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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1983 erschienen.
Staatsbesuche
IN BONN ANGETRETEN
Wenn die Herren mit den bunten Gewändern dem Kanzler und seinem Genscher ihre Aufwartung machen, dann werden nicht nur Artigkeiten ausgetauscht: Für die BRD und im Namen aller ihrer Bürger wird über Art und Inhalt der Beziehungen zum Rest des Globus entschieden. Uneingeschränkte Freude und Herzlichkeit herrschte bei den Besuchen der Staatschefs aus Sambia, Burundi, Fidschi und Nigeria in Bonn. In den Zeitungen war darüber nicht viel zu lesen. Wozu auch. Es handelt sich um Herrschaften, die innerhalb der westlichen Weltordnung bescheidenen Pflichten nachzukommen haben, die sie aber sehr anständig und unaffällig erledigen. Diesen Staatschefs ist es eine Selbstverständlichkeit,
- daß sich die Demokratie gestärkt gehört, was bei ihnen eine dauernde "Anstrengung" bleibt, derer sich mit Vorliebe energische Männer mit lauter militärischen Titeln im Vornamen annehmen;
- daß "Demokratie stärken" einer grundlegenden Voraussetzung bedarf, nämlich sich ins westliche Freiheitssystem reibungslos einzugliedern; solange da kein Liebäugeln mit östlichen Diktaturen stattfindet, sind alle einheimischen Gemetzel und Wahlschiebereien vielleicht "verfehlte Problemlösungen", dienen aber noch allemal der "Stabilität";
- daß sie sich "echte Blockfreie" nennen; "unechte" bedeutet ja nur, sie sind mit dem falschen Block verwickelt.
Solche Staätsmänner bekommen von Präsident Carstens oder Kanzler Kohl immer eine lobende Erwähnung.
Zum Beispiel der Staatschef Mara von Fidschi trifft auf einen sehr gespannten Kohl, der "die Gelegenheit begrüßte, sich aus erster Hand über die Lage und Entwicklungstendenzen in dieser weltpolitisch wichtigen Region zu unterrichten." Das Elend der dortigen Bevölkerung hat beide nicht im geringsten während ihres Meinungsaustausches interessiert, sah sich doch Präsident Mara dadurch keinen Moment lang darin behindert, seine "weltpolitisch wichtige" Regionalaufgabe wahrzunehmen, nämlich den UNO-Resolutionsentwurf gegen den Flugzeugabschuß über Sachalin mit einzubringen. Das Fidschi-Volk wird davon zwar in weiten Teilen nichts wissen, aber es wird dadurch auf jeden Fall ein gutes Volk. Es läßt sich obendrein dafür gebrauchen, doß man es in Uniformen steckt und zur UNO-Friedenstruppe in den Libanon verschickt - auch darüber durfte sich Kanzler Kohl "unterrichten". Seltsanerweise wollte ihm dabei nicht einfallen, ob sich dieses Land "eines der ärmsten der Welt", wie es immer heißt - solche Abzüge vom Staatshaushalt denn leisten kann. Ein Kanzler, der die Rente einer jeden Oma als eine schier unerträgliche Belastung darzustellen versteht, der ist sich natürlich mit seinem Kollegen Mara darin einig, daß man in "weltpolitisch wichtigen Fragen" nicht pingelig sein kann.
Zum Beispiel der Oberst Jean-Baptiste Bagaza, Staatschef von Burundi, trifft auf einen Präsidenten Carstens, der ihm ohne weiteres folgenden Satz zum Verständnis zumutet: "Ich hoffe auch, daß die erst am Anfang stehenden privatwirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländem hieraus einen Gewinn ziehen werden." Der Oberst versteht diesen Satz trotz seiner verunglückten Grammatik schon so, wie er gemeint ist: Der Gewinn, der hier aus "privatwirtschaftlichen Beziehungen" gezogen werden soll, hat nichts zu schaffen mit einem für beide Seiten profitablen Geschäft. Dafür fehlt auf der burundischen Seite so gut wie alles. M. Bagaza weiß trotzdem, was von ihm verlangt ist und wozu er in Bonn die honneurs empfängt: Dafür, daß man ihm Kredite und Waffen gibt, hat er dafür zu sorgen, daß ein paar westdeutsche Kapitale ein ungehindertes Nutzungsrecht über die dreieinhalb (agrarischen) Rohstoffe in seinem Land haben. Diese Sorte Staatskunst fällt mit dem zusammen, was er in seiner militärischen Laufbahn gelernt hat. Ja, das sind Freunde, die wir gut leiden können.
E s gab aber auch eine Ausnahme:
Der nicaraguanische Innenminister Tomas Borge saß zunächst einmal in Bonn herum, ohne "kompetente und rangentsprechende Gesprächspartner" zu finden. Das lag nicht daran, daß gerade alle verreist waren; es lag auch nicht daran, daß Borge sich irgendwie feindselig aufgeführt hätte - auf diese diplomatisch unverhüllte Art wurde ihm gezeigt, daß er nicht zu den Freunden des Freien Westens zählt, selbst wenn er noch so kompromißbereit und bittstellerisch daherkommt. Er ist Vertreter eines Landes, das für störend erachtet wird; und daß diese Störung ausschließlich darin besteht, nicht unmittelbare und vollkommene Botmäßigkeit zu zeigen, das wurde ihm auf folgende heuchlerische und doch sehr treffende Weise mitgeteilt: Wann gibt's bei euch endlich Pluralismus? Wann haltet ihr endlich freie Wahlen ab? Mitten in einem mörderischen Bürgerkrieg, den die USA ganz nach Belieben steuern, muß sich der nicaraguanische Innenminister von Spitzohr-Genscher anhören, daß in seinem Land eigentlich nur ein Problem existiert - "die Errichtung der Demokratie". Derselbe Genscher, der gerade von der UNO zurückkam, wo er eine illustre Reihe bluterfahrener Militärdiktatoren an seinen Spitzbauch gedrückt hat, dieser Genscher behauptet gegenüber Tomas Borge, die Abhaltung demokratischer Wahlen in Nicaragua sei der Springpunkt freundschaftlichen Verkehrs. Und das stimmt ja auch - von seiten der BRD: "Errichtung der Demokratie" ist nichts anderes, als der unverschämte Anspruch an die Sandinisten, ihre eigene Herrschaft aufzugeben, sich am besten auf der Stelle von den CIA-Contras "abwählen" zu lassen.
Ein Comandante der sandinistischen Revolution läßt sich diese Behandlung gefallen, weil er gar keine andere Wahl hat, wenn er nach Bonn reisen will. Er braucht für seinen Staat sowohl die 20 bis 40 Mio. DM, über die noch verhandelt wird, als auch Verhandlungen mit einer westlichen Führungsmacht BRD überhaupt, von denen er sich ein Stück Anerkennung seines "Regimes" verspricht, das von der Führungsmacht des Westens im wahrsten Wortsinne zum Tode verurteilt worden ist. Ein verzweifelter Rettungsversuch also, zu dem Tomas Borge an den Rhein gekommen ist, während zur gleichen Zeit die Bündnispartner des Bonner Regimes im Pentagon die "Contras" aufrüsten und zum Marodieren ins Land schicken. Weil die westliche Weltordnung nun einmal so beschaffen ist, daß Nicaragua vom Kredit aus Staaten wie der BRD leben muß, reichen für Genscher auch ein paar Millionen tatsächlich aus, um ein ganzes Volk samt seiner Regierung zu erpressen.