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Zum Weinen
Die Akteure des politischen Lebens in Argentinien haben sich eine neue Gewohnheit zugelegt: Sie weinen öffentlich. Der Gewerkschaftsführer Genosse Ubaldini, Chef der "mächtigen" CGT, stellte der Öffentlichkeit und sich selbst die Leiden seiner Basis so eindrucksvoll dar, daß er mitten in der Schilderung der Armut und der Hungerlöhne, die den Arbeiter plagen, zu schluchzen anfing, sich nicht mehr bremsen konnte und sich schließlich richtig ausweinen mußte.
Der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, der wichtigsten des Landes, Herr Armendari, kritisierte den Ungehorsam der Offiziere gegen die Zivilregierung, erinnerte an die Untaten der Diktatur und fand alles so schändlich, daß er zu stottern begann und dann vor seinem Publikum in Tränen ausbrach.
Nachdem die rebellierenden Offiziere mit dem Präsidenten gesprochen hatten und, wie dieser sagte, "ihre Haltung geändert" hatten, umarmten sie sich vor den Fernsehkameras, stimmten patriotische Gesänge an und heulten wie die Schloßhunde. Für die Tagesschausprecher/innen war das alles so rührend, daß auch sie sich nicht mehr einkriegen konnten: Sie entschuldigten sich gegenüber den Zuschauem und weinten.
Das millionenfache Weinen ist den versammelten Volksmassen auf allen Plazas des Landes erspart geblieben. Die wichtigste Figur weinte nicht. Der Präsident Alfonsin ging mit sehr ernster Miene zu den Rebellen, nachdem er vor er zu den Massen gesagt hatte: "Ihr wartet hier", kam zurück zur Plaza und rief der Menge zu: "Frohe Ostern!" (es war Ostersonntag), versicherte, daß er im Amt geblieben sei, und das Militär sich wieder beruhigt habe. Am Ende sagte er: "Das Haus ist in Ordnung", und... grinste.
Das Volk riß sich wieder zusammen. Der nächste Tag war ja Ostermontag, in Buenos Aires ein hektischer Arbeitstag wie immer.