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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1982 erschienen.

Systematik

Die deutsche Linke und die Wirtschaft
STAAT UND KAPITALE, HÖRET DIE SIGNALE!

"Der Kampf um den Staat ist schon lange im Gange, er läuft auch jetzt und er läuft eben auch in der Konjunkturpolitik." (SOST, in "Moderne Zeiten" 3/82)

Schon die selbstgegebene Überschrift, unter der die deutsche Linke sich heutzutage den Wirtschaftsfragen der Nation zuwendet, "Alternative Wirtschaftspolitik", verrät alles: Staatliche Lenkung, Unterstützung, gewaltsame Absicherung des Wirtschaftswachstums - alles in Ordnung, grundsätzlich berechtigt! Nur anders, "alternativ" eben, müßte es geschehen.

Dreh- und Angelpunkt links-revisionistisch fortschrittlichen Denkens war ja schon immer der Umgang des Staates mit seiner Wirtschaft, schon immer wollte dieses Denken darin den entscheidenden Mangel des Systems entdecken: ob sich der Staat nun in den Händen der Monopolkapitalisten befand, oder ob er mit Krisenmanagement und einem vorgestellten "Sozial-" den Massen Sand in die Augen streute und die Fäulnis des Kapitals verdeckte - noch jedesmal steckte darin die tiefe Hoffnung auf den alles heilenden Staat, sobald seine Potenzen nur richtig entfaltet würden.

Der Kern solcher Auffassungen ist: "Dysfunktionalität" des Staates - ob nun fahrlässig oder unausweichlich. Doch während ihm früher zu seinem und (dann) der Wirtschaft besserem Funktionieren eine bessere Wirtschaftsform anempfohlen wurde - der Name: "Sozialismus", das Verfahren: "Revolution" -, hat sich nun die Linke zum bestehenden Staat bekannt, nicht ohne einige Umstände und Zusätze. Zufrieden ist sie mit dem Staat ja immer noch nicht; zwar anerkennt sie die "Probleme" des Staates und sein Bemühen, sie zu lösen, aber die Wirtschaftsmethoden des Umgangs mit einer als problematisch akzeptierten Wirtschaftsform ziehen Kritik auf sich, eben als Feststellung, daß die "alternativen" Methoden (noch) nicht Eingang in die Wirtschaftspolitik gefunden haben. Die revolutionäre Phrase ist auf ihre Wahrheit reduziert: Bloßes Beiwerk, moralischer Persilschein, Beteuerung des Uneigennutzes - nie aber Kampfprogramm.

"Alternative Wirtschaftspolitik" ist das Bekenntnis, zu dem sich ein Linker heutzutage genötigt sieht, wenn er all seine Adressaten in der Krise, insbesondere aber seinen Hauptadressaten in der

"Finanzkrise"

sieht. Diese zentrale Politikerlüge von der staatlichen "Ohnmacht", von der Knappheit des Staatshaushalts, übemimmt er tatsächlich und macht auch gleich die geforderte sorgenvolle Verlängerung daraus: Ja, kann denn der Staat unter diesen Umständen überhaupt noch etwas machen?!

