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Streiks in Südafrika und Südkorea
BEITRÄGE ZUR POLITISCHEN EMANZIPATION DER ARBEITERKLASSE IN ENTWICKLUNGSLÄNDERN
In Südkorea und in Südafrika wird gestreikt, und nicht zu knapp. Die Presse hierzulande gibt ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, daß die das dürfen. Aber da sie anscheinend dürfen, besteht kein Grund zur Sorge. In kontrollierten Bahnen abgewickelt, sind Arbeiterstreiks ein Beitrag zur Stabilität, weil sie das Selbstbewußtsein des arbeitenden Teils der Gesellschaft heben, und schrecken Bürger nicht. Freilich muß die nötige Kontrolle gewährleistet sein. Dafür stehen die bekanntermaßen bewährten Gewaltapparate derjeweiligen Staaten ein.
Südafrika - Schwarze streiken für die Behandlung als Arbeiter
In den Kohle- und Goldminen Südafrikas sind zwischen 230- und 340-tausend Arbeiter im Ausstand. Die Gewerkschaft der Minenarbeiter NUM hat vom Verband der Bergwerksgesellschaften eine 55%ige Lohnerhöhung, Verbesserung der Urlaubsregelungen, bessere Abfindung der Familien im Falle von Grubenunglücken, bei denen jährlich durchschnittlich 700 Arbeiter ums Leben kommen, und vor allem eine "Beendigung des Wanderarbeitersystems" gefordert, "das Bergarbeiter zwingt, den meisten Teil des Jahres ohne ihre Familien in eingezäunten, bewachten Heimen zu leben".
Die Bergbaukonzerne ihrerseits haben je nach Anlage Lohnerhöhungen zwischen 16 und 24% angeboten. Verhandlungen über ihr "Angebot" lehnten sie allerdings ab, auch wenn die Gewerkschaft ihrerseits Verhandlungsbereitschaft signalisierte und ihre Lohnforderung auf 30% reduzierte. So können Berichterstatter behaupten, die beiden Zahlen lägen ja nicht weit auseinander. Der NUM ging es an diesem Punkt allerdings ums Prinzip. Sie will die "Bergbaufirmen zwingen, ein Lohnabkommen auszuhandeln, anstatt bloß zu verkünden, wieviel sie den Arbeitern zugestehen wollen." (Der NUM-Vorstand Cyril Ramaphosa)
Die Arbeitgeber geben sich konziliant. Der Vorsitzende der Anglo American Corporation, Gavin Relly, z.B. will den Umstand, "daß ein legaler Streik in einem so lebenswichtigen Industriezweig stattfinden kann, als Anzeichen für den Fortschritt der südafrikanischen Gesellschaft in Richtung Normalisierung verstanden wissen." Relly gilt auch als Kritiker der Apartheid. Weil einer seiner Arbeiter ein Neger ist, aus diesem Grund würde er sich niemals mit ihm nicht an den Verhandlungstisch setzen. Als Vertreter des Unternehmerstandpunkts muß er allerdings in der Sache hart sein.
Um den Schein zu dementieren, sie würden mit einer schwarzen Gewerkschaft nicht verhandeln, hat sich das Minensyndikat nach den ersten Versuchen, den Streik zu brechen - Entlassung von 7000 Arbeitern, Androhung des Rausschmisses von anschließend 40.000 -, zu Verhandlungen und einem neuen Angebot herabgelassen. Das einmalige Angebot hieß: Verlängerung des Urlaubs auf einen Monat pro Jahr und Erhöhung der Lebensversicherung auf 4 Jahresgehälter. Über die Forderung nach Beendigung des Wanderarbeitersystems hat man nichts mehr erfahren; das würde die Minen in Südafrika auch der zentralen Geschäftsbedingung berauben, die Notlage der Hungerleider im Hinterland und in den Nachbarländern auszunutzen. Die Gewerkschaftsmitglieder haben das Angebot der Unternehmer abgelehnt.
