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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1986 erschienen.

Die Verbrechen der Russen
AfGHANISTAN

Die Russen führen dort einen Krieg.

Und, wer will es ihnen verbieten? Vor allem wir, die Freiheitsnationen des Westens. Es geht zwar das Gerücht, daß dort ein tapferes Volk sich gegen russische Fremdherrschaft zur Wehr setzt, aber finanziert wird die Angelegenheit von außen. Washington macht 350 Mio. Dollar jährlich mit steigender Tendenz unmittelbar für die Unterstützung des Widerstands in Afghanistan locker. Die Hilfe arabischer Staaten für die "moslemischen Brüder" von Saudi-Arabien bis zum Iran ist ebenfalls nicht ohne Pakistan ist zur Ausgangsbasis der "Widerstandsaktionen" eingerichtet worden und bedarf daher zusätzlich einiger Milliarden Militärhilfe seitens der USA zum "Schutz seiner Grenzen" und für die Aufgaben kommender Jahre. China und Iran bilden ebenfalls 'Guerrilleros' aus. Das läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Man richtet "Flüchtlingslager" ein, in denen afghanischen Bergclans eine Alternative zu ihrem kärglichen Auskommen in den Heimattälern geboten wird. Von selber hätten sie sich nämlich auf irgendeine Weise mit der Regierung in Kabul arrangiert. Sie siedeln nun mit ihren Familien um, und ein Teil der männlichen Bevölkerung geht anschließend dem neu geschaffenen Gewerbezweig "afghanischer Freiheitskämpfer" nach. Mit Flinten sollen sie schon immer gerne hantiert haben. Auf diese Weise kommt einerseits eine stattliche Zahl von Flüchtlingen zustande, deren unermeßliches Leid man schön vorzeigen kann und die der einheimischen Grenzbevölkerung mit ihren ungenierten Geschäften auf den Wecker fallen. Andererseits läßt bei dieser Aushebung nationalen Widerstands die Geschlossenheit immer etwas zu wünschen übrig, da es ungefähr ebensoviele "Widerstandsführer" wie rekrutierte Stämme gibt. Die Geldgeber sahen sich daher genötigt, ein ernstes Wort zu sprechen, wegen der Repräsentanz einer afghanischen Nation. Seitdem gibt es auch einen Vorzeige-Hekmatjar, der in allen Redaktionsstuben empfangen wird.

"SPIEGEL: Sosehr wir dem afghanischen Volk wünschen, daß es selbst über sein Schicksal entscheiden kann - gerade Ihre Zahlen zeigen, daß die Sowjets diesen Krieg sehr viel länger durchhalten können als die Afghanen. Wenn wirklich mehr als eine Million von 17 Millionen Afghanen bereits dem Krieg zum Opfer gefallen sind - die Sowjet-Union zählt 276 Millionen Einwohner.

HEKMATJAR: Ihre Skepsis überlassen wir Ihnen. Ihre Maßstäbe sind nicht die unseren, nicht die unseres Heiligen Krieges. Die Geschichte wird zeigen, wer recht hat. Wir wissen, daß wir siegen werden. Wir gehen sogar davon aus, daß wir am Ende einer traurigen, dunklen Nacht angelangt sind und daß bei uns bald wieder der helle Morgen der Freiheit anbricht." (Der Spiegel 46/1985)

Es wäre ja tatsächlich ein Bedenken - und nicht nur ein Grund für Skepsis über die Effektivität des "afghanischen Widerstands" -, 1 Mio. Leute (über morgenländische Übertreibungen wollen wir nicht rechten) in den sicheren Tod zu schicken; von den umgebrachten Russen mal nicht zu reden. Die kluge FAZ warnt dagegen vor Wehrkraftzersetzung in der Etappe:

"Etwas tun für Afghanistan kann man auch, indem man etwas unterläßt, zum Beispiel davon absieht, den afghanischen Mudschahedin unter Hinweis auf die ungeheure sowjetische Überlegenheit immer wieder zur Einstellung ihres "sinnlosen" Kampfes zu raten. Diejenige, die das tun, sind fast noch schlimmer als jene, die den Krieg in Afghanistan - absichtlich oder unabsichtlich - vergessen haben.

Militärisch ist die sowjetische Supermacht von einigen zehntausend schlecht ausgerüsteten und mangelhaft ausgebildeten Guerrilla-Kämpfern selbstverständlich nicht zu besiegen. Aber ist der Kampf der islamischen Glaubenskrieger deshalb "sinnlos"? Sie selbst denken anders darüber. Unerschöpflich scheinen die Kraftreserven, die sie aus ihrer Religion ziehen. Vielleicht kommt es nach verstärktem militärischen und politischen Druck auf die Okkupationsmacht eines Tages doch noch zu einer Lösung, mit der auch der jetzt noch Widerstand leistende Teil der afghanischen Bevölkerung zufrieden sein kann.

