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Alternatives zur Golf-Krise
IMPERIALISMUS GRÜN
"Es geht um die Frage: Wie mischen wir uns da ein?" (Udo Knapp, Mitarbeiter der Grünen Bundestags-Fraktion, auf einer Veranstaltung der Grünen in Frankfurt am 28.8.)
Mit "da" ist der Irak gemeint bzw. der von den USA angeleitete internationale Militäräufmarsch gegen ihn. Daß "wir" "uns" da einzumischen haben, steht für die Grünen außer Frage. "Wir" sind zuständig für jede Grenzverschiebung am Persischen Golf. "Wir" können den Zuwachs an Land und Leuten, Reichtum und Einfluß im Ölgeschäft, den Saddam Hussein sich durch die Einverleibung Kuwaits verschaffen will, nicht dulden. "Wir" - das versteht sich - sind nicht wir als jeder hergelaufene Hinz und Kunz; "wir" - das sind "wir" als der deutsche Staat. Dessen Anliegen kann sich einfach kein kritischer Kopf verschließen - meinen die Grünen.
Also wird eine TAZ-Spalte nach der andern mit einer munteren öffentlichen Debatte gefüllt zur heißen Frage:
Dürfen deutsche Friedensfreunde schießen (lassen)?
Debattiert wird - wie immer - alternativ und kontrovers. Am 11.8. plädiert Vollmer-Adlatus Bernd UIrich:
"für einen Wirtschaftsboykott Iraks ... Die Golfkrise trifft die Bundesrepublik an einem heiklen Punkt ihres Rollenwechsels. Die alte Arbeitsteilung zwischen den USA und der BRD bei internationalen Konflikten geht nicht mehr - 'die Amis fürs Gröbste' und wir als ökonomische Bewährungshelfer. Jetzt aber sind die Deutschen erstens eine Weltmacht wie die USA auch und zweitens durch 40 Jahre Demokratie und die demokratische Revolution in der DDR vor der Geschichte und gegenüber der Weltöffentlichkeit normalisiert. Es gibt also von der internationalen Rolle her keine Gründe mehr für eine US-amerikanische Intervention in Nahost, die nicht gleichzeitig auch für eine deutsche Beteiligung sprächen. Es reicht auch für die pazifistische Opposition in der BRD nicht mehr, mit bloß hehren Argumenten pazifistischer Unschuld über die Anforderungen an eine Weltmacht hinwegzugehen."
Alles klar, "wir Deutschen" haben einen guten Grund "etwas gegen die Invasion der Iraker zu tun": Deutschland ist jetzt eine 1a Weltmacht, also muß es sich auch gefälligst so aufführen.
Wie sind "wir Deutschen" bloß zu dieser "neuen Rolle" gekommen? Wurde da nicht ein ganzer Staat namens DDR einverleibt, dessen Land und Leute ab sofort für die Vermehrung von DM benutzt werden: Von so einer Eroberung kann der "Irre von Bagdad" nur träumen. Aber das macht ja den Unterschied zwischen einem "Irren" und besonnenen Staatsmännern, die solche "Irren" bekämpfen müssen, weil sie eine "internationale Rolle" spielen. Und wo "wir" die Rolle nun mal haben, können "wir Deutschen" uns unserer Verantwortung nicht länger entziehen.
Also Schluß mit dem pazifistischen Gequatsche - Feigheit vor dem Feind ist das, jawoll! Das hat doch neulich schon Geißler so treffend festgestellt: Die Pazifisten waren das damals, die den Hitler letztlich an die Macht gebracht haben. Der Fehler passiert "uns" - schon wegen unserer deutschen Geschichte - mit dem "Hitler vom Golf" nicht noch mal.
Apropos, deutsche Geschichte - die brauchen "wir" "uns" ja nun endgültig von keinem Ausländer mehr um die Ohren hauen zu lassen. "Wir" sind rehabilitiert - dazu brauchen "wir" uns nicht - wie gewissen Plumpmänner - auf die "Gnade der späten Geburt" zu berufen. "Wir" sind einfach wieder wer: Erstens haben "wir" 40 Jahre lang eine exportweltmeistermäßige Demokratie gemacht. (Die eine oder andere Waffenlieferung an Saddam Hussein haben "wir" in diesen fruchtbaren Jahren durchaus verschickt. Aber das gehört nun mal zu den "Anforderungen" an eine Exportnation.) Und zweitens haben "wir" auf deutschem Boden eine vorbildliche "demokratische Revolution" hingelegt - die ganze DDR haben "wir" annektiert. Das soll "uns Deutschen" erst mal einer nachmachen. Also, Weltöffentlichkeit, hergehört: Unsere Beziehungen zum Rest der Welt sind ab sofort normal - verstanden! Und das heißt: "Grobe Sachen" überlassen wir nicht länger den Amis - die -übernehmen "wir" selbst! Stinkt dem Kanzler ja auch längst, immer bloß Führer einer Weltmacht 2. Klasse zu sein: "Immer nur Exportweltmeister..." - die Welt darf mehr erwarten, von "uns Deutschen".