Die Regierung Botha verkündet, daß sie ein Streik nichts angehe, sondern dieser eine Angelegenheit der beiden kontrahierenden Parteien sei. Regierung und Unternehmer verfolgen die Linie, den Arbeitskampf von der Apartheid-Frage zu trennen. Sie wollen die Auseinandersetzung nicht unter dem Gesichtspunkt führen, der für ihre Staatskonstruktion immer gleich die Systemfrage aufwirft und im Ausland dauernd für negatives Echo sorgt. Das hat auch Botha mitgekriegt, daß sich Blüm - wenn er darf - bei ihm über geteilte Parkbänke beschweren will und nicht über verelendete Wanderarbeiter. In so materialistische Angelegenheiten wie Streiks mischen sich Solidaritätskomitees und Menschenrechtschristen nicht ein.
Gegen die streikenden Arbeiter wird folgendes Konzept verfolgt: Die Gewerkschaft der schwarzen Arbeiter soll sich an der Macht des Minenkapitals abarbeiten; die ökonomischen Kalkulationen sollen das Ergebnis des Streiks diktieren. Die Bergwerksgesellschaften führen bei der Entlassung von 10.000en von Arbeitern ihre betriebswirtschaftlichen Kostenrechnungen ins Feld und teilen mit, durch den Streik wäre so manche Zeche unrentabel geworden. Sie bemühen sich nach Kräften, die Solidarität der Schwarzen aufzubrechen. 100.000 stellen sie vor die Situation des existentiellen Aus, anderen machen sie finanzielle Angebote, wenn sie als Streikbrecher die Arbeit wieder aufnehmen. Im übrigen beginnen sie bereits mit der Rekrutierung neuer Arbeitskräfte in den Siedlungsgebieten der Schwarzen. Und wie um zu beweisen, daß die Arbeiter zwar von ihnen, sie aber nicht von den Arbeitern abhängig sind, weil ihnen schlimmstenfalls Schaden an den Gewinnen entsteht, lassen sie die interessierte Geschäftswelt in regelmäßigen Abständen wissen: "Neues Goldbergwerk 1990 voll betriebsbereit." "Südafrika: Platinmine für 530 Mill. Rand" etc.
Das Angebot, den Streik "ökonomisch" zu entscheiden, ist der politische Versuch, die schwarzen Arbeiter auf ihre Dienste als Klasse zu verpflichten, ohne diesen Zwang gleich als rassische Sortierung in Bürger unterschiedlichen Rechts geltend zu machen. Das ist die Entpolitisierung des Arbeitskampfes, die die Regierung will. Ihr Ideal ist es, den Lohnauseinandersetzungen den Charakter einer politischen Manifestation gegen die Rassengesetze zu nehmen und den Kampf gegen die Apartheid von seiner materiellen Grundlage in den speziellen südafrikanischen Ausbeutungsverhältnissen zu trennen. Die Gewerkschaft umgekehrt sieht in dem Zugeständnis, nicht gleich mit den "staatsfeindlichen Umtrieben" des ANC identifiziert zu werden, ihre Chance, sich als Vertreter der Arbeiterklasse und damit, so wie die Dinge in Südafrika nun einmal liegen, als politische Kraft der Schwarzen zu konsolidieren. Die Betriebe müssen sich also darauf einstellen, ihre Schwarzen als Arbeiter mit Gewerkschaftsrecht zu behandeln, was ihnen angesichts der Besonderheiten des südafrikanischen Arbeitsmarkts nicht allzu schwerfallen dürfte; dafür können sie damit rechnen, daß die Konjunkturen ihres Geschäfts sich nicht ständig mit dem Auf und Ab der Apartheidpolitik und der rassistischen Herrschaftssicherung überkreuzen.