Kurzum, es ist Sache der Mudschahedin, darüber zu entscheiden, ob sie den Kampf gegen die Einverleibung ihrer Heimat in das sowjetische Imperium fortsetzen wollen oder nicht. Und wenn sie weiterkämpfen wollen, wofür derzeit alle Anzeichen sprechen, dann liegt es im westlichen Interesse, sie dabei zu unterstützen, und zwar weniger halbherzig als bisher." (FAZ, 14.11.85)

Wenn ein paar islamische Idioten sterben wollen und dabei noch ein paar Russen mitnehmen, kann der Westen nicht abseits stehen. Da muß man ihnen doch das notwendige Werkzeug in die Hand drücken, damit sie iunerschöpfliche Kraftreserven haben. Dem Fanatismus der CIA ist auch der Allah einerlei, bei dem Freiheitskämpfer anschließend gut aufgehoben sind. Beteuerungen der UdSSR, ihre militärische Präsenz in Afghanistan könnte schon beendet sein, wenn nicht vom Westen aus Terrorismus und "Banditentum" genährt würden, entbehren so gesehen nicht der Glaubwürdigkeit. Schließlich hat sie zwischen Weihnachten und Silvester 1979 nicht eben mal eine benachbarte Nation überfallen und geschändet, sondern eine Regierungsstreitigkeit zu ihren Gunsten entschieden, noch dazu innerhalb der regierenden kommunistischen Partei selbst. Die Sache mit dem Volk hätten sie dann schon irgendwie geregelt.

Die KPdSU hat es damals für nötig befunden, an ihrer Südgrenze für stabile Verhältnisse zu sorgen, dort, wo sie Einfluß besaß. Wegen der Machenschaften der CIA in Afghanistan selbst, die bis dahin zumindest in der amerikanischen Presse kein Geheimnis waren, wie ein deutscher Rudersportler, der nicht zur Olympiade nach Moskau durfte, im Fernsehen dankenswerterweise einmal mitteilte. Und wegen der internationalen Lage. Wir erinnern nur an den Beschluß der NATO 3 Wochen vor dem Einmarsch in Afghanistan, Europa mit Pershings und Cruise Missiles zu bestücken. Ebensowenig war ein Einmarsch der USA an der Südflanke der Sowjetunion im Iran nach dem Sturz des Schah ausgeschlossen.

"Das offizielle Argument der Amerikaner, demzufolge die Ursache der gegenwärtigen Verschlechterung die Ereignisse in Afghanistan sind, ist nicht stichhaltig, weil die prinzipiellen Entscheidungen, die die Basis der neuen Politik der USA darstellen und die hier in der Sowjetunion als ein gewaltiger Schritt zurück zum Kalten Krieg verstanden werden, lange vor den Ereignissen in Afghanistan getroffen wurden.

An welche Erntscheidungen denken Sie dabei?

An den Beschluß der Nato, während der nächsten 15 Jahre die Rüstungsetats jährlich zu erhöhen (Washington, Mai 1978), an die Entscheidung des US-Präsidenten für einen "Fünfjahresplan", der weitere militärische Programme und Rüstungsaufgaben in nie dagewesener Höhe vorsieht (November 1979), und an den höchst gefährlichen Nachrüstungsbeschluß der Nato, neue amerikanische Mittelstreckenraketen zu bauen und in Europa zu stationieren (Brüssel, Dezember 1979).

Außerdem haben die USA noch vor den Ereignissen in Afghanistan die Verhandlungen zur Rüstungsbegrenzuing praktisch zum Stillstand gebracht. Die Ratifizierung des SALT II-Abkommens war bereits im September/Oktober 1979 außerst ungewiß.

Darüberhinaus geschah die überstürzte Annäherung an China auf eindeutig antisowjetischer Basis, und hinzu kam, daß die USA Ende 1979 einen ganzen Schwarm von Kriegsschiffen samt Flugzeuge und Nuklearwaffen in den Persischen Golf entsandten. Wir konnten nicht recht glauben, daß das nur der Befreiung der Geiseln in Teheran dienen sollte und nicht Teil eines generellen Kurswechsels der amerikanischen Außenpolitik und ihrer militärischen Positionen war.

Deshalb ging man in Moskau bereits Mitte Dezember 1979 davon aus, daß die Vereinigten Staaten einen scharfen Kurswechsel eingeleitet hatten." (G. Arbatow: Der sowjetische Standpunkt)

Seither führt die russische Armee einen Krieg, weniger gegen die "afghanische Bevölkerung", sondern gegen die aus Iran, China und Pakistan eingeschleusten "Banditen", wie sie sich auszudrücken pflegt. Kalkulationen, wie sie diesen Dauerkrieg seit 1980 beenden kann, hat sie dabei nicht aufgegeben. Die "nationale Revolution" in der "Demokratischen Republik Afghanistan" wird vorangetrieben, um die Basis der Partei Babrak Karmals zu verbreitern.