Also keine falsche deutsche Bescheidenheit wir müssen mit Bernd Ulrich
"nur noch über die sachlichen Gründe reden, die gegen jede westliche Intervention in Nahost sprechen. Es geht nicht nur ums Öl ... es geht genauso um arabischen Nationalstolz und islamischen Glauben. Genau aus diesem Grund ist eine westliche militärische Intervention kurzfristig zweifelhaft, mittelfristig fatal. Je mehr der Westen militärisch eingreift, desto stärker wird der panarabische und der panislamische Gegenreflex sein ... Zu einer Militarisierung des Konflikts zwischen Islam und Aufklärung darf es nicht kommen. Trotzdem müssen auch wir Deutbchen etwas gegen die Invasion der Iraker tun. Und es ist eine entscheidende Frage für die künftige Rolle Deutschlands in der Weltpolitik, ob wir jetzt zur Militarisierung oder zur Entmilitarisierung internationaler Konflikte beitragen. Der ganze Westen steht nämlich vor der Alternative: Wirtschaftsembargo oder militärische Intervention. Und die geringe Bereitschaft, dauerhaft und wirkungsvoll das zivile Mittel der ökonomibchen Macht einzusetzen, ist unmittelbar gekoppelt an die große Bereitschaft zum Militärischen. Ein Wirtschaftsboykott wird uns wehtun. Das müssen wir in Kauf nehmen. Tun wir es nicht wegen Wohlstandsfixierung und Wachstumswahn -, dann handeln wir uns nicht nur eine Militarisierung des Konflikts zwischen dem Westen und dem Islam ein, sondern geben auch der fundamental-islamischen Verachtung uns gegenüber neue Nahrung."
Ja, ja die Araber - Islamer, die sie sind - machen einem das Kriegsführen schon schwer. Unbeleckt von jeder "westlichen Aufklärung" verstehen die am Ende ein Bombardement völlig falsch, rotten sich gegen "uns" zusammen, und schon ist der Weltfrieden im Arsch. Dagegen ein knackiger Wirtschaftsboykott - damit könnt's gehen. Wenn die Sache nicht einen kleinen Haken hätte. Denn wie man den Laden kennt, sind "wir alle" höchstwahrscheinlich mal wieder nicht bereit, von unserer ekelhaften "Wohlstandfixierung" Abstand zu nehmen und auf "unsere" florierenden Nahost-Export-Geschäfte zu verzichten. Dann haben wir den Salat - für den das größte Militäraufgebot seit dem Vietnamkrieg schon Stellung bezogen hat.
So gesehen soll man lieber gleich mit Christian Semler auf derselben TAZ-Seite den Tatsachen realistisch ins Gesicht sehen:
"Die Waffenvorräte des irakischen Regimes sind beträchtlich, der Verlust von Deviseneinnahmen würde sich nicht unmittelbar umsetzen in politischen Druck, geschweige denn würde er eine aktionsfähige politische Opposition hervorbringen. Fraglich ist auch, wie lange der Boykott aufrechterhalten werden kann. Für ihn einzutreten, verschafft jene Form des guten Gewissens, dessen sich jene erfreuen, die unter keinem Handlungsdruck stehen. Aber selbst wenn das Kalkül der Boykott-Verfechter aufginge und Saddam Hussein in wirkliche Schwierigkeiten geriete, ist damit keineswegs ausgemacht, daß er die einmal errungenen Positionen räumen würde. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher."
So kann's gehen, Bernd Ulrich, selber den "hehren Argumenten pazifistischer Unschuld" aufgesessen! Sich selber ein "gutes Gewissen" verschaffen - und die Weltmacht mit ihren "Anforderungen" und ihrem "Handlungsdruck" im Regen stehen lassen; so wird das nie was mit der deutschen Verantwortung. Die verlangt auch von demokratischen Oppositionellen, daß sie sich die Vorhaben der Regierung als einen Druck vorstellen, den die Machthaber unterliegen und dem sich nur nationale Drückeberger entziehen.
