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Der Contadora-Plan
DIPLOMATISCHE MANÖVER VON DER USA ERLEDIGT
Der Contadora-Plan, so benannt nach einer Insel, auf der Schah Pahlevi seine letzten Exiljahre verbracht hat, und aufgestellt von Mexiko, Kolumbien, Venezuela und Panama: Das ist sie schon, die wichtigste Information unserer Presse über den diplomatischen Vorschlag gleichen Namens. Darüber hinaus gilt noch eine einhellig gute Meinung über diese "Friedensinitiative für den Unruheherd Mittelamerika". Europäische Politiker, allen voran Genscher, werden nicht müde, die Verfasser zu belobigen, daß sie nicht "durch Waffengewalt, sondern durch politische Lösungen, die von der Region ausgehen, die Probleme Zentralamerikas bewältigen" wollen.
Ginge es nach dem Wortlaut der von Mexiko erhobenen Forderungen nach beidseitiger Abrüstung und dem Abzug aller "fremden Militärberater", dann wäre diese Zustimmung einigermaßen erstaunlich. Die Liste der vorgeschlagenen Abrüstungsmaßnahmen ist eine einzige Dokumentation darüber, wer dort unten aufmischt und für Krieg und Leichen sorgt. Wer soll denn mit der "Schließung fremder militärischer Stützpunkte und Militärschulen" gemeint sein, wenn nicht die USA, die aus Honduras einen amerikanischen Truppenplatz gemacht haben und die salvadorianische Armee und die Contras für den einzigen Kampfauftrag ausrüsten und ausbilden, die Freiheit nach Nicaragua zu tragen: Wer wäre denn vom "Verbot internationaler Militärmanöver" betroffen? Deren Wirkung, laufende Überfälle an der Grenze, Blockade zu Land und zu Wasser und Verminung und Beschießung der Häfen bekommt Nicaragua täglich zu spüren. Wer sollte denn auf "jede Art von Unterstützung an irreguläre Gruppen in Nachbarländern verzichten" außer Washington, dessen Oberbefehl über die Contras allenfalls dadurch in ein schiefes Licht gerät, wenn der Kampfauftrag, für den die Antisandinisten bezahlt werden, ihnen "versehentlich" auch noch schriftlich vom CIA ausgehändigt wird?
Als anti-amerikanische Parteinahme der Contadora-Staaten hat allerdings niemand den Friedensplan mißverstanden. Die hätte ja auch anders gelautet: Amis heim nach Florida und jede Unterstützung für Nicaragua! Statt dessen wollen die selbst berufenen "Vermittler" zwischen dem Urheber und dem Kriegsobjekt nicht unterscheiden, wenn sie beiden Seiten vorwerfen, Aufrüstung und Kriegs"vorbereitung" zu betreiben. Mit der Erklärung des Krieges, den die USA führen, zu "einem regionalen Konflikt zwischen mittelamerikanischen Staaten" fällt der Schuldbeweis ebenso wie der verlangte Friedensbeweis den Sandinisten zu, deren politischer Wille, sich als Staat zu behaupten, die "Kriegsgefahr" darstellt, die "von der Region ausgeht".
Da sich Nicaragua einer Weltmacht gegenübersieht, die diesen Staat als kommunistisches Verbrechen bestraft, hat Managua im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten zu viele Waffen und Soldaten. Und die fremden Militärberater, die in der Gegend überhaupt nichts zu suchen haben, kommen aus Cuba und Rußland. Das "Verbot der Einführung und Benutzung neuer Waffen" verletzen die vom CIA in die Welt gesetzten Lieferungen russischer MiGs nach Nicaragua. Die täglich neu aufgestockten amerikanischen Waffenarsenale rund um Nicaragua gehören da schon eher zu den Lebenstraditionen in dieser Region. Wer angesichts des blutigen Beweises, zu welchen Taten die demokratische Weltordnung fähig und willens ist, Mittelamerika ausgerechnet durch "Demokratisierung und wirkliche Wahlfreiheit" befriedet sehen will, der weiß, welcher Staat hier stört. Die Contadora-Initiative begleitet als friedliches Entwaffnungsangebot an Nicaragua das praktische Urteil, das die USA währenddessen an diese Land vollstrecken.
