Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1989 erschienen.

Zeitgemäße Parteienkonkurrenz
VEREINIGTE RECHTSDEMOKRATEN GEGEN DEMOKRATISIERTE FASCHISTEN

Bevor in Großdeutschland im Nationalrausch des Mauerdurchbruchs alle anderen Themen zugekotzt wurden, hatte es neben den alltäglichen Beschwernissen, die sich die politischen Parteien so verantwortungsfroh stellvertretend für uns aufladen, bei Europa- und Kommunalwahlen ein neues Ärgemis gegeben. Die Republikaner haben mit Stimmengewinnen die politischen Willensbildner aller Couleurs genervt und drohen, bei der für 1990 anstehenden Wahlserie den demokratischen Stammgewählten noch mehr Stimmen abspenstig zu machen. Deshalb ist mitten im tiefsten inneren Frieden plötzlich der demokratische Antifaschismus ausgebrochen.

Wenn ein neuer Verein die Anspruchshaltung der Nation und den Ordnungsbedarf der demokratischen Politkultur - was zum Programm aller demokratischen Volksparteien gehört - zu einem eigenständigen Parteiprogramm macht und in das so schön eingerichtete freiheitliche Regieren hineinpfuscht, dann werden die "Altparteien" stinksauer. Daß die Republikaner sich dabei in ihrem ganzen Wirken in der Parteienkonkurrenz so beharrlich an die üblichen Verkehrsformen der demokratischen Verwandtschaft halten, beschert den etablierten Parteien noch ein extrafeines Problem: Die werten Wähler können die Konkurrenten nicht besonders gut unterscheiden, außer in dem einen, für die "Volksparteien" unangenehmen Punkt, daß ein Gutteil des Publikums die Republikaner für deren parteigewordenes schlechtes Gewissen, für deren konsequente Fortführung halten, weil sie bei Kohl, Genscher und Vogel "Inkonsequenz" und opportunistisches Taktieren in Deutschlands Angelegenheiten glauben entdecken zu können, wo kräftiges Auf-den-Tisch-Hauen angebracht wäre.

So kommt es, daß die Bonner Mannschaften fortwährend ankündigen, man müsse dem republikanischen Ungeist "politisch", "argumentativ" und überhaupt per demokratischem Diskurs heimleuchten. (Die Überwachung durch den Verfassungsschutz sorgt dabei wohl für das Argumentationsmaterial.) Wenn die Herren der Republik anfangen zu "kritisieren", respektive durch ihre journalistischen, wissenschaftlichen und geistlichen Unterstützer kritisieren zu lassen, dann bleibt kein Auge trocken.

Lauter miese Typen...

Die Personen, die die ganze Wrdrigkert angezettelt haben, stehen natürlich auf Platz 1 der Abschußliste. Wie weiland Barschel wissen alle demokratischen Politiker genau, daß das beste Argument gegen den politischen Gegner die üble Nachrede gegen seine Führungspersönlichkeiten ist. Schönhuber selbst ist "machthungrig" und der "Chef einer Führerpartei" (Der Spiegel), während gewöhnliche Politiker dauernd zur Übernahme von Verantwortung gedrängt werden müssen und sich dann bescheiden im Hintergrund zu halten pflegen. Schönhuber dagegen hatte schon während seiner Zeit beim Bayerischen Rundfunk "geherrscht wie am Hofe von Byzanz", so ein früherer Untergebener im "Spiegel" und ein "latentes Potential an Brutalität" gezeigt. Wenn sich die Republikaner fraktionieren, dann ist das kein Indiz für ein demokratisches Parteileben, sondern zeugt von einer "Chaotentruppe". Und wenn Ex-NPDler ausgeschlossen werden, dann spricht das auch schon wieder für Schönhubers" machtgeiles Ausbooten" unliebsamer parteiinterner Konkurrenz. Wenn Kohl anläßlich seiner Wiederwahl auf dem CDU-Parteitag "Machtinstinkt" (Süddeutsche Zeitung) erkennen ließ, so war das natürlich als Kompliment gemeint: Da hat sich einer - dumm hin oder her - voll und ganz in den Dienst eines anerkannten Nationalvereins gestellt und Führungsqualitäten bewiesen - gar nicht so dumm!