Schlagartig sind alle früheren Räsonnements über die Krise ersetzt. Ging es ewig darum, was man aus ihr über den untauglichen Kapitalismus lernen könne, wie es denn der Staat dauernd schaffe, sie zu unterdrücken, warum sie nicht eintreten wolle, latent aber immer vorhanden sei, welche Phänome ne man schon für Krise ausmachen könne, welche noch verdeckt seien - ging es sonst immer darum, großartige Untersuchungen über Krise als Bedingung des Klassenkampfes vorzustellen, so hat sich dieser grundfalsche Gedanke dadurch selbst seine Unwahrheit bescheinigt, daß er verschwunden ist. Jetzt, wo nach allgemeiner Übereinstimmung eine sehr grundsätzliche Krise die Gesellschaft ergriffen hat und der Staat sich selbst als Krisengebeutelten behauptet, da ist Krise keine Bedingung für nix mehr, sondern ein einziger Aufruf: sie muß bewältigt werden. Oder halt! Sie ist eine (gute) Bedingung für die Linke - so denkt sie -, sich als Bewältigungsalternative vorzustellen. Die Leugnung des Klassenkampfes, wenn man ihn nämlich immer von seinen Bedingungen abhängig macht, wird nun so geständig, daß in dem Moment, wo die angebliche Super-Bedingung für Revolution real vorhanden ist, sofort die Sorge um die Bedingungen der Möglichkeit der Revolution auf der Tagesordnung steht. So verrückt es klingt: "Wie sollen wir denn Revolution machen, wenn Staat und Kapital gar nicht mehr funktionieren?" Wer Staat und Kapital eben nie einfach abschaffen wollte, sondern sich immer nur über deren falschen Gebrauch beschwerte, der fällt erstens auf die Lüge von der "Ohnmacht" rein und sieht sich zweitens genötigt, an der Wiederherstellung der Voraussetzungen des richtigen Gebrauchs "mitzuwirken". Damit hat der Linke seinen Anspruch auf Revolution in sehr grundsätzlicher Weise bekräftigt; zugleich entdeckt er in all seinen Vorschlägen zur Krisenbewältigung mit Leichtigkeit "schon jetzt" allerlei gesellschaftsverändernde Momente. Zur Zeit wird die Revolution dadurch vorangetrieben, daß man sie storniert, dadurch aber die Voraussetzungen für ihren sicheren Eintritt verbessert. Umgekehrt: Jetzt Revolution zu machen, wäre die sicherste Methode, sie zu verhindern:

"Läßt man einmal die Unterstellung beiseite, es ginge darum, 'über eine aggressive Lohnpolitik die wirtschaftliche Krise noch zu verschärfen und in Verbindung mit nicht erfüllbaren wätschaftspolitischen Forderungen die politische Polarisierung bis zum endgültigen Zusammenbruch dieses Systems voranzutreiben'..., was einer Neuauflage unproduktiver Zusammenbruchshoffnungen entsprechen würde..." (PROKLA 47, Memorandum-Gruppe)

Noch der radikalste Linke hat die Zeichen der Zeit verstanden - Joscha Schmierer vom KBW reitet auf der Idiotie herum, daß man Revolution nicht im Kommunismus oder auf dem Mond, sondern im Kapitalismus machen muß, aber nur um zu sagen, daß er sie jetzt nicht machen will. Notwendig gelangt er zur bürgerlichen Phrase, daß zwischen Evolution und Revolution doch eigentlich kein Unterschied sei - es ist nur eine Frage der Auffassung:

"Dieses (sozialistische) 'Beschäftigungsprogramm' muß innerhalb der fortexistierenden kapitalistischen Produktionsweise ansetzen, m sie radikal umzuwälzen, was nur schrittweise und evolutionär geht, aber einen revolutionären Umsturz der Herrschaftsverhältnisse verlangt." (Kommunismus und Klassenkampf, 4/1982)

Der revolutionäre Elan der Linken besteht heutzutage also darin, sich voll auf die Seite des problembeladenen Staates zu schlagen und ihm zugleich einen Vorwurf nicht ersparen zu können: daß es doch gerade in dieser schweren Zeit unverantwortlich von ihm ist, die fürsorglichen Alternativen (noch) in den Wind zu schlagen. Gehört zu werden - auch daraus kann man ein Kampfprogramm machen. Der Kampf besteht darin, die alternativen Theorien noch überzeugender auszubreiten, dann werden sich schon Bündnispartner bei den'"Adressaten" finden - und die wären:

"- Die herrschende Wirtschaftswissenschaft...

Die breite Öffentlichkeit...

Die Träger praktizierter Wirtschaftspolitik...

Die politischen Pnrteien...

