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Entwicklungshilfe
"NEUER REALISMUS"
Kaum stellt der Westen klar, daß er die "3. Welt" noch für anderes als fürs Geschäft benutzen will, Entwicklungshilfe nurmehr als Militärhilfe sinnvoll ist, übt die hiesige Presse Selbstkritik ihrer bisherigen Kommentierung, der Entwicklungspolitik und bekennt sich dazu, endlich zu einem Realismus gefunden zu haben, der der "3. Welt" die lange verwehrte Chance schließlich doch eröffne:
"Um aber das Thema (Entwicklungshilfe) nicht nur immerwährend in einer Expertendiskussion kreisen zu lassen, und auch um in der Bevölkerung handfeste Ressentiments zu dämpfen, hat man einst eine Notlüge erfunden: Wir, die Industrie-Hemisphäre, brauchten die Dritte Welt, um selbst überleben zu können. ... Denn grob skizziert ist dies die Lage: Die Industrienationen sind zwar auf die Rohstoffzufuhr aus den Ländern Südamerikas, Afrikas, Asiens angewiesen - aber längst nicht in dem früher angenommenen Maße... Überdies wären die wirtschaftlichen, politisch und letztlich militärischen Machtmittel groß genug, um sich das, was man benötigt, auch gegen Widerstand zu verschaffen. Dies klingt zynisch. Aber die Gefahr ist offenkundig, daß angesichts flauer Weltkonjunktur und geschwundener Aussicht auf weiteres Wachstum sich eine quasi-koloniale, eine im Wortsinne imperialistische Grundauffassung breitmachen könnte." (Süddeutsche Zeitung 5.12.81)
Die Kommentierung des Verhältnisses der kapitalistischen Staaten zur "3. Welt" als "gegenseitige Abhängigkeit" habe man in der Öffentlichkeit vertreten, um die Entwicklungshilfe dem Nationalismus der eigenen Bürger näher zu bringen, die Presse hat also jahrelang lügen müssen, um dem Staat sein Geschäft zu erleichtern. Die geballte Prinzipienlosigkeit imperialistischer Ideologie schlägt da um sich: Warum und wofür der Staat sich "früher" einer Entwicklungshilfe befleißigte, warum und wofür die Meinungsmacher tapfer mit einer "Notlüge" nachhalfen - was kümmert's? Verblendungszusammenhänge müssen es gewesen sein.
Heutzutage sieht man der Realität ins Auge: Die Geschäftspraktiken des Imperialismus, seine Interessen in der "3. Welt" mit politischer und militärischer Gewalt zu sichern, indem er dort Herrschaften finanziert, mißliebige Regierungen durch Finanzierung von Befreiungsbewegungen beiseite räumt oder überhaupt bestimmte Gebiete als dauernde Krisenherde für die Offensive gegen den Osten am Leben erhält - diese Praxis wird als zukünftige Gefahr vorgestellt, die sich zwangsläufig einstellen würde, wenn man im alten Trott weitermachte. Weil man grad noch daran vorbeigekommen ist, kann man sogar anerkennen, daß der Imperialismus mit seiner Entwicklungspolitik nur seinen Nutzen befördert und dafür die entsprechenden Erpressungsmittel einzusetzen weiß.
Das Streichen der Entwicklungshilfe beugt dem Gottseidank vor: Da müssen "die entwickelten Länder heute begreifen, daß für eine Mehrheit der Länder der Dritten Welt genau dieses Entwicklungsziel verfehlt, ja schädlich oder gar verheerend wäre." Dieses "Entwicklungsziel" - so dürfen sich die Betroffenen jetzt anhören - war nämlich ein oktroyiertes und ihren ureigenen Wünschen und Bedürfnissenwidersprechendes. Die feine Sensibilität der linken Kritiker der Entwicklungshilfe war Mr. Reagan da tatsächlich um 1 oder 2 Jährchen voraus: Diese Burschen hatten ihren ganzen Antiimperialismus in die Forderung gepackt, man müsse die "3. Welt" vor der "westlichen Zivilisation" verschonen und sie in ihrer ganz eingeborenen Armut sich zurechtfinden lassen -"Hilfe zur Selbsthilfe". Ein amerikanischer Präsident macht nun diesen theoretischen Zynismus praktisch, indem er den Entwicklungsländern verspricht, sie mit Dollars, DM etc. nicht länger behelligen zu wollen, würde dies dem Prozeß des "Sich-auf-die-eigenen-Beine-Stellens" doch nur Hindernisse in den Weg legen. Jetzt endlich hat der Westen eingesehen, daß er den Ländern der "3.Welt" am meisten hilft, wenn er ihnen nur eines abverlangt: daß sie für ihn sind und sonst nichts.