Schönhubers Charakter mußte dazu führen, daß er seine Geldgier so wenig bändigen konnte, daß er etliche Millionen an Wahlkampfkostenerstattung für seine Partei kassierte und auch noch für deren Aufbau verwandte, obwohl er nur Wahlkampfkosten davon hätte bestreiten dürfen. Zwar wird "diese Bestimmung seit langem auch von den Bonner Parteien mißachtet" (Der Spiegel), gegen Schönhuber wurde aber erstmalig ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachtes eingeleitet, das, wenn es auch nicht zur Verurteilung führen sollte, so doch immerhin zu einer Vorverurteilung taugt. Nämlich zu einem öffentlichkeitswirksamen Hinweis auf die kriminellen Neigungen der REP-Führer, die in Berlin und anderswo schon öfter als "Skandaltruppe mit Verbindungen zur Halbwelt" (Der Spiegel) aufgefallen sind. Die gutbürgerlichen Politiker glänzen hingegen in Führungspositionen mit lauter prächtig resozialisierten Steuerhinterziehern mit Verbindungen zur feineren Welt, während sie hoffnungslose Fälle ganz schnell baden gehen lassen, worauf sie selbst dann um so sauberer dastehen.

Solche Beziehungen der gehobeneren Art hätten die Republikaner auch gerne, verdienen sie aber selbstverständlich nicht. Deshalb achten sie "opportunistisch" auf ihre "Gesellschaftsfähigkeit" und Schönhuber bewährt sich dabei als "gerissener Medienkosmetiker" (so ein neues Schönhuber-Kritik-Buch von Hirsch/Sarcowicz). Diese Sorte Opportunismus haben die alten Parteien nicht nötig. Sie bestimmen selbst, was gesellschaftsfähig ist, und die Medien teilen und verbreiten ganz pluralistisch ihre Kriterien: Sie sind nämlich ihre demokratische Öffentlichkeit. Auch die Sorte Opportunismus,

"sich taktisch geschickt... vor den Medien als Saubermann der Partei und als Gralshüter der demokratischen Kräfte darzustellen" (Süddeutsche Zeitung)

und das "Parteiprofil" nach dem erhofften Ertrag an Wählerstimmen zu richten, ist den Bonner Parteien völlig fremd. So "taktiert" Schönhuber, wenn er sich von NPD und DVU abgrenzt, um auf das größere Potential der "Abtrünnigen vom rechten Rand der CDU" (Süddeutsche Zeitung) zu setzen, während die SPDler selbstverständlich nicht taktieren, wenn sie künftig

"Werte wie Heimat, Vaterland und den Wunsch nach Wiedervereinigung stärker als bisher betonen" (Fahrtmann nach der NRW-Kommunalwahl)

wollen, um "frühere SPD-Wähler zurückzuholen". Die CSU denkt selbstverständlich nur an Höheres, wenn sie einen verschärften Gesetzentwurf zum Ausländerrecht blockiert, weil er nicht scharf genug ist:

"SZ: Wenn Sie über Ausländerpolitik nachdenken, denken Sie in erster Linie an die Ausländer oder in erster Linie an die Republikaner?

Stoiber: Ich denke in erster Linie an die Integrationsfähigkeit und Aufnahmebereitschaft des deutschen Volkes."

Außerdem soll Schönhuber beim Reden "schwitzen", während Kohl laut "Bild" aus lauter Sorge um Deutschland so viel frißt. Die Technik der Denunziation ist einfach: Dem Konkurrenten um die Macht den ganz normalen Gebrauch der dafür nötigen Techniken vorzuwerfen mit dem Hinweis, bei ihm sei das unseriös, weil er die Macht nicht hat.

...mit dumpf unchristlicher Ideologie

Für die bürgerlichen Parteien und ihre Hilfstruppen ist eines klar: solch miese Charaktere können auch nur eine in jeder Hinsicht miese Parteiideologie auf die Beine stellen. Das muß man dem Wähler sagen, damit er die Unterschiede merkt:

Katholische Pfaffen im Bistum Essen wollen nach den Kommunalwahlerfolgen der Republikaner entdeckt haben, daß es dieser Partei "lediglich um kurzfristige Wahlerfolge" ( Süddeutsche Zeitung) geht, während die richtigen Parteien eher auf langfristige Wahlerfolge scharf sind, was bei den Gottesmännern "tragfähige, zukunftsgerichtete Problemlösungen" heißt.