Die Gewerkschaften..." (Memorandum-Gruppe)

Die Lage

sieht ein solch verantwortungsbewußter Kritiker denn auch nicht anders als seine Kollegen in den samstäglichen Konjunkturberichten:

"Der entscheidende Punkt ist nun, daß dieser keynesianischen Konzeption eine Diagnose der gegenwärtigen Krise als 'Nachfragekrise' zugrundeliegt, von der sehr zu fragen ist, ob sie dem stagnativen Grundton der Wirtschaftsentwicklung seit '75 gerecht wird." (PROKLA)

"Der Fall AEG... ist ein gutes Demonstrationsobjekt für die veränderten ökonomischen Konstellationen und die tiefgreifende Krisendynamik seit Mitte der 70er Jahre."

Was die Gesetzmäßigkeiten der Krise sind, wie sie heute beschaffen ist - kein Wort davon. Geschweige denn der Hinweis auf ihre Macher - nein, vor so unfaßlichen Dingen wie "Veränderung" und "Dynamik" steht man davor wie vor Naturgewalten, insbesondere, wenn sie so "tiefgreifend" sind. Da ist kein handelndes Subjekt benannt oder gar angeklagt - wie falsch auch immer -, sondern alle Subjekte sind von der Krise betroffen. Also auch die Politiker und die Kapitalisten.

Bei soviel vorab konstatierter, klassenneutraler Einheit im Betroffensein ist es kein Wunder, daß das alleroffiziellste Hauptcharakteristikum der Krise

Die Arbeitslosigkeit

ganz ungefragt übernommen wird. Jawohl, das ist das Übel unserer Zeit, und verantwortungsvolles Denken auch und erst recht eines Linken hat sich um seine Beseitigung zu mühen. "Arbeitsplatzschaffer" ist ein Ehrentitel: daß es ihm darum ginge, wird noch jedem Politiker attestiert - wenn ihm nämlich Versagen an dieser Aufgabe vorzuwerfen ist. Jetzt, wo ein Linker seine ganz große Chance, sich ins Spiel zu bringen, imaginiert, ist ihm das Hervorheben dieser Gemeinsamkeit ein größes Anliegen plus laufender Beteuerung - hier ist Kritik erlaubt! -, daß die Politiker das schlecht machen. Und zwar, weil sie, statt auf die Neue Linke zu hören, in alten "Sachzwängen" "gefangen" bleiben. Zur Befreiung daraus müssen frische Kräfte her - ruft die Frische Kraft.

Dafür ist auch Schwarzmalerei erlaubt, und die Krise wird in aller "Tiefe und Schärfe" beschworen. Die Krisenhaftigkeit des Systems wird nur noch bemüht, um die Bedeutung der Aufgabe und die Ernsthaftigkeit der eigenen Kraftanspannung vorzuführen. Um so simple Probleme wie das Auskommen eines Arbeiters oder eines Arbeitslosen und daß beide in ihrer puren Existenz schlagende Gründe für die Revolution sind, wird sich da nicht gekümmert. Es geht um Höheres, um

die Arbeit

und die muß schon darum was Feines sein, weil es keinen Zweifel an der allgemeinen Übereinstimmung gibt, daß es an nichts so fehlt wie an ihr, Daß Arbeit für einen Lohnarbeiter vielleicht nicht das Höchste der Gefühle ist, wird schon mal kaltlächelnd erwähnt; schon nicht mehr kommt vor, daß die Menschheit trotz und wegen der Arbeitslosigkeit entschieden zuviel arbeitet. Stattdessen stellt sich der Gesellschaftsumwälzer erschrocken-bescheuerte Fragen folgen der Art:

"Was ist die Zukunft der Arbeit, wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht?"

