Info
Einwände gegen den Aufruf zur Demonstration: "Nie wieder Deutschland"
DIE EROBERUNG DER DDR DURCH DIE BRD - KEIN DEUTSCHER WAHN, SONDERN ERFOLGREICHER IMPERIALISMUS
"Nie wieder Deutschland!" will eine radikale Absage an das Programm der Wiedervereinigung der deutschen Nation und des damit verbundenen deutscnen Nationalismus sein. Dem Anschluß der DDR an die BRD will das Demo-Bündnis (so ziemlich die komplette westdeutsche Linke), das unter dieser Parole am 12.5. in Frankfurt demonstriert, keine positiven Perspektiven entnehmen, wie es z.B. die Grünen im Lande längst tun. So weit, so gut. Bloß: Leider gerät das radikale Nein dieses Spektrums zu einer ausgesprochen untauglichen Warnung vor den gefährlichen Folgen, die der Anschluß mit sich bringen könnte; zu einer absurden Beschwörung eines alten deutschen (Un-)Geists, der die Vergrößerung der Nation erst zu einer "Gefahr" mache; zu einem erlesenen Streit um die Berechtigung der Rechtfertigungstitel die einer Nation und insbesondere der deutschen gut zu Gesicht stünden; und schließlich sogar zu einer Parteinahme für den Status quo einer imperialistischen Weltordnung, die "Chancen" für eine friedlichere Entwicklung" böte, wäre da nicht die Wiedervereigung!
Großdeutschland eine möglicherweise drohende Gefahr?
"Ein ökonomischer und politischer Koloß in der Mitte Europas, der sich Rufseine Identität mit dem deutschen Nationalstaat zwischen 1871 und 1945 beruft, ist ein Viertes Reich."
"Ein vereinigtes Deutschland wird die ökonomische Hegenomie über West- und Osteuropa besitzen und die politische Führung behaupten. Imperialistischer Größen- und Eroberungswahn und eine auch militärische Dynamik könnten die Folge sein." (Alle Zitate aus dem Demo-Aufruf in "Nie wieder Deutschland" Nr. 1)
Was trägt es eigentlich zur Erklärüng der Interessen der neuen deutschen Nation, ihrer Mittel und der von ihr geschaffenen Opfer bei, wenn man ihr aktuelles Staatserweiterüngsprogramm in die - anerkanntermaßen - unrühmliche Tradition der Vorgängerstaaten auf deutschem Boden einreiht? Wird der "Koloß", den man in der BRD resp. Gesamtdeutschland ausmacht, erst dann und dadurch zu einer furchterregenden Angelegenheit, daß er sich neben den Machtmitteln, die er als Nato-Macht und Exportweltmeister im ökonomischen und diplomatischen Getriebe Europas in Anschlag bringt auch noch als Rechtsnachfolger seiner Vorgänger präsentiert? Fast möchte man diese Kritiker fragen ob sie ohne die allseits verdammte "deutsche Vergangenheit" als Berufungsinstanz überhaupt noch eine Kritik an der Wiedervereinigung wüßten. Gerade der ewig bemühte Vergleich der BRD und ihres Eroberungsprojekts mit Hitlers Großdeutschland und dem bekannten "bösen Ende", der der radikalen Absage an Deutschland ihre Schlagkraft verleihen soll, ist in Wahrheit eine einzige Verharmlosung dessen, was dieser Staat längst und im Unterschied zu Hitler mit einer ganzen Nato im Rücken betreibt. Über all das, was von dem "Koloß" erst dann befürchtet wird, wenn er die "Hegemonie" in Europa besitzt, verfügt die BRD doch längst - und vor allem: Es ist alles andere als ein "Wahn". Die Interessen, die diese Nation zu verteidigen hat, umspannen die ganze Welt; ihre DM kommandiert nicht nur Europa, sondern macht auch dem Dollar in Sachen Weltgeld Konkurrenz; und die Auflösung des Ostblocks ist nicht zuletzt das Produkt der segensreichen Anwendung der Kreditwaffe von bundesdeutschem Boden aus. Anders gesagt: Wenn sich dieser Staat diese imperialistische Wucht, andere Staaten für die eigenen Interessen zu benutzen (übrigens unter Anerkennung von deren Souveränität), nicht längst verschafft hätte, könnte er nicht so unverfroren gegenüber dem Rest der Staatenwelt sein Recht auf Annexion der DDR behaupten und durchsetzen. Und: Ohne diese längst erzielte Weltmacht des deutschen Imperialismus bestünde auch nicht die unerschütterliche Sicherheit Bonner Politiker, daß sich die Beute DDR auf jeden Fall lohnt - für die Geschäftemacher der Nation und die Nation selbst, weil der absehbare Geschäftserfolg ausschließlich in ihrer Landeswährung anfällt.