Sie finden z.B. die "unverhüllte Ausländerfeindlichkeit" der Republikaner störend und sehen den "sozialen Konsens in der Gesellschaft" durch sie "extrem gefährdet". Ein Prälat von der Deutschen Bischofskonferenz hat im Programm der neuen Partei "eindeutig unchristliche Positionen" gefunden, da "prinzipiell ausländischen Arbeitnehmern die Familienzusammenführung verweigert werden soll".

Die Laienbrüder von der Politikwissenschaft sehen das so ähnlich. Ihnen ist das differenzierte Herangehen an das "Ausländerproblem" mit einem schönen Ausländergesetz viel sympathischer als das unhöfliche "Ausländer raus" der Rep-Anhänger. Weil dabei nicht der berechnende Benützungsstandpunkt des demokratischen Ausländerrechts zum Zuge kommt, sondern bloß das absolute Mißtrauen gegen die zuverlässige Benutzbarkeit von Leuten, die fremden Herren untertan sind, und weil die Republikaner derzeit nicht die Macht haben, ihre Variante des demokratischen Rassismus zum Zuge kommen zu lassen, gilt der als simple Schein-Lösung.

Die republikanische Variante nationalistischer Begutachtung von Ausländern halten Pfaffen, Wissenschaftler und Politiker für "dumpf emotional" (Hirsch/Sarcowicz), "unterschwellige Stimmungsmache" (der Prälat) oder das "Ausnützen von Stimmungen" (A. Glück, CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag), während der demokratische Rassismus der bedarfsgerechten, rechtsstaatlich geregelten Zu- und Abfuhr ausländischen Menschenmaterials aus ausgeprochen gut gelüfteten Gehirnen stammen soll. Weil sie nicht den kosmopolitischen Standpunkt einer vorurteilsfreien Begutachtung fremder Völkerschaften für deutsche Benützung - hier oder bei denen daheim - teilen, sondern "aggressiv gegen alles Fremde" und also auf falsche Weise "rassistisch und nationalegoistisch" sind, wurden die Republikaner mit letzterem Grund von einem Wahlausschuß in Ulm von der Kommunalwahl ausgeschlossen. Sie müssen sich den harten Vorwurf gefallen lassen, "die Ideologie der Volksgemeinschaft" zu propagieren (ein Politologe Funke vom OSI Berlin) und, von Politikerseite, in "tragischer Weise der demokratischen Legitimation der Bundesrepublik" zu schaden, "gerade in einer Zeit des Umbruchs, die in atemberaubendem Tempo auch den Ostblock erreicht hat" (Fahrtmann).

Hier führt der unbedingte Wille, den Republikanern zugleich ein wenig Nazitum und Behinderung der aktuellen bundesrepublikanischen Ostfahrt vorwerfen zu wollen, sowohl bei dem Mann der politologischen Ideologie als auch dem der politischen Tat zu bedenklichen Abweichungen von der korrekten Einschätzung dessen, wofür sie mit ihrer Kritik einstehen möchten: Ist dem Herrn Politologen etwa entgangen, daß das Grundgesetz mit dem Wiedervereinigungsgebot schon immer ein bißchen mehr anpeilt als eine bloße "Ideologie" der Volksgemeinschaft? Es macht deren praktische Herstellung zum Auftrag für das politische Streben der Republik. Deshalb kann auch der Wunsch nach einer möglichst großmächtigen freiheitlichen Volksgemeinschaft die "demokratische Legitimation" der BRD bei der Neuordnung Osteuropas nicht beschädigen, sondern "verpflichtet uns zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR" (Kohl bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 1989). Auch der politologische Versuch, die Republikaner als

Sozialdemagogische Volksbetrüger

negativ von den bürgerlichen Parteien abzugrenzen, will sich gar nicht darauf festlegen, daß die Republikaner den Wählern lauter schöne, nur leider nicht machbare Angebote in Sachen Volksbeglückung bieten. Die Demagogie soll darin liegen, daß das "Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und gesellschaftlicher Anerkennung" nicht von den Republikanern, sondern von den anderen Parteien betreut gehört. Bei den Republikanern besteht nämlich "ein tiefer Widerspruch zwischen der Programmatik und dem Anliegen der Wähler". Das kann man dem blöden Wähler gar nicht oft genug sagen. Wenn er schon betrogen werden will, dann soll er sich gefälligst von den Richtigen einseifen lassen.

Wie das geht, zeigt der nordrheinwestfälische Friedel mit einem zeitgemäßen Dreischritt bei seiner "Analyse" der SPD-Verluste bei der Europawahl im Sommer '89. Das beste Rezept gegen die Republikaner ist, der beste Sozial-Nationalist zu sein:

"Die Abwanderung von SPD-Wählern ist ein Protestschrei gegen soziale Defizite."

