder. Und zwar schlicht deswegen, weil sich gewisse Abteilungen der Demokratie gar nicht dem „Druck der Straße“ beugen und das Volksbegehren mit einer Verfassungsänderung samt Rücktritt beantworten. Für solche Fälle hat jede Demokratie ihre Schubladen mit Plänen darin. In diesem Fall - soweit geht das „unverblümte“ Bekenntnis - kann sich der Hauptagitator einfach auch nichts anderes vorstellen.

Wie gesagt, solche Zurückhaltung wird nicht gewürdigt. Genauso wenig würde die Beteuerung, man sei allemal auf eine „friedliche Revolution“ aus, etwas nützen. dass die Verfassungsänderung, die Kommunisten wollen, völlig automatisch und gerechterweise dazu, die Macht des Rechts auf den Plan ruft, das außer Kraft gesetzt werden soll, wissen die Fragesteller selbst am allerbesten. Freudig würden sie uns entgegen schmettern: „Geht gar nicht ohne Gewalt!“ - und der Dialog wäre auch wieder zu Ende.

Und zwar mit dem einzigen Ergebnis, dessen er von seiner Anlage her fähig ist: Diejenigen, denen die sinnige Gewaltfrage gestellt wird, sind als Anwendungsfall der amtierenden Gewalt vorgesehen, sonst nichts! Mit dem Abschluss des demokratischen Lackmus-Test ist auch die ganze komplizierte Ermittlung abgeschlossen, die auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit geht. In dem genialen Dokument, das über die MG vorliegt und nur wegen des abgeschlossenen Tests herauskam, ist freilich noch lange nicht Schluß. Weil nämlich die Herren Mitarbeiter - Frauen trauen wir aufgrund unserer guten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht solche Anfälle von Hass einfach nicht zu - von der Sektion Geist den staatlichen Befund unbedingt durch einen Beweis legitimieren wollen. Der zeigt, warum wir es verdienen, als Feind ansehnlichen Kalibers behandelt zu werden.

Wer Werte kritisiert, frisst auch kleine Kinder!

Getreu dem bei Geisteswissenschaftlern verbreiteten Aberglauben, das Recht sei nicht das banale Regelwerk für das, was die Staatsgewalt zu richten sich aufträgt (Achtung ihr Verfassungsschützer: Das war jetzt Adorno-Stil! ), sondern recht eigentlich die Vollstreckung der Moral, der sich jedermann verpflichtet weiß, findet ein Tribunal statt. Die MG wird daraufhin begutachtet, was ihre Aussagen im Lichte der von allen Menschen guten Willens geteilten menschlichen Werte für ihre Be- und Verurteilung hergeben.

Da trifft es sich erst einmal gut, dass wir uns gerade zu Fragen der Werte und ihres Verhältnisses zur Realität, zur gewöhnlichen Praxis in der Welt des Schachers und der Macht sehr eindeutig geäußert haben. Freiheit und Gleichheit z.B. haben wir des öfteren gar nicht erst als Werte hochleben lassen, wie es sich für zivilisierte Einwohner des wilden Westens gehört. Statt dessen hingeschrieben, dass es sich um sehr schlichte, durch Gewalt hergestellte und bewahrte, Verkehrsformen des bürgerlichen Eigentumsverteilungsparadieses handelt.

dasselbe haben wir an dem Wert „Frieden“ verbrochen: mit einer ausführlichen, über Jahre hinweg fortgeführten Bestandsaufnahme der „Realität“. Herausgekommen ist eine herbe Enttäuschung über den stets so hoch gehandelten „Weltfrieden“ - ein Zustand der uns gleich in mehrerer Hinsicht keinen Anlass zur Freude gibt. n diesem Zustand gehören staatlich-völkerrechtlich organisierter Mord und Totschlag zur Tagesordnung; gehungert und gelitten wird so sehr, dass selbst der Bundeskanzler einmal an einem Afrika-Tag noch vor der Unterzeichnung des nächsten Lome-Abkommens einen Hunderter in eine Büchse getan hat. Und was das Schönste ist Kriege größeren Formats sind wegen „unserer“ Interessen ständig im Programm, ohne dass die Interessenvertreter oder die Rüstungsfabrikanten vor dem Weltfrieden erschrecken würden. Im Fall Irak ist im freien und gleichen Westen ein „Hurra“ zum Krieg ausgebrochen, das nur durch spezielle deutsche Berechnungen, die sich allerdings nicht auf Geldspenden auswirkten, etwas versaut wurde. Inzwischen hat sich das wieder gelegt und ganz viel Gewalt für die neue Weltordnung wird in Amerika und Europa zusammengestellt.