Wieso ausgerechnet der "Arbeitsgesellschaft" - Klassengesellschaft? völlig antiquiert! - die Arbeit ausgehen soll, wie "die Arbeit" eine "Zukunft" haben kann, ob denn nun das eine das andere oder das andere das eine braucht - egal. Der Quatsch will ja nicht in diesem Sinne ernst gemeint sein, sondern soll Besorgnis ausdrücken. Quo vadis, Arbeit? Das weiß man nicht so genau, da muß man sich drum kümmern. Durch das Weglassen des "Lohn-" bei der Lohnarbeit ist der entscheidende Schritt getan: Auf jeden Fall sichert doch Arbeit das Leben, einfach deswegen, weil man - wenn man sie hat - was dafür kriegt. Was spielt es da für eine Rolle, daß im Kapitalismus der Lohn dafür da ist, die Leute zum Arbeiten zu zwingen, daß man also lebt, um zu arbeiten. Daß es ein Fehler ist, sich auf ein Gegeneinander-Abwägen von Arbeit und Arbeitslosigkeit einzulassen, ist einem modernen Linken völlig ungeläufig - am Arbeiten als dem Gegen-Mittel zur Krise will er unbedingt festhalten. Arbeit mag zwar Scheiße sein - das kann ruhig mal ganz scharf gesagt werden -, aber immer ist sie noch das kleinere Übel angesichts der Arbeitslosigkeit.

Also weg mit den kleinlichen Bedenken über die Verträglichkeit der Arbeit mit dem Wohl des Arbeiters: Solange die "Arbeitsgesellschaft" Arbeit einfordert, ist das allemal besser, als wenn nicht:

"Mit der Störung der Akkumulationsbedingungen des Kapitals und der Verlangsamung der Akkumulation ist das Kapitalverhältnis immer weniger in der Lage, die durch den Kapitalismus selbst entwickelten Bedürfnisse der Gesellschaft wenigstens nebenher und wie unzureichend auch immer zu befriedigen." (Schmierer)

Man muß sich erinnern, daß derselbige mal den Staiidpunkt vertrat, daß der Kapitalismus - unfreiwillig - auch den Bedürfnissen der Massen entgegenkomme (bis hierher noch gleich), daß dies eine verschleiernde Tendenz sei, die aber gottseidank immer mehr abnehme, woraufhin den Massen ein Licht aufgehen werde -und die Kommunisten ihre große Chance hätten. Nun aber? Aus der Krise lernt man, daß das noch relativ gute Zeiten waren, und der klassenkämpferische Anspruch wird sehr bescheiden:

"...Ausgangsbedingungen zu verteidigen, unter denen die Arbeiterbewegung die Gesellschaft (!) mit möglichst wenig Opfern aus der Krise herausführen kann."

Die Phrase muß allerdings kommen:

"Das geht aber nur durch den Übergang zur sozialistischen Produktionsweise."

Wie geht das "Herausführen" zum "Übergang"? Indem die alternative Krisenbewältigung dafür sorgt, daß der Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise bleibt: weil er nicht so direkt sagen will, daß die vor Krisenzustände besser waren, andererseits aber auch seinen positiven Beitrag abliefern will, verheddert sich der Altkommunist heillos:

"Insoweit die Forderungen der Arbeiterbewegung nachfragewirksam sind, beeinflussen sie bis zu einem gewissen Grad die spontane Entwicklung der kapitalisfischen Krise und wirken tiefen Markteinbrüchen entgegen; gleichzeitig wirken sie einer sprunghaften Steigerung der Profitrate entgegen und erschweren damit die Behebung der Krise im Rahmen des Kapitalismus."

Über den logischen Inhalt kann man wenig sagen, wenn es sich um puren Nonsens handelt. Aber die Aussage ist ja auch nur als eine einzige Beteuerung gedacht, daß man aus der Krise hinaus in den "normalen" Kapitalismus hinein will - und zugleich daran festhält, daß man die Krise irgendwie begrüßt. Theoretisch wär' man dafür, aber in der Praxis kann man sich doch dem nicht widersetzen, daß alle Welt für Krisenbewältigung ist. Der Profitrate auf die Sprünge helfen und sie zugleich absacken lassen zu wollen, kann man auch metaphorisch ausdrücken:

"Bloß indem die Defensive als Vorbereitung der Offensive dient, kann die Defensive selber erfolgreich geführt werden."