Da muß man sich schon offen dazu bekennen, daß der Feind "nur die Sprache der Gewalt" versteht, anders rückt dieser islamische Realpolitiker "errungene Positionen" nie und nimmer wieder raus. Weltfriedensverantwortung ist nun mal kein Deckchensticken.
Das weiß auch Udo Knapp (immer noch auf derselben TAZ-Seite):
"Sich heraushalten geht nicht - Über die Weltfriedensverantwortung Deutschlands angesichts der Nahostkrise
Der Einmarsch von Husseins Truppen nach Kuwait und die anschließende Annexion verstößt gegen Völkerrecht. Der Vergleich von US-Präsident Bush mit der Krisen- und Eskalationssituation in Deutschland und Europa von 1938 ist zutreffend ... Deutsche Politik in dieser Situation muß sich an folgenden Punkten orientieren:
1. Die gemeinsame Haltung der Sowjetunion und der USA in diesem Konflikt schafft die Gelegenheit, eine internationale 'Weltpolizei' zu etablieren, die in Zukunft wirksam in den Weltfrieden gefährdende Konflikte eingreifen kann. Ein solches Eingreifen muß in erster Linie mit politischem Druck erfolgen, trotzdem darf Zweifel nicht aufkommen, daß den politischen Forderungen (so defensiv als irgend denkbar) militärisch Nachdruck verliehen wird...
3. ... Die Reduzierung der deutschen Reaktion auf einen totalen Wirtschaftsboykott muß nach allen Erfahrungen scheitern... Die Befürchtung, der militärische Eingriff der internationalen Truppen in Nahost bringe nur alle Fundamentalisten Arabiens in einen Schützengraben gegen den Rest der Welt, ist nicht von der Hand zu weisen, im Kern aber ist das ein Hilfsargument, um der neuen Weltfriedensverantwortung Deutschlands am Ende doch noch auszuweichen.
4. ... Darüber hinaus ist über den Irak zusätzlich ein Wirtschaftsboykott zu verhängen, der von den jetzt dort internationalisierten Truppen auch durchgesetzt werden muß. Sicher ist, daß bloßer Antiamerikanismus in dieser Situation nichts anderes bedeutet, als die aggressive Politik Husseins zu akzeptieren. Das ist letztlich friedensgefährdend."
Das Völkerrecht ist verletzt, wenn das keinen Krieg wert ist! Damit erübrigt sich jede Frage, was eigentlich an einem Verstoß gegen das Völkerrecht so verheerend sein soll. Udo Knapp weiß ganz einfach, daß dieses Ding prinzipiell "unantastbar" ist. Dafür sorgen schließlich die maßgeblichen Mächte, die immer die aktuell gültige Rechtsauslegung dieses heiligen Rechts gemäß ihren Interessen durchsetzen. Und wenn jetzt auch die Sowjets sich der westlichen Völkerrechts-Definition anschließen und nicht mehr auf ihrem alten Getue bestehen von wegen "eine wirklich gerechte Weltordnung müßte erste noch geschaffen werden" - dann ist das eine Spitzengelegenheit die westliche Weltordnung, sprich: den Weltfrieden, immer sicherer zu machen. Selbstverständlich sichern "wir" den Frieden immer und überall mit "immer weniger Waffen" - aber was sein muß, muß sein. Jetzt bloß kein "bloßer Antiamerikanismus", der ganz normale genügt doch auch: z.B. der Standpunkt, daß Deutschland keinesfalls den Amis die Weltfriedensverantwortung alleine überlassen darf. "Wir" sind nämlich bereit, unser Päckchen Verantwortung bei der Herstellung der Weltordnung, die "uns" nützt, voll und ganz alleine zu tragen. Und von der UNO lassen wir uns gerne jederzeit bestätigen, daß unsere Bundesmarine immer im Namen der höchsten Ideale unterwegs ist.
Kurz: Es muß endlich in aller Deutlichkeit gesagt werden: Wer den Weltfrieden will, darf beim Waffeneinsatz nicht zimperlich werden.
"Es gibt historische Situationen, in denen Gewaltlosigkeit nicht mit Gewaltlosigkeit zu verteidigen ist." (Rupert von Plottnitz, Grüner im hessischen Landtag, TAZ, 30.8.)
"Auch grüner Pazifismus macht sich unglaubwürdig, wenn er der Frage der Sanktionsgewalt ausweicht." (Joschka Fischer, TAZ, 30.8.)
