Info
Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1984 erschienen.
Kohl in Pakistan
FRONTSTAATFÜHRER UNTER SICH
Auf der zweiten Etappe seiner Asienreise, in Pakistan, fühlte sich Kanzler Kohl fast wie zuhause. In dem "Obersten Kriegsrechtsverwalter" Zia ul-Haq traf er auf einen "Freund und Partner und eine bedeutende Kraft in einer für uns wichtigen Region", der, wie Kohl, den Kampf um den westlichen Frieden in Freiheit an vorderster Linie führt.
"Die Übereinstimmung in wichtigen Fragen der Weltpolitik ist nicht erstaunlich; sie ist bedingt durch die Lage beider Staaten an weltpolitischen Nahtstellen. Eine Störung des Weltfriedens trifft jeden von unr immer zuhause."
So kann man es natürlich auch ausdrücken, daß die NATO der Sowjetunion ihre gewaltsame Grenzsicherung in Afghanistan so teuer wie möglich macht und daß deshalb Pakistan ein komplettes Bollwerk gegen den Osten ist: ein Eldorado für offizielle, und inoffizielle Waffenhändler, Agenten und Russenhetzer; Operations- und Rückzugsbasis für die westlich geförderten afghanischen Partisanen, denen die pakistanische Armee Rückendeckung gibt; Verwalter riesiger Flüchtlingslager, deren Insassen, wenn sie nicht verrecken, als Rekruten für die NATO-Hilfstruppen und als Vorzeigeobjekte freiheitlicher Moral dienen. Dem Anliegen des Kanzlers, "das deutsche Interesse an Stabilität in Südasien zu unterstreichen", ist Zia auch an der innenpolitischen Front längst nachgekommen. Seinen Vorgänger Bhutto hat er aufhängen lassen; die Opposition sitzt im Geföngnis; aufmüpfige Religionsgruppen werden niedergemetzelt; einige Millionen Pakistani machen die Drecksarbeit in den Golf-Staaten. Der Inspekteur aus dem Frontstaat Nr. 1 war mit seinem und der NATO Vorposten in Asien denn auch vollauf zufrieden. Zwar ließ sich aus technischen Gründen ein Besuch an der pakistanisch-afghanischen Grenze - a la Berliner Mauer - nicht arrangieren, aber "Russen raus aus Afghanistan; Freiheit bis hinter den Ural!" ließ sich auch von Islamabad aus fordern:
"Die Verletzung des SeLbstbestimmungsrechts und die Anwendung von Gewalt in Afghanistan schwächen das Vertrauen in die sowjetische Politik und belasten das Ost-West-Verhältnis." "Die UdSSR darf nicht den Eindruck gewinnen, sie könne mit ihrer Besetzung Afghanistans dauonkommen."
Ein klarer Auftrag an den Vorposten Pakistan und seine westlichen Sponsoren! Entsprechend lässig ließ sich das bißchen obligate demokratische Gewissen erledigen. Hofberichterstatter Nowottny war eigens auch nach Pakistan mitgereist, um Zia in den Arsch zu kriechen und ihm die Zusage zu entlocken, er werde im nächsten Jahr Wahlen ansetzen - natürlich unter Beibehaltung des Einparteiensystems. Der demokratische Sittenwächter war's zufrieden und holte sich beim Kanzler die Bestätigung, daß die BRD selbstverständlich den "schwierigen Demokratisierungsprozeß" Pakistans unterstütze. Das beruhigt. Ein Wachhund des Westens kann beim demokratischen Lackmustest einfach nicht durchfallen: ob als Diktator, der seine Opposition aufhängt, oder als Präsident, der sich als Einparteienchef akklamieren läßt. Welches Gegeifer wohl eingesetzt hätte, wäre Nicaraguas Ortega auf Kohls Frage Zias originelle Antwort eingefallen!