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Die Grünen
VERWICKLUNGEN GRÜNER MORAL IM PARLAMENT
In den Bundestag haben sich die Grünen wählen lassen, um ihrer außerparlamentarischen Opposition im Parlament Wirkung und Geltung zu verschaffen. Kaum sind sie drin, haben sie an sich und an den etablierten Parteien spüren müssen und zu spüren bekommen, daß ihr Unterfangen eine Unmöglichkeit darstellt, an der sie aber trotzdem festhalten.
Im Parlament gilt die Regel, daß das Interesse aus dem Volk - und sei es auch von moralischer Qualität und christlicher Menschenfreundlichkeit geprägt -, erst recht eine oppositionelle Haltung draußen im Lande; abgegeben und damit abgemeldet ist. Im Parlament werden Gesetze beschlossen, ihr Für und Wider von Staats wegen wird disputiert, die Macht wird repräsentiert im Namen der Wähler und nicht für eine namentliche Wählergruppe besonderen Interesses. Nun wollen aber die Grünen gleichzeitig, die vorbildlichsten Parlamentarier sein und die vorbildlichsten Außerparlamentarier.
Da Regierungserklärung war, mußte eine parlamentarisehe Antwort ihrer Opposition her, aber eben nicht von der SPD, die damit kein Problem hat, sondern von den Grünen. Schon gab es, einen für Bonn gänzlich neuen, Streit in der Fraktion. Er ging nämlich nicht darum, wer sich durchsetzt, die Rede halten zu können, um sich so im Parlament und in der Partei zu profilieren, was ein ganz normaler Vorgang gewesen wäre. Grüne wollen ja im Parlament auch anders sein, und so brachten sie ihren außerparlamentarischen Impetus über die Person des Redners ein. Ein Schily, dem schon der Ruch anhaftet, "führender Kopf der Fraktion" zu sein, durfte sie nicht halten, weil Grün sich von den parlamentarischen Gepflogenheiten bewußt absetzen will, um so die parlamentarische Andersartigkeit zu unterstreichen. Die Rede, die dann die jeder Profilierung bare Beck-Oberndorf halten durfte, war hinwiederum Ausdruck der parlamentarischen Seite des außerparlamentarischen Programms. Zwar wurde die Verurteilung der Politik im Namen der Menschheit und ihres Überlebens, mit der Beschwörung einer "drohenden Katastrophe" vorgetragen und so gemäß grünem Programm die Politik an ihren Idealen, "Schaden vom deutschen Volk abzuwehren", gemessen, aber in einer Form, die den parlamentarischen Regeln alle Ehre macht. Die Grünen hatten die Vokabeln der parlamentarischenOpposition gut gelernt:
"Sie (Kohl) bemühen viele große Worte wie Freiheit, Dynamik und Selbstverantwortung und pflegen dabei eine Unverbindlichkeit (!), die einzig und allein Ausdruck ihrer Hilflosigkeit (!) ist. ...
Immer mehr Menschen in diesem unseren Land erfahren, daß es um unseres eigenen Überlebens willen gilt: neue Formen unseres Zusammenlebens, neue Formen der gesellschaftlichen Organisation, menschengerechte Organisation auch des Wirtschaftslebens zu entwickeln.
Diese Aufgabe aber, Herr Kohl, haben Sie sich offenbar nicht gestellt. Sie haben sich dieser Aufgabe nicht nur einfach entzogen, sondern Sie können sie nicht meistern, weil Sie und Ihre Politik restaurativ-reaktionären Traditionen verpflichtet sind." (Beck-Oberdorf)
Dem Kanzler "Unverbindlichkeit", "Hilflosigkeit" und fehlende "Verantwortung " vorzuwerfen, weil er einer rückwärtsgerichteten Tradition anhänge, das unterstellt, die Politik folge eigentlich doch höheren Idealen, zumindest hätte sie dies idealiter zu tun. In der hilflosen Verfehlung dieser besten Zwecke wird die Politik der Wende für schlecht befunden, nicht in ihrer tatsächlichen Zwecksetzung. Solch moralische Verurteilung ist gängiges Mittel parlamentarischer Auseinandersetzung, ohne deshalb aber auch hinwiederum allzu ernst genommen zu werden.
Die Grünen nehmen sie ernst. Wie um ihre besondere Oppositionsrolle herauszustreichen, nachdem sie sich gerade korrekt ans parlamentarische Prinzip gehalten hatten, niemanden tatsächlich ernsthaft moralisch zu verurteilen, stiegen sie mit Beiträgen ein, die ein Parlament entweihen müssen. Stoltenbergs Sorge um die Arbeitslosen, die er mit Ankurbelung von Investitionen und Gewinnen der Unternehmer pflegt, "Heuchelei" zu nennen; Stalin in seinem Interesse an einer deutschen Wiedervereinigung vor Adenauer zu stellen und die Ausländerpolitik der Bundesregierung in Theorie und Praxis in die Nähe des Faschismus zu stellen, das bringt die Toleranz eines normalen Parlamentariers auf die Palme. Ein Gegenargument fällt diesen liberalen und christlichen Volksvertretern nicht ein, braucht es aber auch gar nicht. Was sie schon von vornherein wußten, daß die grünen Abgeordneten, deren außerparlamentarische Opposition sie draußen mit der Polizei fertigzumachen beschlossen haben, eigentlich nicht ins Parlament gehören, ließen sie unverblümt heraussprudeln:
"Von Ihnen lassen wir uns doch nicht beleidigen mit Ihrem Steinzeit-Marxismus."