"Es taucht in den Erklärungen der Grünen noch nicht einmal der einfache,Gedanke auf, daß die Gewaltfreiheit als Prinzip vielleicht nicht immer gewaltfrei verteidigt werden kann. Jedes Prinzip, sei es Antiimperialismus, sei es Klassenkampf, sei es Gewaltfreiheit bleibt ein stures Dogma und somit eine schlimme Fessel des Denkens und der Freiheit, überprüft man es nicht an realen Gegebenheiten... Nur wenn die Grünen glaubhaft die Völker- und Menschenrechte über alle Zweckgedanken stellen, werden sie den deutschen Pickelhauben die Absicht versauern können, via Golfkrise einen Weg zurück zu möglicher deutscher Kanonenbootpolitik zu finden." (Der Grüne Uli Hausmann, TAZ, 11.9.)
Da ist diesem Denker mit garantiert fesselfreiem Hirn ja ein ganz origineller Gedanke gekommen: "Wir" sichern den Frieden i n Freiheit und im Namen von allem Wahren, Schönen und Guten. Und wenn schon Kanonen, dann sollen gefälligst die Grünen das Kommando an sich reißen und für die Gewaltfreiheit schießen lassen - sonst machen's nämlich die anderen. Von dem Schlag werden sich "deutsche Pickelhauben", die wahrscheinlich immer noch stur behaupten, die Bundeswehr wäre die größte Friedensbwegung, so schnell nicht erholen.
Gegen diese Positionen sind Einwände laut geworden im Grünen Lager.
Am 14.8. gibt Jörn Böhme, Nahostrefeient der Grünen Fraktion, in der TAZ zu Protokoll, daß ihm die Vorschläge der Kollegen Knapp, Ulrich und Semler einerseits irgendwie nicht ganz geheuer sind, andererseits die Sache aber auch verdammt schwierig ist:
"Es macht Mühe, politische Hilflosigkeit einzugestehen und/oder Positionen zu beziehen, die in den herrschenden Machtkategorien nicht durchsetzbar sind. Ich halte auch nichts von dem Bedürfnis nach einem reinen Gewissen, verbunden mit vermeintlich moralisch unangreifbaren Positionen im gesicherten eigenen Sessel. Aber muß das bedeuten, die eigene Position nur noch unter der Fragestellung zu formulieren: Was würde ich tun, wenn ich Bundeskanzler oder Verteidigungsminister wäre? Bei dem Versuch, eine grün-links-friedensbewegt-geschichtsbewußte Position in der derzeitigen Nahostkrise zu entwickeln, muß eingestanden werden, daß es keine klaren und eindeutigen Antworten gibt."
Eine eigene Position muß her - aber nicht einfach so, indem man sich ein richtiges Urteil über die "derzeitige Nahostkrise" bildet. Womöglich müßte man dann zum Gegner der "herrschenden Machtkategorien" werden. Und das ist ein für allemal "Sektierertum", das zur "politischen Hilflosigkeit" verdammt ist. Also müssen die "Machtkategorien" immer mitbedacht werden, von wegen "Durchsetzbarkeit" und "Politikfähigkeit". Mit allem anderen sieht man vielleicht grüner aus - gerät aber gerade dadurch auch wieder schnell ins Glaubwürdigkeits-Abseits und sitzt am Ende "mit reinem Gewissen auf gesichertem Sessel" (pfui!), während die anderen für die Nation und den Weltfrieden die Kastanien aus dem Feuer holen. Schwierig, schwierig, schwierig: Soll man jetzt, wegen Grüner Politikfähigkeit, gleich so denken wie der Bundeskanzler oder, wegen Grüner Glaubwürdigkeit, so denken wie der Bundeskanzler und dabei immer so tun, als würde man es gar nicht merken:
Am 18.8. ist es dann soweit: Der Bundeshauptausschuß der Grünen liefert seine "klare und eindeutige Antwort zur Nahostkrise". Militärische Aktionen werden strikt abgelehnt -jedenfalls solange die "Beschlußlage der UNO" so ist. Die begrüßen sie nämlich aufs schärfste:
"Die Grünen begrüßen die raschen und konsequenten Boykottbeschlüsse des UNO-Sicherheitsrats gegen den Irak. In der UNO muß auch das weitere Vorgehen in diesem Konflikt koordiniert werden. Wir lehnen das Säbelrasseln der USA und ihrer Verbündeten und ihre kriegsträchtige militärische Interventionspolitik ab. Sie steht nicht in Einklang mit der UNO-Beschlußlage. Die Handlungsalternative heißt nicht militärisches Eingreifen oder Appeasement. Der hochverschuldete Irak muß durch ein konsequentes und allumfassendes Embargo in die Knie gezwungen werden. Die Grünen lehnen jedes militärische Eingreifen der Bundesmarine im Persischen Golf ab. Ein solches Eingreifen wäre grob verfassungswidrig. Dahinter steht der Versuch der Bundesregierung, als Juniorpartner der USA Weltmacht zu spielen und den Boden für künftige Eingreifaktionen zu bereiten... Wir sagen nein zu Grundgesetzänderungen mit dem Ziel, Deutschland die Rolle eines Hilfssherifs der USA zu ermöglichen." (Resolution des Bundeshauptausschusses)