Daß Neger in Südafrika als Schwarze behandelt werden, ist freilich auch bei diesem Streik schlechterdings nicht zu übersehen. Nicht nur, daß der Ausgangspunkt der Lohnforderung der Vergleich mit den dreimal höheren Löhnen weißhäutiger Arbeiter ist. Hier suchte die Regierung ein kleines politisches Zugeständnis zu machen, indem sie jetzt auch schwarze Arbeiter zur Prüfung als Sprengmeister zuläßt. Nicht nur, daß das ordnungsstiftende Eingreifen der Polizei in den Streik bereits so viele Todesopfer wie in früheren Streiks auch gefordert hat. Die wirtschaftliche Rentabilität der Minen basiert neben der Produktivität der eingesetzten Maschinerie auf dem billigen, in Wohnsiedlungen eingepferchten und nach Bedarf zu den Homelands und zurücktransportierten Arbeitsvieh. Südafrikanische Bergwerksunternehmen partizipieren nicht nur an den südafrikanischen Rassengesetzen, sondern ihre Umsätze beruhen schon auf der sicheren Kalkulation mit schwarzen und weißen Lohngruppen, auch wenn sie sich einen Aufstieg schwarzer Arbeiter innerhalb der Firma auch mal laut vorstellen können. Mag sein, daß ein Anglo American Corporation-Vorstand sich auch Weiße in seinen Werkssiedlungen denken kann, wenn sie es aufgrund "mangelnder Qualifikation" verdienen - auf seine Werksghettos will er, wie der Verlauf der Auseinandersetzung zeigt, nicht verzichten. Diese Grundlage seines Geschäfts, bei dem ihm auch noch die Versorgung seiner Klienten obliegt und selbst die Konten gesperrt werden können, wenn Arbeiter an ihr Geld wollen, hält er für so normal wie ein Türkenwohnheim in der BRD.
Die National Union of Mineworkers ist sich des politischen Inhalts ihrer Auseinandersetzung mit der Minenkammer bewußt.
"In Südafrika... werden Lohnverhandlungen mit Arbeitgebern vom ganzen Apartheidsystem beeinflußt. Unsere Mitglieder leben in Wohnheimen und Townships, die gemäß der Apartheid geschaffen wurden. Wir genießen keine Freizügigkeit, wir bezahlen Steuem, ohne in der Regierung repräsentiert zu sein. Eine Gewerkschaft mit nur einem Funken Selbstachtung muß sich natürlich solcher Ungerechtigkeiten annehmen." (Ramaphosa im "Spiegel" 35/87)
Im Unterschied zu den Negeraufständen der letzten Jahre haben die Neger im Moment tatsächlich den Hebel erwischt, den sie als Arbeiter überhaupt in der Hand haben. Der Streik ist gut organisiert. Die Leute wissen, welche Repressionen auf sie zukommen. Und die Buren tun wie üblich das Ihre, die Schwarzen in ihren sehr korrekten Vorurteilen zu bestärken. Im Gegensatz zu manchen Gerüchten hierzulande ist der Streik allerdings noch konziliant. Er umfaßt noch nicht die "vitalen" Produktionssektoren der Nation, ohne die der Westen tatsächlich schlecht zurecht käme: Uran und Stahlveredler wie Chrom und Mangan.
Bis jetzt hat die NUM nur das Angebot der Niederlage. Auf keine ihrer Forderungen ist eingegangen, 50.000 Streikende sind entlassen worden. Die Gewerkschaft selbst hat ihre Lohnforderung nochmals um 3 Prozentpunkte herabgesetzt. Was sie von der Wiedereinstellung der Gefeuerten hält, ist nicht bekannt. Im Ton bleibt sie allerdings hart und besteht darauf, daß die Unternehmen sie, zumindest im Prinzip, als Macht anerkennen. Das ist der Sieg, den sie feiern möchte. Da die Gegenseite an diesem Punkt aber auch auf stur schaltet weil sie die Weiterungen eines von ihr anerkannten Gewerkschaftswesens vermeiden will, droht die Ausweitung des Streiks auf strategisch relevante Produktionsbereiche der südafrikanischen Republik und damit das massive Eingreifen der Regierung.
Die Bimbos in der Spiegel-Redaktion:
"Welche Möglichkeiten sehen Sie denn noch für einen einigermaßen friedlichen Ausgleich zwischen Schwarzen und Weißen in Südafrika?
RAMAPHOSA: Es fällt mir schwer, daran zu glauben. Es hängt davon ab, ob man sich auf das Ziel, aufdie Befreiung einigen kann."
So erledigt sich für beide Seiten doch wieder der Unterschied zwischen ökonomischem und politischem Kampf.
Nicht allerdings für den bundesdeutschen Sympathisantensumpf der Regierung Botha. Unser "liberales Weltblatt" sieht angesichts der bravourösen Behandlung des Streikgeschehens durch die Obrigkeit überhaupt keinen Anlaß mehr, noch groß auf der Menschenrechtsfrage herumzureiten.