Beschäftigungsprogramme

scheinen allen das geeignete Mittel, den Kapitalismus so zu überwinden, daß er wieder ordentlich funktioniert. Daß dieses Wort nur eine von Politikern erfundene Ideologie ist, mag einem Linken selbst dann nicht aufstoßen, wenn dieselben Politiker hinzufügen, daß "trotz" der schönen Programme mit einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosenzalil zu rechnen sei. Dann muß ein Linker diese Ideologie eben wahr machen und zeigen, daß Beschäftigungsprogramme doch gehen. Bessere müssen her!

Grundsätzlich ist klar, daß der Staat mehr Geld braucht, das - über die Weise kann man sich streiten - den Kapitalisten zukommen soll: 10 Milliarden will der Staat ausgeben, 50 Milliarden der DGB - da fordern wir doch maßvolle 20 Milliarden (Memorandum-Gruppe) oder auch solidarische 50 Milliarden (SOST)! Weil man aber auch weiß, daß die "Finanzkrise" Schwierigkeiten macht, gehören sich Vorschläge ausgearbeitet, wie der Staat "trotzdem" an Geld kommen kann. Wer sich der angeblichen Finanznöte des Staates annimmt, der stellt sich natürlich die Frage des Zumutbaren, der erfindet zumindest irgendeinen Realismus, wie Geld ohne Schaden herbeizuschaffen sei. Damit hat der Linke endlich seinen offiziellen Frieden mit dem Kapital geschlossen, denn daß der Staat sich Geld rücksichtslos gegen die Kapitalisten besorgt, ist logisch ausgeschlossen.

Unmittelbar "beschäftigungsinitiativ" sind eben nur Vorschläge,

  • die Arbeitsplatzverlust mit Krise gleichsetzen,
  • die dies dem Kapital als unumgängliche Folge der Krise zugutehalten,
  • die Arbeitsplatzbeschaffung mit Krisenbewältigung gleichsetzen,
  • die dem Kapitalisten die Voraussetzungen zum Aufschwung und damit zum Arbeitgeben verschaffen wollen.

Undenkbar, daß die Arbeiter zu irgendwas aufgehetzt werden sollen; verrückt, daß sie vielleicht den ganzen Laden selbst in die Hand nehmen könnten (früher galt Krise mal als eine prima Bedingung dafür). Ach ja, sie kommen schon vor - wie bei jeder "beschäftigungspolitischen Debatte", nämlich als Gegenstand, auf den man sich beruft; ansonsten geht es aber um "langfristige Vorschläge zur Verbesserung der Beschäftigungssituation", und was hat ein beschäftigter oder unbeschäftigter Arbeiter darin schon mit seinen kurzfristigen Alltagssorgen zu suchen?

Der alternative Wirtschaftspolitiker denkt sich Alternativen aus, in denen mit fader Eintönigkeit immer dieselben zwei Subjekte vorkommen. Denen muß geholfen werden:

- Zum Beispiel durch "Umstellung auf zukunftssichere Produkte". Da haben sie jahrelang dicke Bücher über den "Verwertungsprozeß des Kapitals" vollgeschrieben und daraus nur eines gelernt, daß es nämlich dem Kapital eigentlich nur am Absatz fehle. Stellen wir uns den Kapitalismus mal schnell ohne Kapital vor, dann ist auch die Dummheit nicht weiter verwunderlich, daß es an der falschen Auswahl der Gebrauchswerte liegen soll (die Japaner werden sich umgucken!); ein paar hilfreiche Winke, und der Absatz klappt immer. Das Kapital muß dauerhaft verkaufen und Gewinn machen können! Durch Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte soll dem Kapitalisten ein sehnlicher Wunsch erfüllt werden bloß daß dieser weiß, daß es sich hierbei um ein Ideal handelt, das, um gegen die Konkurrenz durchgesetzt werden zu können, von ihm die Kalkulation mit sehr "kurzlebigen" Produkten verlangt.