Eine eindeutige Absage an Udo Knapp: Selbstverständlich muß der Irak bestraft werden, aber bitte von der UNO. Der Wunsch wurde den Grünen mittlerweile erfüllt. Seit dem 18.8. ist die UNO-Beschlußlage vorangekommen. Jetzt sind die USA und ihre Verbündeten in offiziellem UNO-Auftrag im Persischen Golf unterwegs. Fällt jetzt der Militäraufmarsch immer noch unter "Säbelrasseln" oder geht er, als durch den UNO-Sicherheitsrat gebilligtes Vorgehen, schwer in Ordnung? Das weiß allein der Bundeshauptausschuß. Vielleicht weiß er ja auch, daß die Nationen, die in der UNO die Beschlußlage bestimmen, dieselben sind wie die, die die Lage am Persischen Golf bestimmen?
Der zweite Einwand gegen militärisches Zuschlagen ist ähnlich überzeugend: nicht nötig. Der Irak ist ökonomisch so abhängig von "uns", daß "unsere" nicht-militärischen Erpressungsmittel reichen, um das gewünschte Resultat zu erreichen. Militär also nur, wenn es nötig ist. Das wird die "Säbelraßler" umhauen.
Bleibt noch die deutsche Beteiligung am Aufmarsch am Golf. Da hilft wieder die "Beschlußlage": Verfassungswidrig! Ein mutiger Einwand mitten in der Diskussion, daß es längst an der Zeit ist, die Verfassung an diesem Punkt zu ändern. Ein Vorhaben, für das die Grünen eine scharfe Bedingung angemeldet haben: "nicht, damit Deutschland dann den Hilfssheriff der USA spielt." Was haben die bloß gegen einen Hilfssheriff - daß er bloß "hilft" oder daß er als Sheriff seines Amtes waltet?!
Noch eine harte Zurückweisung der Knapp-Linie wird am 20.8 von Detlev Claussen nachgeliefert:
"Ebenso wie die NATO muß das, was sich in Europa Linke nennt, sein Feindbild verändern... Die absurde Kanonenbeibootpolitik des Kanzlers Kohl findet sogar im grün-alternativen Lager Akklamateure. Es gab gute Gründe, Westdeutschlands Militär in die NATO einzubinden und nicht 'out of area' operieren zu lassen. Der Trick, sich über die WEU in eine Pseudoweltmachtrolle hineinzuschleichen, sollte doch zu durchschauen sein. Auch ein vereinigtes Deutschland ist... keine Weltmacht, aber es hat eine bedenkliche Macht in Europa. Auch deutsches Militär sollte an konkrete internationale Strategien gebunden werden: an eine zum politischen Stabilitätspakt umfunktionierte NATO und an eine internationale Friedensordnung im Zeichen der UNO."
Wir bauen "alte Feindbilder" ab und finden die NATO ab jetzt gut. Weil wir uns einfach einbilden, daß dieses Kriegsbündnis recht eigentlich dafür da war und ist, machtgeile deutsche Militaristen am Kriegführen zu hindern. Die Tour der BRD, gerade als 2. NATO-Macht zur Weltmacht aufzusteigen, ist zwar auch nicht so übermäßig schwer zu durchschauen. Aber was soll's - als "Linker" darf man doch wohl Utopien entwickeln und sich sämtliche Titel, unter denen die NATO-Verbündeten schon immer ihre Weltordnung verteidigt haben - Stabilitätspakt, internationale Friedensordnung -, als eine einzige Ansammlung von Friede, Freude, Eierkuchen vorstellen.
Am 24.9. erläutert dann noch Christian Ströbele sein brandaktuelles Weltmacht-Bändigungs-Rezept:
"Eine Weltmacht läßt sich nicht zivilisieren! Wir setzen uns dafür ein, daß dieses Gesamtdeutschland möglichst viele Souveränitätsrechte und Hoheitsrechte abgibt an übergeordnete Organisationen, internationale Organisationen, wie die KSZE etwa. Das ist die eine Seite. Die andere ist, wir treten dafür ein, daß Politik in diesem zukünftigen Deutschland bestimmt wird noch mehr als bisher dezentral, föderal, in den Regionen."