"Sie haben die Zerstörung des Walds vor drei Jahrzehnten schon erkannt?! Sie sehen auch so aus, als wenn Sie immer im Wald gelebt hätten."
Da legen diese Herren ihr geheucheltes Wohlwollen gegenüber den 'Neuen' - wo sie sich doch ganz anständig benehmen! - deutlich ab. Das lassen sich gestandene Politiker nicht sagen, daß sie in ihrer Person die moralischen Prinzipien beleidigen, die sie ständig im Munde führen. Das fällt schon nicht mehr unter "billige Polemik", sondern ist ein schweres Vergehen gegen die parlamentarischen Sitten, nach denen bei allem (Schein)-Streit nicht der gute Wille des verantwortlichen Volksvertreters angegriffen werden darf. Umgekehrt gehört sich das gegen die Grünen.
"Sie sind hier angetreten, um Gewaltlosigkeit, Sanftheit und Toleranz zu predigen. Sie haben hier viel Haß gesät..." (Kohl)
Leider haben diese unverschämten Frechheiten der seriösen Herrschaften bei den Grünen nicht zu einer Revision ihres Auftretens im Parlament geführt: sich nämlich im Hohen Hause so aufzuführen, wie es den arroganten Machthabern der großen Parteien gebührt. Parlamentarisch geht das im Parlament natürlich nicht.
Fast ein grüner Herztoter in Ost-Berlin
Man stelle sich vor, 5 DDR-Bürger, Angehörige des Parlaments drüben, kämen nach Bonn und würden dort in einer unangemeldeten Demonstration per Transparent und Erklärung für den Bundeskanzler gegen die Verschärfung des Demonstrationsrechts protestieren und von der Bundesiegierung appellativ fordern, vor allem gegenüber den USA entschieden für Rüstungsverzicht einzutreten. Der westdeutsche Staatssicherheitsdienst würde diesem Akt ein schnelles Ende bereiten, vielleicht die Beteiligten als potentielle Spione verhören, und regierungsamtliche Stellen würden, wenn überhaupt, erklären, die Herren sollten lieber zurück nach drüben gehen, dort gäbe es genug Grund für Protest, aber da dürfe man ja nicht einmal...
Fünf Grüne nehmen sich das Recht heraus, sich solches in der DDR (die Anführungszeichen sind eben immer noch nicht verschwunden) zu erlauben. Sie marschieren auf den Alexanderplatz in Ostberlin und demonstrieren: mit einem Transparent "Schwerter zu Pflugscharen" ganz unschuldig gegen das Vorgehen des Staates drüben gegen solche Anstecker plus Anhänger; mit einem Transparent "Abiüstung in Ost und West / Jetzt damit anfangen" wieder so ganz unschuldig für Rüstungsverzicht "vor allem der Sowjetunion". Unschuldig gibt sich die Sache deshalb, weil vordergründig so getan wird, als wäre die Aktion gleichermaßen gegen die NATO und gegen den Warschauer Pakt gerichtet. Nun, diese Unschuld wird dann doch alsbald klarer entlarvt. Nachdem der Staatssicherheitsdienst drüben die Demo beendet hat und Vopos die 5 Grünen mit auf die Wache genommen haben, dann entlassen; dabei ein "relativ normales Polizeiverhalten für solche gewaltfreien Aktionen" an den Tag legen, wie der grüne Teilnehmer Roland Vogt zugibt, läßt die Mitdemonstrantin Petra Kelly, kaum wieder im Westen, die westdeutsche Katze aus dem Sack.
"Nach Darstellung Petra Kellys sind die Beamten gegenüber den beiden Frauen 'brutal und sexistisch' vorgegangen. Man hätte sie brutal an Armen und Brust angefaßt und keine Rücksicht auf ihre Herz- und Kreislaufschwäche genommen. Erst als die Beamten feststellten, daß sie es mit 'Prominenten'zu tun hatten, hätten sie sich entschuldigt." (Süddeutsche Zeitung vom 13.5.)
Das kommt einem irgendwie bekannt vor: Ja, richtig, die Herztoten, die sich in letzter Zeit wegen der Schikanen im "Unrechtssystem" so häufen und die die BRD zum Anlaß nahm, das innerdeutsche Klima abzukühlen. Wie mutig vom herzschwachen deutschen Mädel Petra, sich ins Ostberliner Zentrum des Bösen zu wagen. Gott sei Dank ist trotz aller Schikanen nichts passiert. Und trotzdem hat die Kelly - auch ohne Herzinfarkt - bewiesen, daß drüben nix Freiheit ist. Wie man aus Bonn hört, soll Bundeskanzler Kohl in scharfer Form eine Stellungnahme von Honecker zu den "sexistischen" Übergriffen seiner Vopos verlangen sowie eine Untersuchung durch westdeutsche Beamte an Ort und Stelle. Honecker wird wohl in einem zehnseitigen Schreiben darlegen, daß gegenüber den Demonstranten keine Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind. - Einen Brief hat er ja schon geschrieben, an die Grünen, und ihnen doch tatsächlich in allen Punkten recht gegeben. Und das nur, weil der Antikommunismus diesmal nicht in Gestalt der Jungen Union, sondern grün daherkam!