Info
Linke Revue in Vorkriegszeiten
REALISTISCHE HOFFNUNG, MORAL UND NATIONALISMUS IM AUFSCHWUNG
Krise als Chance für die Entwicklung einer oppositionellen Bewegung - diese alte verrückte Hoffnung der westdeutschen Linken, die im (angeblichen) Mißerfolg bürgerlicher Ausbeutung und Herrschaft, nicht in ihrem Zweck den Grund für die Notwendigkeit der Gegnerschaft sehen will; diese Krise, die den Massen die Augen über den Kapitalismus öffnen sollte, hat bei den Linken ausgedient.
Zwar glaubt man weiterhin und heute mehr denn je an die von oben verbreiteten Krisenideologien, die mit einer wirklichen ökonomischen Krise des Kapitals nichts zu tun haben, aber die Hoffnung vom sozialistischen Aufbruch angesichts einer Krise hat man fast aufgegeben:
"Bruchstellen/Risse dieses korporativen Sicherheitsstaates sind derzeit weniger empirisch als vielmehr systematisch auszumachen..." (Links, Januar 82).
Stattdessen hat man wegen des Mißerfolgs der eigenen fixen Idee die Umkehr zur prinzipiellen Affirmation der bürgerlichen Verhältnisse, deren Ideale man hochhält, vollzogen. Moderne Aufgabe der Linken sei es, sich der Lösung der Krise oder was man dafür hält, anzunehmen.
"Es ist ihnen (den Grünen) jedoch nicht gelungen, das von der SPD längst verlassene Terrain zu besetzen: das Kampffeld gegen Wirtschaftskrise und Sozialabbau und gegen die sich verschärfende soziale Ungleichheit." (Sozialismus 3/82)
Wie man im linken Lager die letzten Merkmale von Negativität gegen die Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft abgelegt hat - an ihren idealen Prinzipien soll sie sich nur vergehen -, so schaut man heute mit Bewunderung auf die alternativen Weltanschauungen. Weil sie moralisch unangreifbar sind; weil nicht wenige ihnen anhängen; weil sie große Demonstrationen zustandebringen, vor allem weil sie sogar in Parlamente gewählt werden, erhebt man sie in den Rang "sozialer Bewegungen" und entwirft an ihnen
Die neue sozialistische Perspektive
für die nächsten Jahre. So bescheiden realistisch und politologisch idealistisch denken deutsche Linke 1982:
"Die entscheidende Linkswende in der Politik der BRD, die dann auch die sozialistische Fragestellung nach einer Überwindung der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse als notwendiges Moment (!) der gesellschaftlichen Umwälzung vieder zum Gegenstand aktueller Politik machen kann, wird in keinem Fall von den bisher schon konstituierten Ansätzen eines alternativen Linksblocks - und von ihren grün-alternativ-sozialistischen Organisationsformen - allein getragen werden können: Vielmehr liegt die entscheidende Voraussetzung dafür darin, wie weit es diesen Ansätzen gelingt, sich in die traditionellen Sektoren der Arbeiterbewegung hinein auszuweiten, und (!) wie weit es den grün-alternativ-sozialistischen Organisationsformen möglich ist, Formen der Zusammenarbeit mit den 'linksalternativen Strömungen' in den etablierten Parteien, vor allem in der SPD zu entwickeln. An ihrem Ende kann eine stabile neue politische Konstellation eines 'neuen reformatorischen Block' stehen, der neue und alte Linke sowie 'neue' und 'alte' soziale Bewegungen bis in die Reihen der heutigen Christdemokraten hinein zusammenfaßt. Noch ist bis dahin ein weiter Weg." (F. Wolf, A. Hallbauer u.a. in: MOZ 9/82)
Diese Besinnungsaufsätze über den Stand der linken Bewegung sind nach folgenden Prinzipien gegliedert: Hoffnung auf Veränderung und Fortschritt der oppositionellen Bewegung; Einschätzung der Möglichkeiten der Veränderung des Kräfteverhältnisses; Realismus in Sachen Durchsetzung (des Sich-Durchsetzens) der idealen Vorstellungen.
Völlig obsolet ist für die ganze linke Debatte ja von jeher schon der kühne Gedanke gewesen, daß Grund und Möglichkeit des Sozialismus in dem liegt, was Staat und Kapital so alles mit den Leuten anstellen, daß diese sich darüber falsche Urteile erlauben, die ihnen schaden und allein jenen nützen, daß folglich die Widerlegungen dieser Urteile und ihre Ersetzung durch Richtige samt den dann fälligen Konsequenzen der einzige Weg ist, das ominöse Kräfteverhältnis wirklich anzugehen. Stattdessen sind dem Anspruch, die Möglichkeiten der Veränderung des Kräfteverhältnisses, das man interpretiert, anstatt es zu verändern, realistisch zu sehen, alte, schon immer nur als Ideale geltende "Dogmen" geopfert worden. Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung durch den Klassenkampf des Proletariats, das kann doch heute kein linkes Ziel mehr sein, das hat doch die "Wirklichkeit" längst als leere Hoffnung erwiesen (die man selbst früher an jedem wilden Streik, an jeder ein wenig radikal klingenden gewerkschaftlichen Forderung entdeckt haben wollte). Heute ist die "geschichtliche Situation" anders, erklären die Mitarbeiter der MOZ. Erst wenn die "Linkswende", für die es ja so viele Ansätze gibt, sich eingestellt hat, kann man sich wieder der Überwindung des Kapitalismus zuwenden - sagt man, ohne selbst dran zu glauben -, als "Fragestellung " wohlgemerkt, als "Moment" gesellschaftlicher Umwälzung. Gegenwärtig entwickeln sich gerade Vor- Vor- Bedingungen der Linkswende, von denen es noch abhängt, ob sie in der Arbeiterschaft Fuß fassen, die aber den großen Vorteil haben sollen, daß es sie schon gibt. Die Schreiber der Modernen Zeiten führen den methodischen Trick vor, erst zu beteuern, daß es ohne die Arbeiterbewegung nicht geht, und dann dieses "Dogma" als traditionalistisch ad acta zu legen. Entscheidend soll nämlich sein, wie breit und einig der Ansatz "alternativer Linksblock" sich entwickelt und ob er es schafft, sich in den Reihen der etablierten Parteien Einfluß zu verschaffen. Was da zusammenwachsen soll, von grün, alternativ, sozialistisch bis liberal sozialdemokratisch und christlich links, was diese Strömungen wollen und mit welcher (stockbürgerlichen) "Kritik" an der bürgerlichen Gesellschaft sie antreten, ist vor dem Hintergrund der messerscharf erkannten Perspektive eines neuen "alternativen Linksblocks" kaum mehr eine Auseinandersetzung wert. Alle buntscheckigen Richtungen, egal welchen ideologischen Mist sie verzapfen und welche reaktionären Ziele sie verfolgen, werden begrüßt, vereint sie doch die Andersartigkeit zum "herrschenden Block" und bilden sie doch die einzige realistische Möglichkeit gegen die Gefahr des "Rechtskartells", dessen Einfluß es erst einmal zurückzudrängen gelte. "Noch ist bis dahin ein weiter Weg", bis zum einheitlichen Zusammenwachsen der vielen vielen guten Strömungen, aber er hat ja schon begonnen. Hoffnung, diese Kardinaltugend der westdeutschen Linken, die in allem, was als "soziale Bewegung" begrüßt wird, eine überzeugende Möglichkeit sozialistischer Perspektive erblicken will, das absurde Vertrauen darauf, daß sich auf jeden Fall etwas entwickelt, orientiert sich eben an den Konjunkturen der politischen Verhältnisse und akkommodiert sich den zeitgemäßen Ideologien. Wenn Grüne und Alternative in Parlamente gewählt werden, dann haben diese geistigen Strömungen der Zeit unbesehen ihre historische Berechtigung bewiesen, weil es sie gibt, und zwar mit Wahlerfolg. Was von selbst Kritik an der parlamentarisch-demokratischen Herrschaftsform für engstirnig und radikal-borniert erklärt. Wie anders als so will denn die linke Bewegung Bedeutung gewinnen, alle früheren "Träume" sind doch gescheitert, lautet die opportunistische Schlußfolgerung aus ein paar Wahlsiegen grün-alternativer Welt- und Menschheitsverbesserer mit dem Versprechen konstruktiver Parlamentsarbeit ohne Isolierung von der Basis.
"Die marxistische und sozialistische Linke hat in diesem Land nur noch dann Aussicht auf politische Bedeutung, wenn sie die - durchaus neue historische Tatsache zur Kenntnis nimnnt, daß es so etwas wie einen 'alternativen Linksblock' in Ansätzen bereits gibt. Die Debatte kann nicht mehr darum gehen, ob wir seine Existenz zur Kenntnis nehmen wollen, es geht allein noch darum, wie er zu begreifen ist und wie eine neue sozialistische Politik sich in seine weitere Entwicklung einbringen kann." (ebd.)
Was soll eigentlich Student X und Angestellter Y damit anfangen? Ach so, das ist nur für sich geschrieben. Der Beweis lautet: Linke hört die Signale, der Linksblock existiert!
Entlarvt (weil Kommunismusverdacht)
haben sich so nicht die mit 'realistischen' Wünschen begabten Interpreten und Beobachter der linken Szene oder was sie dafür ausgeben, sondern diejenigen, die die mit der bürgerlichen Gesellschaft harmonisierenden Ideologien der Grünen, Alternativen und Revuesozialisten angreifen und ihre Weltsicht des 'Opportunismus statt Opposition' angreifen.
Die Zeitschrift "Sozialismus" hat sich die "Abweichenden Meinungen" zu Polen und zum Falklandkrieg angeschaut und kommt in ihrer Rezension zu dem Ergebnis, daß wir die Lage in Polen anders sehen als sie und den Falklandkrieg nicht so beurteilen, wie die Redakteure der Zeitschrift ihn einschätzen. Der Beweis ist eigenartig, weil er sich erst gar nicht um die Widerlegung unserer Argumente bemüht, es nach gut bürgerlicher Manier für ausreichend befindet festzustellen, daß der Standpunkt der Leute des "Sozialismus" von uns nicht geteilt wird. Wen überrascht das eigentlich und was ist daran mitteilenswert? Soll etwa - wie es im bürgerlichen Lager so üblich ist - unsere Kritik wegen ihrer Andersartigkeit im Vergleich zum gewohnten (linken) Denken der Weltfremdheit überführt und als abartig diskreditiert werden, was zwar niemanden überzeugt, aber bei Linken des gleichen Moralismus' Eindruck macht?
Da haben wir doch tatsächlich keine "Lösungsform der polnischen Widersprüche empfohlen", sondern erklärt, was dort läuft, und die Fehler der Gewerkschaft "Solidarität" kritisiert: Daß es ein Fehler ist, sich die Sanierung des polnischen Staates zum Anliegen zu machen, anstatt den Interessensgegensatz auszutragen, weil sonst - und das gilt nicht nur für drüben - die Belange der Arbeiterklasse unter dem höheren Gesichtspunkt relativiert werden und notwendig auf der Strecke bleiben. Nein, die Erfolglosigkeit des polnischen Aufstandes ist nicht unsere Kritik. Wie soll das auch ein Argument sein!
