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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1984 erschienen.
Der Fall Bastian und andere
DEMOKRATISCHE ENDLÖSUNG IN SACHEN BERUFSVERBOT
Das Bundesverwaltungsgericht hat letztinstanzlich in dem Disziplinarverfahren gegen den Postbeamten Hans Meister entschieden, daß dieser wegen seiner Mitgliedschaft in der DKP aus dem Staatsdienst zu entfernen ist. Streng rechtsstaatlich, mit der so "gefestigten Rechtsprechung" im Rücken säubert der Postminister jetzt alle DKP-Mitglieder, darunter den Marburger Hauptpostschaffner Bastian, aus dem Postdienst. Diese büßen damit für die kommende Zeit ihres Lebens aufgrund ihrer politischen Überzeugung die Existenzgrundlage ein.
25 Jahre hat Herbert Bastian in vorbildlichem Gehorsam alle Berufspflichten erfüllt, war "am Arbeitsplatz geradezu ein Vorbild", hat nie versucht, Briefe nach Moskau umzuleiten oder gar Kollegen zum Klassenkampf aufzuhetzen - und jetzt Berufsverbot. Da mag ein DKP-Beamter im Amt nicht den geringsten Verdacht an seiner beruflichen Zuverlässigkeit erregen, als Beamter mit der falschen politischen Meinung wird er für untragbar befunden. Der deutsche Staat ist schließlich kein Dienstleistungsunternehmen, das Arbeit gibt, Dienst verlangt und Bürgerwünsche befriedigt. Er ist mindestens eine Wertegemeinschaft, und da ist der oberste Wert ja wohl, ein Deutscher zu sein und als solcher in den Diensten des deutschen Staates zu stehen. Dessen hat sich der einzelne Mensch würdig zu erweisen - ob Postschaffner oder Briefträger oder Lehrer. Klar, sich nur ernähren wollen - diesen Opportunismus seiner Bürger kann ein deutscher Staat nicht leiden. Erst recht nicht 1984, wo die nationalen Vorhaben verlangen, daß die Gesinnung bei Fuß zu stehen hat. Wer nicht von sich aus auch nur den kleinsten Verdacht an seiner bedingungslosen geistigen Gefolgschaft ausschalten kann, bestätigt den staatlichen Verdacht, die Meinung des Feindes zu teilen. Absolute geistige Keimfreiheit ist die Elementartugend staatsbürgerlichen Dienstes. Wer ihr nicht nachkommt, wird aus der Gemeinschaft der guten Deutschen entfernt. Eine keimfreie Republik, das ist der totalitäre Maßstab der deutschen Demokratie. Radikale in diesem Sinne kann es im öffentlichen Dienst gar nicht genug geben.
Und was für Einwände
"Der Beamte wurde als Verfassungsfeind ausgemocht und aus dem Dienst entfernt, obwohl er noch Ansicht seiner Vorgesetzten am Arbeitsplatz geradezu ein Vorbild war. Der radikale Meister hatte erstklassige Beurteilungen und eine Beförderung vorzuweisen. Als Briefträger und Techniker waren die DKP-Mitglieder kein Sicherheitsrisiko." (Spiegel)
Saubere Einwände gegen die Berufsverbote, die lauter gute Gründe für sie anzuführen wissen: Natürlich hat ein Beamter oder Angestellter am Arbeitsplatz bedingungslos allen Maßstäben der Pflichterfüllung und des Wohlverhaltens nachzukommen. Natürlich hat der demokratische Staat das Recht und die Pflicht, allen Kritikern, die sich hier störend bemerkbar machen, die Existenzgrundlage zu zerstören. Erst recht, wenn es sich nicht um Briefträger oder Fernmeldetechniker, sondern um Lehrer und Juristen handelt. Beruf'sverbot für jeden, der praktisch stört. Aber wäre es nicht effektiver und darüberhinaus auch eleganter, "die Verfassungstreue im Einzelfalle zu prüfen", vor allem, wenn der Betroffene seine "Distanz zu einzelnen DKP Punkten betont"?! Ein unverhohlener Aufruf zur moralisch unanfechtbaren und dabei lückenlosen Gesinnungskontrolle, damit man auch wirklich die schwarzen Schafe erwischt. So geht demokratische Kritik der staatlichen Berufsverbotepraxis: Die Einwände sind lauter Plädoyers für ihre Effektivierung.
"Im übrigen meine ich, daß die Angelegenheit Wasser auf die Mühlen der DKP ist. Trotzdem werde auch ich persönlich mich in dem Fall einsetzen und - wie schon in der Vergangenheit - einen Brief - an den Bundeopostminister schreiben, um ihm meine Auffassung kundzutun." (SPD-Oberbürgermeister Drechsler)
Der DKP das Wasser abgraben, aber immer!
Aber bitte auf eine Weise, die alles vorhandene Wasser auf die Mühlen der SPD lenkt.
"Die Entlassung Bastians ist Verfassungs- und Rechtsbruch! Damit wird ein massiver Angriff auf das aktive und passive Wahlrecht, auf demokratische Wahlen überhaupt gestartet. In der Substanz geht es dabei um den Erhalt oder den Abbau von Demokratie schlechthin." (Marburger Komitee gegen die Berufsverbote)
Ebenfalls ein sauberer Einwand, dem bei der Ruinierung der Berufsexistenz von Kommunisten sofort alle Heiligtümer der Demokratie einfallen, die mit den Berufsverboten Schaden nehmen - die Wahlen, die Verfassung, die Hessische Gemeindeordnung. Das eigentliche Opfer ist die "demokratische Substanz". Jeder Einwand soll die ernste Sorge und tiefe Verantwortlichkeit für die Ideale bürgerlicher Herrschaft zum Ausdruck bringen. In der Tat drückt er nur den eigenen guten, aber blinden Glauben in die absolute Integrität von Herrschaftstechniken aus, sofern sie demokratisch sind.
"Wir hungern, weil die Suspendierung Herbert Bastians an die Substanz der parlamentarischen Demokratie geht und wir bereit sind, unsere körperliche Substanz dafür symbolisch in die Waagschale zu werfen." (Marburger Komitee gegen die Berufsverbote)
Die Demokratie schafft Opfer. Die Opfer hungern für sie. Eine saubere Arbeitsteilung.