- Zum Beispiel durch mehr "Mitbestimmung":

"Es geht dabei vor allem um die Einrichtung überbetrieblicher Formen der Mitbestimmung, um eine wirksame Einbeziehung der Betriebsrtäte bei der Vergabe öffentlicher Mittel (Subventionen) an private Unternehmen, Übernahme der Arbeitsämter bzw. der Bundesanstalt für Arbeit durch die Gewerkschaften..."

Die vom DGB verantwortungsvoll getragene Beteiligung an den Entlassungen - ohne ihn geht das doch nicht so einfach zu machen! scheint diesen Burschen wohl nicht zu reichen. Sie fordern tatsächlich noch mehr aktive Einschaltung der Arbeiterorganisationen bei der Verwaltung des zunehmenden Elends. Ein paar Arbeitsplätze schafft das sicher - bloß welche?

- Zum Beispiel durch "mehr Staat":

"...sowie die Vergesellschaftung jener Bereiche, deren privatwirtschaftliche Struktur dem gesellschaftlichen Bedarf nicht gerecht wird (Beispiel Wohnungsbau)."

Der Staat soll noch mehr von dem machen, was er früher immer gemacht hat (bloß aus einem anderen Grund), der soziale Wohnungsbau sollte noch sozialer werden. Am schönsten wäre sicher so ein gemeinnütziges Unternehmen wie die "Neue Heimat", auf Staatsebene übertragen. Schlechte Wohnungen und hohe Mieten, das Ganze aber ganz arbeitermäßig verwaltet.

Merkt Ihr denn selbst hier nicht, Ihr Alternativen, wo der Staat diese ganzen Dinger gerade abbaut, daß man sich um ganz andere "Alternativen" zu kümmern hätte?! Wenn der Staat seine eigenen Reglementierungen für bedenklich erklärt, heißt das doch noch lange nicht, daß es sich da um eine zu erhaltende, gar zu erweiternde Wohltat gehandelt hat. Im Gegenteil!

- Zum Beispiel durch bessere Nutzung des Geldkapitals:

"Hierzu gehören vor allem kreditfinanzierte Ausgaben, die brachliegendes Geldkapital mobilisieren und so gesellschaftlich unmittelbar empfundene Mängel beseitigen helfen." (Memorandum-Gruppe)

Kredit mobilisiert Kredit, und der will ausgerechnet "gesellschaftlich unmittelbar empfundene Mängel beseitigen helfen" (für "mittelbar empfundene Mängel" scheint er nicht zuständig zu sein). Ein ökonomischer Nonsens als Lobeshymne ans Geldkapital: Sein Nicht-Wirken verursacht Schäden! "Mobilisiert" hingegen, ist es sehr heilsam. Noch ein offizieller Friedensschluß.

- Zum Beispiel durch besseres "Schuldenmanagement":

"...Reform des staatlichen Schuldenmanagements. Durch stärkere Einbeziehung des Zentralbankkredits würden geringere Zinskosten entstehen." (Quelle)

Die Zinsen sind doch eine Last für dich, lieber Staat; es wäre doch genug Kredit da, wenn du nur auf uns hören würdest. In Form einer Geheimwissenschaft wird hier an den Staat mit einem mehr als altbekannten Vorschlag herangetreten. Der soll selber noch nicht auf diesen Trick gekommen sein?

Die Vorstellung, der Staat würde sich aus purer Ungeschicklichkeit selbst mit hohen Zinsen belasten, leugnet souverän, daß der Staat sehr freihändig die Zinsen hochsetzt und mit seinem Nationalkredit "nur" ein sehr scharfes imperialistisches Problem hat. Ihr solltet Euch mal erkundigen, warum der Staat so verfährt. Wer ihn aber unbedingt in einer "Finanzkrise" sehen will, wer die Klagen der Politiker gerne zum Anlaß nimmt, sich theoretische Bauchschmerzen zu machen, der denkt sich natürlich auch imaginäre "Erleichtenngen" aus; der macht aus der Benutzung des Kredits einen Mangel, stellt sich in seiner Staatsbegeistenng einfach vor, der Staat könne doch mit seinem Kredit soviel schöne Dinge anrichten. Er will aber nicht.

