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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1990 erschienen.

Systematik

In eigener Sache
UNSER "VERHÄLTNIS" ZU DENEN IN MOSKAU

Daß die im Kreml nichts können und auch gar nichts Gescheites wollen, haben wir schon zu Leonids Zeiten gesagt. Die Gründe dafür sind ausführlich veröffentlicht worden; und zu einer Betrachtung der russischen Art unter dem Gesichtspunkt, ob solcher Sozialismus, seine Macht und seine Mittel, seine Erfolge und Mißerfolge eine Bedingung für uns sind, haben wir uns nie herbeigelassen. Daran hat sich auch nichts geändert, als das Theater der Perestrojka auf den Spielplan kam und in den Zentren des Kapitals mächtig Eindruck machte. Wir haben uns und anderen die antikommunistischen Spitzenleistungen des neuen Denkers und Machers erklärt. Auch die Merkwürdigkeit, daß sich der Eifer der Prominenz nicht nur im Westen, sondern auch drüben gegen eine Sache richtet, von der hinten und vorn nichts zu sehen ist. Gegen die unter demokratischen Imperialisten und linken Weltfriedensbewahrern übliche Art, ein neues Reich guter Bedingungen anbrechen zu sehen, haben wir explizit Stellung genommen. Einerseits wegen der Sache, die da so aufgeregt begrüßt wurde, andererseits wegen des Interesses, das ihr so aufregende Perspektiven entlockte. Das hat uns eine Menge Unverständnis und Feindschaft eingetragen. Jede Erklärung der Moskauer Linie wurde für "Verständnis" und Sympathie genommen, nur weil sie sich von der fanatischen Freiheitshetze unterschied, ja sogar ausdrücklich den verkehrten und absichtsvollen Verurteilungen des zu erledigenden östlichen Lagers entgegentrat. All das hat uns schwer getroffen.

Noch unerträglicher wäre es freilich, wenn jetzt - angesichts unserer "Leistungsbilanz" der Perestrojka - erneut der dumpfe Vorwurf laut würde, wir wären weit und breit die einzigen Miesmacher des schönen Aufbruchs im Lande Lenins und würden ebenso isoliert die Sache Leonids wiederbeleben wollen. Das möchten wir uns ersparen. Andererseits, auch das sei vermerkt, verwahren wir uns ein weiteres Mal gegen den Antrag, uns endlich in die Einheitsfront einzureihen, die "Kommunismus tot!" brüllt und den Export der Freiheit fordert. An der Endlösung möchten wir nicht einmal geistig beteiligt sein.

Bleibt der berechtigte Anspruch aller uns irgendwie gesonnenen Leser auf die Beantwortung der Frage, was wir nun für die Russen übrig haben, wenn sie friedlich oder nicht so ganz untergehen. Diese Frage zwingt uns dazu, Farbe zu bekennen und uns auch einmal der Bedingungslogik in ihrer ganzen Schärfe zu stellen. Auch dieser Konsequenz möchten wir nicht ausweichen. Also:

Wenn sie weg sind mit ihrem System und ihrem Staat, dann ändern sich unsere Bedingungen überhaupt nicht. Wohl aber die der Mächte, die immerzu "Freiheit oder Sozialismus" schmettern, wenn sie den Kreis ihrer Zuständigkeit erweitern wollen. Das hört sich nämlich auf, wenn sich lauter Freiheitliche und sonst niemand an die Wolle gehen. Und weil das wiederum eine wunderbare Kampfbedingung für Antiimperialisten ist - man kann ihnen einfach nichts mehr vorwerfen in puncto "Feinde der Freiheit" - "ist es uns scheißegal, was aus den realen Sozialisten wird.