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Ideologische Beiträge zur Endlösung der Systemfrage
WORAN DER KOMMUNISMUS STIRBT
Während die westlichen Staatsmänner beschließen, den Ostblock mit Hilfe seiner ökonomischen Abhängigkeit zu bestrafen und die ökonomische Basis des Kriegsgegners noch ohne den Einsatz wirklicher Waffen zu zerstören, tun die Agitpropleute der Demokratie ihre Pflicht und finden tiefere Gründe. In aller Freiheit - auch und vor allem gegenüber den Gesetzen der Logik, um die sich parteilicher Journalismus wohl noch nie so wenig hat kümmern müssen wie in den jetzigen Zeiten - wird der Menschheit die Order verdolmetscht, daß und warum der Kommunismus am Ende ist: An seinen eigenen Unfähigkeiten geht er zugrunde; die Offensive der NATO ist also letztlich als eine Art Sterbehilfe in etwas größerem Maßstab zu verstehen. Der
Lehrsatz Nr. 1: Planwirtschaft ist, wenn nichts klappt
bildet die bewährte Basis. Zwar fehlt in der letzten Neuauflage der alljährlich fälligen "Spiegel"-Abrechnung mit den Pannen des Sowjet-Systems das schöne Foto von den an die Hauswand montierten Balkonen ohne Zugang, aber dafür war die Story mit den Stiefeln, von denen die Absätze abfallen, wieder dabei - gleich neben einem Foto mit einer ganzen Schlange gestiefelter Hausfrauen.
"Wo immer die Planwirtschaft.... es funktioniert nicht", "keinen Wecker, keine Herrensocken, keine Steppdecken, keine Spaten, keine Schrauben...."
Es kann nicht funktionieren,
- weil "die Arbeiter und Bauern nicht produzieren dürfen, was sie möchten", wie bei uns, wo allmorgendlich in den Fabriken ein Meinungsbild der Belegschaft erstellt wird;
- weil "eine Anti-Wirtschaft nicht für den Markt, sondern für anonyme Behörden produziert", während bei uns das "Konsumentenvolk entscheidet", was der Supermarkt (sic!) ihm täglich frei Haus liefern soll (Ladendiebstahl ist zwar verboten, aber in der Ideologie braucht man die Kasse ja nun wirklich nicht so ernst zu nehmen!);
- weil "Beamte" anstelle der "Experten für optimales Wirtschaften, der Unternehmer," das Sagen haben, keine Ahnung von der Wirklichkeit, sitzen immer im Büro im Unterschied zu den Krupps und Flicks, die sich pausenlos vor den Hochöfen und bei den Konsumenten herumtreiben; "kein Interesse" an gar nichts außer "am Erreichen des Pensionsalters", während "andernorts Menschen" ihr Leben lang "den eigenen Bankrott riskieren";
- weil der große Plan "mit Abertausenden von Einzelplänen" (das auch noch auf Papier, "Konvolute mit 5 Durchschlägen"!) jedes kleine Schräubchen an seinen Bestimmungsort bringen will, während die richtige Datenbeschaffung und Koordination von "Zulieferungen und Reparaturen, Lohnfonds und Absatz, Export und Kredit... bis hin zu den Arbeiterkolonnen" doch nur der Profit zustandebringen kann, ohne 5 Durchschläge selbstverständlich;
- weil schließlich der Mensch von Natur aus schlecht ist und sich dem Nichtstun hingibt, gäbe es nicht das System der Lohnarbeit:
"Es gibt auch nicht einmal einen Grund, überhaupt zu arbeiten... Die Mehrheit der Sowjetbürger ist unterbeschäftigt, erhält für Nichtstun oder überflüssiges Tun einen winzigen Lohn, der vom Arbeitsertrag des anderen abgeht." 77 Millionen sowjetische Industriearbeiter befinden sich in "einem permanenten gesamtnationalen Bummelstreik."
Wie sich die Sowjetmenschen dabei überhaupt noch ernähren, kleiden und sogar mit den üblichen Kultureinrichtungen vergnügen können, wieso bei einer kontinuierlich das Mehrprodukt aufzehrenden Bevölkerung überhaupt solche Gerätschaften wie die ärgerlichen Panzer und Raketen die Fabriken verlassen - für die Auflösung seiner selbstgeschaffenen nationalökonomischen Rätsel ist der "Spiegel"-Journalismus nicht zuständig. Es geht ihm ums Prinzip. Und wenn die Anekdoten über die Jahre hinweg auch die gleichen geblieben sind, das Prinzip hat sich flexibel den Zeitläuften angepaßt und maßt sich in seiner ganzen theoretischen Idiotie jetzt die Unverschämtheit an, aus seinen Lügen das Todesurteil für den Sowjetkommunismus lückenlos abzuleiten:
"Das Grundübel ist systemimmanent und kaum zu kurieren."