Wir müssen also unterscheiden: Weltmacht allein - böse; Weltmacht, die in möglichst vielen internationalen Organisationen mitmischt gut. Da trifft es sich gut, daß an internationalen Organisationen - neben "etwa der KSZE" kein Mangel herrscht: die UNO, die NATO, die EG, die WEU... Lauter übergeordnete Organisationen, die das "unzivilisierte" Großdeutschland bremsen: Wieso hat dann bloß ausgerechnet die Bundesregierung so ein immenses Interesse an ihrer Mitwirkung in diesen Vereinen?
Ermutigend auch die zweite quasi innerdeutsche Weltmacht-Bremse: für mehr Föderalismus gegen Zentralismus! Mit Bayern gegen Bonn! : Auf dem Gebiet sind die Fortschrittskräfte eindeutig auf dem Vormarsch: Fünf neue Bundesländer! Gewählt haben sie auch schon - und wie sie gewählt haben!
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So sehen die Argument aus, die im Streit innerhalb der Grünen Partei in Sachen "Aufräumarbeiten der Weltmacht Deutschland im Irak" ausgetauscht werden. Ein Streit, der angeblich an die "Grundfeste und Essentials Grüner Politik geht" (Christian Ströbele).
Es herrscht Einigkeit i n der Sache: Saddam Hussein muß das Handwerk gelegt werden. Und zwar aus einem einzigen Grund: Bei allen Wenns und Abers, bei allen Andeutungen, ob nicht vielleicht doch imperialistische Interessen eine Rolle spielen könnten - in der Frage, worum es letztlich am Persischen Golf geht, teilen alle Fraktionen der Grünen die offizielle westliche Definition, wonach das imperialistische Interesse an politischer Kontrolle über "unsere Erdöl-Region" ein unantastbares, heiliges Anliegen der gesamten Menschheit wäre. "Völkerrecht und Weltfriedensordnung sind angegriffen", da kann ein Grüner sich seiner Verantwortung nicht entziehen.
Streit gibt e s nur bezüglich der Methode, wie man den ausgemachten "Störenfried des Weltfriedens" zur Räson bringen soll: Darf die Weltmacht Deutschland auf eigene Verantwortung mitmischen oder nur im Rahmen von "UNO-Friedensmissionen"; darf man gegen Saddam Hussein militärisch zuschlagen oder muß man ihn mit "zivilem Wirtschaftsboykott" fertigmachen; und kann eine Wirtschaftsblokkade überhaupt ohne militärische "Kontrolle" durchgesetzt werden?
Probleme über Problem, die in nichts anderem bestehen als in einem Hin und Her zwischen der Befürwortung einer deutschen Weltordnungsmacht und der Problematisierung dieser Befürwortung. Problematisiert wird in zweierlei Hinsicht: hinsichtlich der Effektivität der vorgeschlagenen Mittel und hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der "pazifistischen Grund-Essentials Grüner Politik". Mit dieser fruchtbaren Debatte haben die Grünen im deutschen Wiedervereinigungsjahr eindeutig bewiesen, daß sie nicht nur politikfähig, sondern auch ganz entschieden außenpolitikfähig sind - im Klartext: Sie sind zu allem fähig. Denn
Alternative und Opposition verwechseln Grüne nie
Die "etablierten Parteien" haben den Grünen oft Politikunfähigkeit vorgeworfen. Dieser Vorwurf ist eine der schärfsten Waffen der Demokratie im politischen Meinungsstreit. Er geht nämlich mit der größten Selbstverständlichkeit, wie von einem unbestreitbaren Sachverhalt davon aus, daß eine Opposition gegen die festen Einrichtungen der Demokratie, eine Kritik an dem sonst allgemein anerkannten Katalog von Staatsaufgaben, eine Ablehnung der vom staatlichen Interesse her definierten und über jeden Parteienstreit erhabenen nationalen Probleme überhaupt nicht in Frage kommt. Wer in der Demokratie mitreden will, muß alles - alle Schäden, jede Armut, sämtliche Gewaltverhältnisse -, alles also, was unter der Regie des staatlichen Gewaltmonopols so an der Tagesordnung ist, als Stoff für konstruktives Verwalten und Gestalten würdigen; er muß die gesellschaftlichen Interessen, die vom bürgerlichen Recht zu den herrschenden gemacht werden, als die Sache der Politik respektieren. Wer das alles anders sehen möchte, wer an der Vernünftigkeit der staatlich definierten Problemfelder zweifelt, dem wird - das ist die zweite Leistung des Vorwurfs der Politikunfähigkeit - gar nicht erst die Ehre zuteil, daß sich irgendein hauptberuticher Demokrat mit seiner Meinung befaßt. Der Wille zur Opposition wird gar nicht als eine Absicht genommen, die vielleicht ein Argument auf ihrer Seite hat, sondern als mangelnde Fähigkeit zum Politikerberuf, als fehlende Qualifikation. Dagegen-Sein ist einfach unprofessionell. So immunisieren professionelle Demokraten sich und ihr Handwerk gegen Kritik.
