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Feindbild '83
RICHTLINIEN FÜR EINE OBJEKTIVE WELTSICHT
Die westliche Berichterstattung über die Sowjetunion orientiert sich an den Kriterien der Feindbildpflege. Ihre Überzeugungskraft gewinnt sie daraus, daß an die Urteile vorab geglaubt wird, die da an beliebigen Beispielen bebildert werden.
Die Sowjetunion schützt ihr Territorium, wacht eifersüchtig über die eigene politische Handlungsfreiheit und schätzt ein dafür probates Mittel: Waffen, und die nicht zu wenig. Das machen alle Staaten, und Unterschiede gibt es darin nur in der Fähigkeit, wie stark Staaten dieses ihr Lebensrecht gegenüber anderen zur Geltung zu bringen vermögen.
Aber Vorsicht: Falle! Mit dem Schluß, Staaten sind so, und Gewalt ist ihr einziges Argument, das sie anderen Nationen und ihren Bürgern gegenüber kennen, kommt nie ein moralisch anständiges Feindbild zusammen. Da fehlt einfach der Unterschied zwischen Recht und Unrecht, der es dem mündigen Untertanen erlaubt, sich zur Herrschaft, die das Sagen über ihn hat, zu beglückwünschen. Erst dann lassen sich die Staaten aus der friedlichen Völkergemeinschaft aussortieren, die einen solchen Glückwunsch gar nicht entgegennehmen dürfen, weil sie keine gute Gewalt sind.
Aber aufgepaßt: Der richtige Unterschied muß es schon sein! Ganz falsch die Frage, was denn Staaten mit ihrer Gewalthoheit, auf die sie unbedingt pochen, anstellen und welche politischen Zwecke der Sowjetunion westlichen Freiheitsherren so unerträglich sind, daß schon die Existenz dieses Staatswesens als Irrtum der Menschheitsgeschichte gilt. Bloß andere Formen des Umgangs mit ihrem Volk können es ja nicht sein, was den Westen so unversöhnlich gegenüber der russischen Diktatur macht. Da könnte der normale Mensch ja ganz zufrieden sein, hier im Namen der Freiheit sich sein Leben gemäß den Ansprüchen von Wirtschaft und Staat einteilen zu dürfen, arbeiten zu können - oder auch nicht - und sich für höhere Aufgaben, für die seine Herrschaft Militär für unerläßlich hält, auszubilden. Das alles wird ihm drüben genauso erlaubt - aber eben nicht im Namen der Freiheit.
Und nur dieses Verbrechen ergibt ein standfestes gutes Feindbild, das sich durch die Erklärung der wirklichen Zwecke, mit denen der NATO-Staatenverband heute dem Weltkommunismus das Lebensrecht abspricht - die werden keineswegs verheimlicht - nicht erschüttern läßt. Die Russen stören den Weltfrieden, dessen Schutz gegen jede mögliche Bedrohung uns obliegt - wie jüngst gegen Grenada; also ist alles, was russische Politik anstellt, ein Beweis dafür. Und die Nennung ihrer Toten ist ihr Schuldenkonto: "Afghanistan, Polen, SS 20, Jumbo...!"
Menschenmörder!
Alle Staaten verteidigen ihre Lufthoheit. Das gilt als ein internationales Recht, weil die Staatenwelt sich auf eine solche Charta geeinigt hat. Die Waffen, die dieses Recht schützen, taugen nicht dafür, Unterschiede zwischen feindlichen Soldaten und Zivilisten zu machen. Was als feindliche Bedrohung abgeschossen gehört, entscheiden Politiker nach dem Ausmaß der Feindseligkeit, das sie dem einzelnen Fall zumessen wollen. Sie mögen sich hinterher getäuscht haben, aber das Versäumnis, lässig mit ihrer Gewalt umzugehen, laden Politiker nicht auf sich.