"Kaum" heißt überhaupt nicht, denn da gilt
Lehrsatz Nr. 2: Es liegt am System, und das kann und will sich nicht ändern
"Das Verhängnis der Sowjetunion: Die Planer können kraft Amtes nichts ändern, ohne das ganze System zu ändern. Alle Reformversuche sind deshalb gescheitert. Die Bürokratie würde mit jeder Demokratisierung, mit jedem Stückchen Marktwirtschaft und Privatinitiative ihre Rechte verlieren. Sie wollen im Amt bleiben, auch wenn ihr System nichts taugt für eine moderne Welt, die Entscheidungsfreude und Ideenreichtum, rasche Anpassung und ständige. Innovationen verlangt."
Ein selten dämliches System, dabei könnte es doch bei uns soviel lernen über den Nutzen ständiger Reform- und Anpassungsbereitschaft. Kaum sagt der DGB ein Jahr lang: 'Arbeitslosigkeit ist Problem Nr. 1', schon gibt es ein Beschäftigungsprogramm, von dem seine Erfinder so begeistert sind, daß sie gleich vor der Erwartung warnen, es könnten Beschäftigungseffekte herausspringen. Kaum rührt sich Unmut über die Atomenergie, schön werden die Bürger beim Wort genommen und auf Sparsamkeit verpflichtet, sprich: mit steigenden Energiepreisen konfrontiert - schließlich steigen auch die Preise für AKWs parallel zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für diese Dinger. Kaum werden leerstehende Häuser besetzt, schon hebt man der Wohnungsnot zuliebe die Mietpreisbindung auf und renoviert das Demonstrationswesen durch ein Vermummungsverbot. Und so weiter und so fort.
Aber die tiefgründige Tautologie vom System, das sich nicht reformieren kann, weil es dann nicht mehr das System wäre, das es sein will, hat es gar nicht weiter auf Reklame für irgendwelche Vorzüge des Westens abgesehen. Der Systemvergleich wird 1982 ganz anders, vor allem viel radikaler entschieden. Die "Systemfrage" lautet aktuell nur noch: überlebensfähig oder nicht; und die Antwort heißt lapidar: Nicht reformierbar, obwohl doch ohne Reformen "die Sowjetwirtschaft nicht aus der Krise kommt, die aus dem Versagen des Planungssystems rührt"; also: lebensuntüchtig.
Der Kommunismus geht kaputt und kann nichts dagegen unternehmen, weil er der Kommunismus bleiben will. Was soll man da noch Beweismaterial für ein westliches Eldorado herbeikarren? Daß der Gegner den Untergang verdient, weil er den Überlebenskampf der Systeme nicht aushält: das ist doch wohl "Beweis" genug für das eigene!
Lehrsatz Nr. 3: Der Westen ist eine karitative Einrichtung und verrichtet seine guten Taten in Form von Handel und Kredit
"In den kommunistischen Regimes Osteuropas wurde die Hoffnung geweckt, daß sie durch zusätzliche Produktivität westlicher Maschinen, gekauft mit westlichen Krediten, ihre unzufriedenen Bürger abspeisen könnten ohne die Notwendigkeit politischer Reformen. So dienten westliche Kredite meistens als Dämpfer gegen politischen Wandel und bei weitem nicht als treibendes Moment für einen solchen Wandel... Angesichts der Alternative zwischen politischen Konzessionen, die finanziell billig gekommen wären und kostspieligen wirtschaftlichen Konzessionen, entschieden sich die polnischen Machthaber bei ihren Verhandlungen mit der 'Solidarität' für ökonomische Zugeständnisse." (Times)
Der Westen hat den Regierenden im Osten die Mittel geschenkt, mit denen diese ihrem Volk seine politische Unzufriedenheit abgekauft haben. Er hat also die Kosten für die innere Unterdrückung getragen und noch mehr als das: er finanziert die Aufrechterhaltung des ganzen Blocks:
"Es gibt guten Grund zu der Feststellung, daß Osteuropa keine ökonomische Unterstützung für die Sowjetunion mehr darstellt und stattdessen um die Mitte der sechziger Jahre zu einer Belastung geworden ist. Während der ganzen siebziger Jahre nahm der Westen der Sowjetunion einen Teil dieser Belastung ab und half so, das sowjetische Imperium zu erhalten. Erstens durch seine Bereitwilligkeit, billige Kredite für die Sowjetsatelliten bereitzustellen. Damit entlastete der Westen Moskau von einer wesentlichen finanziellen Auszehrung."