"Das Scheitern der Bewegung, ihre letztendliche Niederlage bei dem Versuch der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Richtung der Rücknahme der verselbständigten und isolierten Planungs- und Führungsinstitutionen, wird selbst schon als der eigentliche 'Sündenfall' von Solidarnosc betrachtet. Zuwenig Klassenkampf, zuviel Staatsfixierung und Nationalbewußtsein, das ist die Geheimformel für die 'Analyse' der Situation innerhalb des polinischen Widerstands." (Sozialismus 5/82)
Ausgerechnet die Analytiker von der Zeitschrift "Sozialismus", die gegen andere Linke so gern und hämisch den Vorwurf des Mißerfolgs ins Feld führen, drehen hier ihre eigene, sonst übliche Tour um. Dabei geht es ihnen nur darum, an unserer Kritik - der Fehler der Gewerkschaft wohlgemerkt, nicht ihres Scheiterns - unser mangelndes Verständnis für die Schwierigkeiten des (demokratischen!) Aufbruchs in Polen zu geißeln, wo doch die Geschichte letztendlich noch alles irgendwie rechtfertigt. So tischen sie ein Problem auf, das nach ihrer Ansicht jede Revolution, besonders aber eine in Polen mit sich bringen würde: Geht sie auch zu verwirklichen = welche gemeinsamen "Probleme" hat sie mit dem Gegner zu "lösen"?
"Den wirklichen Sachverhalt, daß in Polen aufgrund einer verfehlten Wirtschaftspolitik, eines wenig organischen (!) Verhältnisses von Konsumgüter- und Investitionsgüterproduktion, von großer Industrie und kontraproduktiver Agrikultur auf Basis einer ins immense gewachsenen Verschuldung beim kapitalistischen Ausland mehr konsumiert als produziert (wie soll das eigentlich gehen?) wurde und daß die Veränderung dieses mittelfristig unhaltbaren Zustands (kurz- und langfristig haltbar?) in der Tat 'Opfer' der Produzenten notwendig machte, jede wirkliche gesellschaftliche Umwälzung von vorneherein auch dieses Problem des aus den Fugen geratenen Reproduktionsprozesses zu lösen hatte, verwechselt die MG mit 'fanatischem Patriotismus' der polnischen Bewegung". (ebd.)
Verständnis haben sie, die sich wie der gesamte freie Westen ein demokratisches Polen wünschen, nämlich die "Rücknahme der verselbständigten und isolierten (welch eine Kritik!) Planungs- und Führungsinstitutionen" - Verständnis für die volkswirtschaftliche Ideologie vom ökonomischen Gleichgewicht und für das Staatsproblem, dieses angeblich aus den Fugen geratene Gleichgewicht zuallererst wiederherstellen zu müssen, als Voraussetzung für die Umwälzung. (Der gleiche "Voraussetzungs"-Gedanke veranlaßt diese Autoren, noch der abwegigsten Verfabelung von Naturzerstörung und Kriegsgefahr in "Gattungsprobleme" der Menschheit zu attestieren, sie hätte den Erhalt von Voraussetzungen des Sozialismus zum Inhalt, weil ohne Natur und ohne Menschen nichts läuft.) Diejenigen, die von ihrer Staatswirtschaft gedeckelt werden, sollen sich diese zum Anliegen machen und hätten erst einmal Opfer zu bringen. Denn vorher sei - verrückter geht's nicht - "mehr konsumiert als produziert worden". Ja, habt Ihr denn nicht mitbekommen, was die damals zehntgrößte Industrienation alles produziert - und in den Westen geschafft hat (und noch schafft!), nicht zuletzt polnische Lebensmittel für deutsche Supermärkte, während in Polen Lebensmittelrationierungen angeordnet wurden! Von wegen Überkonsumtion! Aber anders als so könnt Ihr Euch die Krise der polnischen Wirtschaft, die ihr der Imperialismus beschert hat, wohl nicht vorstellen. Wenn die außer Fleisch und Brot gesetzten polnischen Arbeiter nicht einmal den Stopp des Abtransports der Waren in den Westen fordern, sondern alle möglichen, aus der west-östlichen Ideologie geborenen Wirtschaftsmodelle zur Behebung der Staatskrise diskutieren, so opfern sie ihr Interesse dem Vaterland. Nicht wir "verwechseln" da etwas!
Richtig, "bedingungsloser Klassenkampf" wäre auch in Polen das einzig senkrechte gewesen! Warum dann die Frage, "welche Implikationen für die politische Strategie und die Formen des Kampfes (die) "Analyse" denn eigentlich hat"? Wo Ihr doch kapiert habt, daß unsere Kritik den aus dem polnischen Nationalismus herrührenden Immaterialismus des Kampfes der polnischen Arbeiter angreift, weil das ein Fehler ist, und nicht wie Ihr die geschichtlichen Bedingungen oder die sog. Möglichkeiten der Realisierung der Umwälzung als Entschuldigungsgründe für die Fehler vorbriigt. Daß wir "voll auf der Seite der ersten sozialistischen Macht" ständen, - dieser Vorwurf paßt gut in die antikommunistische Landschaft. Kritik an der UdSSR, die sie wegen ihrer falschen Politik gegen den Imperialismus, nicht zuletzt in Polen, angreift, ist hierzulande nicht üblich und bürgerlicherseits auch unzulässig: Die SU hat Gegenstand von Verurteilungen zu sein und nicht von Urteilen über sie. Demzufolge verfällt auch im linken Lager eine Kritik am Realen Sozialismus, die nicht sich dem Maßstab der Demokratie unterordnet, dem Verdikt der Parteinahme für Leonid Breschnew und die KPdSU.
Die Analyse des Falklandkrieges ist von der Zeitschrift schon damit widerlegt, daß wir es uns zu einfach machen, weil wir behaupten, daß nicht Gut, Geld oder Öl, auch nicht ökonomische Krisen der Grund dieses Krieges sind, sondern die Konkurrenz zweier Mächte, die ihrer Souveränität wegen aufeinander losschlagen und dafür selbstverständlich Reichtum und Bürger der Nation opfern. Unsere Kritiker mögen da doch lieber die falschen, aber komplexeren Zusammenhänge, die sie der Soziologie und Politologie abgeschaut haben:
"Die Berücksichtigung der ökonomischen Grundtatsachen (?) ist ebenso Nebensache wie die Frage nach dem Zusammenhang von ökonomischer Krise und ihrer Auswirkung auf das Bewußtsein der Lohnabhängigen in Richtung der Verstärkung nationaler Vorurteile, ein Zusammenhang, der von der MG schlichtweg geleugnet wird." (ebd.)
