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DER RGW
In Jalta haben die Alliierten die Nachkriegswelt ideell unter sich aufgeteilt, auf den Schlachtfeldern des II. Weltkriegs praktisch. So wurde die Sowjetunion die Führungsmacht eines Ostblocks, dessen Gemeinsamkeit regierende National-Kommunisten garantieren, die nicht durch eine Revolution, sondern durch den vom Westen hingenommenen Sieg der Roten Armee zum Zug kamen. Das Vorbild eines "wahren Internationalismus" und der "echten Völkerfreundschaft", in der Staaten ihre nationalen Interessen am besten an der Seite der UdSSR aufgehoben wissen, war entstanden.
Die wirtschaftlichen Beziehungen des RGW folgen dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe. Das ist kein moralischer Vorzug, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Die wirtschaftlichen Beziehungen der sozialistischen Bruderländer messen sich nicht an Gewinnen, die aus der wechselseitigen geschäftsmäßigen Benutzung entspringen; genausowenig wie die nationalen Pläne auf die Erwirtschaftung eines Überschusses ausgerichtet sind, der dafür ein schlagendes Mittel wäre. Gegenseitig leisten die Länder des RGW einen Beitrag zur besseren Planerfüllung der anderen Nationen und ziehen Nutzen aus dem Ergebnis des staatlichen Planens ihrer Bündnispartner. So bleibt dem Ostblock die Sortierung in erfolgreiche Staaten und arme Entwicklungsländer erspart, wenn dessen Nationen einen Warentausch organisieren, der die Mängel ihres nationalen Wirtschaftens kompensieren soll. Reicher werden sie allerdings dadurch auch nicht, daß sie ihre nationalen Pläne voneinander abhängig machen. Die Ablieferung von Rohstoffen und Maschinen an bedürftige Brudernationen folgt höherer Einsicht, denn sie beginnt mit dem Abzug von eigentlich im nationalen Rahmen benötigten Gütern. Dasselbe gilt für den Verzicht auf den Aufbau eigener Industriezweige aufgrund der beschlossenen gemeinsamen Arbeitsteilung: Die Weisheit, die ihn erzwingt, ist nicht die einer ruinösen Konkurrenz, sondern eines Programms, die "komparativen Vorteile" der Nationen auszunutzen.
Die in Transferrubel abgerechneten Preise sind pure Entschädigung und befriedigen nie das Gerechtigkeitsbedürfnis staatlicher Planer. Neben dem Plan wächst die Zahl der Witze, in denen gestandene Nationalisten sich wechselseitig ihre schlechten Charakterzüge vorhalten. Bilanziert wird nicht das Ergebnis einer planmäßigen Arbeitsteilung und genausowenig das unwidersprechliche Resultat gelaufener Konkurrenz, sondern der Stand der Bemühungen nationaler Planer, einander in der Arbeitsteilung zu übervorteilen.
Wegen ihrer Wirtschaftskraft trägt die Sowjetunion die Hauptlast dieser gegenseitigen Hilfe. Im Vergleich dazu erscheint den kleinen Ländern im RGW das westliche Verschuldungsangebot verlockend, um etwas für ihren Plan zu tun, ohne gleich an dessen Ausgangspunkt, Behebung von Mängeln durch Kompensation, erinnert zu werden. Der UdSSR war das nicht unrecht; sie versprach sich davon einen größeren Beitrag der anderen Nationen zum gemeinsamen Wirtschaftsbündnis. Das hatte Folgen. Um an die westliche Warenwelt heranzukommen oder um die Schulden und Zinsen zu bezahlen, fließen fest im RGW-Handel eingeplante Warenkontingente seitdem gegen Westen, und realsozialistische Staaten bestehen untereinander immer mehr auf Zahlung in harten Devisen. Polens Ökonomie ist inzwischen als Beitrag zur gemeinsamen Stärkung des RGW-Markts ausgefallen, bleibt den Brudernationen jedoch als dauernder Pflegefall erhalten. Die SU ist mit eigenen Devisenkrediten eingesprungen.
Ihre Führungsrolle im Bündnis ist den Sowjetökonomen aber auch nicht eine uferlose Verpflichtung. Die Umleitung des russischen Erdöls auf den Rotterdamer Spotmarkt ist eine Alternative sozialistischen Planens, die der Energieversorgung der anderen RGW-Partner nicht guttut. Die Erdgasleitungen gehen gleich ganz an ihnen vorbei nach Westen. Sie sind als Markt dafür weder vorgesehen noch vorbereitet. So macht das Westgeschäft die ökonomische Seite der "unverbrüchlichen Freundschaft" immer schwieriger - und die Sowjetunion immer liberaler bei der Anerkennung nationaler Sonderwege.