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AEG:
DIE NEUORDNUNG EINES (INTER)NATIONALEN KONZERNS
Die Nachricht, über AEG sei das Vergleichsverfahren eröffnet worden, führte zu einem mittleren Kurssturz der DM, der nach zwei Tagen wieder vorbei war. Ebenfalls zwei Tage lang machten sich die Kommentatoren der großen Zeitungen die Sorge, wie es denn nun mit Deutschland weitergehe. Mittlerweile macht das Verfahren keine Schlagzeilen mehr, und dem Ende im März '83 wird mit Gelassenbeit entgegengeseben.
Einigermaßen absurd war die Aufregung schon, wollte man dem Gejammere glauben, das die vielen Arbeitsplätze und überhaupt das "große Kapital" vom Verlust bedroht sah: Das Zugrundegehen von Kapital gehört doch wohl zum Alltag einer als hartnäckig prognostizierten "Stockungsphase", und die Arbeitsplätze kann man gleich ganz vergessen. Der erste Punkt, auf den die Börse reagierte, ist, daß in der AEG enorme Kredite so gut wie aller deutscher Großbanken stecken. Die Sorge war also, ob hier nicht das gesamte bundesrepublikanische Kreditwesen einen Knacks abbekommen würde, ob nicht ein paar saftige Bankkräche möglich wären, die sich wiederum der bundesdeutsche Staat in der Pflege seines Nationalkredits kaum erlauben könne.
Aufteilung der Verluste für den Neuanfang
Die Sorge beruhigte sich jedoch in dem Maße, wie sich Staat, Banken und produktives Kapital an das Werk einer 'nationalen Sanierung' machten, bei der auf korrekte Abwicklung der unvermeidlichen Verluste geachtet wurde, wie auch auf eine Absprache, die dem "angeschlagenen Riesen" und den Sanierern grad aufgrund der Verlustbewältigung verbesserte Erfolgsaussichten verhieß. Der Antrag auf Vergleich ging von den Banken aus, die - nachdem ihr Kapitalschnitt vor zwei Jahren, bei dem sie viel Kapital zugeschustert hatten, nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt hatte - nun damit aber nicht einfach 40% ihres Kapitals von 4 Mrd. (= Vergleichsquote) "retten" wollten. Vielmehr sollte die Aufopferung von 60% das verbliebene Kapital in den Stand versetzen, sich neue Kreditvergabe zu "verdienen". Das mußte man den Banken nicht zweimal sagen, daß "gutes Geld dem schlechten nachschmeißen" nichts Gescheites ist, weil sie selber wußten, daß "schlechtes Geld" schon einige Operationen braucht, um ein solides Fundament für neues Geld zu sein - genau so aber sich auch wieder rentiert. So verkündeten sie als erstes, daß der Verlust sie nicht ruiniere, weil die Kreditgeschäfte, auch die mit der AEG, genügend Gewinne erbracht haben -
"Der Forderungsverzicht von 60% wird aus der für das AEG'Engagement getroffenen Risikovorsorge (der Gewinn wird bilanztechnisch verringert, woraufhin auch weniger Ertragssteuern zu entrichten sind) und aus dem Ertrag des laufenden Jahres gedeckt." (FAZ, 12.8.82) -
und daß diese Gewinne von ihn, verantwortungsvoll so eingeschätzt worden waren, daraus genügend "Wertberichtigungen auf Forderungen" zu bilden. Sie verwiesen also auf ihre Bilanzen, um die eigene Solidität trotz und wegen des Verlustes hervorzukehren, um zu beweisen, daß das angepeilte Rettungswerk in ihnen auf jeden Fall ein solides Standbein habe. Allerdings pochten sie darauf, und die Rolle des Hauptverlusttragenden verschaffte ihnen eine günstige Verhandlungsposition, daß "alle gesellschäftlichen Gruppen" ihren Beitrag zur Aufmöbelung des Konzerns, zur "Wiedergewinnung der finanziellen Handlungsfreiheit", zu leisten hätten. Untereinander sorgten die Banken dafür, daß keine der ihren aus dem Konsortium sich verabschiedete, und sie sorgten weiterhin für ein Stillhalten der ausländischen Gläubiger (1,6 Mrd. betragen die Schulden der AEG-Auslandsfilialen).
