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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1983 erschienen.

Systematik

"Wende" in der Entwicklungspolitik
RADIKALISIERTE ANSPRÜCHE DES BRD-IMPERIALISMUS

"Sicherung echter Blockfreiheit", "die Dritte Welt aus dem Ost-West-Konflikt heraushalten" - so lauteten die Titel für die Entwicklungspolitik der SPD/FDP-Regierung. Heute tönt es aus dem zuständigen Ministerium, daß "die Bonner Entwicklungshilfe künftig stärker an den Interessen der NATO und, besonders in Mittel- und Südamerika, an denen der USA auszurichten" sei. Hat die SPD/FDP jahrelang eine gefährlich neutralistische und freigiebige Politik getrieben; oder droht "Entwicklungspolitik" unter der CDU/FDP zu einem "Instrument der Sicherung wirtschaftlicher und strategischer Interessen" zu "pervertieren"? Nichts von alledem!

Die "Wende" besteht einerseits in einer längst von den Sozialdemokraten begonnenen Verschärfung der politischen und ökonomischen Ansprüche an die "Dritte Welt", andererseits in einem neuen "geistigen Klima". An die Stelle menschenfreundlicher Hilfeideale und Partnerschaftsideologien ist die kaum verhüllte Forderung getreten, Drittweltpolitik habe allein unsere nationalen Belange zu "entwickeln". Nichts kennzeichnet andererseits den politischen Grundkonsens und die Kontinuität deutscher Entwicklungspolitik besser als die

"Warnungen vor einem ordnungspolitischen Kreuzzug",

die Fans der alten Regierung dem neuen Entwicklungsminister Warnke (CSU) öffentlich zu bedenken geben. In ihrem berechnenden Zynismus stiften sie Klarheit über den Stellenwert einst gehätschelter Ideologien und diplomatischer Sprachregelungen:

"Die Frage ist nur, wie man den eigenen Interessen und denen der Partner in der europäischen Gemeinschaft und im Atlantischen Bündnis besser gerecht wird. Durch das Hinausposaunen einer Doktrin, die den Verdacht zuläßt, man verfolge die Eindämmungs- und Machtgolitik Washingtons? Oder durch behutsames gartnerschaftliches Zugehen auf junge Nationen, die nicht als Bauern auf einem Schachbrett hegemonialer Interessensgiele stehen wollen, sondern nach Blockfreiheit streben? Deshalb wäre es wohl auch zweckmäßig, die von Warnke angekündigten Konsultationen und Abstimmungen mit Washington nicht an die große Glocke zu hängen. Wenn der Eindruck entstünde, Bonner Abgesandte gingen zu einer Art entwicklungsgolitischem 'Befehlsempfang', wäre es um die mühsam aufgebaute Glaubwürdigkeit in der Dritten Welt bald schlecht bestellt." ("Süddeutsche Zeitung", 28.12.82)

Lässig gibt der SZ-Kommentator zu Protokoll, daß es sich bei der angeblich so bescheidenen bundesrepublikanischen Tour, den "Entwicklungsländern" als Anwalt eines supranationalen Anliegens, einer "friedlichen Weltordnung" mit echten, von fremden Einflüssen freien Souveränen gegenüberzutreten, um die imperialistische Erfolgsmethode der BRD handelt: So, ohne koloniale Vergangenheit und Sonderzuständigkeiten, ist sie doch mit einer "Dritten Welt" glänzend ins Geschäft gekommen, die entkolonialisiert und damit der Konkurrenz aller potenten "Wirtschaftsnationen" um Rohstoffe und politischen Einfluß geöffnet worden sind. Soll man einfach die Methode aufs Spiel setzen, sich einer von westlichen Geschäftsinteressen und politischen Berechnungen abhängigen Staatenmannschaft als eigenständige Macht zu präsentieren, und so die internationalen und europäischen Instrumentarien ökonomischer Abhängigkeit für deutsche Geschäftserfolge und damit auch politische Beziehungen auszunutzen?

