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ERGEBNISSE DER KLAUSURTAGUNG DER IG METALL_FRAKTION VOM 16.8.1988
(Zusammenfassung in 5 Thesen)
These 1
Die nationalen und internationalen politischen Rahmenbedingungen haben sich radikal gewandelt. Dieser Wandel zwingt uns zu einer realistischen Analyse und einer ebenso realistischen Bestimmung unserer Position. Dabei ist und bleibt unser oberstes Ziel die Sicherung der Arbeitsplätze.
These 2
Wir erleben gegenwärtig einen weltweiten Strukturwandel. Dieser Strukturwandel zeichnet sich durch vier Merkmale aus:
a) die industriellen Wachstumsschwerpunkte haben sich in Richtung Japan und Südostasien verschoben,
b) es entstehen neue Wachstumsbranchen, die sich vor allem auf die Mikroelektronik stützen,
c) weltweit bewegen sich unkontrolliert Dollarströme in der Höhe von mehreren hundert Milliarden Dollar, die nach Anlagemöglichkeiten zum höchsten erzielbaren Profit suchen und die Stabilität der nationalen Volkswirtschaft untergraben,
d) es entstehen neue internationale Konzernstrukturen durch immer gröere industrielle Verbindungen (z.B. Daimler-Benz) aber auch den Zusammenschluß von Finanzgruppen.
Das bedeutet gleichzeitig eine ungeheure Zusammenballung wirtschaftlicher und politischer Macht.
Diese Entwicklungen sind kein Zufall, sondern Ausdruck des kapitalistischen Konkurrenzsystems. Im Rahmen dieses Systems ist die Einbeziehung des höchstmöglichen Profits die Existenzbedingung aller Unternehmen. Dies führt zu einem immer schärferen Verdrängungswettbewerb, dessen Opfer weltweit die Arbeitnehmer zu werden drohen.
These 3
Diese Entwicklung spart Volkswagen nicht aus. In der Weltautomobilindustrie existieren heute Überkapazitäten in Millionenhöhe, obwohl nie so viele PKW's weltweit abgesetzt wurden, wie in den letzten drei Jahren.
Die Verschärfung der Konkurrenz wird sich in den nächsten Jahren besonders aufEuropa konzentrieren.
- Neue Produktionsstandorte der Japaner in Europa und der Ausbau ihrer vorhandenen Fabriken,
- vermehrte Exporte der Japaner aus den USA nach Europa, - das Fallen von Handelsschranken durch den Europäischen Binnenmarkt 1992,
- eine bevorstehende Europa-Offensive der Südkoreaner
sowie
- Kostensenkungs- und Rationalisierungsprogramme der europäischen Konkurrenz von Volkswagen belegen:
Die nächsten Jahre bringen einen Kampf um die strukturelle Vorherrschaft in der europäischen Automobilindustrie. Und diesen Kampf kann nur derjenige überleben, der hohe Qualität zu günstigen Preisen produziert. Deshalb wird sich die Konkurrenz der Automobilkonzerne und der europäischen Standorte untereinander enorm verschärfen.
These 4
Aus diesen Gründen können wir die Entwicklung in unserem internationalen Umfeld nicht ignorieren. Die stattgefundenen Verlagerungen bei Opel (General Motors) und Ford nach Spanien und Großbritannien beweisen dies.
Ein entscheidender Gesichtspunkt für den Stellenwert eines Standortes ist zunehmend die Dauer der möglichen Nutzungszeit kapitalintensiver Anlagen.. Heute schon werden vor diesem Hintergrund Veränderungen der Arbeitszeitverhältnisse auch in der Bundesrepublik sichtbar. Die bekanntgewordenen Arbeitszeitregelungen bei BMW in Regensburg, bei Opel in Kaiserslautern und bei Ford in Köln, die jeweils den Samstag und die Überschreitung des 8-Stundentages einschließen, beweisen, daß wir an der Frage der Anlagennutzung nicht vorbeikommen!