"Auf die ökonomischen Aspekte eingehend unterstrich der Referent, daß die wirtschaftliche Grundlage der DRA durch gewichtige, für die Perspektive vorgesehene Umwandlungen national-demokratischen Charakters bestimmt sind, vor allem die gerechte Umverteilung von Land und Wasser. Jetzt steht die Beschleunigung der begonnenen Reformen an, die Ausweitung der materiell-technischen Hilfe für Klein- und Mittelbauern und auch Kooperativen. Die Ausweitung der sozialen Baiis der revolutionären Macht ist undenkbar ohne die Teilnahme der afghanischen Stämme an diesem Prozeß. Dafür müssen die Beziehungen zu ihnen auf der Grundlage der Berücksichtigung und Befriedigung ihrer ökonomiichen, religiösen und traditionellen Interessen, der Heranziehung ihrer bewaffneten Abteilungen zur Verteidigung des Vaterlandes, der Achtung der Stammes-Selbstverwaltung ausgebaut werden." (Babrak Karmal, Prawda vom 24.11.85)

Im Gegensatz zu gewissen landläufigen Vorstellungen einer "orientalischen Despotie" ist der Reale Sozialismus sehr wohl auf die Zustimmung seiner Leute aus - und warum sollte er sie nicht kriegen? Er ist sich seinerseits nämlich sehr sicher, daß er rückständigen Völkern gegen den Widerstand reaktionärer Kräfte Fortschritt und Zivilisation bringt. So findet auch kein Russe etwas dabei, afghanischen Kindern im Vaterland des Sozialismus eine gediegene Ausbildung zukommen zu lassen, damit sie später einmal in ihrer Heimat alles in die richtigen Wege leiten können. Ein Todenhöfer, der von dieser brutalen Kindervergewaltigung zu berichten weiß, hält es dagegen eher mit dem Analphabetismus islamischer Glaubenskämpfer. Ebenso ist man sich hierzulande natürlich darüber einig, daß "Entwicklung" so ziemlich das Letzte ist, was ein freier Afghane nötig hat, weshalb zu seinen Heldentaten auch die Ermordung von russischein Ärzten, Technikern und Lehrern gehört.

Auf die Situation an der pakistanischen Grenze hat die SU sich eingestellt und versucht das ohnehin zum großen Teil entvölkerte Gebiet unpassierbar zu machen. Einen kleinen Vergleich mit Vietnam, den im übrigen nicht wir erfunden haben, möchten wir hier doch einmal machen. Die USA haben sich die Freiheit gegenüber der SU genommen, ein ganzes Land einschließlich der Nachbarn Kambodscha und Laos "in die Steinzeit zurückzubomben". Die UdSSR möchte sich Afghanistan als funktionierende Nation aufbauen und gegen die Infiltration von außen durch einen Sperrgürtel absichern. Der Westen sorgt dafür, daß dies ohne einen Krieg nicht zu haben ist, und beschwert sich dann, daß dort ein Krieg geführt wird: Jeder tote Mudschahedin ist das Opfer eines hinterhältigen Mordens durch die Rote Armee, während das Abfeuern von Raketen auf Kabul den ungebrochenen Widerstand beweist. Gipfel der Infamie: Die Russen zwingen Afghanen dazu, mutmaßliche Spione in ihren eigenen Reihen eigenhändig erschießen zu müssen, d.h. genauer von Familienmitglied zu Familienmitglied, weil sie sich sonst überhaupt nur noch ihrer Blutrache widmen müßten.

So liefert d-is Verhalten der USA samt restlicher Welt der sowjetischen Führung täglich den Beweis, daß sie richtig gelegen ist mit ihrer Entscheidung, Truppen nach Afghanistain zu entsenden. Und die Ablehnung ihrer Angebote, aus Afghanistan ahzuziehen, wenn dort ein ihr freundlich gesonnenes Regime garantiert ist, ist ihr eine Bestätigung mehr, daß Sie rechtzeitig gehandelt hat.

Die USA machen der Sowjetunion einen Vorschlag zur Güte: Abzug ohne Bedingungen. Dem Sicherheitsinteresse der UdSSR an einer zuverlässigen Regierung an diesem Grenzabschnitt wird nicht stattgegeben; statt dessen macht sich der Westen unberechenbar und setzt die militärischen Kosten ständig herauf. Deswegen ist Afghanistan das Symbol für den Willen des Freien Westens, die weltweite Aggression der Russen dingfest zu machen. Dafür ist es wirklich scheißegal, was sich wirklich in Afghanistan abspielt. Das Stichwort ist die Botschaft: Russen raus!