Wenn man doch wenigstens erfahren würde, an welche "ökonomischen Grundtatsachen" die Verfasser denken. Wahrscheinlich aber soll es der Vorwurf bringen, daß wir etwas Wesentliches nicht mit einbezogen hätten, so etwa die ökonomische Krise, mit der wieder einmal die bürgerliche Ideologie von "inneren Schwierigkeiten" und mißbrauchtem Nationalismus im Volk als Grund für Kriege aufgewärmt wird, um zugleich den Hurra-Patriotismus der Briten und Argentinier, der sofort nach Ausbruch des Konflikts auflebte, mit einem inhaltslosen Soziologismus zu entschuldigen. Für das "Wie" des behaupteten Zusammenhangs wird kein Argument geboten. Wir haben einfach einen Zusammenhang bestritten, also nix gut. Dann sollen wir noch die argentinische Militärdiktatur und das bürgerlich-parlamentarische Großbritannien für das "Gleiche" ausgegeben haben - absurd - und geschrieben haben, das Volk akzeptiere seine Herrschaft ("folglich") wegen ihrer souveränen Macht über die Gesellschaft, obwohl nicht dieser Unsinn, sondern unsere Aussage vorher zitiert ist: daß ein kapitalistischer Staat nur frei und ökonomisch ergiebig über seine Gesellschaft verfügen kann, weil und soweit das Volk loyal ist. Dieser tatsächlich existierende Zusammenhang muß natürlich Leuten gänzlich unverständlich bleiben, die auf der Seite des Volkes immer nur die Verführung durch die Herrschaft (= Manipulation) und bei den Politikern das blinde Exekutieren von "Sachzwängen" am Werke sehen, die in allem Möglichen ihren Grund haben können, nur nicht in den Entscheidungen der Thatcher und Galtieri selbst.
Fehlt noch der obligatorische, aber ziemlich inhaltsleere Vorwurf, wir hätten uns somit aus der Gemeinde der die Welt differenziert einschätzenden Marxisten verabschiedet, obwohl wir nie drinsein wollten.
"Damit hat die MG jeglichen Anspruch auf marxistische Analyse aufgegeben."
Warum? Weil diese Analyse nicht den hoffnungsvollen Idealismus sowie den an den bürgerlichen Gegebenheiten sich orientierenden Realismus teilt, den unsere Kritiker pflegen. Weil wir es für einen Fehler halten, die ganze Welt als Bedingung oder Möglichkeit einer sich mehr oder weniger abzeichnenden fortschrittlichen Perspektive zu sehen und deshalb falsch beurteilen. Weil wir an der bürgerlichen Ausbeutung und ihrer demokratischen Herrschaft keine positive Seite entdecken können und wollen; weil es uns nicht einfällt, an eine im Kern moralische Güte der bürgerlichen Ideale und Ideologien zu glauben. In bester Manier des gängigen Antikommunismus, der Kritik nur als konstruktive akzeptiert, gipfelt der Vorwurf an unsere Abweichenden Meinungen in der Aufzählung der Vorurteile, auf die die FAZ und die FR auch schon gekommen sind, angefangen beim dummen Angriff auf unseren Stil:
"Sowohl Stil als auch ärmlicher Inhalt sprechen einen ganz bestimmten Teil der Linken an; Staatsfeindlichkeit, die sich mit Häme über die 'liberalen und staatstreuen Linken' äußert, sich ansonsten über entstehende soziale Bewegungen wegen ihrer 'Staatsfixiertheit' lustig macht und gar nicht über Alternativvorschläge als Teil der Veränderung des Kräfteverhältnisses dieser Gesellschaft kümmert, sondern bewußt (igitt!) zur Eskalierung von gesellschaftlichen Widersprüchen anzutreiben versucht - eine solche Politik entbehrt jeder rationellen Grundlage, sie ist ebenso zur Wirkungslosigkeit wie zur ständigen Radikalisierung verurteilt." (ebd)
1982 darf Opposition nicht "destruktiv" sein: 1982 gilt eine grüne Weltanschauung, die die Opfer aller zur Rettung der Menschheit fordert, als Teil gesellschaftlicher Veränderung; 1982 darf man sich nur noch um "gesellschaftliche Widersprüche" sorgen und soll sich als Linker um ihre "Lösung" kümmern. Das ist dann rationell, weil es sich an die vorgegebenen Tatsachen hält, will sich den Extremismusvorwurf nicht mehr machen lassen, hat Erfolg im Parlament. Wer nicht auf diese Chance einer "Linkswende" seine Hoffnung setzt, den alternativen Idealismus einer "neuen Republik" Deutschland ablehnt, der ist ein sektiererischer Radikalinski. Kann man einmal Eure Auflagenzahl erfahren oder zählt Ihr gleich die 7 bis 8 Wählerprozente der Grünen dazu?
Die "Systemopposition" wächst sjch zusammen - in die neue/alte SPD
Wer nicht mehr agitiert, sondern sich mit der Interpretation des Kräfteverhältnisses beschäftigt, dem ist die nichts begründende "historische Realität" ein unumstößliches Argument, vor dem er sich verbeugt. Denn der abstrakte Idealismus "Veränderung" wird natürlich fündig in dem, was läuft, dort soll ja die Möglichkeit zur Veränderung vorhanden sein und real werden. So ist es kein Wunder, wenn nach immer wieder neuen Schüben falscher Selbstkritik, die ausgerechnet aus Mißerfolg und veränderter Situation ihre Begründung nahm, die Linke im Glauben an samtliche bürgerliche Ideologien und bei den nicht weniger bürgerlichen alternativen Strömungen ihre neue Heimat gefunden hat, über die sie dann mit bewundernder, positiver Anteilnahme räsonnieren kann. Da fällt den Linken zur kapitalistischen Ausbeutung und ihrer aktuellen Arrangierung der ach so gute Zweck ein: "Eine andere Verteilung der Arbeit erscheint dringend geboten..." (MOZ 9/82), so als sei die falsche Verteilung der Arbeit der Hammer des Kapitalismus. Aber konstruktiv ist der von Stingl und anderen abgelauschte Vorschlag schon. Man ist sich also nicht zu blöd, die von oben mit der Krisenideologie propagierte Pflicht zur Solidar-Volks-Gemeinschaft um des Vaterlandes willen als ehrbares Anliegen anzunehmen - "Triebkraft für die wachsende Auseinandersetzung (mit den grün-alternativen Bewegungen und über ihre Ziele) ist der katastrophale Zustand 'unseres Gemeinwesens'"... (ibid). Der neuen Systemopposition aus Frau, Grün und Frieden wünscht man ohne jede Kritik alles Gute, am Marxismus und der Arbeiterbewegung vermißt man, ausgerechnet, daß diese die neuen Orientierungen nicht hereingelassen haben.