Die Kapitalisten aus der produktiven Abteilung werden für die Senkung des Kostpreises herangezogen, durch die Eröffnung der Alternative, entweder auf schon gelieferte, aber noch nicht bezahlte Ware einen "Preisnachlaß" von 60% zu gewähren (= der Forderungsverzicht), oder in Zukunft auf einen Großkunden verzichten zu müssen. Konkurs und Verkauf des Konzerns mit anschließender Befriedigung der Gläubiger, aus der Konkursmasse haben die Banken zwar ausgeschlossen - außerdem können sich die Lieferanten ausrechen, daß sie dann noch schlechter wegkommen -, dennoch bleibt dies genau die Drohung gegenüber "uneinsichtigen" Gläubigern (die ja in ihrer Mehrheit dem Vergleichszuschlag zustimmen müssen):
"Das habe ich nun davon. Seit fast 30 Jahren bin ich als Mechaniker tätig. Meine Produkte wurden ausgezeichnet, die Qualität meiner Arbeit von den Kunden anerkannt. Alle Aufträge wurden termingerecht erfüllt. Umsatz und Gewinn stimmten bis zum Juni dieses Jahres. Seit Juli geht es bergab. Die AEG, mein größter Kunde, zahlte immer schlechter und schließlich gar nicht mehr... Ich bin ja für die Sanierung, wenn damit die Existenz handwerklicher Zulieferer gesichert wird." (Deutsche Handwerker Zeitung, 8.10.82)
Solche Forderungsnachlässe machen sich kostensenkend außerdem noch bemerkbar in den Zinsen, die mit diesen Schulden ebenfalls entfallen, sowie darin, daß für Gewinne aus Fortfall von Gläubigerforderungen keine Einkommenssteuer bezahlt werden muß. Der Staat bietet diese Hilfestellung im Einkommenssteuergesetz: "Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, sind steuerfrei" - welch erhöhtes Betriebsvermögen in einem circulus gloriosus wieder zur Sicherung neuer Kredite taugt.
"Zudem darf in Zukunft der 'Pensionsversicherungsverein der deutschen Wirtschaft' im wesentlichen für die Betriebsrenten aufkommen."
Der Entschluß, den Konzern nicht durch Entzug des fiktiven Kapitals zu ruinieren, hat also umgekehrt die Konsequenz, daß die erforderliche Entwertung des Kapitals auf Kosten anderer stattfindet - die natürlich um so "einsichtiger" sind, je mehr der Staat dahinterher ist und auch an den Kosten selbst sich beteiligt.
Neuordnung unter staatlicher Anleitung
Der Staat hat den Wink mit dem Zaunpfahl der "internationalen Kreditwürdigkeit", die durch den Zusammenbruch des AEG-Konzerns und unwiderrufliche Bankenrerluste erschüttert würde, verstanden. Freilich sind die erpresserischen Möglichkeiten der Banken sehr beschränkt, und zum staatlichen "Nachgeben" kommt es nur, weil der Staat die von den Banken propagierten Kalkulationen neuer Profitabilität einerseits durchaus gutheißt, andererseits darum auch seine Vorhaben nationaler Wirtschaftspolitik - über das spezielle Profitkriterium hinaus befördert sieht. Seine Beteiligung am Sanierungsrorhaben ist darum mit einigen Auflagen bezüglich der - von ihm geforderten Bürgschaften versehen:
Die Abteilung "Weiße Ware" (Haushaltsgeräte etc.) wird durchgemustert. Einer Reihe von Produktionsstätten wird keine Aussicht auf künftige Profitabilität bescheinigt - sie werden stillgelegt. Andere tragen zur "Abrundung" der Kapazitäten in technologischer und mengenmäßiger Hinsicht bei Konkurrenten bei: Unter Vorsitz des Wirtschaftsministers setzen sich die Konkurrenten an einen Tisch und klären ab,
welche Betriebsteile der AEG durch billigen Verkauf sich anderswo nützlich machen können, wobei offen heraus erklärt wird, daß die Nutzung recht kurzfristiger Natur sein kann und dies keineswegs mit "Sicherung von Arbeitsplätzen" zu verwechseln ist;
welche Formen inländischer Konkurrenz in Zukunft gänzlich ausgeschaltet werden sollen, um die Durchschlagskraft des auf diesem Sektor produzierenden Kapitals auf dem Weltmarkt zu stärken.