- Zum Beispiel durch - der eigentlich schönste "Vorschlag" - "Instandbesetzung":

Der Wilfried Maier (auch ein ehemaliger KBW-ler) drückt seinen Übergang zum neu-linken Dasein so aus, als hätte er sein Ohr immer noch ganz dicht am Puls der Massen und als wäre ihm darum was ganz Konkretes eingefallen. Freilich - wie sollte das bei einem Räsonnement mit dem Staat anders sein, wo dieser mit seinen praktischen Voraussetzungen und Absichten das Terrain für alle "Konkretionen" genauestens absteckt? - beschränkt sich seine Alternative auf ein Wortspiel, wofür er ein tatsächliches Ereignis als Material gebraucht. An den "Instandbesetzern" will er ein "Beschäftigungsprogramm von unten" entdeckt haben. Diese theoretische Vergewaltigung der wirklichen Verhältnisse macht weiter nichts, wenn man sich mit zweifacher Betonung eines zweiteiligen Wortes wichtig machen kann: "Instandbesetzung" ist die Beteuerung, daß auf keinen Fall zerstört werden soll, daß Rettung des Gemeinwesens ansteht:

"Die spontane gesellschaftliche Entwicklung z.B. von arbeitslosen oder durch Arbeitslosigkeit bedrohten Jugendlichen geht anders vor. Wenn in Berlin Häuser besetzt werden, ist das auch eine Art (!) Beschäftigungsprogramm. Nicht zufällig" (hat Wilfried Maier hier entdeckt) "handelt es sich um Instandbesetzung. Es soll etwas produziert werden... Es handelt sich um ein Beschäftigungsprogramm von unten, durchaus nicht ohne materielle Forderungen an den Staat und doch nndum anders als die offiziellen Beschäftigungsprogramme." (Moderne Zeiten, 3/82)

"Instandbesetzung" ist die dazu parallele Beteuerung, daß es dafür der Alternativen bedarf, daß es sich der kritische Geist nicht versagen kann, dem Staat seine Rückständigkeit vorzuwerfen - wo es den kritischen Geist doch schon gibt.

Damit der Staat merkt, daß dies ein Weg zu Arbeitsplätzen ist, sollen möglichst viel Leute schon mal damit anfangen, in "neuen Arbeitszusammenhängen" zu arbeiten. Und weil irgendwelche Öko-Bauern das auf dem Land und Tee-Bauern in der Stadt schon machen, muß man sich für "Finanzprogramme unterhalb der Bundesebene" einsetzen, weil das auf jeden Fall ein Fortschritt ist:

"Heißt das nun, daß Forderungen an den Staat nach Finanzmitteln überflüssig oder gar schädlich seien? Ganz und gar nicht. Ebensowenig wie die Forderung nach verstärkter Besteuenng der Reichen für die Beschaffung dieser Mittel. Um nochmal auf unser Beispiel (!) zurückzukommen: Auch bei den Häusern würde ja nicht nur instand-, sondern zugleich auch -besetzt. Aber (!?) es könnten sich von derartigen Produktionsprojekten her überhaupt die gesellschaftlichen Subjekte bilden," (die Instandbesetzer sind's also noch nicht, könnten aber Wilfried den Gefallen tun) "die die Fordenngen erheben und für sehr konkrete und faßbare Vorhaben, deren Nützlichkeit greifbar ist, öffentliche Gelder verlangen. Naheliegenderw eise (!?) ist dabei jede Tendenz (!) zu unterstützen, die darauf hinausläuft, möglichst viel Steuergelder weg vom Zentralstaat auf die Kommunen zu verlagern."