Mit diesem perfiden Vorwurf haben die etablierten Parteien bei den Grünen offene Scheunentore eingerannt. Die haben ihr grünes Gedankengut - "ökologisch, - gewaltfrei, sozial" - immer als Antrag vorgebracht, die Rangfolge staatlicher Geschäfte und Aufgaben zu korrigieren. Sie waren immer reif genug, die Wirkungen der staatlich durchgesetzten "Gesellschafts"ordnung als ebensoviele Aufträge an den Staat und seine Macher zu begreifen und den Politikem ans Herz zu legen. Politikwillig waren sie schon immer. Zur Politikfähigkeit hat ihnen meistens nur noch eines gefehlt: Politik auch machen zu dürfen.
Anders ausgedrückt: Die Grünen sind der Musterfall demokratischer Opposition. Nicht dagegen, sondern eine Alternative zu herrschenden Parteien wollten und wollen sie sein - und dieses Programm haben sie in den letzten 10 Jahren an allen Gegenständen der nationalen Politik durchgezogen. Sie wollten mitwirken in der Nation, sie alternativ mitgestalten. Wer sich so um die nationalen Probleme kümmert, der will kein nationales Problem abschaffen.
Als kritische Mitgestalter der Nation gehen Grüne prinzipiell immer "von den Realitäten aus". Und zwar nie in dem banalen Sinne, daß vor dem eigenen politischen Programm eine Beurteilung der aktuellen nationalen Vorhaben erfolgt. Die Parteilichkeit für die "nationalen Probleme", die die große Politik auf die Tagesordnung setzt, ist bei ihnen fraglos entschieden, noch bevor sie ihre erste Stellungnahme abgeben. Was immer deutsche Machthaber planen und veranstalten, die Grünen erklären es zum Gegenstand ihrer Verantwortung. Den besten, konstruktivsten Vorschlag für den richtigen Gebrauch deutscher Macht, darum haben sie sich immer bemüht.
In diesem Bemühen sind Die Grünen in der Vergangenheit oft mißverstanden worden. Ihre konstruktive Suche nach dem richtigen Maß des Einsatzes deutscher Macht wurde ihnen bisweilen als Absage an die Macht angekreidet. Dabei hatten sie in der "Nachrüstungsdebatte" doch nur zu bedenken gegeben, daß die deutsche Nation sich durch die Stationierung von Mittelstreckenraketen völlig unnötig zum Kriegsschauplatz der US-Verbündeten" herabwürdigt. Nebenbei hatte Petra Kelly höchstpersönlich in Moskau klargestellt, daß Grüne Moralisten sich in Sachen Feindschaft gegen den (ehemaligen) Ostblock nicht von Christdemokraten übertrumpfen lassen. In Sachen Atomenergie hatten sie angezweifelt, daß der nationale Eriergiebedarf wirklich durch AKWs am vernünftigsten gedeckt wird. Und ein Joschka Fischer durfte als hessischer Umweltminister beweisen, daß sich Grüne keineswegs sperren, wenn wirtschaftliche und nationale Sachzwänge das "Abschalten von AKWs einfach nicht zulassen" - zumindest nicht kurz-, mittel- oder langfristig.
