Info
Grenada-Kommentare in der Presse
SCHULE DER KONSTRUKTIVEN EMPÖRUNG
"Wir dienen unserem Bündnis, wenn wir die Politik unseres Partners Reagan kritisieren und verurteilen." (H.-J. Wischnewski von der SPD)
Einige demokratische Richtlinien muß man beim "Verurteilen" natürlich schon beachten, damit die "Kritik" so hemmungslos konstruktiv ausfällt. Welche - darüber belehren die Kommentare der kritischen Presse zur Grenada-Invasion der USA. Ohne jeden Befehl vom Regierungssprecher haben sie sämtliche einschlägigen Richtlinien genauestens befolgt.
Kritik im Namen der demokratischen Moral
Die Toten haben in den kritischen Kommentaren vom bundesdeutschen Standpunkt aus keine Rolle gespielt; dazu waren es zu wenige und wenn, dann vermutlich Kubaner, die eben besser zu Hause geblieben wären. Verletzt wurden durch die US-Invasion höhere Güter:
"Von den drei Gründen, die Präsident Reagan für die Intervention auf der Insel Grenada genannt hat, amerikanisches Leben zu schützen, Chaos zu verhindern und bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung zu helfen, steht aber nur der erste im Einklang mit dem Völkerrecht. Allerdings müßte wohl auch in diesem Fall eine akute Bedrohung vorliegen.... (Das) ist aber nicht erwiesen." (Süddeutsche Zeitung)
So ernst nimmt nun aber kein Kommentator das Völkerrecht, daß damit die Verurteilung des Übeltäters fertig wäre. Man gibt sich enttäuscht; man warnt die USA vor einem drohenden Verlust an moralischer Glaubwürdigkeit, den konstruktiv gesonnene Journalisten mit Leichtigkeit an den Anforderungen ihres Jobs bemerken - sie stellen die Weltöffentlichkeit ja her, vor der die USA "ihre weiße Weste" behalten sollen -:
"Wie soll man den heimlich-unheimlichen Druck Moskaus auf Polen glaubwürdig uerurteilen, wenn die USA es in Mittelamerika nicht anders halten?" (Frankfurter Rundschau - Sind die Russen jetzt also doch schon in Polen einmarschiert?)
Und so gibt die "kritische" Presse mit ihrer "Erschütterung" gar nichts anderes kund als ihre überhaupt nicht erschütterte Überzeugung, daß die USA und nur sie eigentlich nach wie vor für all die Ideale einstehen, die sie soeben verletzt haben:
"Das Vorgehen der Regierung Reagan... liegt zu weit außerhalb jener Normen, die sich die westliche Supermacht für den Verkehr unter souveränen Staaten gesetzt hat, als daß das Erstaunen darüber nicht nahezu grenzenlos sein dürfte." (Süddeutsche Zeitung)
Die "Kritik" der Invasion ist also im Handumdrehen bei dem Kompliment an die USA gelandet, "eigentlich" doch, trotz allem, eine, ja die Macht zu sein, zu der eine so gewalttättige Politik gar nicht paßt - "Fehltritt des großen Verbündeten" überschreibt die Süddeutsche ihren Kommentar -; im Unterschied zu einer anderen Supermacht, die jeder kennt:
"...obwohl man doch unser freies westliches System nicht mit dem kommunistischen vergleichen könne. Das ist richtig. Aber richtig ist eben auch, daß wir im Westen uns an unsere eigenen freiheitlichen Normen, an die uon uns proklamierte politische Moral zu halten haben." (Frankfurter Rundschau)
Damit wäre der Übergang geschafft zu der Alternative, mit der die USA trotz allem nicht gleichgesetzt werden dürfen: dem östlichen System, bei dem Invasionen zur Natur gehören, "Breschnew-Doktrin für die Karibik" (Süddeutsche Zeitung) lautet das Bedenken, das anläßlich Grenadas die Schuldfrage gleich so prinzipiell aufwirft, daß auch gleich der prinzipielle Schuldige in Erinnerung gebracht ist.
"Schließlich unterscheidet sich das westliche System gerade dadurch von anderen" (von welchen wohl?), "daß bei uns nicht ein Mann oder ein Land selbstherrlich entscheiden kann, was gut ist und was böse." (Frankfurter Rundschau)
Alles andere als Gleichsetzung ist also gemeint, wenn die kritische Presse sich in Grenada-Afghanistan-Vergleichen ergeht; dafür hätte es die entsprechenden Mahnungen von rechts gar nicht gebraucht. Folglich ist die "Kritik" auch noch nicht rum mit dem mahnenden Verweis auf die Moral, in der der "Kritiker" sich mit den "Kritisierten" einig weiß. Gewichtig werden will sie durch die Erinnerung an den gemeinsamen Zweck, für den man sich die moralischen Werte doch zugelegt hat:
"Es kann doch den Verbündeten nicht gleichgültig sein, wenn die Führungsmacht des Westens ihren moralischen Vorsprung gegenüber den Sowjets mutwillig aufs Spiel setzt. Da die Auseinandersetzung zwischen West und Ost überwiegend ohne Waffengchrauch stattfindet, ist die Preisgabe eines starken politischen Arguments eine taktische Niederlage." (Süddeutsche Zeitung)
Daß in der Weltpolitik ein moralisches "Argument" mehr zählen soll als eine Invasion - zumal, siehe oben, von einer "Preisgabe" des guten westlichen Gewissens gar nicht die Rede sein kann -, ist zwar reichlich übertrieben. Die Wertschätzung der Moral als politische Waffe ist aber von der guten Absicht her allemal korrekt. Mit ihr löst das ganze moralische Getue sich denn auch auf in die viel beliebtere "Kritik" Nr. 2:
Kritik vom Standpunkt des Ideals imperialistischen Erfolgs
Die Invasionspolitik Washingtons war ganz und gar ungeschickt - so tönt im Chor die Anklage des skeptisch-"kritischen" Journalismus der BRD. Das deutsche Nachrichtenmagazin etwa will herausgefunden haben, daß sogar die Aktion selbst eine mittlere militärtechnische Katastrophe war:
"Fehlplanung, Unfälle, Widersprüche: Amerikas Überfall auf Grenada wurde stümperhaft vorbereitet und ausgeführt." (Der Spiegel)
Damit wird aber bloß das politische Urteil bebildert, eigentlich hätten die USA diesen Gewaltakt doch nicht nötig gehabt und um ihrer anerkannten Stärke willen nicht für nötig halten dürfen.