"Apartheid als wirksames Instrument
Wenn Präsident Botha den südafrikanischen Sicherheitskräften bisher noch nicht die Zügel völlig freigegeben hat, so nicht zuletzt aus Rücksicht auf die schwarzen Arbeiter. Aus diesem Grund zögert die Regierung auch, in den seit mehr als einer Woche andauernden Minenstreit einzugreifen. Sie hofft, daß die Kumpel mit ihren mageren Löhnen und ohne Streikkasse nicht so lange durchhalten wie die Gold- und Kohlevorräte des Landes reichen. Sollte der Arbeitskampf allerdings an die Substanz, sprich die Exporterlöse, gehen, dann dürfte Pretoria Mittel und Wege finden, ihn zu beenden.
In einem Industriestaat wie Südafrika verfügen die Machthaber über derart viele Repressions- und Manipulationsmöglichkeiten, daß es kein Zufall ist, wenn die neuere Geschichte Revolutionen - von der Sowjetunion über China bis zu Cuba - nur aus Agrargesellschaften kennt. Das Arsenal reicht von roher Gewalt bis hin zur Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeit und der Schaffung legaler Institutionen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat Pretoria gelernt, auf diesem Instrumentarium zu spielen und hat die Apartheid zu einer äußerst wirksamen Form oligarchischer Herrschaft gemacht. Daß die dominante Gruppe dabei ethnisch definiert ist, hat der Effizienz des Systems keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil: die Stärke dieser Politik liegt darin begründet, daß sie eine symbolische mit einer handfest materiellen Komponente verbindet - sie appelliert einerseits an das Identitätsgefühl und bietet sich andererseits als Organisationsgrundlage für pressure groups an. Apartheid muß, so verstanden, nicht unbedingt ein irrationales Relikt vergangener Zeiten sein. Gerade im Verteilungskampf um die knappen Ressourcen der Vielvölkerstaaten in der Dritten Welt kann sie zu einem sehr wirksamen Mobilisierungsinstrument werden." (Gerhard Behrens in der Süddeutschen Zeitung vom 17.8.87)
So wird im Vertrauen auf die faktische Macht der Burenherrschaft aus der im letzten Sommer noch geläufigen Lüge, Apartheid sei ein Risiko für die Stabilität, ein Loblied auf eine höchst raffinierte, orts- und zeitgemäße Regierungsform. Der Aufforderungscharakter dieser Stellungnahme ist im übrigen unübersehbar.
Südkorea - Auch Arbeiter sollen die Nationalhymne singen
Die südkoreanische Regierung hat dem Land in bißchen Demokratisierung verordnet. Wofür ihre Diktatur die ganze Zeit über gut war, hat sie jedenfalls gewußt.
"In der Vergangenheit haben wir das Wachstum zu stark zum Nachteil der Arbeiter gefördert, jetzt haben wir den Punkt erreicht, an dem wir die Forderungen der Arbeiter unterstützen müssen." (Der Vorsitzende der Regierungspartei Roh Tae Woo)
Jetzt ist die Regierung der Auffassung, daß sie wegen eventueller zukünftiger Wahlen die Sympathie des ganzen Volkes brauchen kann und bittet die Unternehmer zur Kasse, die - zumindest die großen Konzerne - in letzter Zeit glänzende Gewinne gemacht haben. Mit einer Währung, die an den Dollar gebunden ist, überschwemmen sie den Weltmarkt mit ihren Billigprodukten.
Die "Aussöhnung der Nation" kostet den Hyundai-Konzern z.B. eine 10%-ige Lohnerhöhung. Wie das Unternehmen mit den zusätzlichen Kosten verfahren wird, ist bereits bekannt. Die Regierung will "vor allem die großen Unternehmen überwachen, damit Lohnsteigerungen nicht über höhere Konsumentenpreise weitergegeben werden". - Das beherrschen sie in Korea also auch schon: Alle Probleme zu nennen, um sie damit für erledigt zu erklären.
Der Erfolg des Streiks war, was die nationale Einheit angeht, angeblich durchschlagend.
"Der alte Chung (vom Hyundai-Konzern) empfängt eine Abordnung der Gewerkschaften einschließlich Vertretern des Gesamtrates und stößt mit ihnen aufdie Aussöhnung an. Dann rufen sie gemeinsam 'Hyundai monsae' - zu Deutsch 'Es lebe Hyundai' - und stimmen das Firmenlied an." (Süddeutsche Zeitung, 20.8.87)
Der gleiche Chung versprach vor 20000 streikenden Arbeitern,
"Firmengewinne nicht mehr an Aktionäre weiterzugeben, sondern in die Löhne seiner Leute zu stecken Chung erklärte es darüber hinaus sogar für 'wünschenswert', daß alle Arbeiter und Angestellten einer Gewerkschaft beitreten: 'Danach sollten gewählte Gewerkschaftsführer und das Management gemeinsam Arbeitsprobleme einträchtig und legal lösen.'