Ist denn die Beförderung des Souveränitätsstrebens der schwarzen Herren durch Kreditangebote, die doch unserer Wirtschaft wieder zugutekommen, nicht nützlich genug, um dafür die selbstverständliche Berücksichtigung amerikanischer Weltanliegen an eine kleinere Glocke zu hängen und sich demonstrativ selbständig zu geben? Das sind die öffentlichen Bedenken einer Nation, die sich selbstbewußt zu ihren imperialistischen Erfolgsmaßstäben - bekennt! Einer Nation, die dadurch "glaubwürdig" ist, daß sie Staaten lauter Angebote macht, sich mit deutschen Krediten"entwickeln" zu lassen, ohne damit politisch gleich auf bedingungsloses Wohlverhalten festgelegt zu sein.

Die neue Politikmannschaft ist auf Grund der erreichten Erfolge in den "Drittwelt-Beziehungen " einen Schritt weiter. Gegen alle Pseudo-Befürchtungen um die souveräne Rolle deutscher Politik im westlichen Lager stellt sie Entwicklungspolitik explizit unter den immer schon gültigen höheren Cesichtspunkt des Ost-West-Gegensatzes und formuliert

Entwicklungspolitik als Beitrag zum Bündnis

Das heißt zunächst einmal, daß ganz bewußt der früher gepflegte diplomatische Schein aufgegeben und regelrecht bekämpft wird, das segensreiche Wirken westdeutschen Kapitals und diplomatischen Verkehrs sei eine selbständige politische Abteilung neben und getrennt von der Ein- und Unterordnung nationaler Interessen unter die NATO. Einfluß- und Interessensphären, die längst unter Titeln wie "unsere Rohstoff- und Energievorkommen in der Dritten Welt", "unsere Ölversorgung", "unsere Partner", "westlich orientierte Staaten" und ähnliches gehandelt werden, werden jetzt mit größter Selbstverständlichkeit unter NATO-Obhut gestellt und unter amerikanische Ordnungsgesichtspunkte subsumiert. Ununterbrochen tönt es aus dem neuen Ministerium, was nicht mehr erwünscht ist: die demonstrative Unabhängigkeit von den amerikanischen Maßstäben russischer Eindämmung; die Trennung einträglicher Geschäftsbeziehungen von den politischen Ansprüchen nach einem streng antisowjetischen Kurs aller kleineren und grösseren Herrschaften, also die bisherige westliche 'Arbeitsteilung' zwischen westlichen Ordnungsaufgaben und -interessen und ökonomischer Benutzung und -"hilfe". Der demonstrative Respekt vor den USA, die Beseitigung einer gewissen Lässigkeit in der politischer Beurteilung der diversen "Bockfreien" und ihrer politischen Ambitionen, werden von Warnke mal als Wende, mal als Fortsetzung bisheriger Politik mal politisch, mal als Frage nach dem erfolgreicheren Wirtschaftssystems vorgebracht - immer aber mit einer gehörigen Portion diplomatischer Frechheit gegen die früher öffentlich so hofierten "aufstrebenden jungen Staaten". Politisch werden für den neuen "entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung", also für ihre offiziellen Richtlinien, unter anderem folgende Änderungen angekündigt:

"- eine Relativierung der Bedeutung des im Nord-Süd-Gefälles als solchem (!) liegenden Konfliktpotentials und eine stärkere Betonung der Ost-West-Dimension (!) von Konflikten in der Dritten Welt,

ein Verzicht auf kritische Anmerkungen zur Dritt-Welt-Politik der USA,

eine weitgehende Vermeidung von Aussagen zu den Problemen im südlichen Afrika (Konfliktrandstaaten und Befreiungsbewegungen),...

eine zurückhaltendere Bewertung der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit und des Nord-Süd-Dialogs..." (nach "Frankfurter Rundschau. 29.11.82)

Der Schein einer eigenen "Nord-Süd-Dimension" wird also nur noch aufgemacht, um ihn sogleich zu dementieren und eigene politische Prioritäten auch als neuen Kurs zu vertreten. Ökonomisch heißt dasselbe "Marktwirtschaft " contra "planwirtschaftliche Experimente" und liest sich nicht zufällig wie die entsprechenden Botschaften aus dem Weißen Haus:

"Wir können Entwicklungshilfe nicht in irgendwelche staatswirtschaftliche Experimente hineingeben, die am Schluß dazu führen, daß das Land bankrott ist und das Geld unwirksam ausgegeben wurde."