Diese Frage ist zu einem entscheidenden Problem der Arbeitsplatz- und Standortsicherung in Deutschland geworden. Deshalb sind wir heute zu einem arbeitszeitpolitischen Umdenken gezwungen, das mehr Flexibilität bei der Anlagennutzung ermöglicht.
These 5
Die vom Vorstand geforderten Maßnahmen zur Ertragsverbesserung werden mit dem Ziel der Erreichung gemeinsam tragbarer Lösungen verhandelt. Dies bedeutet nicht, daß jede vom Vorstand ins Auge gefaßte Veränderung übernommen wird. Tatsachejedoch ist:
Wenn bei Volkswagen die Arbeitsplätze auch in Zukunft sicher sein sollen, dann müssen die Kosten gesenkt und die Qualität verbessert werden. Nur über diesen Weg ist auch in den nächsten Jahren noch ein Verkaufsvolumen erzielbar, auf dessen Grundlage die Arbeitsplätze und das Gewicht der deutschen Standorte erhalten werden können.
Dieser Weg verlangt von uns eine Gratwanderung. Diese Gratwanderung werden wir nicht mit einfachen Rezepten bestehen. Wir entscheiden uns aber damit für einen Weg, der sein Heil nicht in der Konfrontation und Verweigerung, sondern in der Einflußnahme und Gestaltung sucht!
Am Ende müssen jeweils folgende Lösungen erreicht werden:
- Kostensenkung nicht durch die Kürzung der tariflichen Leistungen, sondern durch mehr Effizienz und den Abbau von Bürokratie und Hierarchie! Dies bedeutet letztlich aber auch mehr Produktivität und Leistung pro Beschäftigten.
- Verteilung dieses Leistungsanspruchs auf alle Gruppen! Damit gilt neben der Einbeziehung des Leistungslohns auch der 10%-Personalabbaubeschluß im Angestellten- und Zeitlohnbereich sowie die massive Verstärkung von betrieblichen Untersuchungen in diesen Bereichen und ein 10prozentiger Abbau bei den Führungskräften.
- Veränderung von Strukturen für mehr Produktiviität und Qualität und der Abbau von Bürokratie, Hierarchie und Reibungsverlusten! Deshalb gilt der Veränderung der Arbeitsorganisation (AK-Systeme, Gruppenarbeit, Fertigungszelle und Umstrukturierung der Qualitätssicherung) unser ganz besonderes Augenmerk. Diese Veränderung von Strukturen muß darüberhinaus auch noch andere Bereiche einbeziehen.
- Neue Arbeitszeitmodelle, die einen effektiveren Einsatz von kapitalintensiven Anlagen ermöglichen und damit sowohl Überstunden abbauen als auch Beschäftigungsbereiche vor Fremdvergabe und Verlagerungen sichern! Dies bedeutet aber gleichzeitig mehr Flexibilität und Differenzierung der Arbeitszeitregelung statt ständiger Sondermaßnahmen und Mehrarbeit.
Aus den Ergebnissen der Fraktionsklausurtagung müssen wir unseren Weg zur Veränderung der Strukturen für mehr Demokratie durch Mitbestimmung am Arbeitsplatz entwickeln. Dieser Weg basiert auffolgendem Grundgedanken:
Die Veränderung der Betriebs- und Arbeitsorganisation muß gleichzeitig mit einer völligen Neuordnung der Entscheidungskompetenzen und der Zuordnung von Verantwortung einhergehen. Wir leiden bei Volkswagen unter einer zu starren Hierarchie und einer Entmündigung von Verantwortung. Arbeitsbedingungen und Effektiviität sowie Qualität leiden unter den Verkrustungen eines Anweisungssystems von oben nach unten, das Mißtrauen gegen alles hegt, was nicht bereits im Vorfeld abgesegnet ist.
Die Resultate, die aus diesen Verkrustungen herrühren, kennen wir. Und gerade hieran wird deutlich:
Die Qualität des Produkts hängt wesentlich von der Qualität der Arbeitsbedingungen für jeden einzelnen ab. Und diese Qualität kann nur durch qualifizierte Arbeitsinhalte und ausreichende Entscheidungsfreiheiten sowie humane Arbeitsbedingungen erbracht werden. Wir brauchen die Ersetzung von Kontrolle und Mißtrauen durch Vertrauen und Kompetenz. Dies fordert gleichzeitig mehr Beteiligungsrechte für den einzelnen:
- bei der Gestaltung der Arbeit,
- bei der Organisation seiner Arbeit,
- und bei der Lösung von Problemen.
