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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1983 erschienen.
Jugendarbeitslosigkeit
DAS JUNGE DEUTSCHLAND
C-Parteitage erklären sie zum "Sachthema", die Opposition spricht von "brachliegendem Kapital unserer Gesellschaft", der Bundestag führt eigens eine Debatte zu ihrem "Abbau", auf EG-Ebene ruft man zur Demonstration gegen sie auf, und selbst in der Erklärung vom Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg fehlen sie nicht, die jugendlichen Arbeitslosen.
Was ist denn der Inhalt dieser Sorge?
Liegt's an der Arbeitslosigkeit? Offenkundig nicht, sonst würden die Politiker sie nicht an den Jungen festmachen: Arbeiten bzw. nicht arbeiten ist doch keine Frage des Alters! Liegt's an der Jugend? Wenn's nicht die Arbeitslosigkeit ist, die der Kritik unterfällt, was in aller Welt will die Politik denn von ihr betroffenen Youngsters der Gesellschaft denn dann Gutes tun?
Bleibt einzig übrig: Daß die Betroffenen als Jugendliche arbeitslos sind, das wird zu einem besonderen Problem erklärt, das ganz in das Sorgerecht der Politiker fällt.
Das ist immer etwas Ungemütliches. Zum gesellschaftlichen Problem erklärt zu werden, unterstellt eine gelaufene Schädigung und für die Geschädigten die heiße Perspektive, darin gesellschaftliche Anerkennung zu finden:
Wo Arbeitslosigkeit an der Jugend belabert wird,
- da ist als Selbstverständlichkeit akzeptiert, daß sie alle trifft;
- da hat sich die Politik längst von angeblichen "Beschäftigungsprogrammen" und sonstigen "Lösungen" emanzipiert, also von der geheuchelten Erinnerung daran, daß man hierzulande Arbeit "braucht", weil ohne Geld nichts zu haben ist;
- da haben Politiker mit der Arbeitslosigkeit ihrer Untertanen so aboolut kein Problem, daß sie jenseits vom Schaden für die Betroffenen ein für deren öffentliche Verhandlung verbindliches Bild möglicher "sozialer" Folge-Schäden entwerfen:
"Somit stellt sich der Problemkreis Jugendbeschäftigung nicht vorwiegend als Arbeitsmarkt-, sondern als sozialpolitisches Problem. Sie alle bilden ein neues 'Potential gefährdeter Jugendlicher', die für Bandenbildung, Suchtgefahr oder eine gesellschaftsfeindliche aggressive Haltung anfällig seien" (Süddeutsche Zeitung, 10.6.83).
Der schwere Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wird heute weniger als sozial-, denn als "ordnungspolitisches Problem" öffentlich diskutiert. So feiert 1983 die Politik den erfolgreichen praktizierten Umgang des Kapitals mit der Arbeiterklasse. Arbeitslose? Sie sind kein "Arbeitsmarktproblem"! Die Entlassenen bzw. gar nicht erst der Benutzung für lohnend befundenen Arbeitskräfte, denen gegenüber das Kapital den vorurteilslosen Standpunkt geltend macht: Die braucht's alle nicht, weg damit!, für diese Leute hat die Regierung einen besonderen Entschluß gefaßt. Sie hat beschlossen, daß es ihr gut anstünde, ihr verantwortungsvolles sozialpolitisches Arbeitslosigkeits("bekämpfungs")programm mit dem Glanz der Sorge um die Kleinen zu umgeben. Hierin haben auch die Großen ihren Platz! Bei jedem Tadel an die Jungen: 'Vorsicht, nicht aussteigen aus der Gesellschaft, das tut weh', und jedem Lob: 'Immer schön mitspielen, das tut gut, sind die Alten mitangesprochen. So lässig wird heute an der Jugend klargestellt, was demokratische Politiker von ihrem Volk insgesamt erwarten! Die Jugend, und zwar gerade der für unbrauchbar befundene Teil von ihr, wird zum Anlaß genommen, um an ihr das Bild eines perfekten Volks auszumalen, eines Volks, das gut ist, weil es alles mitmacht, was seine Herrschaft für notwendig befindet. Dies allerdings nicht als Anspruch der Oberen an die Unteren vorgetragen, sondern als Bedürfnis des ganzes Volks nach Arbeit, Ordnung, Führung.
Und warum wird diese Ideologie zum am Volk durchgezogenen Notstandsprogramm an der Jugend aufgerollt? Man soll es dramatisch finden, daß ein junger Mensch dem Ideal, das Politiker über ihre Untertanen entworfen haben, nicht nachkommen kann: Wie steht ein junger Mensch da, der all das, was ein Volk als gutes Arbeits- und Staatsvolk auszeichnet, nicht kriegt, soll man sich denken. Das sind vielleicht Ansprüche, die da von unten nach oben aufgemacht werden! Mit der zugleich nebenbei aufgestellten Gleichung, alt sei ausgezutzelt, alt habe sich bereits bewähren dürfen, wird über die Jugend die Lieblingsideologie des Führers demokratisch aufbereitet, sie sei überhaupt "das Kapital einer Gesellschaft". Ganz, als ob sich Kapitalisten wie Vampire auf junges Blut als extra feines stürzen würden. Wo sie doch ganz vorurteilsfrei an jeder Arbeitskraft durchchecken, ob sie einen Arbeitsplatz wert ist. Wenn Politiker ihre eigenen Faschistereien glauben würden, hätten sie längst einen gestandenen Arbeitsdient für Deutschland mit seiner Jugend eingerichtet.