"...bildeten sich notwendig unabhängig voneinander unterschiedliche Gesamtentwürfe heraus, die die unterschiedlichen politischen Perspektiven der sozialen Bewegungen artikulierten: Feminismus, Ökologismus, Pazifismus und die Konzeptionen einer alternativen Lebensweise erneuerten sich in diesem Prozeß, während die seit langem blockierte Krise des Marxismus und der politischen Traditionen der Arbeiterbewegung die Entwicklung neuer politischer Orientierungen innerhalb der Arbeiterbewegung so weitgehend behindert hat, daß sie sich faktisch auf Randgruppen beschränkte..." (MOZ 9/82)
Während man sich ziemlich sicher ist, daß die Notwendigkeit des Klassenkampfes des Proletariats heute nicht mehr in die Zeit paßt, hat man kein Problem, das Selbstverwirklichungsgehabe mancher Leute zum neuen Angelpunkt gesellschaftlicher Veränderung zu erklären:
"Aber auch wenn man nicht unmittelbar an den Klassenvorstellungen dieser Gesellschaft festhält: die derzeitige Opposition, insbesondere die Friedensbewegung, zeigt stellenweise in der Verweigerung der Reproduktionslogik dieser Gesellschaft, im 'Ausstieg', daß man sich dem institutionellen politischen Gefüge nicht mehr ohnmächtig überlassen muß, daß man als Staatsbürger und Abhängiger das Recht (!) auf Verwirklichung individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse artikulieren (!) kann... Möglichkeiten, die auf gesellschaftliche Veränderung zielen, um einer kapitalistischen Destruktionszivilisation eine gesellschaftliche Emanzipation zum aufrechten Garig gegen Ausbeutung und Unterdrückurig entgegenzusetzen." (Links, Juni 82)
Weil man so will, macht es keine Schwierigkeiten, bei den braven Staatsbürgern, die den Wunsch nach Frieden nach Bonn tragen und keiner deutschen Eiche ein Leid antun wollen und das Recht auf dieses Bedürfnis gern artikulieren möchten, Verweigerung zu entdecken, also die Chance für die Möglichkeit von ganz viel gesellschaftlicher Veränderung. Weil ihnen bürgerliche Ideale heilig sind, gilt Rettung der Demokratie, der Staatsform der bürgerlichen Ausbeutung, vor denen, die sie für ihre Herrschaft benutzen, als gerade heute wichtige Aufgabe. Was tun sich nicht Fall der Startbahn West - der tatsächlich nur eines zeigt, daß nämlich demokratisches Recht gleich Gewalt ist - für Abgründe auf: Die Demokratie und ihre verfassungsmäßigen Politik total heruntergekommen! Fast alle Ideale, die auf dem Mist kapitalistischer Herrschaft gewachsen sind, werden zum Zeugen angerufen, daß Links sich um den Bestand der guten Republik mehr denn je zu kümmern hat:
"Wenn" (ja wenn!) "demokratische Politik heißt: in offener Auseinandersetzurig Kompromisse suchen, Prämissen und Folgen von Entscheidungen bedenken, vitale Lebensinteressen auch von Minderheiten respektieren, Verantwortung für nachfolgende Generationen tragen und in rationaler Argumentation die Grundlagen einer lebenswerten Gesellschaft finden, - dann" (ja dann!) "wird sie hierzulande mittlerweile weitgehend außerhalb der etablierten politischen Institutionen gemacht, in den Bewegungen und Initiativen, die sich dem ausufernden ökonomischen, technologischen und rüstungspolitischen Irrwitz (!) entgegenstellen. Politik in diesem Sinne ist mehr und mehr aus den politischen Institutionen ausgewandert; diese sind mehr und mehr zu lernunfähigen und abgehobenen Sachwaltern einer gesellschaftlichen Sackgassenentwicklung geworden. Wenn Bonn nicht Weimar sein soll, dann gilt es zu verhindern, daß Demokratie durch ihre staatlichen Vertreter zerstört wird." (Links, Jan. 82)
So will die Linke heute ihre Gegner sehen: Die Politiker, die die Zwecke demokratischer Herrschaft zur Absicherung kapitalistischer Ausbeutung und zur Kriegsvorbereitung exekutieren, sind Wahnwitzige, die die gute alte Lemokratie in den Schmutz ziehen. Positiv macht sich hier die Republik geltend, die heute auch Links bewahren möchte. Ja, daß die Politik "verbürokratisiert" sei, sich vom Volk "isoliert" habe und das "Parteiensystem in der Krise" stecke, diese erzkonservative Politologenkritik, die sich vom Standpunkt einer sauberen demokratischen Politik für diese stark macht, ist linkes Bildungsgut. Damit der Parlamentarismus wieder richtig auflebe, mit heißem Draht zur geliebten Basis, ist es nur zu begrüßen, daß die "Demokratischen Sozialisten" eine Initiative zur Gründung einer neuen Partei links von der SPD ergreifen (war es wenigstens vorgestern), wenn sie nur die anderen Sterne am sozialistischen Himmel, die Grünen und Alternativen, nicht bedrängen, sondern mit ihnen zusammen wachsen oder so ähnlich.