Daß es sich bei den vorab verbreiteten Hiobsbotschaften, der ganze Sektor stelle überhaupt ein einziges Verlustgeschäft dar, um Lügen gehandelt hat, merkt man auch daran, daß die AEG selbst am weiteren Besitz einiger Betriebe interessiert ist:
"Am besten läuft das Geschäft, wie zu hören ist, nicht in den Bereichen mit hoher Marktsättigung (Waschautomaten, Kühlschränke, Staubsauber, Bügeleisen), weil es relativ schnell zu Ersatzkäufen kommt... Im gesamten Hausgerätegeschäft - vor allem beim Ersatzbedarf - geht der Trend, wie auch der Handel bestätigt, zu niedrigpreisigeren Geräten." (Handelsblatt, 20.10.82)
Ausgehend von einer hohen "Marktpräsenz" der AEG-Geräte und mit der Gewißheit ausgestattet, daß eine Reihe schneidiger Rationalisierungen und Produktivitätssteigerungen ohne Widerstand durchgezogen werden müssen und können -
"Der Pro-Kopf-Umsatz (1 Kopf = 1 Arbeiter) soll sich gegenüber jetzt um 31% auf über 180000 DM jährlich erhöhen." -,
setzen die Konzernoberen auf die zunehmende Verarmung der Massen, aus der sich wohl ein Geschäft machen läßt. Wenn sich nämlich die Leute für ihre Reproduktion unersetzliche Gerätschaften "ersatzweise" beschaffen, heißt das Angebot an sie: "niedrigpreisigere Geräte" - da werden sie wohl zulangen (müssen). Die Abteilung "Technik" gilt von Haus aus als lukrativ und jetzt erst recht als "zukunftsträchtig". AEG zählt da in vielen Bereichen sowieso zu den "Marktführern", nämlich bei "Hochfrequenztechnik, Energietechnik, Zahntechnik, Industrieanlagen, Schiffbau und Sondertechnik, Komponenten und Kleinmotoren, Kabel-, Büro- und Informationstechnik und elektronischen Bauelementen", und mit Abschluß des Vergleichsverfahrens steht ja fest, daß die nötigen Kredite vorhanden sein werden, weiterhin zu dieser Führungsmannschaft zu gehören.
Richtig schön wird dieser Bereich dadurch, daß - "das überrascht immer wieder Nichtfachleute" - mit intensivem staatlichen Interesse eigener Art gerechnet werden kann:
"Das Entwicklungs-, Fertigungs- und Betreuungsprogramm dieses Geschäftsbereichs ist viel breiter, als es mit dem Namen 'Hochfrequenztechnik' ausgedruckt wird. Natürlich" (na klar) "gehören Funksysteme, Radargeräte und Zielsuchköpfe dazu. Außerdem, und das überrascht immer wieder Nichtfachleute, ist dieser Geschäftsbereich auch Generalunternehmer für Schnellboote der Marine." (Wehrtechnik, 11/82)
Das besondere staatliche Interesse machte sich schon während des Vergleichsverfahrens geltend: Die Großprogramme "Fregatte 122, Schnellboot S-143 A und der Tornado" werden in die Forderungsreduktion nicht einbezogen, d.h., daß den in diesem Sektor beschäftigten Firmen keine Verluste entstehen dürfen. Allerdings ist damit keine Verlustvermeidungsgarantie schlechthin gegeben. Die Vorzugsbehandlung verdient sich die AEG durch entsprechende eigene Anstrengung, für die sie auch weiterhin sorgen muß:
"Frage: So gesehen müssen Sie technologisch vor der Zukunft eigentlich keine Angst haben.
Dr. Jäger: Da's haben wir in der Anlagentechnik, insbesondere auf dem wehrtechnischen Sektor, auch nicht. Und so wird die Anlagentechnik auch ein bestimmender Anteil an der neuen AfG sein." (Wehrtechnik)
Die staatliche Ein- und Wertschätzung beschränkt sich nicht darauf, es mit einem Betrieb zu tun zu haben, der vielerlei nützliche Rüstungsgüter produziert - das Interessante an diesem Konzern ist, daß Kapitalgröße und technologischer Standard (der "Anlagentechnik") zusammen mit staatlicher Unterstützung in Form von Zuschüssen und Bürgschaften ein internationales Geschäft erwarten lassen. Die staatlich angeleitete und geförderte Neustrukturierung von Konkurrenz und Produktion im Innern ist also die eine Seite; die andere ist die tatkräftige Anstachelung, sich gegen Weltmarktkonkurrenz durchzusetzen. Genauso wie diesem Betrieb der Bau von Büromaschinen und Radargeräten gleichermaßen profitträchtige Unternehmungen sind, genauso scheint dem Staat dieser Konzern imstande zu sein, sich sowohl in der Rüstungskonkurrenz wie auch auf dem Gebiet der technologisch am weitest vorangeschrittenen Produktion zu bewähren - das reibungslose Ineinanderübergehen verschiedenster Produktionsabteilungen i m Betrieb, die kapitalistische Gleichgültigkeit gegenüber dem bestimmten Gebrauchswert, bietet dafür die erforderliche "Resistenz gegen Nachfrageschwankungen".