"Es hat sich erwiesen, daß Länder mit marktwirtschaftlichen Elementen in ihrer Politik bisher am ehesten geeignet waren, ihre Entwicklungsziele zu erfüllen." (Warnke)

Das gleichzeitige öffentliche Lamento über den drohenden Bankrott aller, längst nahezu ausnahmslos in den Umkreis der Welt-Marktwirtschaft einbezogenen "Dritt-Welt"-Länder widerlegt diese Ministerworte nicht, sondern bekräftigt aufs Schönste ihre rein politische Bedeutung. "Hilfe" nur für die brauchbaren und genehmen Bollwerke gegen Osten - unabhängig von deren eigenen Ambitionen und erst recht unabhängig von Demokratie, Diktatur oder sozialer Marktwirtschaft! Praktisch sieht das dann so aus, daß für Staaten wie Nicaragua und El Salvador die Zahlungen überprüft werden, ob in ersterem Fall die "Hilfe" eingestellt und dafür im zweiten wieder aufgenommen werden soll; daß die ehemals von Genscher so gepflegte "Namibia-Frage" ad acta gelegt wird, daß Südafrika öffentlich hofiert wird und die Frontstaaten nicht mehr finanziert werden sollen.

Die andere Seite der Medaille, das, was früher einmal "deutscher Beitrag zur Entwicklung" geheißen hat, ist die Bekräftigung der eigenen Interessen, die so gut wie Rechte auf ihre Erfüllung durch die betroffenen Staaten sind.

Die Neudefinition von Partnerschaft

strotzt von herzerfrischender diplomatischer Offenheit und Respektlosigkeit:

"Wer uns vors Schienbein tritt, den werden wir natürlich nicht als bevorzugten Partner behandeln." (Warnke)

Man vergleiche das folgende Statement für "ehrliche Entwicklungshilfe" mit den alten Floskeln über "wechselseitigen Nutzen" und "Partnerschaft im Dienste des Fortschritts für die Dritte, die gesamte und schließlich auch die erste Welt" (in dieser Reihenfolge!):

"Ein besonderes Gewicht legt die Regierung Kohl auf die Partnerschaft zwischen den Entwicklungsländern und den Industrienationen, in diesem Fall also der Bundesrepublik Deutschland. Wir meinen damit, daß in der Vergangenheit die Entwicklungsländer zu sehr lediglich als Fordernde (!) aufgetreten sind und sich die Industrieländer... auf die Defensive beschränkt haben... Jedenfalls ist der Glaube, daß man von der Steinzeit (!) ins dritte Jahrtausend springen kann, einfach ein Irrglaube... Wenn man glaubt, daß man uns weiter einseitig benachteiligen kann, so wird das natürlich Konsequenzen haben." (Warnke in der "Eßlinger Zeitung" vom 12.11.82)

Die "Entwicklungsländer " haben die arme BRD also bislang "als Fordernde" so erfolgreich gemolken, daß sie es doch glatt schon bis zur "Steinzeit" gebracht haben, und jetzt die BRD gegen diese leicht größenwahnsinnigen Partner in die Offensive gehen "muß" - und offenbar auch ohne Sorge um die vielbeschworenen "Abhängigkeiten" kann! Auf Stimmigkeit sind solche Beschwerden über eine jahrzehntelange Kreditierung, die diese Staaten für unsere Geschäfte entwickelt und zu absolut botmässigen Schuldnern gemacht hat, sicher nicht berechnet. Der Entwicklungshilfeminister dreht nur die geläufige moralische oder diplomatische Beschwerde von Entwicklungshilfekritikern und Drittweltpolitikern, die Dritte Welt werde laufend benachteiligt, um und reklamiert das Beschwerderecht für sich - mit einer ganz anderen moralischen Wucht.

Bei dem als nationales Notprogramm daherkommenden Gejammer über bislang einseitig auf unsere Kosten gehende "Partnerschaft" handelt es sich nämlich um Absichtserklärungen einer erfolgreichen imperialistischen Nation, den südlichen Hinterländern auf der Basis längst etablierter Abhängigkeiten und allseits gekürzter "Hilfszusagen" den Anspruch zu bestreiten, den man bisher nach Kräften geschürt und benutzt hat, sie könnten mit den westlichen Krediten und dem Verkauf ihrer Rohstoffe irgendeinen nationalen Aufschwung nach ihren eigenen Vorstellungen zustandebringen. Der polemisch übertriebene Hinweis auf den "steinzeitlichen" Charakter dieser Länder ist ja nicht einfach nur die alte ideologische Entschuldigungstour, die leichenträchtigen Resultate der "Entwicklungszusammenarbeit" zu einer vorgefundenen, nur sehr mühsam behebbaren "Unterentwicklung" zurechtzubiegen: "Steinzeit" steht für die Anmaßung von Ländern, aus denen doch sowieso nichts Rechtes wird, an Rohstoffpreise, "Entwicklungsprojekte", IWF-Stützungsakten etc. überhaupt noch einen anderen Maßstab als den ihres ruinösen Nutzens für die Geldgeber anlegen zu wollen.