Mit dem Contadora-Plan erhebt Mexiko allerdings einen ganz eigenständigen Anspruch. Wo es nichts zu vermitteln gibt, weil für die USA bereits die bloße Existenz des derzeitigen Nicaragua der erklärte Kriegsgrund ist, treten die Contadora-Staaten als Vermittler auf, um ihren Anspruch auf Mitverwaltung bei der Befriedung Mittelamerikas anzumelden. Das diplomatisch eingeklagte Recht auf Miteinmischung und der Traum vom mexikanischen Hinterhof in der Karibik - im Schatten der Ruhe und Ordnung garantierenden USA; Das wäre der Frieden, den Mittelamerika nach Meinung der Contadora braucht.
Für diesen Frieden wäre ein Nicaragua recht, das sich mit oder ohne Sandinisten in die "traditionelle" Ordnung Mittelamerikas einfügt und darüber den Interessen der Contadora-Staaten an Mittelamerika entspricht. So bezeugt diese Initiative das Ideal drittklassiger Staaten, die USA von einer Invasion in Nicaragua abzuhalten, die die mittelamerikanischen Staaten noch gründlicher als bisher und ausschließlich unter US-Hoheit stellen würde.
Dabei kann sich Mexiko auf den Willen der Comandantes in Managua berufen, diesen Strohhalm einer Alternative zur Endlösung des Nicaragua-"Problems" durch die USA zu ergreifen. Und gerade das macht den Contadora-Vorschlag für Washington unannehmbar. Ein Nicaragua, das politischen Auflagen des Westens nachkommt, u m nur seine Sonderinteressen zu behaupten, beweist einmal mehr das untragbare Verbrechen, das die Existenz eines solchen Staates darstellt. Der amerikanische Wille, in den Sandinisten die Satelliten des Hauptfeindes dingfest zu machen, kennt keine regionalen Lösungen des Falles Nicaragua unterhalb eines Tests, den vor allem die Russen bestehen müssen. "Verzicht auf Einflußnahme" oder Fortschritte in der militärischen Behandlung des Haup tfeindes - das sind die Alternativen!
Nicaragua würde die Contadora-Akte unterschreiben, spielt also diplomatisch mit der ansonsten für unrealistisch befundenen Entwaffnung als möglichen Weg für das staatliche Überleben. Die USA, die Nicaragua mit Krieg und Terror überziehen, erkennen dagegen in den Forderungen der Contadora sofort und ohne Umschweife den Verlust ihrer Handlungsfreiheit. Also "Njet"!
"Das Verbot internationaler Manöver und ausländischer Militärschulen benachteiligt einseitig die USA und ihre Verbündeten, da es Nicaragua von auswärtigem Druck befreit, ohne eine Gegenleistung von der Regierung in Managua dafür zu verlangen ... Außerdem müßten die USA ihre Waffenlieferungen nach El Salvador einstellen, was die Regierung uon Präsident Duarte gegenüber den Aufständischen in seinem Land in eine unhaltbare Lage bringen würde".
An dieser Entscheidung der USA blamieren sich die Contadora-Bananenstaaten; da kennt sich unsere Presse aus. Ohne ausreichende Mittel, wie ökonomische Erpressung und Krieg, ist eine "Vermittlung" und eine "Befriedung" zwischen Staaten nicht zu haben:
"Mexiko, Kolumbien, Venezuela und Panama haben zwar aus Gründen der Selbsterhaltung großes Interesse daran, die Unruhe auf der benachbarten Landenge zu ersticken; aber es fehlt ihnen an Mitteln, um die Befriedung, etwa mit ökonomischen Anreizen, zu stimulieren. Eïn militärisches Eingreifen kommt für sie nicht in Frage." (Neue Züricher, 7.10.84)
Da haben NATO-Staaten mehr zu bieten. Sie belassen es nicht bei MittelamerikaKonferenzen, auf denen Mexiko gute Absichten bescheinigt werden. Am derzeitigen US-Manöver vor der Küste Nicaraguas sind sie mit britischen, belgischen und deutschen Kriegsschiffen beteiligt, damit aus der Erledigung Nicaraguas ein Mitverfügungsrecht über Land und Leute dort wird.