Diesen real existierenden Zynismus des Weltgeschehens haben die Freunde von der Sitte uns übelgenommen. Und einmal auf die Fährte unserer „zynisch-menschenverachtenden Agitation“ gestoßen, sind sie in noch viel gravierenderen Fällen fündig geworden. Im Norden der Republik haben es MGler gewagt, dem Fanatismus zu widersprechen, der im Namen des „Lebens“ forderte, auf jeden Fall behinderte und zu mehr als bloßem Leben nicht fähige Kinder zur Welt zu bringen. Sie haben dabei ausnahmsweise nicht mehr Verständnis für die Abtreibung in solchen Fällen gezeigt, als es unser Rechtsstaat und seine Ethik-Kommissionen bisweilen auch tun - und dennoch:

„Von solchen Auffassungen bis zur Forderung nach Vernichtung ‚unwerten Lebens‘ scheint nur ein kleiner Schritt zu sein.“ (52)

Nachdem wir die Theorie und Praxis der ökologischen Bewegung einer ausführlichen Betrachtung nach der anderen unterzogen hatten, konnten wir nicht umhin auszusprechen, was uns an der Sorge um die „Umwelt“ mißfällt. Erst recht dann, wenn sie höchstoffiziell in einem Ministerium dieses Namens praktisch tätig wird. Unsere Bestandsaufnahme der Realität hatte ergeben, dass zwar mit der Aufnahme der Rubrik „Umwelt“ in die politischen Diskussionen, in die Parteienkonkurrenz und ins Kabinett die Skandale immer mehr werden. dass aber der Verbrauch der natürlichen Lebensbedingungen durch das weiterhin freie und gleiche Geschäft der Marktwirtschaft überhaupt nicht gebremst oder gar verhindert wird, daheim und auswärts. Das führt bei den Gutachtern zu dem messerscharfen Schluß, dass wir dann wohl

„... ökologische Fragen für belanglos halten.“

Dieser aller modernen Moralität ins Gesicht schlagenden Rücksichtslosigkeit sind sie in denkbar origineller Weise auf die Schliche gekommen. An anderer Stelle und recht häufig haben wir die logischen Schnitzer aufs Korn genommen, durch die die Notwendigkeit des Kapitalismus mit dem Argument der Knappheit bewiesen werden soll. Es wollte uns nicht recht einleuchten, sich „die“ Wirtschaft als einen mehr oder minder raschen Verbrauch von Ressourcen, die unter die Menschheit verteilt werden, vorzustellen; um dann auch noch und gerade die flotte Produktionstätigkeit des modernen Kapitalismus auf der ganzen Welt als die passende Antwort durchgehen zu lassen, die das „Knappheitsproblem“, akademisch und reiflich überlegt, erzwingt. Wir haben unserer Auffassung Ausdruck gegeben, dass an solchen Theorien nichts stimmt - weder die „Prämissen“, noch die „Konklusion“; wir haben den Zusammenschluss des Knappheitstheorems mit dem Wunsch nach Schonung von Erde, Wasser und Luft als Lebensmittel für wissenschaftlich unhaltbar erklärt. Und was entnehmen aus solchen „Einlassungen“ unsere Fahnder von der politischen Sitte: Bei uns käme

„das Phänomen (!) ökonomischer Knappheit nicht vor. Wer dergestalt behauptet, materielle Produktion könne unbegrenzt gesteigert werden, wird auch ökologische Fragen für belanglos halten.“

Selbstredend hat dann die MG auch nichts übrig für den

„... Erhalt der Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen“. (50)

Da dürfte es auch wenig Sinn haben, zu vermelden, dass uns der Quark von wegen „unbegrenzt“ noch nie gekommen ist; dass hier ein paar intellektuelle Spinner nur ihren Einfall von der Knappheit wiederholen und überhaupt nicht mehr wahrnehmen, wie kapitalistisch tätige Instanzen flott und „umweltschädlich“ dazu ihre Produktion steigern, ohne die geringste Rücksicht auf die nächsten Generationen. Am liebsten möchten wir auch noch vorbringen: Nicht einmal die jetzige Generation kann sich halbwegs ernähren unter der Fuchtel der geldwirtschaftlichen Löser des Knappheitsproblems, ihr Idioten!

