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Wahlniederlage der Sandinisten in Nicaragua
EIN VOLK SIEHT'S EIN
In Nicaragua sind neulich freie Wahlen abgehalten worden. Dabei hat die pro-amerikanische Opposition über die Regierung der linksnationalen Befreiungsfront, der Sandinisten, gesiegt. Das ist in der Öffentlichkeit der freien Welt als auffälliges Ereignis registriert worden. Denn der Wahlsieg der Oppositionskandidatin Chamorro und die Niederlage des Präsidenten Ortega bedeutet nicht bloß, wie sonst bei demokratischen Wahlen üblich und gewohnt, daß eine neue Mannschaft das feststehende Staatsprogramm weiterführt. Bei dieser Wahl stand zur Entscheidung, ob der Versuch fortgesetzt werden soll, dem Land und seinen Leuten eine Existenz außerhalb der dauernden US-amerikanischen Kontrolle und ohne totales ökonomisches Dienstverhältnis zu einigen wenigen US-amerikanischen Großhandelsfirmen zu verschaffen; um den Preis, daß die USA auch weiterhin militärischen und wirtschaftlichen Schaden anrichten bzw. anrichten lassen würden. Die Alternative war die Rückkehr unter die Botmäßigkeit gegenüber den USA mit der Aussicht, daß zumindest der blutige Kleinkrieg der US-Söldner, der Contras, eingestellt würde, und mit dem Versprechen, die USA würden mit großzügiger Wirtschaftshilfe für ein blühendes Nicaragua sorgen.
Das Wählervolk "durfte" sich also - ganz abweichend von demokratischer Sitte - frei und geheim zwischen zwei Staatsprogrammen entscheiden. Die eigentliche Alternative hatten aber weder die Sandinisten noch die Oppositionsgruppen aufgestellt. Die USA hatten das Volk vor die Wahl gestellt, sein Ideal eines nationalen Aufstiegs mit den Opfern eines zermürbenden Wirtschaftskriegs und eines blutigen Guerilla-Kriegs zu bezahlen oder diese Last los zu werden - eine klare Alternative, wie das bei Erpressungen so üblich ist. Und auf diese Erpressung hat die sandinistische Regierung in einer Weise reagiert, die für nationale Regierungen ansonsten in der freiheitlichen Staatenwelt völlig untypisch ist und von keiner demokratischen Regierung zugelassen würde: Sie hat ihrem Volk allen Ernstes freigestellt, die Kapitulation z u wählen.
Über das Wahlergebnis hat sich die demokratische Weltöffentlichkeit denn auch gewundert. Vor allem aber hat sie sich nicht damit begnügt, eine gelungene Erpressung zu registrieren und die Skrupellosigkeit zu vermerken, mit der die amerikanische Demokratie fremden Völkern buchstäblich die Pistole auf die Brust setzt, damit sie "richtig" wählen. Sie hat die Erpressung notiert, diesen Befund aber nie einfach mal stehen lassen. Alle guten Demokraten wußten auf Anhieb gute Gründe für die Niederlage der Sandinisten und haben sich in dem einen oder anderen Punkt der Wahlsiegerin angeschlossen, die ihrem Volk zu seiner hervorragenden Wahl gleich gratuliert und ihm seine wahren Beweggründe erläutert hat:
"Den Sandinisten gelang es nicht, die Anti-Yankee-Gefühle anzufachen. Die Mehrheit der Nicaraguaner wünscht freundschaftliche Beziehungen zu den USA, denn das bedeutet das Ende des Handelsembargos und die Wiederaufnahme der Wirtschaftshilfe. Und die Wähler wußten, daß wir viel besser als die Sandinisten in der Lage sind, das Verhältnis zu Washington zu normalisieren.
Der Fall der Berliner Mauer muß doch auch bei uns den Marxisten-Leninisten die Augen geöffnet haben. Wenn der ganze Ostblock vom Marxismus abrückt, warum sollte er dann hier eingeführt werden? Das Virus der Demokratie wird sich in ganz Mittelamerika verbreiten. Wenn unser Wahlsieg dazu beiträgt, um so besser."
Die Dame weiß jedenfalls, was für ihr Land Demokratie ist: sich den Amis nicht in den Weg zu stellen. Das Staatsprogramm wird sie schon hinkriegen und ihr Land von der Abschußliste der USA herunterbringen. Daß die Yankees damit ihre Hilfe für das nicaraguanische Volk bereits abgestattet haben, steht auch schon fest:
"Nach Chamorros Wahlsieg, sollen die USA nun aber zahlen. '400 bis 600 Millionen Dollar brauchen wir sofort' erklärte Chamorro-Berater Francisco Mayorga. Mehrere Milliarden werden in den nächsten Jahren benötigt. 'Wir haben keinen einzigen Cent, um dafür zu bezahlen'." (der US-Senalor R. Dole)
"Dona Violeta, höhnen Kenner der US-Außenpolitik, tue gut daran, sich mit dem Schicksal von Grenada vertraut zu machen. Nach dem US-Einmarsch 1983 habe Washington dem Inselvolk eine großartige Zukunft versprochen. Amerikanische Unternehmer sollten das erschöpfte Land durch steuerbegünstigte Investionen wieder auf Trab bringen.
Daraus wurde nichts. Heute ist die Insel so arm wie zuvor."
Aber es sollte ja auch mehr um das"Virus der Demokratie" gehen. Und das wissen auch schon wieder alle sofort, wohin das sich in Mittelamerika nun zu "verbreiten" hat:
"Der Blick der internationalen Öffentlichkeit wird sich nach diesem WahLergebnis schnell von Nicaragua abwenden und ein neues Ziel ins Visier nehmen: Cuba." (Süddeutsche Zeitung, 27.2.)
Wer hat der Weltöffentlichkeit bloß dieses neue Ziel verraten?!