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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1983 erschienen.
Aufruf zur Demonstration am 17. Juni in Bonn
Aufstellung: 12.30 Uhr, Schlachthof
Abmarsch: 13.30 Uhr
Schlußkundgebung: 15.30 Uhr, Münsterplatz
GEGEN DEN BRD-IMPERIALISMUS!
GEGEN DIE GEWALTSAME DEUTSCHE WIEDERVEREINIGUNG IM NATO-WELTKRIEG
1.
Am 17. Juni ist es wieder einmal soweit. Deutschland-West feiert den 30. Jahrestag eines Arbeiteraufstands in Deutschland-Ost. Zwar haben die Festredner für Arbeiteraufstände im allgemeinen wenig übrig; wenn sie aber drüben passieren, sind sie immer brauchbar. Erstens läßt sich behaupten, daß die jeweilige Regierung in Bonn samt ihren NATO-Partnern der legitime Anwalt und Erbe der Arbeiter im Osten ist. Zweitens besteht dieses Erbe in dem Auftrag, die immer noch ungelöste deutsche Frage zu lösen. Heuer werden deshalb Kohl, Carstens und andere den Anspruch bekräftigen, auch den "Menschen" im anderen Teil Deutschlands ihre tiefe Sehnsucht nach einer Wende zu erfüllen und ihnen "Frieden in Freiheit" zu bringen. Das Geheimnis der tausendfachen Beschwörung, dieses Unternehmen solle "natürlich" nur mit friedlichen Mitteln abgewickelt werden, ist heute offener denn je. "Gewaltverzicht" war immer schon die diplomatische Formel für ein Programm, dessen Erfolg allemal vom rechten Einsatz der Gewalt abhängt. Ein solches Programm läßt es keineswegs bei Aufrüstung bewenden!
2.
Die erforderlichen Mittel stehen bereit, und die Bundeswehr wird in diesem Jubiläumsjahr der deutschen Einheit auf den neuesten Stand gebracht. Und das im Rahmen eines freiheitsstiftenden Bündnisses namens NATO und als Teil von dessen umfassenderen Mitteln und Vorhaben. Demokratische Führer berufen sich heute auf die Sache der Freiheit, wenn sie den nie aufgegebenen Anspruch auf das Regieren von Land und Leuten erneuern, die im letzten Krieg von schlechten Deutschen zum Leidwesen der guten Deutschen "verspielt" wurden. Als wäre die westdeutsche Außenpolitik bescheidener geworden, weil sie an der Seite ebenso mächtiger wie rücksichtsloser Freunde nicht bloß für Deutschland, sondern für die Freiheit schlechthin und überall mitwirken will.
Für ihre Dienste als Frontstaat verlangen deutsche Politiker nach einem besonderen Lohn dafür, daß sie ihr Volk für die Beseitigung des östlichen, immer noch viel zu mächtigen Ärgernisses einspannen. Die Ausrüstung besteht 1983 zusätzlich zum Dreimillionenheer auch noch in Mittelstreckenraketen, die den Russen wieder einmal mit der "Sprache der Gewalt" kommen, welche sie nach Aussagen amerikanischer und deutscher Politiker allein verstehen; in einer zusätzlichen Drohung "von deutschem", also "europäischem" Boden aus, die dem Osten das Nachgeben in allen Belangen nahelegt. Der Lohn heißt - ganz im Sinne des "unverzichtbaren" Alleinvertretungsanspruchs, dessen Menschenfreundlichkeit schon durch das Grundgesetz unterstrichen wird - Recht aufs Regieren auch drüben und hinter der Oder-Neiße - für die Herrschaften, die sich bislang mit ihrem "Opfer-für-alle"-Programm nur im viel zu kleinen Bonner Regierungsbereich zwischen Kapstadt und Nordkap bewähren dürfen.
3.
Das Ganze wird im Namen der Freiheit vorgebracht und vollzogen, die schon seit geraumer Zeit ihre weltweite Wirkung tut. Wer entscheidet denn gleich hinter der Weltmacht USA und mit ihr auf Weltwirtschafts- und anderen Gipfeln, wieviel Not und Gewalt in allen Weltgegenden fällig sind? Wieviele Diktaturen sind denn "mit uns" befreundet und deswegen ständig in der "Rückkehr zur Demokratie" begriffen? In welcher Weltgegend ist eigentlich "unser Interesse" nicht im Spiel, so daß westdeutsche Politiker ihr Recht geltend machen, mit DM und Waffen der richtigen Seite zum Durchbruch zu verhelfen? Selbstverständlich unter energischer Inanspruchnahme ihres Arbeits- und Wählervolkes daheim, das mit Arbeitslosigkeit und Opferprogrammen schon wieder einmal gegen einen Feind im Osten aufgerüstet wird.
Weil die Dinge so liegen, erklingen am 17. Juni, und diesmal besonders innig, wieder die gar nicht bescheidenen Töne von "Einigkeit und Recht und Freiheit...", jene Melodien, in denen neue westliche Raketen als die konsequente Einlösung des Kampfes vorkommen, den ostdeutsche Arbeiter einmal gegen ihre Regierung unternommen haben.
Deutsche Einigkeit:
Das ist der Anspruch von bundesdeutschen Politikern auch auf die Zuständigkeit für Gebiete und "Menschen", die bislang von anderen gedeckelt werden.
Deutsches Recht:
Das ist die Bekräftigung dieses Anspruches unter Bezugnahme auf den Erfolg, den bundesdeutsche Politik daheim und auswärts im Bündnis bereits errungen hat.
Deutsche Freiheit:
Das ist die ewige Konsequenz auch demokratischer Nationalisten, die aus der Verwandlung ihrer Ansprüche von einst in erfolgreiche Interessen nur eines gelernt haben: Die Freiheit Deutschlands ist noch viel zu klein und geht "...über alles in d er Welt".
Uns geht sie schon viel zu weit!
MARXISTISCHE GRUPPE (MG)