So darf man den Abschuß eines koreanischen Jumbos über Kamschtatka nicht sehen, sonst ist der Vorfall als richtiger Beweis verschenkt. Glaubt man der "schockierten Weltmeinung", so haben die Russen nichts als die Absicht verfolgt, 269 "unschuldige Opfer" umzubringen und "mitten im Frieden" Verbrechen an wehrlosen Zivilisten zu begehen. Was ihnen das nützen soll, ist in einer Hinsicht eine berechtigte Frage: Man darf den Nutzen getrost vermissen! Politische, d.h. verständliche und gute Gründe kann es dafür nicht gegeben haben; so bleibt nur eine Antwort: Die sind eben so, und ob sie wollen oder nicht, demonstrieren sie nur immer wieder den Charakterzug russischer Politik, unmenschlich zu sein. Dann ergibt sich das gerechte Schuldurteil über den Feind, das längst feststeht, an diesem Beispiel auch zum tausendsten Mal ganz neu. Alle Freiheitsmenschen von Reagan bis zum letzten Stammtisch wissen sich zu empören, daß die Russen tatsächlich so schlimm sind, wie man es bisher schon immer glaubte, aber jetzt endgültig weiß. Die Russen schießen ein Flugzeug ab, das sich wie ein Spionageflugzeug aufführt, zwei Stunden lang von der Route abweicht, auf keinen Anruf antwortet und auf die Aufforderung zu landen nicht reagiert. Alle Auskünfte der Russen, mögen sie auch durch westliche Meldungen bestätigt werden, sind keine "Aufklärung", sondern Lügen eines Verbrechers, der Dreck am Stecken hat. Ein Geständnis ist fällig: Ich bin der Feind - nein, nicht des Westens - der Menschheit! So lange er mit von vornherein unglaubwürdigen und lächerlichen Gegenvorwürfen antwortet oder sich auf ein bedauerliches Versehen herausredet, kann dies nur eines objektiv beweisen: Die Russen sind nicht nur so, sondern unbelehrbar.
Völkermörder
Mancher Staat paßt auf die Ordnung bei seinen Nachbarn auf. Einer kriegt es dabei mit einer Mannschaft zu tun, die gleich eine ganze Weltordnung beaufsichtigen will. Ohne die, Freiheit, die eigenen politischen und ökonomischen Interessen von allen anderen Staaten der freien Welt beachtet und zum Maßstab von deren Politik gemacht zu sehen, mag weder dem amerikanischen Präsidenten noch den anderen NATO-Regierungshäuptern das Regieren gefallen, denn das ist der weltweite Geltungsbereich von Freiheit und Demokratie, den sie seit 1945 durchgesetzt haben. Daß die Sowjetunion auch Außenpolitik betreibt, kann nicht geduldet werden, denn für den Weltfrieden ist nur eine Seite zuständig. Deshalb ist Afghanistan der Beweis einer so grundsätztichen "Aggressivität" des Ostens, daß sich davor jede Aufrechnung, wo überall amerikanische Soldaten seit 1945 einmarschiert sind, glatt blamiert. Umgekehrt gilt: Weil die USA für die Ordnung der Welt zuständig sind, beweist jeder Überfall die Notwendigkeit des Eingreifens und löst allenfalls Debatten um die Verhältnismäßigkeit der Mittel aus; und weil der Westen die UdSSR auf dem Globus längst in die Defensive gedrängt hat, beweist Afghanistan, daß der Weltkommunismus zu allem entschlossen ist. Der Hinweis, daß da die UdSSR ein mit ihr befreundetes Regime vor dem Sturz bewahrt hat, gilt da als Verharmlosung der bösen Absicht und kommt deshalb gar nicht in Betracht. Die Russen haben ein unschuldiges Volk unterdrückt und abgeschlachtet, weiß alle alle Welt, bevor noch die Lage dieses ins Gerede gekommenen Landes auf der Landkarte ausfindig gemacht wurde. Und daß es sich bei diesem freiheitsdurstigen Volk um Kämpfer für Demokratie und für die Segnungen einer freien Marktwirtschaft handelt, ergibt sich schon daraus, was man von den Russen weiß. Die sind der Feind alles Guten auf der Welt. Damit ist man auch schon der näheren Begutachtung der afghanischen Moslemkämpfer enthoben - derselben Moslems, die sich im Iran durch religiösen Fanatismus und durch einen politisch unzurechnungsfähigen Khomeini auszeichnen. Denn die eigentlichen Betroffenen jener menschenverachtenden Offensive der Russen sind "wir"! - und zwar in Gestalt unserer Politiker, die das nicht hinnehmen können. Vorausgesetzt, man läßt sich nicht durch Gedanken irritieren und hält konsequent am Bedürfnis fest, ein Schuldurteil zu vollstrecken, kann nichts mehr schiefgehen. Ist dem Feind erst einmal das Recht auf jeden politischen Erfolg abgestritten, ergibt sich noch mancherlei; Also:
Drüben regieren todkranke Politiker ein marodes System, essen Kaviar, der von politischen Gefangenen zubereitet wird - und halten das Ganze allein durch Gewalt aufrecht. Die Schiffe der Russen bleiben im Eis stecken, was darauf hindeutet, daß nicht einmal Handel und Marine etwas taugen. Dissidenten und Kirchenmänner bevölkern das Land, die Partei ist als Minderheitensekte kaum noch lebensfähig. Zeugnisse von Freiheitsdurst und Sehnsucht nach westlicher Lebensart werden von jung und alt täglich geliefert - und Politik hat keinen anderen Inhalt mehr als Unterdrückung pur. Die Befreiung des Menschen vom Apparat ist ebenso fällig wie der Abschied des Unrechtssystems aus der Weltpolitik...