Wenn der "Spiegel" mit genau den entgegengesetzten Argumenten zum gleichen Resultat kommt, schadet das nichts:
"Alles, was die Polen für deutsches Geld anschafften, ging zum größten Teil - von den Polen veredelt - als hochentwickelte Technik in die UdSSR."
Ob es nun die russische Bereicherung mittels der Satelliten oder das Abwälzen von Lasten auf die westlichen Geschäftspartner war, großzügigerweise hat es der Westen den Russen erlaubt.
Fazit: Der Kommunismus ist bisher nur deshalb nicht kaputtgegangen, weil der Westen ihn finanziert hat. (Die paar Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen können da ja wohl nicht ins Gewicht fallen!)
Lehrsatz Nr. 4: Der Kommunismus ist unfähig, mit westlicher Hilfe etwas Gescheites anzustellen
"Für alle osteuropäischen Staaten war der in den 70er Jahren aufblühende Ost-West-Handel ein bewußt riskierter ökonomischer Sündenfall, entschuldigt durch den Wunsch, einen Ausweg aus dem drohenden Kollaps des Plansystems zu finden. Doch bei der Zusammenarbeit mit dem im höchsten Maß auf Profit, Effizienz und Rationalität ausgerichteten Management des Westens wurden die Bruchstellen des antiquierten östlichen Wirtschaftens nur umso deutlicher."
"Unfähig", aus der westlichen Hilfe etwas zu machen, waren sie vor allem deshalb - hier sagt der "Spiegel" fast einmal die Wahrheit -, weil sie sich darauf eingelassen haben:
"Weder die Sowjetunion noch die Satelliten-Fürsten haben ernsthaft die trügerischen Schwankungen des Weltmarkts untersucht oder die Absatzmöglichkeiten der eigenen Produkte, mit denen die Schulden bezahlt werden sollten."
Zehn Zeilen vorher noch höchste Effizienz und Rationalität - und jetzt ist die hohe Kunst verlangt, sich auf "trügerische Schwankungen" einzustellen und auch noch "Absatzmöglichkeiten" ernsthaft zu untersuchen, die sich nach der Konjunktur des Kapitals richten und nach den Beschlüssen seiner staatlichen Aufsicht, welche Einfuhrregelungen ihm gerade gut tun - so entstehen dann die genannten "trügerischen Schwankungen". Ein Kommunismus kann sich schon dazu entschließen, Geschäfte mit dem Kapital zu unternehmen; aber zu planen wie man damit ein solides Geschäft auf Dauer macht, ist schlechterdings unmöglich. Wahrscheinlich deshalb plaudern die Durchblicker vom "Spiegel" ihre Einsichten von dem Kaliber "Das konnte ja nicht gutgehen!" auch erst jetzt aus: Justament 1982 drängt sich ihnen der Gedanke auf, daß der Kommunismus eigentlich schon 1970 zusammengebrochen ist. Warum man damals von dem "drohenden Kollaps" nie etwas gehört hat und warum der Westen, der doch schon immer vor der Bedrohung aus dem Osten gezittert hat, ihn nicht einfach hat zusammenbrechen lassen, bleibt das Geheimnis der Autoren.
Davor bewahrt hat ihn jedenfalls der Westen, aber leider, leider nur um den Preis noch größerer Probleme. Fazit: Dem Kommunismus ist nicht zu helfen, und das geschieht ihm recht. Logisch folgt daraus:
Lehrsatz Nr. 5: Die einzige wirkliche Hilfe für den Kommunismus ist die Einstellung westlicher Kredite; dann kann er nicht mehr der sture alte Kommunismus bleiben
Nachdem schon der Handel dem Osten den Liebesdienst erwiesen hat, ihm "die Bruchstellen seines antiquierten Wirtschaftens" zu zeigen, aber von den Leichtsinnsbrüdern keiner darauf gehört hat, muß man jetzt deutlicher werden:
"Es stellt sich jetzt die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, weitere Darlehen zu verweigern und die Umschuldung bestehender Schulden so schwierig wie möglich zu gestalten, der Sowjetunion zu erklären, daß sie es ist, die die Kosten für den Zusammenhalt ihres an allen Ecken und Enden bröckelnden Imperiums zu bezahlen hat und nicht der westliche Steuerzahler, wenn sie nicht bereit ist, einen wirklichen Wandel zuzulassen."