Politiker machen sich einen intellektuellen Genuß aus der - in all den schönen ideologischen Ehrentiteln wie Jugend, Jugendarbeitslosigkeit, Jugendgefährdung und Jugendprotest bereits zum besten gegebenen - problemlos laufenden praktischen Verhandlung der Jugend:
Da lädt man sich z. B. gute 500 von ihnen zu einer "Jugend-Fragestunde" in den Bundestag ein, behandelt diejenigen Gäste, die mit ihrer Kritik an dieser gemeinschaftlich von allen demokratischen Parteien inszenierten Schau nicht hinter'm Berg halten wollen (ein paar Farbbeutel an den deutschen Adler werfen und Transparente gegen die bundesdeutsche Beteiligung an den relevanten Schlächtereien der westlichen Welt entrollen) mal eben im Innenhof mit der chemischen Keule, um sich drinnen im Parlamentssaal sein "Hier kämpft man mit dem Wort!" (Barzel) beklatschen zu lassen. Dann stellt man sich hin und bemüßigt sich zu der satten Leistung, "diese Aktion (als) nicht repräsentativ für die junge Generation in der Bundesrepublik Deutschland" zu befinden und zugleich Klage zu führen über den "farblosen, starren und wenig spontanen Verlauf der Diskussion"! Und hat der Giftzwerg Blüm eigentlich seinen Hahn unter Kontrolle, wenn er verlangt, daß
"wir keinen Abiturienten wollen, der die Relativitätstheorie kennt, aber keinen Wasserhahn reparieren kann - der den Lauf der Gestirne berechnen kann, aber keine Dachrinne löten"?
Oder will er nur zeigen, daß er auch mal jung war, wenn er sich im Fernsehen in den Kreis geladener Schüler und Lehrlinge setzt und verkündet:
"Wer eine Lehrstelle haben will, muß sich natürlich Traumberufe wie Friseuse oder Verkäuferin abschminken. Sehen Sie mich an, ich habe auch was anderes gelernt früher und muß jetzt was anderes machen, und das ist auch nicht immer leicht."
Spitze, wie er da mit dem seit der Wende tagtäglich neu aufbereiteten und gezielten Mißverständnis, Ausbildungsplatz sei gleich Arbeitsplatz, das Gegenteil klarstellt: "Träume" über den Beruf soll man sich "abschminken"! Wo doch jedermann hierzulande, so er einen Arbeitsplatz kriegt, arbeitet und sonst nix! Würden da tatsächlich überall "Träume" und Interessen eingebracht, wäre es damit längst vorbei. Mit seiner Verwandlung des gesellschaftlichen Zwangs zum Geldverdienen in einen äußerst privaten Anspruch (wobei "Traum" ja auch schon die Wucht des Anspruchs verrät), hat Blüm die Schuldfrage auch gleich miterledigt. Kein Wunder, so die dreiste Logik, daß jemand, der für sich etwas beansprucht, nie im Leben etwas bekommt. Und was Blüm die maßlose Menschheit da alles träumen läßt: Friseur und Verkäuferin!
Wenn jemand nichts für sich will, wenn er ausschließlich willenloses, verfügbares Material ist, mit so jemandem ließe sich schon was anstellen, resümiert der Minister. Einen Beruf will er da natürlich nicht versprochen haben, wohl aber "für jeden eine Lehrstelle", wobei diese "Garantie" "freilich nicht einklagbar" ist. Auf alle Fälle verspricht der Minister den jungen Leuten: Wenn... dann wird es mit eurer Zurichtung schon irgendwie hinhauen, Vater Staat wird euch schon formen! Ein schöner erzieherischer Gedanke, dieser Beitrag zur Jugendarbeitslosigkeit weit weg von jedem Arbeitsplatz.
Eine CSU-Frau namens Nagel mag hier noch ein wenig weiterdenken:
"Wir müssen Wege finden, damit die jungen Leute auch in einem 'ungeliebten Beruf' eine Lehre antreten". Wo nimmt die kluge Frau bloß ihre Zuversicht her? Etwa weil durch des Kanzlers "Lehrstellengarantie" mit einem Federstrich Jugendschutzbestimmungen als "ausbildungshemmende Maßnahmen" aufgehoben wurden? "Die eigentlichen Sorgenkinder sind nämlich die Jugendlichen ohne Ausbildung."
Politiker kennen eben keine Schamgrenzen mehr beim Klarstellen, daß die "Lebensqualität" der Bevölkerung darin besteht, für den Staat da zu sein. Darauf ist Verlaß, daß gerade dann, wenn für das Volk nichts mehr rumgeht, der Staat sich alles von ihm verspricht.