Demgegenüber vor einer "Gefahr" zu warnen, die von Großdeutschland ausgehen "könnte", ist - gelinde gesagt - ausgesprochen matt. Noch dazu, wenn diese "Gefahr" aus einem "Größen- und Eroberungswahn" und einer von ihm ausgelösten ominösen "Dynamik" stammen soll: Weil der deutsche Imperialismus schon immer zu "Abenteurertum" neigte, also seine Mittel und Grenzen nicht richtig einzuschätzen wußte, deshalb und nicht wegen seiner materiellen Anliegen in der Konkurrenz mit lauter gleichgesinnten Konkurrenten soll dieses Land zu einer "Bedrohung" des "Friedens" werden?!
Im übrigen fällt es den Politikern der BRD sehr leicht, die Bezichtigung, ihr Machterweiterungsprogramm sei eine Neuauflage der "alten nationalistischen und expansionistischen Ziele des deutschen Reiches", zurückzuweisen. Was fällt den düsteren Propheten eines heraufziehenden "Vierten Reiches" eigentlich dann noch ein, wenn Genscher und Co ein ums andere Mal "den europäischen Rahmen" betonen, in den ihr Gesamtdeutschland "eingebettet" sein soll, locker für "offene Grenzen" plädieren und sich demnächst vielleicht sogar die Nato-Mitgliedschaft ihres neuen Staates vom Feind absegnen lassen - übrigens mit dem schönen, berechnend an die unselige deutsche Vergangenheit erinnernden Hinweis ein "deutscher Sonderweg" habe schon einmal in die "Katastrophe" geführt?
Großdeutschland eine Verletzung des Völkerrechts?
"Nationale Selbstbestimmung kann nur eine Waffe der kolonisierten und in Abhängigkeit gehaltenen Völker gegen ihie Unterdrücker sein. Weder die DDR noch die BRD sind kolonisierte Völker. Ein durch Selbstbestimmung der Deutschen zu realisierendes Recht auf Vorherrschaft, ein Recht auf Imperialismus, kann es nicht geben, selbst wenn sich Mehrheiten in Umfragen für eine Deutsche Einheit aussprechen. Dem stehen nämlich die Rechte der anderen. Länder auf Sicherheit, Frieden und eigenständige Entwicklung entgegen."
Offensichtlich schlagen sich die radikalen Neinsager zu Deutschland hier mit dem Rechtstitel herum, den die Kohl-Regierung für den Anschluß in Beschlag genommen hat: das berühmte "Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes". Und dieser Titel scheint ihnen einige Schwierigkeiten zu bereiten, weil sie dieses höhere Recht einst selber gepachtet haben - für Völker, die es ihrer Meinung nach durch "Abhängigkeit" verdienten. Dabei wäre der Gebrauch des "Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes" durch die bundesdeutschen Regierungen, die damit ihren Herrschaftsanspruch auf das ganze deutsche Volk legitimierten, eine schöne Gelegenheit, diese Berufungsinstanz endgültig auf den Müllhaufen der vielzitierten Geschichte zu werfen: So geben die Machthaber der BRD ihr Interesse an der Vergrößerung ihres Herrschaftsgebiets als Dienst an dem Volk aus, das sie regieren wollen; und verbitten sich im Namen dieses höheren Auftrags gegenüber Freund und Feind jeden Einspruch gegen ihr Projekt. Eine leicht zu durchschauende Ideologie, die auch nur deswegen Gewicht hat, weil die BRD die Machtmittel hat, um andere Gewalten zur Anerkennung dieses Rechts zu zwingen. Die Wahrheit des "Selbstbestimmungsrechts eines Volkes" - das wird in diesem Fall so oberdeutlich - liegt allein in der Gewalt des Staates, der es in Anschlag zu bringen vermag.
Demgegenüber ist es ausgesprochen lächerlich, wenn radikale Kritiker einen ideellen Rechtsstreit darüber anzetteln, was einer souveränen Staatsgewalt in der heutigen Welt zusteht und was nicht. Ganz so, als ginge es im modernen Imperialismus um Fragen höherer Erlaubnisse, die ein Weltoberschiedsrichter zu verteilen hätte, und nicht um Gewaltfragen der banalsten Art! Davon wird sich der deutsche Imperialismus kaum erholen, wenn ihm die radikale Linke das Recht zu dem, was er tut, rundheraus abspricht!