Dazu die Tageszeitung 'The Korea Herald': 'Als sie Chungs Versprechen gehört hatten, sangen die protestierenden Arbeiter die Nationalhymne und gingen freiwillig auseinander.'" (Spiegel 35/87)
Wie auch immer es wirklich war - so jedenfalls hätte die Regierung ihr streikendes Arbeitsvolk gerne, und so würde es auch den westlichen Beobachtern gefallen: Materielle Niederlagen mit Nationalismus quittieren. So würde der Arbeitskampf glatt ein Beitrag zur politischen Kultur und sozialen Hygiene des Landes.
Aber ganz so weit scheint es noch nicht zu sein, daß südkoreanische Arbeiter ihre Streiks wie ein Sommertheater des DBG abwickeln.
"Südkoreas Präsident Chun Doo Hwan hat während einer Pressekonferenz Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Mäßigung aufgerufen. Die anhaltenden Streiks wirkten sich auf die wirtschaftliche Entwicklung und das tägliche Leben jedes einzelnen Bürgers aus, sagte Chun. Chun warnte: 'Wir streben demokratische Entwicklung an, aber sie ist nichts als ein Kartenhaus, wenn der Lebensstandard sinkt.'" (Süddeutsche Zeitung, 22.8.87)
Lebensstandard steht hier, wie es sich für eine funktionierende Demokratie gehört, als volksfreundliches Etikett für florierende Wirtschaft und anspruchslose Arbeiter. Das freiwillig oder als Diktatur wie bisher, das ist die schöne Alternative, die der Diktator seinem Volk eröffnet.
Ein größeres deutsches Bekleidungsunternehmen ist Ziel mehrerer Brandanschläge in der BRD geworden, "wegen der Ausbeutung koreanischer Arbeiter", wie es in einem Bekennerbrief hieß. Die Firma hat zwar vorsichtshalber alle Aufträge für ihre 100%ige Tochter in Südkorea gestoppt, kann sich den Umstand, daß es in einem ihrer Werke zum Streik gekommen ist, jedoch nur so erklären:
"Südkorea befindet sich in einem Zustand heftiger politischer Auseinandersetzungen. Diese Auseinandersetzungen sind begleitet von Streiks in allen Wirtschaftszweigen.
Flair Fashion ist das einzige Unternehmen in Korea, das sich zu 100% in deutscher Hand befindet; dies ist wohl der Grund, weshalb die Auseinandersetzungen von Südkorea auf die Bundesrepublik Deutschland übergegriffen haben. So wurde die ADLER-Handelsorganisation in Deutschland, die lediglich 1/4 ihres Umsatzes in Südkorea produzieren läßt, in diese Auseinandersetzungen hineingezogen, die sich von Demonstrationen vor ihren Märkten bis zu Brandanschlägen steigerten."
(Firma Adler in einer Anzeige in der Süddeutschen Zeitung am 20.8.87)
An den Stundenlöhnen von DM 2,- und schlechten Arbeitsbedingungen kann es jedenfalls nicht liegen.
"Der Verwaltungsrat der ADLER-Bekleidungswerk AG hat gleichzeitig die Deutsche Bischofskonferenz gebeten, die Arbeitsbedingungen bei Flair Fashion zu überprüfen, um festzustellen, ob die bereits vor Monaten erhobenen Vorwürfe wegen sogenannter "Ausbeutung von Arbeitnehmern" berechtigt sind.
Eine katholische Untersuchungskommission des Bistums Iri (Südkorea) hatte in einem Bericht die erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen und die für die Verhältnisse des Landes überdurchschnittlich guten Löhne bei Flair Fashion hervorgehoben."