"Wir fertigen in amerikanischer Lizenz das Tornado-Bordradar mit bemerkenswerter Qualität - die Ausschußrate ist auch im Vergleich zu den USA recht gering. Dies ist aber nur möglich, weil wir, mit Unterstützung des Bundes, seit langem eine technologische Spitzenstellung auf dem Radargebiet errungen haben...
Ja, wir haben etwa zwei Drittel aller in Europa gebauten Flugkörper montiert, der Lenkteil wurde von uns gefertigt. Gleichfalls hatten wir einen Anteil am Beleuchterradar. Übrigens sind wir heute mit der 'Hawk' beschäftigt, so überprüfen wir laufend über Simulationseinrichtungen die Funktionsfähigkeit der Zielsuchköpfe und nehmen an den verschiedensten Verbesserungsprogrammen teil." (Wehrtechnik)
Die schwärmerische Begeisterung über das großartige Funktionieren der Technik verdankt sich dem daraus entspringenden Profit und ist zum anderen eine auf weitere Staatsförderung schielende Angeberei. Dem Staat ist es recht, wenn sie mit tödlicher Genauigkeit ihre Profite machen. Splange AEG im internationalen Vergleich fleißig mitmischt, ist das Bundesforschungsministerium allemal spendabel.
Wie sehr diese Spendierfreudigkeit aber auf das Erfolgskiiterium achtet, macht ein letztes Mal die Vergabe der Bürgschaften deutlich. Sie stehen nämlich nicht für allfällig eintretende Verluste ein, sondern belohnen umgekehrt sich abzeichnende Erfolge: Längere Zeit wurde darüber diskutiert, daß AEG die Bürgschaften keinesfalls als "Produktionsmittelkredit" zu verwenden habe - dafür haben die Banken einzustehen -, sondern daß sie an den Export gebunden sind. In dem Moment, wo sich ein Auslandsgeschäft andeutet, findet sich die staatliche Garantie zur Stelle, daß es - unbeschadet der, bei den dort verhandelten Größenordnungen immer wahrscheinlichen, Risiken ergriffen werden soll. Indem die üblichen kreditmäßigen Absicherungen samt Zinsanfall entfallen, sieht sich die AEG in der glücklichen Lage, der Solidität des Kunden keine allzu große Aufmerksamkeit widmen zu müssen, also mit "aggressivem Angebotsverhalten" auf dem Weltmarkt von sich reden zu machen. Dem Staat ist es den Preis wert, hier eventuell mal einspringen zu müssen, hat er doch hiermit einem seiner weltmarkterprobten Kapitale ein wesentliches Hindernis aus dem Weg geräumt, mit vielen guten Angeboten in der zunehmenden Staatennachfrage nach Rüstungsgütern und "Produkten der Spitzentechnologie" auf sich aufmerksam zu machen.
Welche Rolle Arbeiter und Gewerkschaften bei dieser Saniererei spielen, wie selbstverständlich ihr Stillhalten bei einer Angelegenheit von solch nationaler Bedeutung eingefordert und abgeliefert wird, kann nnan dem entnehmen, daß das Unternehmerblatt an der Sanierung mal wieder den breitgetretenen Zynismus von den Arbeitsplätzen präsentiert -
"Durch den Vergleich sollen die erwarteten Verluste... ausgeglichen und die Gesellschaft in die Lage versetzt werden, die Sanierung durchzuführen und damit eine größtmögliche Anzahl von Arbeitsplätzen zu erhalten und zu sichern." (Handelsblatt) -
während die Gewerkschaft sich unmittelbar mit dem Betrieb ineinssetzt:
"AEG darf nicht sterben!"
Von vertauschten Rollen kann man da auch nicht sprechen.