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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1982 erschienen.

Systematik

Teilzeitarbeit
ARBEITSPLÄTZE DURCH PERSONALEINSPARUNG

Zur selben Zeit, wo die Belange des deutschen Kapitals die Gewöhnung eines großen Teils der von ihm "Beschäftigten" an den 10-Stunden-Tag erforderlich machen, finden in zunehmendem Maße Arbeitskräfte in Teil zeitarbeit Anwendung. Hierin das Material einer "gegenläufigen Tendenz" zu erblicken, sei den Apologeten des Arbeitsmarktes überlassen.

Der Grund ist in beiden Fällen derselbe: Es rentiert sich für die Anwender. Im Falle der Teilzeitarbeit haben die Arbeitsorganisatoren diese Form der Ausbeutung zu einem vorzüglichen Instrument der Personaleinsparung entwickelt.

- So z.B. in den Kaufhäusern und größeren SB-Läden, wo es den Arbeitsorganisatoren unter Zuhilfenahme der elektronischen Datenkassen gelungen ist, Umsatzvolumen, Umschlagshäufigkeit, Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche und Abteilung sowie Kundenfrequenz zu bestimmten Zeiten des Tages, der Woche usw. genau zu ermitteln und dementsprechend die Schwankungen des Personalbedarfs als Grundlage einer vorausschauenden Personaleinsatzplanung vorweg zu bestimmen.

Die arbeitsvertragsrechtlichen Konsequenzen daraus sind einfach: Nur noch ein bestimmter Teil der "Mitarbeiter" bekommt Vollzeitarbeitsplätze, der Rest wird mit Teilzeitverträgen versehen, die gewährleisten, daß sich die Beschäftigung nicht nur unterm Strich, sondern in jeder Minute bezahlter Anwesenheit lohnt. Die Damen arbeiten jetzt auf "Kapovaz" (= "kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit"), ersparen ihrem Arbeitgeber Personalreserven und Phasen unnützer Geschwätzigkeit, die ihnen ihre Abteilungsleiter um des Betriebsklimas willen nun um so regelmäßiger außerhalb der Arbeitszeit organisieren.

In den Bürobereichen der Industrie- und Handelsunternehmen, Versicherungen und Behörden, findet hinsichtlich der "minderen Arbeiten" im Prinzip dasselbe statt. Die Schreibsäle sind schon seit einiger Zeit zu hauf mit Teilzeitkräften besetzt, weil die Mehrkosten für zwei Halbtagskräfte durch deren Mehrleistung im Vergleich zu einer Ganztagskraft mehr als ausgeglichen werden. Diese - nach Zeit und Zeilen bzw. Anschlägen bezahlte - Tipperei ist nämlich länger als vier bis fünf Stunden täglich auf Dauer gar nicht auszuhalten, weshalb zunehmend nur noch die auch mit Kontrollfunktionen betrauten Schreibkräfte vollzeitig arbeiten. Die Unternehmen sparen sich so allzu häufige Abwesenheit wegen Krankheit, lästige Fluktuation, und sie brauchen überdies die für Vollzeitkräfte tarifvertraglich vorgeschriebenen zusätzlichen Ruhepausen nicht zu bezahlen. Überflüssig zu erwähnen, daß das Umsichgreifen des Teilzeitwesens Folge einer Rationalisierung des "Schreibwesens" in Form einer Zusammenziehung der (einst in den Abteilungen sitzenden) Schreibkräfte in Schreibsäle ist - mit entsprechender Einsparung von Leerlauf und folglich Personal.

Während die bisherigen Teilzeitarbeitsverträge noch allemal die stillschweigende oder ausdrückliche Verpflichtung einschließen, bei Bedarf länger dienstbar zu sein, gibt sich eine Errungenschaft aus dem Mutterland der Konkurrenz mit dieser stillschweigenden Abmachung nicht zufrieden: Das "Job-Sharing", bei dem sich zwei Arbeitskräfte einen Arbeitsplätz "eigenverantwortlich" teilen, macht den Teilenden die ständige "verantwortliche" Besetzung des Arbeitsplatzes auch im Urlaubs- oder Krankheitsfalle des einen Teils zur ausdrücklichen, vertraglichen Pflicht und den Unternehmen eine dementsprechend knappere Kalkulation mit dem Personalüberhang möglich. Neben der schon von der "normalen" Teilzeitarbeit bekannten Intensivierung hat auch die wechselseitige Kontrolle der Teilenden durchaus förderliche Wirkung auf ihre Leistung.

Mit "gerechter Verteilung des knappen Guts Arbeit" - etwa nach dem Motto "aus eins mach zwei" - und insofern einem Beitrag zur Bewältigung des "Problems Arbeitslosigkeit" hat alldies nichts zu tun. Wenn man sich freilich anstelle der mittels der Teilzeitarbeit durchgeführten Rationalisierungen die ersatzlose Streichung von Vollzeitarbeitsplätzen vorstellt, dann stellen die tatsächlich verbliebenen Teilzeitarbeitsplätze eine "Entlastung der negativen Entwicklung der Arbeitslösenstatistik" und für einige sogar eine "Chance" dar - und die hat es in sich. Die Fortschritte des Kapitals in Sachen Organisation der Ausbeutung machen es möglich, die Not von Frauen, deren Familien einen Zuverdienst bitter nötig haben und die andererseits als Ganztagskräfte der Kinder wegen nicht in Frage kommen und daher entsprechend billig sind, für den Profit dienstbar zu machen.

Die Gewerkschaft hat zur Zeit noch was gegen diese Sorte von Verträgen. Erstens geistert irgendwo immer noch die Forderung herum, eigentlich müsse Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich her, womit also zweitens die Teilzeitarbeit dem Geist dieses Gespenstes widerspräche, und drittens gibt es noch einen ganz handfesten Grund dagegen: Teilzeitarbeiter erhalten -in vielen Fällen nur befristete Verträge - und fallen damit nicht in die Zuständigkeit des Betriebsrates. Dem wird sich auch beikommen lassen.

"Job Partner muß einspringen

Auszüge aus dem Arbeitsvertragsmodell des Arbeitsrings Chemie:

Präambel: Um Interessenten an Teilzeitbeschäftigung einen Arbeitsplatz anbieten zu können, ist der Arbeitgeber bereit, jeweils zwei Arbeitnehmem die Möglichkeit zu geben, sich einen Vollarbeitsplatz zu teilen (Job-sharing).

Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist, daß die ganztägige Besetzung des jeweiligen Arbeitsplatzes jederzeit durch die Arbeitnehmer sichergestellt werden kann.

Paragraph 1: Der Arbeitgeber stellt den Arbeitnehmer zum... als... im Job-sharing-System ein. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auch andere zumutbare Arbeiten zu übernehmen.

Paragrapb 2: Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, den zugewiesenen Arbeitsplatz in Abstimmung mit dem anderen am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigten während der betriebsüblichen Arbeitszeit ständig zu besetzen.

Die Verpflichtung zur gängigen Besetzung des Arbeitsplatzes bleibt auch dann bestehen, wenn der andere am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigte Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllt oder wegen Urlaub, Krankheit und anderen Gründen zeitweilig nicht arbeitet. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz ganztägig oder zu den vom Arbeitgeber bestimmten Zeiten zu besetzen." = nie Ausfall