"...muß man von planloser Improvisation sprechen, wie sie einer Weltmacht schlecht zu Gesicht steht." (Abendzeitung - sie macht gleich einen politologischen Lehrsatz daraus: "Politik machen heißt vorausschauen und demgemäß Vorsorge treffen. Wer diese Definition akzeptiert, kann das, was die amerikanische Regierung gegenwärtig im Nahen Osten und in der Karibik praktiziert, schwerlich als Politik bezeichnen.")
"Unverhältnismäßig!" lautet der Vorwurf; "Elefanten-Politik" (Kommentar-Überschrift in der Abendzeitung). Nachträglich will jeder gewußt haben, daß die Reagan-Regierung sich viel früher viel sorgfältiger und freundlicher um den gestürzten Premier von Grenada hätte kümmern sollen, statt ihn "in die Arme Moskaus zu treiben" - offenbar ist es schwer zu durchschauen, wie planmäßig die USA sich ihre Anlässe für militärisches Eingreifen herstellen; sie tun es ja auch erst seit etlichen Jahrzehnten...
"Die amerikanische Regierung hätte viele und gute Möglichkeiten gehabt, politisch auf die Entwicklung zu reagieren." (Frankfurter Rundschau).
"Obwohl er (Bishop) Privateigentum im wesentlichen unangetastet ließ und sich um eine Art pluralistischen Systems bemühte, stellte ihn die US-Politik, hauptsächlich durch wirtschaftliche Pression, ins Abseits. Der Kurs in Richtung Sowjetunion war damit vorgezeichnet." (Abendzeitung)
Für den "kritischen" Vorwurf des politischen Versagens ist nichts uninteressanter als die Kenntnisnahme von den Zwecken, die die USA mit ihrer Politik des Zuschlagens verfolgen. Er speist sich aus einem Ideal, das schlechterdings unerfüllbar ist und sich deswegen als Standpunkt für besserwisserisches Kommentieren aufs bequemste eignet: dem Ideal, den USA als Super-Weltmacht hätte gefälligst, wenn sie das schon sein will, alles, was sie anfaßt, problemlos z u gelingen.
"Überdeutlich zeigt sich im Grenada-Überfall und in Nah-Ost die Unfähigkeit der US-Administration, eine Außenpolitik zu führen, - die allen Beteiligten gerecht wird: den USA selbst, ihren Verbündeten und den Objekten ihrer Außenpolitik." (Der Spiegel)
Leichen belegen, von diesem Standpunkt aus gewürdigt, das Scheitern aller amerikanischen Bemühungen, dem bundesdeutschen Intellektuellen-Ideal reibungsloser am besten ohne störende Gewalttaten abgewickelter, Weltherrschaft zu entsprechen - was das ziemlich genaue Gegenteil einer Kritik an der wirklichen Weltherrschaft und ihren wenig lieblichen Methoden ist. Bedingungslos, nicht nur trotz, sondern gerade erst recht auf Grund all der Wirkungen, die eine freiheitliche Weltpolitik zeitigt, wird mit solcher Nörgelei Partei ergriffen für den unumschränkten, absoluten, kostenfreien Erfolg des eigenen Systems, für den die USA sich auf so degoutante Weise die Finger schmutzig machen.
So erdet denn alle USA-"Kritik" dabei, ganz offen und offensiv ihre banale Grundlage daherzusagen: Die Führungsmacht des demokratischen Weltsystems täte besser daran, mehr auf ihre - moralischeren und umsichtigeren - Bündnispartner zu hören; und die sollten sich gefälligst härter einschalten. "Die Eüropäer müssen USA stoppen" überschreibt die Frankfurter Rundschau ihren Kommentar, der mit der Warnung endet, Europa und Kanada liefen "Gefahr, in eine bloße Vasallenrolle abzusinken." Und mehr ist nie dran an den Blüten konstruktiver westdeutscher Kritik als der ganz gewöhnliche beleidigte Bündnis- Nationalismus, der gleich in der ersten Stunde dem unübertrefflichen Ami-Freund Helmut Kohl die spontane Beschwerde in den Mund gelegt hat:
"Hätten sie uns konsultiert..."
Dann, ja dann wäre die Welt vollends in Ordnung.