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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1982 erschienen.
Friedensdemonstration in Wien
EIN ÖSTERREICHISCHER BEITRAG ZUR SICHERUNG DES WELTFRIEDENS
Noch vor dem Erscheinen des ersten Demoaufrufs warnten nicht wenige Politiker vor "Einäugigkeit" und empfahlen ganz umsichtig: "weder Antiamerikanismus noch (!) Prosowjetismus" (SPÖ-Vorstand Blecha). Wochenlang verdächtigte die österreichische Presse die Friedensleute einer Demonstration ihres "Antiamerikanismus" und warnte vor einem Mißbrauch heimischer Friedensliebe durch "Moskau". Konservativ wie immer wärmten die heimischen Gazetten das altmodische Vorurteil auf, daß es sich bei Demonstrationen recht eigentlich um die Bekundung einer Gegnerschaft gegenüber den Adressaten der Demo handle. All diese Fiesheiten wurden ihnen beim österreichischen Friedensmarsch am 15. März in Wien endgültig widerlegt.
Denn eines konnte man dieser 70.000 Mann starken Basisbewegung nicht vorwerfen - Daß sie die "drohende Kriegsgefahr" nicht zum Anlaß genommen hätten, den Schulterschluß mit ihren "Friedensfreunden" in der Hofburg zu erproben. Die seit Wochen angestrebte Glaubwürdigkeit gemäß den Vorgaben der Politiker haben sie jedenfalls erfolgreich heimgeholt, weswegen auch eine Selbstkritik der Medien anstand:
"Selten zuvor hat die öffentliche Meinung, haben sich viele von uns so kräftig geirrt, wie im Falle dieser ersten gesamtösterreichischen Friedenskundgebung.... Kein einziger Ausfall gegen das Bundesheer, keine Schlagseite nach irgendeiner Richtung: So gesehen war wohl auch die Unterstützung durch Österreichs Bischöfe richtig."
Wenn selbst österreichische Bischöfe sich angesichts der Ausgewogenheit dieser Friedensdemonstranten einbringen konnten, dann erscheint im nachhinein der Zwiespalt von Kreisky und Co. höchst legitim, die Tage vor der Demo - bombensicher über deren Ausrichtung - öffentlich räsonnierten, ob sich ihre werte Person nicht ebenfalls an diesem nationalen Freudenfest beteiligen sollte:
"Das ist ja eine Demonstration, die an die Politiker gerichtet ist. Ich kann also nicht mitgehen, da ich nicht gegen mich eine Forderung stellen kann." (Gratz, Bürgermeister zu Wien)
Wie wahr! Ab er dafür konnte man eines: So richtig stolz sein darauf, daß "unsere Jugend" in Ordnung ist. Denn: Mit 17 hat man noch Träume zu haben:
"Das ist eine Angelegenheit für die Jugend. Ich habe selbst schon 2 (?) Friedensbewegungen (und die nachfolgenden Kriege) erlebt." (Kreisky)
So gehörten der Kanzler und sein Wiener Statthalter jedenfalls zu den wenigen, die auf ihre Weise auf einen Unterschied zwischen den Machern und ihrem belobigten Staatsbürgermaterial hinwiesen.
Auch das Militär war angesichts der fast schon soldatischen Linientreue des jugendlichen Kanonenfutters vorerst zumindest im Geiste bei ihnen:
"Ich bin für eine starke Friedensbewegung. Um mitzumarschieren, ist die Zeit noch nicht reif genug." (Oberstleutnant Mayer)
Daß bei der Schlußkundgebung der unselige Umstand des Fernbleibens einiger österreichischer Politiker eingeklagt wurde, zeugt von dem forschen Selbstbewußtsein einer Massenbewegung, die ihren "Friedensdruck" auf die Verantwortlichen erst aufgeben will, wenn diese einen "verstärkten Beitrag österreichischer Außenpolitik bei den internationalen Friedensinitiativen" zu leisten bereit sind.
Für den Frieden zu sein, das fällt für österreichische Friedensmenschen unmittelbar mit Vaterlandsliebe zusammen, weswegen sie sich erst gar nicht den Gedanken leisten, daß ihr Staat sie via Bundesheer für den Ernstfall durchaus verplant hat. Als ordentliche Österreicher, die ihrer Heimat nichts Schlechtes zutrauen, fällt ihnen bei Krieg nicht der "Neutralitätsfall" (der ist ja bloß Selbstverteidigung!) ein, sondern sie suchen immer schon nach Schuld, um diese prompt dem Ausland anzuhängen, das in seinen "internationalen Entwicklungen" die Heimat mit Atomkrieg bedroht. Den Großmächten macht der geschulte Kleinstaatsnationalist nach dem Motto "small is beautiful" die härtesten Vorwürfe, zu denen ein anständiger Mensch fähig ist, der die ganze Welt an der Vorzüglichkeit seiner unschuldigen Friedensinsel mißt. "Die Alten Männer im Kreml und in Washington" latschen als monströse Stelzenmänner mit blutigen Pappnasen die Mariahilferstraße entlang. Als ob der eigene Kanzler ein junger Tutter wäre! Ebenso wie einem die eigenen Politiker gar nicht alt genug sein können, während der gleiche Umstand dem Ausland ein dickes Minus einträgt, ist die Selbstgerechtigkeit österreichischer Friedensfreunde über die eigenen Zustände dermaßen unerschütterlich, daß sie dem monströsen Ausland die Lieblichkeit ihres eigenen Staates (keine Atomwaffen, nur konventionelles Ins-Gras-Beißen) als Exportartikel anempfehlen. So hat man der eigenen Regierung innerhalb der großen Weltpolitik eine ganz ehrenwerte Rolle eingeräumt. Aus der weltpolitischen Bedeutungslosigkeit der Heimat drechselt man sich eine durch und durch friedliebende Wesensart österreichischer Politik:
"Österreich kann zur Sicherung des Friedens einen wichtigen Beitrag leisten. Gerade Staatsvertrag und Neutralität bilden eine günstige Grundlage für eine Initiative Österreichs für Frieden und Abrüstung."
Ausgerechnet aus der "Selbstverpflichtung" des österreichischen Staates zur Ausübung des Gewaltmonopols und zur Verteidigung der eigenen Grenzen "mit allen zu Gebote stehenden Mitteln" den Friedensauftrag der Nation herauszulesen, ist schon ein Glanzlicht patriotischer Betriebsblindheit. Ohne je über ein außenpolitisches Vorhaben der Regierung befragt worden zu sein, entblöden sich heimattreue Untertanen nicht, ihr Einverständnis und ihren Einsatz für die Politik immer wieder zu bekunden:
"Wir fordern einen stärkeren Beitrag der österreichischen Bundesregierung in den internationalen Bemühungen um Frieden und Abrüstung."
Besser kann man seine Zustimmung nicht als forsche Forderung formulieren. Und damit erst gar keine Zweifel aufkommen, daß sich die vorgebrachte Friedensliebe und das Sterben für Osterreich nicht ausschließen, "fordert" man "statt" Aufrüstung des Bundesheeres eine "soziale Landesverteidigung", die den Verteidigungsauftrag effektiver erfüllen soll.