Aber was hülfe das in einem Schauprozess, der sich nur um den Nachweis unserer abgrundtief verwerflichen Gesinnung bemüht. Der zeigen will dass wir von den großen und kleinen Titeln nichts halten, deren Pflege Zeugnis davon ablegt wie sehr sich ein respektabler Bürger heutigentags um das Gelingen der im Grunde vorbildlich eingerichteten freien und sozialen Marktwirtschaft sorgt. Die ein ums andere Mal aufgelegte Platte, dass die Kritiker des Geschehens wie seiner wohlwollenden Deutungen diese Sorgepflicht vernachlässigen, führt zu einer Liste von Charaktermerkmalen, vor denen sich erstens der gebildete Zensor, zweitens die gesamte Öffentlichkeit angewidert abwenden kann. Damit die Zuwendung, die wir durch die Behörden erfahren, aus dem Geiste der Menschlichkeit begründet ist, geht es rund durch den Garten menschlicher Lüste. „Solidarität und Nächstenliebe“: Bei der MG Fehlanzeige, was eben irgendein Gegenteil bezeugt! Die haben ein Menschenbild, das nur das Schlimmste befürchten lässt. Sie können sich den Menschen nur als „Materialisten“ vorstellen; „menschliche Eigenschaften, die über materiellen Konsum hinausgehen, will die MG eliminieren“ - lautet die Fortsetzung, und schon steht fest, dass wir unser dem Menschen zuwiderlaufendes Bild von ihm auch auf seine Kosten exekutieren. Wer eines „Sammelbegriffs“ des Typus „Moralkacke“ fähig ist, der ist zu allem fähig. Dazu zählt die MG

„... alle Äußerungen des Gefühls, aber auch humanistische Anliegen, wie z. B. die Ideale der Französischen Revolution.“ (51)

Unter der MG geht es einerseits zu wie im Fernsehen. Da gibt es nämlich immer so feine Filme, wo ganze Planeten an Mannschaften herum laborieren, denen böse Kommandeure ihr Gefühlsleben verboten haben. Auf der anderen Seite wird das Leben einfach unerträglich. Denn dann hört sich unter beamteten wie aus dem Amateurlager rekrutierten Spitzeln das Französisch-Lernen auf. Nix mehr „egalite“ und so, und schon gar nichts mehr mit dem in diesen Kreisen beliebten Studium der Kriege, mit dem das revolutionierte Frankreich die Umwelt überzogen hat. Es wird die Hölle! Das erste Dekret der drohenden MG-Regierung verbietet allen Opfern ihren Hölderlin, das leise Abklimpern von Beethoven-Sonaten und - zu allererst: Gefühlsäußerungen! Das zweite ruft auf zu einem Fest: „das größere Fressen für die eigenen Kader.“

Endgültig entlarvt!

Diese Science Fiction einer MG-Herrschaft stammt ausnahmsweise nicht von den Staatssicherheitsgelehrten des Innenministeriums, sondern - bis auf das Zitat am Schluß - von uns. Unser Kommentar ist hier ausnahmsweise nicht zynisch, sondern eher verwundert. Wir haben uns nämlich schon an manches gewöhnt, was die Nachstellungen der Behörden angeht. Auch an vieles, was in der öffentlichen Auseinandersetzung unsereinem an Vorwürfen zuteil wird, die leicht unter dem „Respekt vor der Menschenwürde“ angesiedelt sind. Insbesondere von Seiten fanatischer Hochschullehrer, die teilweise ihre bescheuerten Meriten der Studentenbewegung verdanken. Von denen wurde radikalen Kritikern nie die „Ehre“ einer wie immer streitbaren Auseinandersetzung gewährt. Sondern Invektiven und Ordnungsrufe. Bisweilen auch so matte Zurückweisungen des ‚Typs, wir hätten kein Recht, den Namen der historischen Berufungsinstanz Marx zu führen. Nun sieht die Sache etwas anders aus. Die Redaktion des Innenministeriums hat sich etwas einfallen lassen. Sie hat nur das Dümmste aus zwei Jahrzehnten „Kampf der MG“ für würdig befunden in einer amtlichen Verlautbarung, über die MG Platz zu finden. Weil sie es für das Beste erachtet hat. Wenn der Staat der BRD nach einer guten Begründung für seinen Umgang mit den paar überflüssigen, aber vorhandenen und organisierten Kommunisten verlangt - so scheinen da ein paar berufene Geister gedacht zu haben -, so ist die Ernennung der MG zum Hauptfeind der Menschheit genau das Richtige.