Wenn heute ein Regierungssprecher die moralische Bonität der weltweiten Zuständigkeitserklärung der BRD berausstreichen will - "Jeder Arme ist unser Freund" - dann bat er in einem ziemlich zynischen Sinn die Wahrbeit auf seiner Seite: Nicht nur, daß die Kreditierung unserer Geschäfte durch "Hilfsgelder" mit den entsprechenden Auflagen für ziemlich mittellose Staaten diese zu Schuldnern und laufenden Bittstellern gemacht bat, die ganz von den Konjunkturen des politischen und ökonomischen Interesses an ihnen abbängig sind; die Eskalation von Not und Gewalt in der "Dritten Welt" des Kapitalismus, dieses Produkt geschäftlicher Erfolge und entsprechender Zurichtung der einschlägigen Staaten auf ihre Funktion als Rohstofflieferanten, taugt eben auch umgekehrt als Erpressungsgrundlage dafür, "Freunde" auf die Ansprüche der eigenen Nation zu verpflichten - und zwar umso billiger und exklusiver, je mehr die weltweite Überakkumulation und die geänderten Haushaltsprioritäten in allen imperialistischen Staaten das Volumen an Entwicklungsgeldern beschränkt, um die die Drittweltstaaten konkurrieren.

"Partnerschaft" heute: Das ist also nicht nur das programmatische Bekenntnis zur weltweiten Einmischung, vorgetragen im Namen eines einst kritisch und antikoloniälistisch verstandenen Ideals, Womit auch klargestellt ist, daß solche Ideale fürderbin nur noch in einem Sinne anerkannt sind: als pure Rechtfertigung der praktizierten Politik, und damit hat sich's.

"Partnerschaft" heute: Das ist auch der Übergang vom Standpunkt der Entkolonialisierung zu neuen kolonialen Maßstäben. Die Entkolonialisierung hat die Benützbarkeit der "Rohstoffländer" für alle Subjekte des kapitalistischen Weltbandels dadurch hergestellt, daß sie ein auf Deviseneinnahmen angewiesenes Eigeninteresse lokaler Drittweltherrschaften etabliert, anerkennt und benützt - und genau diese bislang so geschäftsfördernde Allseitigkeit des imperialistischen Zugriffs wird beute zum Ärgernis erklärt: Nichts Schöneres als ein "Entwicklungsland", das bedingungslos als Manövriermasse und Kompensationsmittel für die Abwicklung "unserer" nationalen Wirtschaftskrise zur Verfügung stebt!

Dritte Welt - unser Krisenbewältigungsmittel

Insofern verbirgt sich hinter den Beschwerden über das Anspruchsdenken von Weltmarktsneandertalern auch etwas anderes als die Unzufriedenbeit mit den überzogenen Erivartungen dieser Länder. Sie profitierten ja sowieso bestenfalls von der international organisierten Konkurrenz der kapitalistischen Nationen und vom flotten Geschäftsgang in den Metropolen, der jeden Kredit für die Erschließung neuer Robstoffe, für Transportmittel und schließlich auch für "ambitionierte" Projekte der lokalen Herrschaften zu einem ziemlich sicheren Geschäft hiesiger Unternehmer machte und damit die Gebernationen sowohl mit den Kreditmitteln wie mit dem Interesse ausstattete, solche einträglichen Beziebungen national wie international zu fördern, Bei knapperen Finanzen und schlechter gebender Konjunktur, bei sinkendem Robstoffverbrauch und gleichzeitig sinkenden Robstoffpreisen, also einer umfassenden Einschränkung der sowieso irnmer nicht reichenden Haushaltsmittel dieser staatlichen Geschäftspartner, ändert sich die Konkurrenz um diese Anhängsel des Weltmarkts und damit auch die Ideologien über ihre Beziehungen zu uns:

"Warnke sieht die Gefahr, daß 'uns andere die Butter vom Brot nehmen' and fürchtet, daß deutsche Unternehmer nicht am Platze sind, wenn die Nachfrage auf den langsam, aber sicher wachsenden Märkten steigt." (Wirtschaftswoche, 7.1.83)

"Warnke macht auf die 'massive Interessenstrategie' französischer, britischer und amerikanischer Firmen in vielen Teilen der Welt aufmerksam und mahnt: 'Wir dürfen uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.'" (Hofer Anzeiger, 4.12.82)

"Warnke sagte: In der Tat gibt es nämlich immer wieder Berichte, wonach andere Vertretungen, zum Beispiel die britische, die französische, aber auch die nordamerikanische, ihren Staatsbürgern mit verhältnismäßig großem Engagement zur Verfügung stehen. Ich glaube, wir sollten hier unbürokratisch verfahren, und ich bin sicher, daß gerade auch im deutschen Auswärtigen Dienst genügend qualifizierte Kräfte vorhanden sind, unseren Firmen wirksam zu helfen." (Passauer Neue Presse, 7.12.82)

Warnke auf die Frage der "Bildzeitung", wie man den Nutzen der Entwicklungshilfe "einem arbeitslosen Kumpel klarmachen" könnte:

"Das ist gar nicht so schwer. Jede deutsche Mark für Entwicklungshilfe bringt 1,25 DM an Aufträgen für die deutsche Wirtschaft. Das bedeutet: Entwicklungshilfe sichert Arbeitsplätze in Deutschland. Die neue Regierung wird all den Entwicklungsprojekten Vorrang geben, die der deutschen Wirtschaft zusätzliche Aufträge bringen." ("Bildzeitung", 12.12.82)

Während es früher hieß, man dürfe Entwicklungshilfekredite nicht so einfach in Geschäftszahlen - aufrechnen wollen - die seien "indirekt", "langfristig" sowieso gesichert, eine Lieferbindung daher auch überflüssig -, wird jetzt einerseits vorgerechnet, wie sehr sich Kredite lohnen und zugleich zu einer nationalen Kraftanstrengung für mehr deutsche Geschäftserfolge aufgerufen und über verschärfte Lieferbindungen spekuliert, um sich gegen imperialistische Konkurrenten zu behaupten. Heutzutage kommt Entwicklungspolitik mit dem Ideal daher, nicht nur die eigenen, sondern auch gleich noch möglichst viele Kredite anderer Nationen quasi automatisch und exklusiv in die Taschen der heimischen Unternehmer und damit in den eigenen Staatshaushalt zu recyceln, so als wäre die ganze "Dritte Welt" ausschließlich oder doch zuvörderst ein mit beschränkter Kaufkraft ausgestatteter Abnehmer von Waren made in Germany, France, GB und USA. Eine nur von Wirtschaftsjournalisten gern beschworene und nur für die Massen gern ins Feld geführte untergeordnete Perspektive der bornierte Marktstandpunkt, daß die mit Krediten zurechtentwickelten Staaten mit diesem Geld und mit ihren Anteilen an den Rohstofferlösen als Käufer auf dem Weltmarkt auftreten - wird hier zum erklärten Gegenstand innerwestlicher Konkurrenz: Es ist schon bezeichnend, daß der heute propagierte bundesrepublikanische Anspruch an die "Dritte Welt" fast wie eine ökonomische Verrücktheit klingt: Immerhin handelt es sich bei den Ländern, die da ausschließlich als hart umkämpfte Absatzmärkte betrachtet werden, um dieselben Länder, die als "unsere" Billigpreis-Rohstoffzulieferer längst nützlich gemacht sind und gerade wegen ihres hervorragenden Funktionierens in dieser ziemlich mickrige Nachfrager sein müssen. Aber eine Erhöhung der Rohstoffpreise hat Warnke sicher nicht im Sinn, wenn er den geschaftsförderlichen Charakter jeglicher Zahlung an die "Dritte Welt" überhaupt erst darin gewährleistet sieht, daß diese für die Realisierung bundesdeutscher Profite zur Verfügung steht. Und dies ausgerechnet zu Zeiten, in denen umgekehrt die "maßlose Verschuldung" - Zahlungsunfähigkeit dieser Staaten das Riesen"problem" sein soll! Und wenn dieser unter dem Titel der "Beschäftigungswirksamkeit von Entwicklungshilfe" verkündete Standpunkt - jede in die Entwicklungshilfe gesteckte deutsche Mark muß nicht nur Geschäftsbedingungen in Drittweltstaaten schaffen, sondern sich auch noch einmal unmittelbar in lukrativen Geschäften hierzulande niederschlagen - nicht mehr einfach nur als ein Resultat der bisherigen "Freigiebigkeit" zufrieden konstatiert, sondern als deutsches Recht zugleich auch noch eingeklagt wird: Woher nimmt dann eigentlich "jede deutsche Mark für Entwicklungshilfe" die wundersame Potenz, "1,25 DM in die hiesige Exportstatistik zurückzu"bringen" Ein G ... G' (vorgeschossenes Geldkapital G kehrt mit Gewinn angereichert vermehrt zurück: G') im geschäftsmäßigen Sinne kann das ja unmöglich sein; schließlich sind "Entwicklungsländer" trotz aller gegenteiligen Sehnsüchte schwarz- und gelbhäutiger Herrschaften ja gerade keine mehrwertproduzierenden kapitalistischen Fabriken, sondern kriegen Deviseneinnahmen dafür, daß sie sich als deren Anhängsel zurechtmachen! Ein Resultat der weggezahlten "Hilfe" kann dieses G' also nur unter einer Bedingung sein: Wenn bundesdeutsche "Entwicklungshilfe " selbst schon daherkommt als der mit der Wucht einer potenten Nation gegen die NATO-Freunde erhobene Anspruch an die "Dritte Welt", ihre Rohstoff- und sonstigen Einnahmen hätten unabhängig von ihrer Herkunft nur zu einem gut zu sein: dem üppig akkumulierten bundesdeutschen Kapital aus seinen selbstgeschaffenen Absatznöten zu helfen. Wie Warnke so schön sagt: Die Butter gehört auf unser Brot! Wirklich eine souveräne Betrachtung auswärtiger Staatshaushalte. Die linken Theoretiker, die die Entwicklungshilfe einst dadurch der mangelnden Selbstlosigkeit überführen wollten, daß sie sie zu einer ziemlich umständlichen Subventionierung des hiesigen Kapitals erklärten - Geld runter, damit es wieder raufkommt! - nehmen sich dagegen wie Waisenknaben aus!