Ortsübliche Verhältnisse zwar, aber noch über dem Durchschnitt und mit dem Segen des Allerhöchsten versehen! Die Firma Adler hatte auch keine Schwierigkeiten, die Vorwürfe wegen niedrigen Stundenlöhnen und täglicher Arbeitszeiten von 10 bis 12 Stunden als böswillige Unterstellung zurückzuweisen:
"Adler wies... sämtliche Vorwürfe zurück, die Arbeitszeit sei nur in Ausnahmefällen so lang, der Lohn nur bei Neueingestellten so niedrig." (Handelsblatt, 18.8.87)
Zeitungen hierzulande finden dagegen, daß es den Arbeitern in Südkorea wirklich schlecht geht und endlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen anstünden. Eine sonst nicht vernommene Sorge um die Lage der arbeitenden Klasse.
"Bei der Streikwelle geht es grundsätzlich um zwei Dinge: erstens um eine wesentliche Aufbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, zweitens um angemessene gewerkschaftliche Rechte überhaupt. Gemessen an den strahlenden Wirtschaftserfolgen, deren sich die südkoreanische Regierung so gerne rühmt, sind die Arbeitsbedingungen in vielen Betrieben ein Skandal. Das gilt für die Arbeitszeit ebenso wie für die Entlohnung, aber auch bei der sonstigen sozialen Absicherung liegt vieles noch im argen. Wöchentliche Arbeitszeiten von 50 bis 60 Stunden sind zumindest in den kleineren Betrieben durchaus üblich. Selbst wenn man die amtlichen Zahlen zugrunde legt, bei denen die größten Sünder, nämlich die kleinsten Betriebe, gerade unter den Tisch fallen, kommt man zum Beispiel für 1985 auf eine Jahresarbeitszeit von fast 2700 Stunden. Das sind rund 1000 Stunden mehr als in der Bundesrepublik Deutschland und noch 600 mehr als in Japan.
Allgemeingültige Aussagen über das Lohnniveau sind schwierig, weil die Währungsrelationen nicht unbedingt den Kaufverhältnissen entsprechen. Die amtlichen Daten weisen für 1985 einen monatlichen Durchschnittslohn von fast 400000 Won oder umgerechnet gut 900 Mark aus. Darin sind aber nur die Betriebe mit mindestens zehn Beschäftigten erfaßt, der ganze Unterbau der Minizulieferbetriebe fehlt also in der Statistik. Hier ist aber ein sehr großer Teil der arbeitenden Bevölkerung zu Löhnen tätig, die sich zwischen einem Viertel und der Hälfte des amtlichen Druchschnitts bewegen. Es kommt hinzu, daß viele - und zwar auch größere - Betriebe mit ihren Lohnzahlungen im Rückstand sind. Der Schutz der Arbeitnehmer in solchen Fällen ist völlig unzureichend. Ein besonders trübes Kapitel ist die Unterbezahlung weiblicher Arbeitnehmer, zum Beispiel in den Klein- und Mittelbetrieben der Textilindustrie." (Süddeutsche Zeitung, 18.8.87)
In der Vergangenheit war Südkorea unser Billiglohnland und die Adlers und C&A's schrieben immer noch an manchem "trüben Kapitel" unternehmungslustig mit. Aber wenn man sich vorstellt, daß dieser Staat tatsächlich mit seinen Billigameisen selbst etwas hermachen und auf dem Weltmarkt mitmischen will, fällt einem deutschen Wirtschaftsjournalisten - genau wie dem DGB - das ach so Soziale an der hiesigen Ausbeutung ein - als Kosten nämlich, die die dortige Obrigkeit sich und ihren Unternehmern doch einfach erspart und so einen Konkurrenzvorteil einheimst. Da muß man schon einmal kontrollieren, ob alles mit lauterem Wettbewerb zugeht. So kommt eine deutsche Zeitung schließlich auf die Idee, nationales "Wachstum" für Lohn und weniger Arbeit zu opfern: in Südkorea wie gesagt, für unsere nationale Konkurrenzfähigkeit - und auch nur in der Einbildung.
"Angesichts des enormen Wachstumstempos der südkoreanischen Wirtschaft wäre auch eine Verlangsamung zu verkraften. Im übrigen trifft es sich gut, daß diese Umstellung gerade zu einer Zeit erfolgen soll, wo sich das Land erstmals großer Überschüsse in seiner Leistungsbilanz erfreut. Kurzum, Südkorea kann sich die notwendig gewordene Umstellung jetzt auch leisten."