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Ein Präsident - vor seinen Klienten in Schutz genommen
EINE LANZE FÜR RONALD REAGAN
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Wenn einer an die Spitze eines Staates kommt, dann deswegen, weil er alle entscheidenden Bürger dieses Staates davon überzeugen konnte, daß er ihrem Staat endlich wieder, weiterhin oder zu neuem Erfolg verhilft. In Demokratien schließt das die Gewinnung der Wähler ein, die sich erstens von ihrer Nation und zweitens von deren Führung Entscheidendes versprechen. Aufs Wählen folgt deshalb auch nie die Prüfung, ob es einem die ermächtigte Führung recht macht - das würde wohl schnell in einer Sorte praktischer Kritik an den Volksvertretern enden, die sämtliche Demokratien in ihren Grundgesetzen ächten. Vielmehr hebt ein eifrig Diskutieren um die Qualitäten der Führung an, wobei so mancher "Nachteil", den minderbemittelte Bürger serviert kriegen, in die Kritik "schlechte Regierung" übersetzt wird. Und was das Ausland angeht, so verläuft die Begutachtung nach demselben nationalistischen Muster. "Uns" entspricht der Mann an der Spitze des anderen Staates - oder auch nicht! Stets kommt die Fiktion eines allgemeinen Interesses zu Wort, das die Anliegen eines jeden Bürgers einschließt, ob er nun im Kabinett oder im Aufsichtsrat sitzt oder den deutschen Wald bewandert, wenn er nicht gerade zur Arbeit muß. Leider ist diese Gleichmacherei nicht nur bei denen beliebt, die wirklich mit guten Gründen von ihren, also "unseren" amerikanischen Freunden reden. Gerade unter denen, die Ronald Reagan nicht leiden mögen, ist der Appell an ein deutsches Interesse das Selbstverständlichste. Stets wollen Raketengegner und Atomkriegsgeschreckte bei ihren abfälligen Bemerkungen über den Ami-Boss eines nicht missen: Die "nationale Vernunft" auch noch des letzten deutschen Politikers, Kaufmanns und Offiziers wird stets vereinnahmt, wenn es um die "Fehler" einer auswärtigen Obrigkeit geht und um die der eigenen dazu.
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Vielleicht ist es nicht unnütz, einmal dogmatisch klarzustellen, was ein Fehler ist: ein Verstoß gegen den Zweck, den einer vollführen will. Kein Fehler liegt - in der Politik schon gleich nicht - vor, wenn bei einer Unternehmung andere für ihr Gelingen geradestehen müssen.
Vielleicht ist es auch nicht unnütz, für die Schwierigkeiten dieses konkreten Gedankens ein paar abstrakte Beispiele zu bringen: Die Phrasen, die einem Bundestrainer zu der Anerkennung bei der Sportpresse und den Fans verhelfen, die er will und braucht, stehen einer Gattin nicht gut zu Gesicht, wenn sie ihren fußballbegeisterten Mann um Beistand angeht.
Ebenso darf man es als Fehler ansehen, wenn man als Kriegsgegner militärische Kalkulationen anstellt - oder seinen Bedarf nach mehr Lohn wie ein Volks- und Betriebswirt begründet, mit dem Wohlergehen der Wirtschaft nämlich. Nicht minder verkehrt ist es, seinem Vorgesetzten, der einen herumscheucht, vorzuwerfen, er wäre schwach in Rechtschreibung und das sei ein Fehler.
Kurz: Die Maßstäbe von Kritik sollten schon etwas mit dem Vorhaben des Kritisierten zu tun haben. Diese sollte man also zur Kenntnis nehmen - und wenn sie einem nicht passen, tut es ja auch die Feststellung, daß man es mit einem feindlichen und schädlichen Subjekt zu schaffen hat. Das beweist man dann allen, von denen man weiß, daß sie da ebenfalls einen Feind ihrer Anliegen vor sich haben.