Doch damit nicht genug. Die Zeugen für diesen grandiosen Rechtsbruch sollen ausgerechnet "die Rechte der anderen Länder sein". Welche sind damit gemeint: Etwa die Interessen Frankreichs, das mit der BRD partnerschaftlich um die Vorherrschaft in Europa ringt: Etwa das Interesse des polnischen Staates, der zwar unter dem besagten deutschen Rechtstitel leidet, aber nichts sehnlicher will, als unter dem Protektorat (pardon: der "Fürsorge") der BRD das eigene Volk einer ertragreicheren Benutzung zuzuführen, damit die polnische Souveränität wieder etwas zählt in der Welt: Soll man sich als Bewegung, die den deutschen Imperialismus bremsen will, denn ausgerechnet auf die berechnenden Einsprüche konkurrierender Staatsgewalten positiv beziehen und diese als Streben nach "Sicherheit, Frieden und eigenständige Entwicklung" verhimmeln: Da bekommt dann sogar die Nato von den radikalen Deutschlandgegnern zuerst den ehrenvollen Auftrag verpaßt, den deutschen Nationalismus in die Schranken zu weisen, und dann geben sie sich bitter enttäuscht, daß die Nato das ja gar nicht tut:
"Die Nato will künftig die sprunghaft erstarkende deutsche Großmacht nicht mehr am Boden halten (bekanntlich der alle Hauptauftrag der Nato.!). Früher nannte man das Appeasement."
Die Nato - das Kriegsbündnis, das mit seiner Abschreckungspolitik den Deutschen ihren unverhofften Erfolg erst verschafft hat - geht vor Deutschland in die Knie wie seinerzeit die Westmächte vor Hitler?! Wie wär's denn mal mit der kleinen Einsicht, daß imperialistische Mächte, heute genauso wie früher, andere Aufgaben kennen als die, die ihnen im nachhinein von Historikern immer angedichtet werden: der Welt "Unheil" zu ersparen. Zumal dann, wenn sie wie die verbündeten Nato-Mächte heute noch genau die Rechnung offenstehen haben, zu deren Erledigung sie sich einmal zusammengeschlossen haben.
Überhaupt: Sollte eine Bewegung, die sich im Inneren der geforderten Identifizierung mit den Anliegen der Nation entgegenstellen will, nicht auch auswärts ein bißchen unterscheiden zwischen den Anliegen der dortigen Staatsgewalt und den Leuten, die ihr unterworfen sind: Sie sollte! Und sie sollte ein bißchen Ahnung davon haben, wie Imperialismus funktioniert. Wenn nicht, dann plädiert sie - mitten im düstersten Gemälde über die spezielle Verwerflichkeit des deutschen Imperialismus - plötzlich für mögliche wohltätige Wirkungen, die von deutschem Boden für die darbenden Massen im Ostblock ausgehen könnten, wenn die Herrschenden in Bonn bloß nicht so deutsch-fixiert wären:
"Nicht allen RGW-Staaten gilt die gleiche 'Fürsorge', wie sie gegenüber der DDR zur Schau gestellt wird. Polen und anderen droht eine der Dritten Welt vergleichbare Situation. Sie sollen, Hinterhof der reichen westeuropäischen Staaten werden. Der DDR winkt eine andere Entwicklung, weil sie 'deutsch' ist - aber nur, wenn sie 'gesamtdeutsch' werden will."
Was jetzt? Die "Wiedervereinigung" - ist sie jetzt ein imperialistischer Akt, der die "Landsleute" drüben unter die Fuchtel der DM bringt und damit die deutsche Weltmacht vergrößert: Oder ist sie eine wohltätige Vorzugsbehandlung für Thüringer und Sachsen, die den anderen Völkern im Osten wegen deutschem Rassismus vorenthalten wird?! Das Pech Polens und der polnischen Bevölkerung, nicht eingemeindet zu werden:! Das Desinteresse an der Aufklärung über die Art der "Fürsorge", die der DDR-Bevölkerung zuteil wird, führt dazu, Imperialismus als versagte Hilfe und Unterstützung für andere Nationen zu definieren. Eine deutsch-nationale Bornierung hindert den deutschen Imperialismus an der Mission, zu der er als "reiches" Land berufen wäre?!
Großdeutschland - das Produkt eines bösen Nationalcharakters?
"Außen- und innenpolitisch will der Nationalismus aus dem Schatten Hitlers heraustreten und die 'Gnade der späten Geburt' zur neuen Doktrin erheben."
"Heute droht die Schlußstrichmentalität zum neuen nationalen Konsens zu werden."