"Die eigentlichen Probleme des Projekts der Demokratischen Sozialisten liegen jedoch in der Form von Politik. In der Bundesrepublik sind die Möglichkeiten der politischen Artikulation außerordentlich restringiert...
Allerdings darf dabei ein Gesichtspunkt nicht vernachlässigt werden. Wenn die SPD/FDP-Regierung noch im Laufe dieses Jahres fallen sollte - die Wahrscheinlichkeit dafür ist inzwischen sehr groß" (Politologen wissen doch mehr, als man denkt) -, "dann ist es wichtig, daß eine linkssozialistische Organisation aufgebaut wird, um die Trümmer aus dem zusammenbrechenden Gebäude der Sozialdemokratie nicht einfach herumliegen oder als Rohstoff für ein Projekt der Christdemokratie benutzen zu lassen. Dies gilt jedenfalls für die Regionen, in denen die Grünen oder Alternativen nur unzureichend verankert sind. Sollte allerdings die Konkurrenz mit den Grünen das Leitmotiv der Demokratischen Sozialisten werden, dann ist der Mißerfolg dieses Projekts vorprogrammiert." (Altvater in: MOZ 4/82)
Altvater ist zu sehr Ökonom, als daß er Wählerressourcen brach herumliegen lassen würde, und da es linker Usus ist, politologische Weisheiten zum Maßstab der Sicht der politischen Lage zu machen, erscheint es nur gerecht, eine Methodik der Entwicklung der Parteienlandschaft zu entwerfen, in der weiße Flecken eine Chance sind.
Wie überhaupt das Parlament, wo bekanntlich Abgeordnete im Namen des Volkes gegen es Gesetze beschließen, die neue realexistierende Hoffnung der Linken ist, das Kräfteverhältnis der 80er Jalnre mit Sitz und Stimme, frei, gleich und geheim. Vor diesem Erfolg auf dem Weg zum Sozialismus muß jede Kritik verstummen: Sie haben doch Wahlerfolge. So wird der Mensch als Wähler, als Stimmvieh für die Ermächtigung der Politiker, für wert befunden, als Bedingung der Möglichkeit von gesellschaftlichen Veränderungen betrachtet zu werden. Die wahlprognostische Analyse des Protestwälnlerpotentials von rechts/grün bis links/alternativ gehört ebenso zum Thema wie die spannende Frage, ob sich das angeblich "unregierbare" Hamburg günstig weiterentwickelt: "Gemeinsamkeiten zwischen GAL und SPD existieren allerdings, und zwar auf der Ebene des Wählers." (MOZ 7/8 82) - Die Linke zählt ihr Kräfteverhältnis!
In Hessen herrschte Siegesgewißheit unter den Grünen und natürlich auch unter den applaudierenden Linken. Als dann Helmut Schmidt seinen taktischen Schachzug in Bonn getan hatte, schlossen sich die sauberen Politiker vom "Arbeiterkampf" dem SPD-Regierungs-Slogan vom "Verrat" der FDP an:
"...so ergäbe sich auch in Bonn die köstliche Situation, Genscher zu beobachten, wie er springen will, aber nicht kann. Deshalb (!): Geht zur Wahl, Leute! Denn je höher die Wahlbeteiligung, desto schwieriger wird es für die FDP." (AK 225)
Schadenfreude über Genscher (was ist mit Schmidt?), taktische Spekulation auf die günstige Situation für die Grünen, die dann das Zünglein an der Waage sind: Im gesunden, staatstreuen Wählerempinden kennt man sich aus, knappe Stimmenverhältnisse im Parlament, das sind Chancen. Genosse "Arbeiterkampf" schlägt sich auf die Schenkel; er vermag nicht einmal zwischen der Interpretation der Politik durch ihre Macher, zwischen den wahkampfwerbenden Techniken der Selbstdarstellung im Machtkampf und dem Zweck der Politik zu unterscheiden. Was die gegenwärtige Politik ausrichtet, wie sie die Leute deckelt und wie ihr internationales Konkurrenz- und Kriegsprogramm aussieht, ist doch angesichts einer gerechten Wahlniederlage der FDP völlig nebensächlich.
Nach dem schlechten Abschneiden Genschers in Hessen und zwei Tage vor dem Regierungswechsel wartet die "TAZ", die wie die "FAZ" das Ohr an den Massen hat, mit dem Leitartikel "Zwei Elefanten gehen aufs Drahtseil" auf. Daß Politik, gerade heute, schwierig ist (Drahtseil), erst recht für die im Vergleich zu Schmidt unansehnlichen Führerpersönlichkeiten Kohl und Genscher (Elefanten), das sollte die fortschrittliche Botschaft sein: "Birne" und wackelnder Genscher, dies die linke Kritik an den Herrschenden in Bonn 1982. Während das geltende Kräfteverhältnis mit seinem Klassenkampf von oben den Bürger in neuer Freiheit deckelt, hat Deutschlands Linke in unnachahmlicher Manier die "historische Stunde" genüßlich interpretiert, mit Freude über die Niederlagen (welche eigentlich?) Genschers, mit den geschmäcklerischen Urteilen des politisierten gemeinen Untertanen über den deutschen Kohl (1 Kohl = 1dz), so als hinge die Politik, die den Leuten schwere Zeiten verabreicht, von der Fresse des Kanzlers ab. Aber das hält die Knallköppe vom "Arbeiterkampf" nicht davon ab, neue Hoffnung zu verkünden:
"Die CDU/CSU wird es schwerer haben als die SPD," (welch eine Kritik!) "die beabsichtigte Rechtswende praktisch durchzusetzen. ...