Dazu brauchen wir eine andere Qualität - neue Formen der Arbeitsorganisation - die den falschen Weg der Zerstückelung der Arbeit und damit der Entmündigung der Arbeitenden überwinden.
Aus diesem Grund fordern wir mehr Demokratie für den einzelnen durch mehr Mitbestimung am Arbeitsplatz. Deshalb sagen wir auch dem Vorstand sehr deutlich, daß eine Lösung von Qualitätsproblemen vor allem eine humanere und demokratischere Arbeit verlangt. Mehr Verantwortungsbewußtsein des einzelnen fordert mehr Verantwortung durch Beteiligung und humanere Arbeit durch entsprechend verbesserte Arbeitsbedingungen. Deshalb führt kein Weg an dem Ausbau der Demokratie am Arbeitsplatz vorbei.
Verfahren:
Die vom Vorstand geforderten Punkte 2. bis 8. des Katalogs "Maßnahmen zur Ertragsverbesserung" werden in einer Kommission auf Werksebene nach Lösungsmöglichkeiten abgeklopft. Diese Kommission besteht aus Mitgliedem der Entgeltkommission sowie Kollegen und Kolleginnen aus den Bereichen Preßwerk, Rohbau, Lackiererei, Kabelfertigung, Montagen und Angestellte.
Diese Kommission arbeitet in engem Zusammenhang mit der Arbeitsgruppe des GBA (Gesamtbetriebsrat), die die genannten Themenbereiche aufUntemehmensebene behandelt.
Die Punkte 9. bis 11. werden durch eine Bestandsaufnahme der Produktion auf Lösungsmöglichkeiten untersucht und danach in weitere Gespräche einfließen.
Die Punkte 12. und 13. sind im Laufe des September anhand von Modellen zu diskutieren.
Ob diese Vorschläge zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung 1989 Einfluß haben können, hängt davon ab, ob der Vorstand bis zum September zu einem gesprächsfähigen Ergebnis gelangt ist. Eine entsprechende Terminvorgabe der IG Metall-Bezirksleitung liegt hierzu vor.
Zum Thema Polo-Standortsicherung
Mit einem Abschluß der Gespräche und einem Ergebnis ist ebenfalls im Laufe des Septembers zu rechnen.
Anlage
Übersicht der vom Vorstand der Volkswagen AG geforderten "Maßnahmen zur Ertragsverbesserung"
Anhebung der VW-Standardleistung
Reduzierung von Taktausgleichszeiten
Reduzierung der sachlichen Verteilzeit
Arbeiten bis zum Schichtende und Betriebsmitteldurchlauf bei Schichtübergabe
Einrichtung von Fertigungszellen mit neuem Zuschnitt von Arbeitssystemen
Einsatz von AK-Systemen
Einführung von Gruppenarbeit
Ausweitung der Qualitätsregelkreise
Prüfarbeitsfolgen entfallen lassen oder in die Produktionsarbeit eingliedem / Umstrukturierung Qualitätssicherung
0. Reduzierung der Einrichteranteile durch arbeisorganisatorische Maßnahmen (z.B. Fertigungszelle, AK-Systeme oder Übertragung auf den Anlagenführer)
1. Wegfall von Vorgabezeiten (Kreditierung im Fertigungsplan) für Nacharbeit; statt dessen Bemessung der tatsächlich geleisteten Nacharbeit
2. Optimierung der Arbeitszeit durch neue Arbeitszeitmodelle bei Verbesserung der Steuerung von Abwesenheitszeiten und Leistungslöhner - Personalbedarfsplanung
3. Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung 1989
4. Reduzierung des Krankenstandes
5. 10% Personalabbau im Angestellten- und Zeitlohnbereich und
6. Betriebliche Untersuchungen im Angestellten- und Zeitlohnbereich