Daß die Machthaber in Bonn heutzutage, wo sie einen Staat regieren, der durch seine Machtmittel in der Staatenwelt Respekt genießt, es nicht mehr für nötig halten, aller Welt Zerknirschung über das Dritte Reich und seine "im deutschen Namen begangenen Verbrechen" vorzuheucheln, ist nicht zu übersehen. Bloß: Soll man ausgerechnet das bedauern, daß dieser jahrzehntelang gepflegte diplomatische Schein der Bescheidenheit und des prinzipiellen Unterschieds von Demokratie und Faschismus, mit dem sich der demokratische Nachfolgerstaat den Freibrief für seinen Wiederaufstieg zur Weltmacht verschafft hat, jetzt offiziell ad acta gelegt wird? Wäre das nicht eine gute Gelegenheit zu der Einsicht, daß so hochmoralische Dinge wie Schuld und Sühne gar keine Staatsanliegen waren und sind, sondern stets bloß Mittel für die verlogene Selbstdarstellung dieser Nation waren? Die Verfechter des radikalen Nein zu Deutschland freilich scheinen so verliebt in die "alte Doktrin" von der moralischen Verpflichtung der Deutschen zu sein, daß sie die neue "Mentalität", mit der die nationale Sache vorangetrieben wird, für wichtiger halten als diese selbst. "Antideutsch" sind sie weniger wegen der ökonomischen Interessen, die diese Staatsgewalt (wie etliche andere auch) organisiert und die der Mehrheit des Staatsvolks und dann auch anderen Völkern nicht besonders gut bekommen; "antideutsch" sind sie vor allem deswegen, weil das Kollektiv dieses Namens, dem se sie selbstverständlich zurechnen, die "Last von Auschwitz" und den moralischen Auftrag, den die Kritiker daraus für "ihre" Natiön ableiten, so gewissenlos wegschiebt.
"... Wir halten die antideutsche Haltung für die einzig richtige. Nicht weil wir uns als überwiegend hier geborene als die besseren Deutschen profilieren möchten (schönes Dementi!) oder glauben, uns aus der Geschichte dieses Landes stehLen zu können. Sondern weil wir in der entschiedenen Opposition gegen die Wiedervereinigung die einzige Möglichkeit sehen, uns der Verlängerung der blutigen deutschen Geschichte entgegenzustellen."
Diese "antideutsche Haltung" ist alles andere als eine schlichte Absage an den nationalen Zwangsverband und die "Identität" die dieser jedem seiner Zwangsmitglieder unabhängig von jeglichem eigenen Nutzen abverlangt. Nein, "Deutschland" wird verworfen weil diese Nation - Auschwitz und " Schlußstrichmentalität" sollen es beweisen - einfach abgrundtief böse ist, so daß man sich ihrer als "hier Geborener" direkt schämen muß und dringend vor einem grundlosen Vernichtungswillen warnen muß, der angeblich in ihr steckt:
"Es ist das Land, in dem selbst der Faschismus in einer einzigartigen niederträchtigen, von Vernichtungswillen geprägten Form, als Nationalsozialismus an die Macht gebracht wurde. Allein in der Teilung Deutschlands war eine friedlichere Entwicklung angelegt."
Mal abgesehen davon, daß in der "friedlicheren Entwicklung" (die nicht umsonst hier im Potentialis daherkommt) von dem einen Teil der geteilten Nation genau die Ansprüche und Machtmittel akkumuliert worden sind, die es ihm jetzt erlauben, den anderen zu annektieren und dabei so gründlich umzukrempeln, daß dieser als erweiterte Machtbasis taugt. Liebe Leute von "Nie wieder Deutschland" - ihr habt euch also dazu entschieden, die "Gefahr", die von Großdeutschland aus geht, in letzter Instanz in ein "teutsches Gemüth" zu verlegen, also zu einer - wie auch immer produzierten Eigenart dieses Volksstamms zu erklären, von der dieser wie von einem Geburtsfehler nicht loskommen soll. Bloß: Fällt euch daran nicht auf, daß ihr damit die Grundlüge des Nationalismus, nämlich die Übersetzung der imperialistischen Ansprüche der Nation in ein Recht, das in den Menschen begründet ist, vollkommen übernehmt. Nur daß ihr diese angebliche Eigenart anders als Kohl bewertet, nämlich durch und durch negativ.
Deshalb nur noch-ein letzter Hinweis zum Verhältnis Basis und Überbau: Der "nationalistische Taumel", der um den 9. November herum öffentlich-rechtlich entfacht worden ist, hat nur insofern mit der tatsächlichen nationalen Sache 'Wiedervereinigung' zu tun, als da diese für die Manövriermasse deutscher Macht mit viel Menschelei zum Unterhaltungsgenuß aufbereitet worden ist. Inzwischen gehen die allermeisten Deutschen wieder ihren alltäglichen Pflichten nach, halten sogar das Vereinigungs-Getue für übertrieben und stellen falsche Vergleiche zwischen den staatlichen Kosten der nationaleri Vergrößerung und ihrem Geldbeutel an, während die "Verantwortungsträger" der Nation ganz nüchtern und ohne jeden Wahn die Währüngs-, Wirtschafts- und Sozialunion über die Bühne bringen und sich die nötigen internationalen Garantien für ihr neues Machtgebilde besorgen. Das sollte man wenigsten unterscheiden können, wenn man gegen Nationalismus demonstriert.