Das Projekt ist, wie man sieht, gelungen. Hier wird nicht der Witz erzählt, dass, wer Roth Händle raucht, auch kleine Kinder frisst. Hier wird ernst gemacht mit „Erkenntnissen“, die endgültig niemandem mehr die Wahl lassen. Dem Antrag, einen praktischen Beitrag zur geistigen und politischen Hygiene im Lande zu leisten - also endlich einmal etwas zu tun für die Lösung eines Problems des Landes, dem sie sich verpflichtet wissen - sind ein paar studierte Beamte mit einem Eifer gefolgt, der uns das Fürchten lehrt. Denn wir wissen gar nicht genau, ob sie die Geschichten von Menschen, die anderen die Gefühle versagen, nicht wirklich glauben. Es ist uns also auch nicht danach zumute, sie darauf hinzuweisen, dass dergleichen nicht geht. Aber auch nicht danach, zu betonen, dass mancher Mensch beiderlei Geschlechts in der MG seine Gefühle gar nicht so schlecht bedient sah. Vielmehr nehmen wir erschreckt zur Kenntnis, dass die Mär von den Un- Menschen, die sich da an die Idylle der real existenten bürgerlichen Gesellschaft zum Zwecke des Vernichtens alles Lebenswerten heranmachen, auch noch über einen Beleg verfügt:

„Das ihrer Ideologie zugrundeliegende Menschenbild ist ethisch extrem unwertig“

so hebt ein Abschnitt in der Stasi-Schrift an, der sich auf die endgültige Beantwortung der Frage wirft, worum es uns nun letztlich ginge. Was man von solchen „ethisch extrem unwertigen“ Menschenbildern zu erwarten hat, verspricht dieser Abschnitt zu klären. Und das geht so:

„Intellektuelle Berührungspunkte scheint es auch mit einer anderen Spielart des ‚Steinzeit‘- Kommunismus zu geben: Sie geht auf ein radikales Revolutionsmodell zurück, das in den 50er Jahren eine Gruppe Studenten aus Indochina unter Führung eines gewissen Saloth Sar an der Universität Paris ausgearbeitet hatte. Es wurde zunächst allgemein für eine Entgleisung intellektueller Sektierer gehalten. Aber mehr als 20 Jahre später setzte Saloth Sar, der sich jetzt Pol Pot nannte, seine Utopie mit äußerster Konsequenz in die Tat um. Unter seinem Regime wurden in der ‚Demokratischen Volksrepublik Kamputschea‘ zwischen 1975 und 1979 mehr als eine Million Menschen umgebracht; das Land nach den ideologischen Vorstellungen der ‚Roten Khmer‘ umgestaltet. Handel, Gewerbe und Geldwirtschaft wurden radikal abgeschafft. (Beseitigung der ‚Sachzwänge des Kapitals‘). Die wirtschaftlichen und politischen Verbindungen mit der Völkergemeinschaft wurden weitgehend gekappt (‚Unabhängigkeit vom Imperialismus‘). Das kulturelle und religiöse Leben des Landes wurde vernichtet (Beseitigung ‚affirmativer Elemente‘ in der Oberflächenbewegung des Kapitals). Intellektuelle, die im Verdacht standen, nicht bedingungslos Linientreu zu sein, wurden liquidiert, das Schul- und Hochschulsystem zerstört (‚Kritik bürgerlicher Wissenschaft‘). Werkzeug dieses Terrors war eine konspirativ arbeitende ‚Organisation‘- in die Landessprache übersetzt ‚Angkar Leu‘. In ihr entschieden Sachwalter revolutionärer ‚Wahrheit‘, wer zu leben und wer zu sterben hatte. Dass eine solche Politik allen Standards der Moral, der Vernunft und der historischen Erfahrung widersprach, beeindruckte die ideologischen Dogmatiker der ,Roten Khmer‘ nicht. Pol Pots Stellvertreter dazu 1977: ‚Wir machen etwas, das es in der ganzen Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat‘. Diesem Regime war zur Verwirklichung seiner steinzeitlichen Utopie kein Preis zu hoch; weder Völkermord, noch die Zerstörung der zivilisatorischen Substanz des Landes: ‚Scheitern ist für sich genommen kein Argument, (...) solange man am vorgenommenen Zweck festhält‘.“ (54 f.)