Den sozial Defizitären ist "manches nicht verständlich geworden, was die SPD unter dem Vorzeichen Progressivität und Emanzipation gefordert und teilweise durchgesetzt hat", was "gerade in traditionellen Arbeiterkreisen zu so etwas wie einem Kulturschock" geführt hat.

Deshalb muß die SPD auf "soziale Defizite" künftig so reagieren: "Die Sozialdemokraten müssen deutlicher machen, daß sie zu emotionalen Werten stehen: Werte wie Heimat, Vaterland und Wiedervereinigung..." (Fahrtmann).

Also: Beschissene Lebensverhältnisse in Dortmund-Nord sind eine kulturelle Verständnisfrage und der traditionellen Arbeiterkultur muß man mit nationalistischen Gemüts- und Grundwerten kommen, damit das "Abspringen von SPD-Wählern... nur ein einmaliger Ausrutscher bleibt."

Vor allem müssen die Wähler Schönhubers begreifen, daß die Republikaner immer nur fordern, was die etablierten Parteien schon stets in die Tat umsetzen. Die machen die Nation, und die Republikaner stören dabei durch Miesmachen der Geschlossenheit der Nation, die sich auf Erfolgskurs befindet. Die Republikaner sind nämlich eigentlich

"keine Partei, sondern im Grunde nur eine Sammlungsbewegung,... inkompetent und unfähig, Probleme zu lösen", (Waigel)

oder kürzer:

"Die Republikaner sind eine Ansammlung von politischen Sektierern und Querulanten." (Geißler)

Trotz dieser vernichtenden Urteile hat die neue Partei aber bereits Spuren im politischen Leben der Republik hinterlassen und sich Verdienste erworben.

- Sie haben dafür gesorgt, daß zu alledem, was die regierenden Parteien sich in Sachen Ausländer-, Rechts- oder Wohnungspolitik vornehmen, jetzt auch noch immer als Extra-Gesichtspunkt hinzutritt, daß man mit ganz viel besonders strenger Gerechtigkeit irregeleitete REP-Wähler bedienen und die Demokratie retten müsse.

- Anständige Menschen verdanken Schönhuber die Abwechslung, daß ihnen jetzt anstatt vom "linken" Geißler vom "rechten" Rühe schlecht wird.

Das wirkungsvollste Argument gegen die Republikaner ist den staatstragenden Parteien der BRD allerdings nicht selber ein-, sondern mit der Veränderung der politischen Großwetterlage in den Schoß gefallen.

Die imperialistischen Fortschritte der BRD in Europa lassen sich nicht mehr rechts überholen.

Inzwischen ist klargestellt, daß es nicht mehr die Frage ist, ob die "nationalen Kräfte" der Schönhuber-Partei den deutschen Imperialismus erfolgreich vom "genscheristischen" Weg nach Westen abbringen und auf die Wiedervereinigung hinorientieren können. Die "deutsche Frage" ist nicht mehr "offen", sondern eine der Terminplanung, der Verfahrensweisen und der einzurichtenden Übergangsformen bei der Auflösung der DDR.

"Europa oder die Wiedervereinigung" ist keine Alternative und die republikanische Kritik, die bislang davon ausging, wirkt ziemlich kleinformatig gegenüber einem Standpunkt, der sich Europa - und nicht nur die EG - als Projekt eines en passant wiedervereinigten Deutschland vornimmt.

"Die Frage nach der Wiedervereinigung ist für uns beantwortet: die SPD" (hier nach Belieben einsetzen: CDU, CSU, FDP) "ist für eine europäische Einigung, die die DDR ebenso wie Polen und damit auch die Gebiete jenseits von Oder und Neiße umfaßt. Jetzt geht es um Zwischenschritte zu diesem Ziel und wer die europäische Einigung will, kann als Zwischenschritt einer staatlichen Einheit der DDR und der Bundesrepublik nicht widersprechen." (Lafontaine in einem SZ-Gespräch)

So bringen deutsche Demokraten auf den Weg, wovon deutsche Faschisten seit 1945 immer nur geträumt haben: die Revision des Kriegsergebnisses, und, was ihre Vorgänger nicht einmal mit einem Weltkrieg zustande gebracht haben: ein ganzes Europa unter deutscher Fuchtel.

Das sitzt - gegen die Republikaner.