Die "neue Moral" des Umgangs des Westen mit der "3. Welt" heißt also Chance für die eigene Entwicklung:
"Die politische Moral der industrialisierten Welt kann also nur heißen: Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, - um bestimmten Ländern den Freiraum zu lassen, sich aus den Abhängigkeiten der heutigen Weltwirtschaftsstruktur zu lösen. Das wäre ein Umwandlungsprozeß von Jahrzehnten, in dem für niemanden Geschäfte in Aussicht stünden. Die autonome Lebensfähigkeit ganzer Völker ist der Wert, über den im industriellen 'Norden' nachgedacht werden muß."
Der Umwandlungsprozeß von Entwicklungshilfe in "Hilfe zur Stabilität gegen internationale Aggression" dauert dabei keineswegs Jahrzehnte, sondern ist schon vollzogen: Entwicklungsprojekte werden gestrichen, Militärhilfe gezielt gefördert. "Nationale Selbstversorgung" ist also durchaus ein handfestes Programm, und weil Entwicklungshilfe bisher dafür gesorgt hat, die Verelendung dieser Landstriche voranzutreiben, kann man sich auch vorstellen, daß die Streichung dieser Titel positive Perspektiven bietet. Wenn sich dann herausstellt, daß die dortige Herrschaft keineswegs für die "Lebensfähigkeit ganzer Völker" sorgt, sondern sich genau um das bemüht, wofür sie da ist, nämlich um die Brauchbarkeit für den Westen, und dafür weiterhin "ganze Völker" verhungern dürfen, dann zeigt sich eben, daß "Lebensfähigkeit" ein "Wert" ist und keine Selbstverständlichkeit.
Afrika den Afrikanern
Als der junge afrikanische Staat Zimbabwe jedem Kind eine mindestens siebenjährige, kostenlose Schulausbildung zukommen lassen wollte, kritisierte die Weltbank dies als eine "ökonomisch unverantwortliche Bildungspolitik" der Regierung von Zimbabwe. (vgl. "Süddeutsche Zeitung" vom 4.12.81) So machte sie unmißverständlich klar, daß eigenständig verantwortliche Negerpolitik nicht in dem Luxus zu bestehen hat, Leuten, die künftig ihr Hunger-Dasein als nicht brauchbare Arbeitskräfte in den Slums oder in den unfruchtbaren Dürregebieten des Innern fristen dürfen, auch noch Lesen und Schreiben beizubringen - und das auf Kosten der Weltsteuerzahler.
Das offiziellle Afrika-Bild
kommt aus der Republik Südafrika (RSA) als Karikatur im "Natal Mercury", abgedruckt in der Propagandazeitschrift der südafrikanischen Botschaft für die BRD:
(Abb. siehe GIF-Datei in diesem Brett. Anm. MG_ARCHIV)
Die imperialistischen Entwicklungshelfer als Gießkannenspritzer starren zunehmend verunsichert auf den blühenden Garten RSA und bemerken langsam, daß sich ihre bisherige Afrikapolitik an dieser Wohlstandsinsel blamiert. Der Angolabegießer hat die Kanne schon abgestellt. Einmal abgesehen davon, daß es gerade an diesem Beispiel nicht zuletzt die RSA-Armee ist, die ganz aktuell für eine neue Wüstenei sorgt, verrät auch die vorgestellte Fruchtbarkeit südlich des Zaunes, daß der demokratische Imperialismus niemals auf den Gedanken kommt, wenn er den Reichtum eines Staates begutachtet, dabei den Wohlstand der Untertanen zum Maßstab zu machen. Daß laut WHO-Statistik in der RSA alle 20 Minuten ein schwarzes Kind stirbt und daß in den Trans- und Ciskeis das Elend keinen Vergleich mit den schwarzafrikanischen Staaten zu scheuen braucht, fällt unter den Tisch angesichts der Produktivität "unserer" westlichen Partner im Süden Afrikas. Wie von selbst passiert in der Karikatur die Unterstellung, bei Hunger und Elend in Afrika handle es sich um unabhängig vom Imperialismus zustandegekommene "Phänomene", an denen der "Helferwille" der "Geberländer" sowieso nichts bewirken kann. Daß hier auch noch die imperialistische Ausbeutung der "Dritten Welt" als "gescheiterte Hilfe" suggeriert wird - das ist zwar noch etwas burisch-verkrampt dick aufgetragen, in den wohlgesetzten Kommentaren der Presse hierzulande kann man jedoch die gleiche Botschaft nachlesen.