Diese Politik durchzusetzen gegen die Gewerkschaften" (Breit?)... "gegen die SPD" (Schmidt?)... "gegen die grün-alternative und sozialistische Radikalopposition, die erst noch am Anfang ihrer Entwicklung steht," (Petra Kelly?) "wird mit Sicherheit ein harter Brocken werden. Die Klassenkämpfe, in den 70er Jahren fast bis zum Nullpunkt versumpft, werden wieder an Schärfe zunehmen." (AK 225)
Was soll man da noch sagen? Genau: Wie gut, daß es weiterhin die SPD nicht unerheblich gibt, zumal sie ja, volksnah wie sie ist, für Neuwahlen sofort eintritt. Im August schon warnte der "Arbeiterkampf" vor einer falschen Einschätzung der SPD:
"Jenseits bloßer Überlebens- und Integrationsstrategien gibt es in der SPD aber gewiß auch ernstzunehmende Elemente einer inhaltlichen Neubesinnung." (AK 224)
Keine Frage, für die Arschkriecher ihres Kräfteverhältnisses ist Helmut Schmidt mit Sicherheit das "kleinere Übel"!
Radikaler Natiolismus
Daß in dieser Vorkriegszeit die Rede von der Krise Konjunktur hat und so die tatsächlichen Zwecke und Ziele der Politik mit dem Anspruch der absoluten Notwendigkeit versieht, greifen unsere linken Chancensucher nicht etwa an - sie nehmen es begeistert auf als Zeichen für ihre eigene Einbildung einer aufkeimenden Emanzipation oder Opposition!
"Nicht zufällig ist von konservativer Seite die Rede von einer 'Sinn- und Wertkrise' (Negt redet treffend von einer 'Erosionskrise'). Es handelt sich um eine gesellschaftliche Krise, in der die Leitwerte und tragenden Ideologien dieser Gesellschaft, der Wachstums-, Leistungs-, Konsum- und Wegwerfgesellschaft in Frage gestellt werden. Bei der Opposition gegen die 'Nachrüstung', gegen die Atomkraftwerke, gegen die Startbahn West, gegen die Zerstörung der Umwelt leuchtet auf, daß jener gesellschaftliche Konsens brüchig" (zum 100.000. Mal!) "wird, auf den die Herrschenden bisher setzen konnten." (Links, Juni 82)
Wo die Gesellschaften alle ihre verfügbaren Material- und Personenmittel planmäßig auf den Krieg hin sistieren und die Unabänderlichkeit dieses schicksalhaften Plans wie auch das Mitmachen dabei mit Krisenideologien an den Mann bringen, da entdeckt "Links" ein Herrschaftsproblem. Wo zusätzlich zu Fleiß und Gehorsam von den Untertanen das nationale Hurra verlangt wird für den NATO-Feldzug der Freiheit, in Begleitung von großen Friedensdemonstrationen, da will man auf links weiter Bruch des Konsenses sehen. Ein theoretischer Luxus, den die Verfasser deshalb aber auch ohne Schwierigkeiten selbst widerlegen. Sie haben nämlich genau mitbekommen, daß Vorkriegszeit - genannt Krise - immer auch das Zusammenschweißen der ganzen Nation bedeutet und dafür den Nationalismus so richtig blühen läßt. Da möchte "Links" nicht als vaterlandsloser Gesell abseits stehen. Nein, in ihrer Alternative zum "Herrschenden Block" - und alternativ wollen sie auch hier noch sein, eben die Besseren... - geben sie sich radikaler als die Realpolitiker in Bonn.
Polen, Militärdiktatur in Polen, das ist die Gelegenheit, endgültig zu beweisen und zu bekennen, daß Sozialismus, wenn sich überhaupt noch jemand etwas anderes darunter vorstellt als Demokratie, auf den Werten des freien Westens wächst und auf gar keinen Fall irgendwie auf den "Diktaturen" drüben. Der Reale Sozialismus, das ist auch der Hauptfeind von "uns" Linken:
"Allzulange haben wir Solidarität mit denen geübt, die in unser Weltbild paßten. Oder man glaubte, sie würden in unser Weltbild passen. Und wenn es nicht wahr ist, was auch nicht wahr sein konnte, dann spielen wir enttäuscht, betrogen und beleidigt: Vietnam, Portugal, Iran...
Polen bietet uns eine Chance: nämlich, daß wir uns endlich von der Vorstellungswelt des Gegners emanzipieren. Die Logik, wer meines Gegners Feind ist, soll mein Freund sein, kann für eine wirkliche Linke nicht gelten. Denjenigen, die unter Unterdrückung leiden, helfen keine guten Ratschläge;" (Ihr Heuchler!) "ihre Phantasie wehrt sich gegen die Beleidigung ihrer Menschlichkeit. Es kommt einem schäbig vor, wenn die Türkei mit Polen aufgerechnet wird." (Links, Mai 82)
Diese Linke erschrickt vor ihrem Anti-Imperialismus vergangener Tage, weil aus ihm nicht herausgekommen ist, was man in seine Objekte hineinprojiziert hat. Die "wirkliche Linke" erschrickt hingegen nicht mehr vor falschen Freundschaften, sondern bekennt sich "mutig" zum gemeinsamen Gegner. Die ständig mit dem Vergleichsargument argumentiert haben unter dem Titel der "Glaubwürdigkeit", wollen jetzt endgültig glaubwürdig werden, indem sie die Bourgeoisie an gerechter Empörung noch übertreffen. So wird man bei Antikommunisten gesellschaftsfähig. Da man dies auch noch merkt, wird die eigene Selbstreinigung gleich als Alternative zum schmutzigen Antikommunismus der "Rechten" ausgegeben: Die pflegen den sowieso, wir setzen ihnen einen moralisch sauberen entgegen:
"Umgekehrt gilt, daß die Linke die Kritik des 'realen Sozialismus' und die Unterstützung oppositioneller Bewegungen in Osteuropa nicht der politischen Rechten - überlassen darf: zum einen, um innenpolitisch den herrschenden Antikommunismus zu durchbrechen, indem sie die Gleichsetzung zwischen sozialistischen Bewegungen hierzulande und dem 'realen Sozialismus' auflöst; zum anderen, um für die osteuropäische Opposition einen progressiven Bezugspunkt zu schaffen als Kontrast zu Radio Free Europa und dem Vatikan." (MOZ 2/82)
Tatsächlich, in ihren alternativen Tagträumen sind die heuchlerischen Kämpfer gegen rechte Positionen schon so weit wie die Konservativen, wenn nicht schon weiter. Nach Afghanistan ist die Frage von Sanktionen gegen Polen, ist die Auflösung des Ostblocks auch im linken Lager eine gern gedachte Aussicht, gilt die offizielle Politik in Bonn in dieser Hinsicht, also bis zum Wechsel, als zu lasch.