So haben sich Grüne Politiker auf die damals aktuellen "nationalen Probleme" eingestellt. Jetzt haben sich nicht die Grünen geändert, sondern die Tagesordnung der deutschen Politik. Und wie immer, stellt sich die Partei auf die neue Tagesordnung ein. Wenn Deutschland nun fraglos Weltmacht ist - dann braucht es eben Grüne Imperialisten:
"Wir müsien uns dem neuen Deutschland stellen und nicht nach Fluchtwinkeln suchen - weder in Brüssel noch in Kreuzberg. Deutschland wird eine Weltmacht sein, und es wird nach unserem Bild geformt oder nach dem Bild von Helmut Kohl. So einfach ist das." (Antje Vollmer anläßl. der ersten gesamtdeutschen Grünen Fraktionssitzung)
Ja, so einfach ist das. Wenn man nur stur genug "von den Realitäten ausgeht", dann wachsen mit den "Realitäten" auch die interessanten Zukunftsaufgaben. Im November 1989 hatten sich die noch so angehört: "Wir Grünen in Ost und West waren uns darin einig, daß die Eigenstaatlichkeit der DDR anerkannt werden muß, wir den großdeutschen Wiedervereinigungsträumen eine endgültige Absage erteilen..." (Bundesvorsitzender der Grünen, Ralf Fücks)
Im August 1990 war die Sache mit den "großdeutschen Wiedervereinigungsträumen" ganz gut im Fluß - und Antje Vollmer mußte
"aufs schärfste die Demagogie zurückweisen, als Gegner der deutschen Einheit diskriminiert zu werden." (Bundestagsrede v. 9.8.)
Vollmer und Co. stellen sich offensiv auf den Standpunkt, daß Grüne Politik vor keinem Mittel und Gegenstand imperialistischer Politik zurückschreckt. So wie die etablierten Parteien den Grünen die wunderschönen Themen Umwelt, Frau und Frieden geklaut haben - ein grüner Erfolg, durch den die Partei ihre Stellung in der Parteienlandschaft gefährdet sieht -, so versuchen sie den regierenden Wiedervereinigern und Weltordnungspolitikern den erstklassigen Erfolgsschlager "Deutschland Europa und der Rest" streitig zu machen. Schwierigkeiten hat die Partei mit diesem Klartext nur in einer Hinsicht: Wie lassen sich diese Bekenntnisse mit dem lebendigen Bild einer "Protest-Partei" verknüpfen. Die Lösung geht so:
Mit einem heftigen "Ja-Aber" haben sie alle das Prinzip Grüner Politik bekräftigt, den unbedingten Willen zur Mitverantwortung und zur Suche nach Alternativen für die Lösung nationaler Aufgaben. Und wenn man erst mal nach Alternativlösungen für imperialistische Ordnungaufgaben sucht - dann fallen einem auch die entsprechenden Mittel ein. Als "Konfliktlöser" setzen sie auf sämtliche supranationalen Institutionen des real existierenden Imperialismus: auf die UNO, die EG, die NATO- ...Genauer gesagt, setzen sie natürlich nicht auf diese Instanzen, sondern zitieren alle hehren Titel in deren Namen die Nationen, die in den berühmten "internationalen Organisationen" das Sagen haben, schon seit jeher Weltpolitik betreiben. Kurz: Am Ende reden sie alle daher als müßten sie Genscher eine UNO-Sonntagsrede schreiben.
Die Parteifreunde von der Klartext-Front weisen diese Tour als Drückebergerei vor der weltfriedenstiftenden Verantwortung zurück, die sich bekanntlich nicht scheuen darf, gerade im Namen aller hohen Menschheitswerte Gewalt anzuwenden. Wie Genscher denken sie bei den Sonntagsreden daran, was im Alltag Sache ist und sind überaus stolz auf ihren weltpolitischen Ein- und Überblick.
Mit den "Realitäten" ändern sich eben auch die Streitereien innerhalb der Grünen Partei. Heutzutage hauen die "Realos" den "Fundis" das Argument um die Ohren, mit dem der alte Kanzler Schmidt als "Verantwortungsethiker" seinerzeit die "Gesinnungsethiker" von der Friedensbewegung abgefertigt hatte: Daß Macht dasselbe wie Verantwortung ist, also zu ihrem Gebrauch verpflichtet. Wer sich fragt, wo bei so viel Mitarbeit denn noch die grüne Alternative bleibt, der hat den Witz schon verpaßt. Er hat nämlich nach offizieller grüner Logik nicht mitgekriegt, daß die großdeutsche Republik gar keine extra grüne Alternative mehr braucht, weil sie längst selbst ihre eigene grüne Alternative ist. Der Beweis: Die Grünen sind dabei und dafür!
"Die europäische Welt hat keine Angst mehr vor uns Deutschen, weil wir 1968 aufgebrochen sind, weil wir das Law-and-Order-Denken herausgeblasen haben aus diesem Land, weil wir, eine andere Generation, diese deutsche Gesellschaft gründlich zivilisiert haben... Ich traue es uns zu, zu regieren." (Antje Vollmer, Bundestagsrede. v. 9.8.)
Wir auch!