Das sitzt. Und zwar ganz ohne „intellektuelle Berührungspunkte“, die es womöglich zu dieser Kunst der Zuordnung auch noch gibt. Presse und Volk sind aufgeklärt darüber, wen sie vor sich haben, wenn einer von der Marxistischen Gruppe einen Zettel verteilt und ein paar Schnitzer der letzten Vorlesung eines Professors der Soziologie, Pädagogik oder VWL erläutert. Da läuft der Anhänger einer „steinzeitlichen Utopie“ herum, der keinen Völkermord scheut. Unwichtig ist, ob der Zettel, den er verteilt, nicht gerade einen Artikel gegen den letzten Völkermord enthält. Da steht dann sicher auch etwas vom „Imperialismus“ drin, und wer sich mit dem anlegt, zwecks „Unabhängigkeit“, will eben nicht nur kleine Kinder fressen. Der lässt auch nicht locker, wenn dabei nichts Großes herauskommt. Terror ist seine „Utopie“ und in der Kritik von schönen Histörchen der modernen Volkswirtschaftslehre hat er bewiesen, dass das so ist:

„Welche Konsequenzen eine dergestalt menschenverachtende Politik hätte, ist aus geschichtlichen Erfahrungen mit kommunistischen Diktaturen bekannt. Da die Grundtatsache ökonomischer und ökologischer Knappheit auch von der MG nicht aus der Welt geschafft werden kann, müsste sie die materiellen Bedürfnisse der Bevölkerung auf niedrigem Niveau gleichschalten, um überhaupt ihre Planbarkeit zu ermöglichen. Um in der entstehenden Mangelwirtschaft die zu erwartende Unruhe niederzuhalten und noch bestehende Eigentumsunterschiede zu nivellieren, wäre ein flächendeckender Gewaltapparat erforderlich, der kompromißlos gegen alle Regungen menschlicher Individualität vorgeht.“ (54)

Zugleich ist von der Fahndungsgruppe „Menschenverachtung“ ermittelt worden, dass die in der MG herumsektierenden Typen die Berufsqualifikation zum Pol Pot längst erworben haben:

„Bei MG-Anhängern liegen die zu solcher Gewaltanwendung erforderlichen psychologischen Voraussetzungen vor; sie ergeben sich aus dem zynisch-verächtlichen Menschenbild und aus dem von der Gruppe erhobenen Wahrheitsmonopol. Die Utopie der MG erinnert letztlich an eine radikalkommunistische Zwangsgesellschaft, aus der kulturelle und zivilisatorische Traditionen weitgehend eliminiert wurden.“

Na wenn die Sache so ist, solltet ihr euch besser warm anziehen. Nein, nicht was ihr meint. Die Bundesregierung und andere freiheitliche Staatsführungen haben - aus unerfindlichen Gründen - mitten in der UNO jahrelang die solideste Anerkennungspolitik gegenüber dem von Pol Pot erhobenen Wahrheitsmonopol betrieben. Denen waren die „Regungen menschlicher Individualität“ ziemlich egal, als die Kamputscheaner geschunden wurden. Aber vielleicht wollt ihr bloß davor warnen, dass sowas bei uns passiert und die MG die „zivilisatorische Substanz des Landes“ zerstört. Was ja allemal dasselbe ist wie die Beseitigung der „Sachzwänge des Kapitals“.

Diese Warnung ist gut gelungen. Insgesamt weiß man freilich nicht mehr genau, wo die „Realität“ ist, an der die Studiengruppe MG sich orientiert. Aber einfach einmal so - schließlich sind die Verfasser des Schäuble-Papiers unbelastet von der anmaßenden Forderung nach „Wissen“, und ein Wahrheitsmonopol haben sie gleich gar nicht zu vertreten - geht das schon. Das Böse hat schon zu allen Zeiten seine Bilder angeheftet gekriegt, die es verdient. Damit die Menschen auch gescheit erschrecken und ihren Staat zum rechtzeitigen Eingreifen anhalten. Insofern geht die Sache eigentlich in Ordnung. Nur noch das Innenleben des Bösen bedarf der interessanten Analyse.