Die Beschlußfassung liegt ohnehin beim teilnehmenden Westen:
"Man sollte es den baufälligen Ökonomien Osteuropas gestatten, endlich ganz zusammenzubrechen."
Fazit: Den Kommunismus nach Kräften ökonomisch ruinieren, ist die beste Hilfe, die ihm der Westen erweisen kann.
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In gewissen Dingen ist "die Effizienz" wirklich auf seiten des Westens. Kaum beschließen die NATO-Stäbe handelspolitische Restriktionen, schon liefern ihre Interpreten zu diesem Unterfangen die schönsten Ideologien und Sprachregelungen - und das ganz ohne dazu erst manipuliert und gleichgeschaltet werden zu müssen. Kaum wird der polnische Sanierungsfall politisch ausgenutzt und die Kreditpolitik zu einer ökonomischen Kriegserklärung ausgestaltet, schon wetteifern Journalisten und Politiker in der Ausmalung des schönen Vorschlags, daß sich der Osten doch lieber reformieren sollte, was aber gar nicht geht. Der Sache nach ist es gleichgültig, ob ein Stoltenberg kurz vor seiner Audienz im Weißen Haus dieses Ideal vom Todesstoß für den bankrotten Kommunismus in Form des Einfalls vorträgt, man sollte den Osten mit der Kreditwaffe zu einer prokapitalistischen Kehrtwendung erpressen -
"Ohne tiefgreifende Wirtschaftsreformen in Osteuropa ist es unvorstellbar, daß weiter Kredite im bisherigen Umfang gewährt werden." -,
oder ob sein amerikanischer Kollege Ikle zur selben Zeit dem staunenden CDU-Kongreß dasselbe Ideal in Form einer Selbstkritik an einer widersprüchlichen Ostpolitik vermittelt:
"Das Einspritzen westlicher Technologie und der Zufluß westlicher Kredite tragen faktisch dazu bei, das System der totalitären Diktatur in der Sowjetunion zu erhalten. Die Regierung Reagan befürwortet keineswegs einen Wirtschaftskrieg." (Fern von jedem anständigen Deutschen, so etwas zu denken.) "Läßt allerdings der Westen der Sowjetunion umfangreiche Wirtschaftshilfe zuteil werden, verzögern wir jene Liberalisierung des Gesamtsystems, die wir doch zu fördern trachten."
Die alte Willy-Erfindung vom "Wandel durch Annäherung", mit der während der "friedlichen" Anfänge des Osthandels klargestellt wurde, daß bei aller Geschäftemacherei und sonstiger bedingter Anerkennung dem Osten seine Art der Herrschaft und seine politische Rolle in der Weltpolitik nicht verziehen werden sollte, wird nun dazu benützt, um in Gestalt einer Pseudo-Kritik an einer ehemaligen "fehlgeschlagenen Strategie" aus der bisher praktizierten Politik der zersetzenden Geschäfte mit dem Feind die Geschäfte herauszustreichen und die Zersetzung zur Zerstörung fortzubilden. In diesem Sinne stellt der Bote aus Amerika die Welt frech auf den Kopf und
"erinnert an das Argument, die wirtschaftliche Großzügigkeit des Westens werde sich politisch auszahlen... Während aber der Westen ursprünglich geglaubt hat, der Sowjetunion durch technologischen Beistand und billige Kredite ein Leitseil umlegen zu können, entdecken jetzt wir, daß es der Osten ist, der uns am Leitseil hält."
So sieht das ein Ami, oder er tut zumindest so. Als ob nicht gerade der Erfolg der mit dem Willy-Spruch vorangetriebenen "Beziehungen" den Ikles die Gewißheit verschafft hätte, daß der Abbruch der Beziehungen gut für eine "Liberalisierung" drüben ist. Zu stimmen braucht aber auch gar nichts von dem, was er erzählt. Die Botschaft wird verstanden, und für Anschaulichkeit und Glaubwürdigkeit sorgen die Kollegen von der freien Presse.