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Ronald Reagan stößt ab und zu halbe Kriegserklärungen aus. Und was muß er sich anhören, falls er sein Hörgerät eingeschaltet hat? Daß er Mühe hat, was zu hören. Daß er mit den höchstpersönlichen Eigenarten, die er mitbringt, seinem Amt nicht gewachsen sei. "Verantwortung" und so. Und was ist, wenn es darauf gar nicht ankommt? Ronald Reagan verwechselt ab und zu Libyen mit dem Libanon. Und was sagen ihm seine Kritiker, obwohl es ihn gar nicht weiter interessiert? Daß er nicht einmal zwei Staaten mit Li- auseinanderhalten könne - und das bei seiner "Verantwortung"! Und was ist, wenn es darauf noch weniger ankommt? Wenn US-Politik gar nicht auf Bildung beruht, ja sich nicht einmal, wie in Europa üblich, auf Bildung beruft?
Ronald Reagan macht eine Wirtschaftspolitik, die "die Armen noch ärmer macht und die Reichen noch reicher". Das soll ein Vorwurf sein? Wann hat sich denn dir US-Politik je der Abschaffung der Klassen verschrieben? Wann hat sie denn je dem Unsinn gehuldigt, "Gerechhgkeit" (oder amerikanisch: "fair") wäre so etwas wie "Jedem ein gleiches und gleichermaßen passables Auskommen"?
Ronald Reagan führt sich auf "wie ein provinzieller Amerikaner" aus wer weiß welcher Stadt, aus wer weiß welchem Bundesstaat. Das soll schon wieder ein Einwand sein? Ein Großstadt-Dandy mit europäischem Abitur gefällig? Was ist, wenn es bei einem Politiker genauso wenig wie bei einem Gangster auf den Bildungsgrad ankommt?
Ronald Reagan kennt sich in Sachen Rückbeorderung von Raketen nicht aus. Meine Güte, ein militärisch-atomkriegs-taktisch-strategischer Ignorant? Keine Angst, ihr Freunde der Idee des politischen Fachmanns und Geistesriesen! Auch diese Lücke im Repertoire des entscheidenden Führers kann die US-Politik, mit der er beauftragt ist, gut verschmerzen. Den zweckmäßigen Einsatz und die Produktion seiner Wuchtbrummen läßt er sich schon von seinen Könnern - in allen Alternativen und mit all ihren Nachteilen darlegen. Ronald Reagan gewährt mit seiner Politik "zu hohe Zinsen", bewirkt eine "Überbewertung des Dollars". Und was ist, wenn es ihm und den Seinen darauf ankommt? Und vor allem, was ist, wenn euch die Währungsprobleme gar nichts angehen, obwohl euch mancher Schaden damit "begründet" wird?
Ronald Reagan treibt die Rüstung voran, in Richtung auf einen Krieg, der hier "bei uns" seinen Schauplatz hat. Auch ein feiner Einwand gegen einen Mann, bei dem Zweck und Mittel (siehe 2.) partout nicht auseinandergehen! Zudem eine Kritik, in der man ganz als guter Deutscher spricht. In der man sogar noch die Zuständigen in Bonn für Berechnungen nationaler = antiamerikanischer Art gewinnen möchte, die von ihnen verboten werden. Was ist, wenn es gar nicht um Schutz der deutschen Lande geht, sondern um Sieg - und zwar in Bonn wie in Washington ? Usw.
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Ronald Reagan ist ein guter Präsident der Vereinigten Staaten, der Weltmacht Nr. 1, von der "wir" die Nr. 2 sind. Wenn es einen besseren für das Amt gibt, werden ihn die Amerikaner auch nehmen. Eppler und Augstein, aber auch H. Mies und Tschernenko wären nicht besser - also sollen sie auch nicht so tun. Und die vielen anderen, die sich einen nützlichen, weniger gefährlichen, gebildeteren und raffinierteren US-Präsidenten wünschen, sollen das Maul halten, solange sie bei den Bonner Mitarbeitern von Reagan nie Feinde entdecken, sondern nur ungeschickte Nationalisten, schlechte Anwälte der Sache.