Für die revolutionäre Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes und der Umsatzsteuerzuteilungsquote! (Die alte KBW-Natur schlägt wieder durch.) Anschließend dürfen sich alle alternativen Hänger (Ausweis mitbringen?) beim Stadtkämmerer melden, um die 0,7%-Umlage für "Gestaltung neuer Arbeitszusammenhänge" abzuholen.

Realismus und Idiotie

müssen ganz unmittelbar nebeneinander stehen. Die Revolution hat, in der alternativen Betrachtungsweise, schon längst begonnen. Da der Linke an sich selbst den Auftrag entdeckt hat, für die Gesellschaft die Krise zu bewältigen, ist die Gesellschaft schon in grundsätzlicher Umwandlung begriffen. Jetzt, wo r dabei ist, kann das doch nicht mehr der alte Kapitalumus sein. Da verbietet es sich, unreflektiert-oppositionell aufzutreten. Alle Äußerungen müssen - die Chance ist ja da! - auf ihren konstruktiven Charakter untersucht werden. Die "Adressaten" dürfen nicht verprellt werden, wo man sich ihnen doch gerade so überzeugend angedienert hat.

"Unrealistisch" ist der beliebteste Vorwurf unter Linken heutzutage - und sie meinen damit, daß sie sich ihren endgültig geschlossenen Frieden von "linksradikalen" Quertreibem nicht kaputtmachen lassen wollen. Worin aber besteht ihr Realismus? Ausschließlich in ihrer neuen Haltung, die auch nur sie selbst sich als Fortschritt attestieren. Alle vom Staat aufgetischten "Probleme" nehmen sie ernst und fragen sich, "was geht da (alternativ) zu machen": JA zu den "schweren Zeiten" und zum staatlichen Auftrag, sie zu "bewältigen"; JA zur Verantwortlichkeit aller gegenüber einer Krise, die "uns alle" beutelt; JA zur selbstausgedachten "Möglichkeit", "sich einzubringen".

Angesichts einer staatlichen Praxis, die sehr scharf erklärt, daß sie mit den "Vorschlägen" dieser Linken nichts am Hut hat, kommen diese auch nicht zur Besinnung, sondern melden ein kleines "Nein" an. Wenn der Staat sich weigert zu tun, was er eigentlich wollen müßte, dann muß ein Zweifel an den Methoden staatlicher "Krisenbewältigung" geäußert werden. Die darin geäußerte Vermutung, der Staat könne einen Fehler machen, wendet sich jedoch sofort ganz selbstkritisch: "Sind unsere Vorschläge denn auch wirklich realistisch genug? Haben wir denn auch alles getan, diesen Fehler zu unterbinden?" Und eben weil sie von dieser Grundlage aus ihre "Vorschläge" ersinnen, sind sie auch so idiotisch. Die Vorschläge ihrer Kollegen in den Redaktionen und Seminaren sind auch nicht realistisch in dem Sinne, daß Staatshandeln sich davon ableiten lassen würde - aber wer sich (genau wie jene Kollegen) ganz auf den Standpunkt der staatlichen "Notwendigkeiten" stellt, dann aber zugleich behauptet, dadurch würde sich alles verändern, bloß weil r ein anderer sei und doch mittendrin, der kriegt ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wie soll man denn da zusammenbringen, daß man ganz furchtbar für Wirtschaftspolitik zu haben ist, dies aber nur dadurch beweisen kann, daß man laufend konstruktive Alternativen vorweist!

Also reflektiert der Linke ganz explizit die Unernsthaftigkeit seines Vorschlags gleich mit und beginnt eine große Debatte über "Was wäre machbar, wenn...". Dies möge man ihm aber, bitteschön, nicht bestreiten. Und siehe da! Der Beruf des linken Methodisierers, der ununterbrochen über seine bedauernswerte Distanz zur realen Macht lamentiert, ernährt tatsächlich noch seinen Mann.