Verglichen mit den westlichen Zynismen sind die ideologischen Produkte des Ostens wirklich schwach auf der Brust. Daß die Kriegsvorbereitung der Erhaltung des Friedens dient - ein alter Hut. Daß die Kriegsvorbereitung die beste Methode ist, um die Revolution in den kapitalistischen Staaten voranzutreiben - das hat sich noch kein Sowjetpropagandist zu sagen getraut. Daß der Westen unfähig ist und den Osten braucht; um sich weiterzuhelfen - die Lüge kennen die sowjetischen Agitprop-Fachleute bloß in der matten Ausführung, der Handelsverkehr würde 'Märkte und Arbeitsplätze sichern' und dem Kapital bei der Bewältigung seiner Krise helfen. "Reformen" wünschen sie dem Kapitalismus sonst gar nicht an den Hals, schon gar nicht solche, die die Identität des "Systems" über den Haufen werfen würden. Nichts mit "gestatten, endlich ganz zusammenzubrechen", stattdessen wacker "internationale Arbeitsteilung". Die Revolution im Westen ankurbeln durch Verweigerung des Handels? I wo. Genau umgekehrt: bestechen muß man das kapitalistische System mit Geschäften, damit es sich und die Welt davor bewahrt, in seine Krise zu stürzen.
Der Zynismus der westlichen Ideologie bleibt unerreicht, weil er auf der gelungenen Ergänzung von Moral und Erfolg beruht. Die Zusammenbruchstheorien erledigen für alles, was den Völkern im Osten durch die Aktionen der NATO-Staaten angetan wird und was ihnen bevorsteht, ganz umfassend die Schuldfrage, indem sie für alle Wirkungen immer nur ein und denselben Grund angeben, nämlich den unfähigen Sowjetkommunismus; und dieser "Beweis" lebt von nichts als den Niederlagen, die der Westen dem Osten schon beigebracht hat mit seinem überlegenen System der Ausbeutung und dem dazugehörigen überlegenen Gewaltapparat zur Kontrolle der Staatenwelt. Die Moral des Überlegenen, die dem Opfer die Unfähigkeit bescheinigt, sich den gegebenen Umständen ordentlich anzupassen, weshalb es völlig z u Recht erledigt wird, bildet das Prinzip dieser erbaulichen Betrachtungen. Und so albern es ist, wenn sich "Spiegel"-Reporter an "Profit, Effizienz und Rationalität" berauschen, mit ihren dümmlichen Lobhudeleien feiern sie nicht bloß den Erfolg der im Ostblock bereits angerichteten Schäden. In dem Maße, in dem die Politiker an diesen die Erfolgsaussichten für eine endgültige Entscheidung bemessen und aus jeder Schwäche und aus jedem Zurückweichen des Gegners ein Argument für ein härteres Vorwärts machen, in dem Maße gerät die ideologische Begutachtung der Systemfrage zum Siegesgeheul, zur Begeisterung über die Schwäche des Gegners, die zu den kühnsten Hoffnungen berechtigt.
Bei ihren Bebilderungen, wie sich das System selbst zugrunderichtet, so daß man ihm "erlauben" sollte, zu krepieren, leisten die westlichen Fachleute sich nur die kleine Unehrlichkeit, die Tatsache unerwähnt zu lassen, daß der endgültige Zusammenbruch ein bißchen mehr Hilfestellung aus dem Westen braucht, als sich über Handels- und Kreditpraktiken allein erledigen läßt. Natürlich wissen sie das, und deswegen fällt die Konkurrenz der Waffen ihnen auch noch jedesmal ein. Aber welcher Krieg wäre je mit einem anderen Argument begonnen worden als mit dem pazifistischen: Wir denken nicht an Gewalt - aber der Gegner läßt uns, leider und wider Erwarten, keine Wahl! Also F.J. Strauß auf dem wehrpolitischen Kongreß seiner Partei, ganz einig mit seinem amerikanischen Waffenbruder Ikle:
"Niemand denkt an einen Krieg oder daran, Grenzen mit Waffengewalt zu verändern. Aber das heißt nicht, daß die Grenzen, die nach dem zweiten Weltkrieg geschaffen worden sind, für immer und ewig tabu bleiben müssen. Wenn sich drüben das Bedürfnis nach Freiheit regt, dann sollten und müssen wir alle Mittel einsetzen, um zu einer Änderung der Verhältnisse beizutragen und alles zu unterstützen, was sich dort regt. Das meinen wir, wenn wir sagen, daß die Grenzen nicht tabu sind."