"Es geht nicht darum, daß einzelne Länder aus ihren Blöcken oder Bündnissen ausbrechen, sondern darum, die Vormachtstellung der jeweiligen Weltmacht innerhalb des Bündnisses durch Demokratisierung interner Willensbildungsprozesse zurückzudrängen. Dabei ist klar, daß Entspannung, Abrüstung, kollektives Sicherheitssystem in Europa den Spielraum für gesellschaftliche Umwälzungen in Ost und West vergrößert. Die Verbindung der Abrüstungsproblematik mit der sozialen und der Systemfrage unterscheidet uns auch an diesem Punkt von der Sozialdemokratie, die im Falle Polens das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten im schlechtesten (!) Sinne praktiziert." (Sozialismus 3/82)
Die Werte, in deren Namen Reagan, Kohl und Schmidt eine Drohung nach der anderen gegen das "unfreie" System des Ostens ausstoßen, sind eigentlich bei den Linken besten aufgehoben, freilich ohne die sogenannte "Blocklogik" und mit einem "sozialistischen Europapolitik". Eine andere, betont nationale Politik ins Werk zu setzen, schwebt unseren modernen Linken vor: unabhängige Außenpolitik einer europäischen Groß macht.
"Die Aufgaben und Chancen des westeuropäischen Friedenskampfes liegen in jenem politischen Prozeß, den die Repräsentanten und Apologeten der Reagan-Administration am meisten fürchten: die Loslösung westeuropäischer Außenpolitik von der Hegemonie des 'atlantischen Bündnisses'." (Sozialismus 4/81)
Wobei natürlich die "Abkoppelung" von der anderen Großmacht im Osten gegen deren Block ganz entschieden die Systemfrage stellt. Tritt einmal unter den unabhängigen und unverbindlichen Konstrukteuren einer souveränen europäischen Außenpolitik und härterer Politik gegen Polen jemand auf, der darin wie Michael Stamm "Linke Machtphantasien zu Polen" (MOZ 3/82 ) angreift, tönt die vielfältige Meinung sehr einheitlich und verbindlich aus der Zeitschrift zurück: "Sektenjournalismus..."; "Was Du hier machst, trägt höchstens zur Entsolidarisierung und gegenseitigen Abgrenzung bei." (MOZ 4/82). Was ist eigentlich so schlimm an "Abgrenzung" gegensätzlicher Standpunkte? Außer dem inhaltslos-pfäffischen Aufruf zur "Einheit" der Menschen (zwar unterschiedlichen, aber) guten Willens fällt Euch nichts ein? So führt sich eine Leserschaft auf, die in der Zeitschrift ihren guten Standpunkt wiederfinden will. Solidarisierend sind nur solche Fragen, die linke Machtphantasien z.B. an Havemann stellen:
"Wenn wir keinen Gegensatz zwischen der Entspannung und Veränderungen des Status Quo in Europa konstruieren, meinen Sie nicht, daß die Erneuerung in Polen eine rigide Bresche in die rigide Zweiteilung Europas wird schlagen können?" (MOZ 1/82)
Die Antwort hat man sich in linken Kreisen längst gegeben. Das Etappenmodell 1982 heißt: 1. Abkoppelung, 2. Europa, 3. "sozialistische Europapolitik", 4. Sozialismus, 5. Kennzeichen D.
Wenn rechte und andere gute Deutsche heute ihre Chance wittern, daß das unselige Ergebnis des letzen Krieges revidiert werden könnte, so sagen sie einfach "Jalta". Realistische Vordenker des Sozialismus sagen noch etwas dazu, schließlich sind sie ja die Vertreter einer idealen und alternativen Ordnung:
"Das, wofür Jalta steht, scheint seinem Ende: entgegenzugehen - ein Prozeß, den Linke nur gutheißen (!) können und befördern (!) müssen. Für Jalta bedarf es aber einer alternativen europäischen Friedensordnung." (Links, Febr. 82)
Wenn in dieser Vorkriegszeit rechte und andere gute Deutsche ihre Chance wittern, daß Deutschland wiedervereinigt wird, und Ostpreußen in den Mund nehmen, tun das die guten deutschen Linken auch, aber kritisch:
"Eine weitergedachte Kritik" (am herrschenden Sicherheitskonzept) "führt zu einer neuen, kontinental orientierten Ordnung in Europa. Vorausgesetzt wird die Beendigung der militärischen und politischen Blöcke in Mitteleuropa. Daß damit implizit die Deutsche Frage aufgeworfen wird, eröffnet Perspektiven, auf die die Linke noch nicht vorbereitet ist, während sie von der Friedensbewegung schon praktiziert wird." (Links, Okt. 81)
Man sieht, die Linke ist (vor)bereit(et), auf die nationale Frage auf jeden Fall eine positive Antvvort zu geben:
"Da die Kriegsgefahr aber die Deutsche Frage als Kernstück (!) einer kontinentalen Perspektive in Zusammenhang mit der notwendigen Abkopplung vom suiziden (!) Atlantismus auf die Tagesordnung stellt, hat die Linke sich avantgardistisch in einem unideologischen (!) und antinationalistischen (!) Sinne dieser Perspektive anzunehmen. Zu beginnen wäre mit einer emanzipatorisch orientierten kollektiven Aneignung der jüngeren Geschichte." (Links, Oktober 81)
Heil unideol! Heil antinat! Heil emanz! Heil Frage, deutsche!... - Pardon, nur Aneignung der jüngeren Geschichte.