Dritte Welt = Kredit

"Daß die Entwicklungsländer bei Banken, Regierungen und internationalen Finanzierungsinstituten rund um die Welt inzwischen mit rund 620 Milliarden Dollar verschuldet sind, hob Bundesminister Warnke in seinem Vortrag hervor... Dies zeige, wie stark Staaten wie die Bundesrepublik von solchen Entwicklungen in der Dritten Welt betroffen seien, den Entwicklungsländern also (!) geholfen werden müsse... Wenn die Krise der Weltwirtschaft oder innere strukturelle Fehlentwicklungen dazu führten, daß Entwicklungsländer mehr und mehr als Nachfrager für unsere Wirtschaft ausfielen, so könne dies für ein exportorientiertes Land wie die BRD nicht ohne Rückwirkung bleiben... eine starre Lieferbindung wolle man zwar auch künftig nicht..." (Mainpost, 21.1.83)

Warum wird der Kampf um diese Absatzmärkte überhaupt für lohnend befunden; um welches Geld wird denn da überhaupt von den Gebern der Hilfe gestritten? Der Staatsbankrott der Dritt-Welt-Länder ist ja schließlich keine Ideologie, sondern wird allenthalben als "Gefahr für das internationale Bankensystem" besprochen: Die eigentlich überfällige Bankrotterklärung der "Habenichtse", die mit ihren gefallenen Rohstoffeinnahmen größtenteils nicht einmal mehr ihre Schulden "bedienen" können, darf nicht stattfinden; schließlich hieße das, nicht unbeträchtliche Kredite mitsamt der dranhängenden Institute mit ziemlich verheerenden Konsequenzen in den Wind zu schreiben. Und genau dieser Beschluß der internationalen Gläubigergemeinschaft zur weiteren Kreditierung der "Schuldnerländer" um der Sicherung längst vergebener Kredite willen ist die Grundlage für eine aus der weltweiten Wirtschaftskrise resultierenden, im dritten Stock des Kreditüberbaus sich abspielenden Konkurrenz der kapitalistischen "Geber"nationen: darum nämlich, wer die durch IWF-Stabilisierungsaktionen etc. geschaffene zahlungsfähige Nachfrage als Mittel für sein Kapital in Beschlag nehmen kann und damit die Kosten der Kreditierung minimiert und Krisenbewältigungslasten auf andere Nationalökonomien abwälzen kann. Dies die Basis für die schöne Warnkesche Logik, daß der "Dritten Welt" geholfen werden müsse - natürlich von allen (!) - damit sie für "uns" nicht "ausfällt"! Konkret sieht das z.B. so aus:

"Die Bundesregierung hat dem Hermes jetzt zeitgemäßere Flügel verpaßt, mit denen er die gegenwärtigen Turbulenzen besser meistern kann... zahlreiche Länder, vor allem in der Dritten Welt, sind bereits so hoch verschuldet, daß nach den bisherigen Risikoabwägungen eine Exportbürgschaft verweigert werden mußte. Damit geriet nicht nur manches deutsche Ausfuhrgeschäft in Gefahr... (Jetzt) will die Bundesregierung Umschuldungsarrangements, bei denen sich der internationale Währungsfonds und die privaten Banken engagiert haben, durch Exportbürgschaften flankieren (!). Dieses ist natürlich eine Gratwanderung." (Die Welt, 4.2.83)

Die "Gratwanderung" besteht darin, daß der bundesdeutsche Staat bisherige ökonomische Risikoabwägungen hintanstellt, weil er jeden IWF-Kredit, den schließlich auch er mit seiner Unterschrift in die Welt gesetzt hat, als ein Geld betrachtet, das in hiesigen Kassen am besten aufgehoben ist. Bei den neuesten Ansprüchen an die Entwicklungsländer kürzen sich unter dem Strich diese Länder völlig raus: Sie kommen vor einzig als Zwischenstation der weltweiten Aufblähung des Kredits, die eigentlich für die BRD da ist. Das, was als segensreiche Gesetzmäßigkeit des Weltmarkts durch die Konkurrenz der imperialistischen Staaten sich mehr oder weniger für alle entscheidenden Beteiligten geltend macht - die kreditierten und am Rohstoffgeschäft beteiligten Drittweltstaaten sorgen für eine konjunkturgemäß billige Versorgung mit natürlichen Voraussetzungen der Kapitalakkumulation und realisieren zugleich als Käufer Warenkapital - das wird jetzt in seinem zweiten Teil zum entwicklungspolitischen Programm. Das ist jetzt ein Extra-Gesichtspunkt und Streitgegenstand zwischen den kapitalistischen Nationen, die sich auf die heilsamen Wirkungen des Marktes, den sie selbst politisch organisieren, nicht mehr einfach verlassen. Der zu ganz neuen Ehren gelangte Marktstandpunkt des 'do ut des' gegenüber den längst ganz anders ökonomisch nützlich gemachten Entwicklungsländern ist kein Rückfall in nationalen "Egoismus" und "borniertes" Geschäftsdenken, sondern ein Teil des Konkurrenzprogramms politisch einiger Nationen um ökonomische Stärke und damit um die größte Freiheit in der Bewältigung des gemeinsamen politischen Kampfprogramms: westliche Weltherrschaft.

"Dritte Welt" - ruinöse 'Selbstversorgung'

Am "größten deutschen Projekt" ist exemplarisch zu studieren, daß mit den heute geltenden Maßstäben für lohnende "Hilfe" die Produktion bankrotter Staaten und von Elend und Gewalt auf ständig steigender Stufenleiter beschlossene Sache ist:

"Den Stortschuß zum größten deutschen Entwicklungshilfeprojekt seit 20 Jahren lösten Entwicklungsminister Jürgen Warnke und Sri Lankas Präsident J.R. Jayawardene gemeinsam per Knopfdruck aus. Die erste Sprengung beim Bau des Randonigala-Staudamms im ceylonesischen Hochland... für die deutschen Baufirmen kommt die Entwicklungshilfe zum richtigen Zeitpunkt."

"Zwar beschäftigt das (bundesdeutsche Bau-) Konsortium vor Ort in Sri Lanka auch vorübergehend etwa 800 einheimische Kräfte, doch die Bezahlung der angelernten Arbeiter ist nur gering. Von den 260 Mio. DM des Geschäfts wird die von Bonn beauftragte Kreditanstalt für Wiederaufbau in frankfurt über 200 Mio. DM gar nicht erst nach Sri Lanka transferieren, sondern gleich auf die Konten der Baukonzerne überweisen... Um das Maheweli-Programm durchzuziehen, hat sich Sri Lanka hoch verschuldet. Die Inflation marschiert auf die 30% zu. Zahlreiche Sozialausgaben des Staates und Subventionen für Kleinbauern müssen angesichts der Finanzsituation gekürzt werden. Aber auch Bonn kürzt seine übrige Entwicklungshilfe für das Land." (Frankfurter Rundschau 19.11.82, "Wie Bonn den Baukonzernen bei der Entwicklung hilft")

Da sage noch einer, die Härte des bundesdeutschen "Entwicklungsprogramms" läge darin, daß es etwas versäumt: sich wirklich der "Entwicklung" anzunehmen!

Als Resultat für Sri Lanka ergibt sich aus diesem "erfreulichen Schritt zur Selbstversorgung": Erstens die Einsparung von Devisen, die bislang für Öl- und Lebensmittelimporte (der Staudamm liefert elektrische Energie und dient der Landbewässerung) ausgegeben wurden; zweitens die langfristige Festlegung nicht nur der damit eingesparten Devisen (vor allem Einnahmen aus dem Tee-Export) auf den Verwendungszweck, Ansprüche der Kreditgeber zufriedenzustellen; drittens wird die Erhöhung der Reisproduktion in Sri Lanka durch die neu bewässerten Flächen mitnichten die Reistöpfe der Ceylonesen bereichern, sondern bestenfalls den Nationalhaushalt durch die Reduzierung des Devisenabflusses für Importreis (mal ganz abgesehen davon, daß bislang schon neben der Einfuhr des Hauptnahrungsmittels ein flottes Exportgeschäft mit Sri-Lanka-Reis auf asiatischen Märkten blüht, weil die weißen Körner zu kostbar sind, um sie an die einheimischen Massen zu verfüttern!); und schließlich muß das dortige Teepflücker- und Kleinbauernvolk die Großtaten seines "J. R." schon jetzt mit einem rücksichtslosen staatlichen Sparprogramm, mit Inflation und mit der Vertreibung von bisher bewirtschaftetem Land bezahlen.

Ergebnis für die BRD: 1. Ein Riesengeschäft mitten in der "Krise des Baugewerbes", 2. ein "Partner", der seine Einnahmen statt wie bislang hauptsächlich den Ölscheichs gleich vorweg "unserem Absatz" zur Verfügung gestellt hat; und schließlich sowieso ein Land, das bedingungsloser denn je auf die "Chance" setzen muß, Land und Leute für die Importbedürfnisse der westlichen "Freunde" herzurichten. Das ist die "Weckung von Selbsthilfekräften"!

Klar also, daß derzeit in jedem Drittweltland der Konsum derjenigen Volksteile, die dort überhaupt über ein Geldeinkommen verfügen, im Zeichen der "notwendigen Deviseneinsparung" über astronomische Lebensmittelpreiserhöhungen zur störenden Unkost erklärt wird - für Lebensmitteleinfuhren sind die vergebenen Kredite eben viel zu schade.

Klar weiter, daß umgekehrt ganze Völkerschaften schamloser denn je im Dienst von Billigexporten verheizt werden. Klar also auch, daß die Rücksichtslosigkeit gegen die einheimische Bevölkerung dem hiesigen Staat kein wirkliches Ärgernis, sondern das Gütesiegel genehmer Drittweltherrschaften darstellt. Insofern hat Warnke schon recht mit seinem heuchlerischen "Realismus":

"Es wäre im übrigen lächerlich, Begriffe wie 'Freiheit', 'Demokratie' oder 'Menschenrechte' als unabdingbare Voraussetzungen für eine bundesdeutsche Entwicklungshilfe anzusehen. Dann könnten wir einem Bericht von Amnesty International zufolge, 95% aller möglichen Empfängerländer aus unserer Liste streichen." (Der Minister im "Hofer Anzeiger" vom 4.12.1982)

Kann man ungeschminkter klarstellen, daß sich Entwicklungspolitik zu 100% an den Interessen des BRD-Imperialismus orientiert?